Die Ordnung des Lebens
Jürgen Fliege ordnet die Zehn Gebote unseren Lebensstadien zu und spiegelt in ihnen zehn Entwicklungsaufgaben - von der frühesten Kindheit bis ins hohe Alter. Plötzlich werden die uralten Weisungen überraschend lebendig, bieten Inspirationen für eine...
Jürgen Fliege ordnet die Zehn Gebote unseren Lebensstadien zu und spiegelt in ihnen zehn Entwicklungsaufgaben - von der frühesten Kindheit bis ins hohe Alter. Plötzlich werden die uralten Weisungen überraschend lebendig, bieten Inspirationen für eine gelingendes Leben und offenbaren, was jeder im Leben zu tun hat: relitäsnah und zeitlos modern.
Dieses Buch ist eine Revolution! Jürgen Fliege ordnet die Zehn Gebote unseren Lebensstadien zu und spiegelt in ihnen zehn Entwicklungsaufgaben von der frühesten Kindheit bis ins hohe Alter. Plötzlich werden die uralten Weisungen überraschend lebendig, bieten Inspiration für ein gelingendes Leben und offenbaren, was jeder im Leben zu tun hat: realitätsnah und zeitlos modern.
Die Ordnung des Lebens von JürgenFliege
LESEPROBE
Sehnsucht, unser Seelenflüsterer
Es sind die wohl wichtigsten undschwersten Sätze der Menschheitsgeschichte. Aufgeschrieben von wem auch immer.Sie sind für jeden einzelnen Menschen formuliert. Wann immer der einzelneMensch diese Erde auch betreten hat oder betreten wird, sie waren und sind fürihn. Und wo und in welcher Tradition er sie betreten hat, Ost oder West, siesind für ihn. Sie sind nicht auszulöschen. Von niemandem. Als ob das ewigeFeuer selbst sie in die Steine der Berge am Sinai gebrannt hätte. Sie sind von Ewigkeitzu Ewigkeit. Die wirklich ganz großen Offenbarungen in derMenschheitsgeschichte erheben sich über alle Konfessionen und Religionen. Soerhaben, so tief sind sie.
Und sie sind für uns alle gemeinsamformuliert, für die Familie, für das Volk und die Völker und endlich auch fürdie ganze Kreatur. Wann immer wir die rechten Wege für die Zukunft von unsallen suchen, werden wir den Weg durch diese Gebote bestimmt und begrenztsehen. Es gibt keinen anderen Weg zu einem gelungenen Leben. Es gibt keinenanderen Weg, die Gier nach Leben durch eine tiefe Dankbarkeit langsam sichauflösen zu lassen. Es gibt keinen anderen Weg, die kleine Faust eines jedenMenschen zu öffnen, dass sie bereit ist, sich zu entspannen, um nun nichtsmehr festzuhalten. Es gibt keinen anderen Weg, das geschenkte Leben als Hingabean Kinder und Kindeskinder weiterzugeben. Dafür haben wir alle unsereLebenszeit bekommen. Ich meine Zeit und Sie die Ihre.
Auf diesem Weg ist unsere Sehnsuchtunser Seelenflüsterer. Sie versteht uns in jederLebenslage. Unsere Sehnsucht sorgt dafür, dass wir das Ziel einesgeschwisterlichen Lebens nicht aus dem Blick verlieren. Sie verlässt uns nicht.Die Sehnsucht kann man nicht begraben. Sie seufzt, wie Paulus weiß, zu jeder Lebenszeitals stillstes und heiligstes Gebet, unverfälscht aus der Tiefe jeder Seele.Alle Sehnsucht sehnt sich nach Heimat und einem Zuhause, wie weit undgefährlich es auch immer sein wird. Sie sehnt sich, endlich daheim zu sein.Alle Sehnsucht richtet sich daher darauf, eines Tages die engen Grenzen des Ichund seiner Enge und Angst aufgeben zu können, um wieder als Teil im Ganzen zuleben. Zuerst ist es die Sehnsucht nach der Mutter, dann nach der Familie, dannsind es die Schwestern und Brüder des Herzens und später kommen sogar alle Kreaturenhinzu. In den dunklen Weihnachtsnächten ist sie überdeutlich spürbar. ZumWeihnachtsfrieden gehören Tiere und Sternenhimmel untrennbar dazu. Dies ist derWeg des Herzens, das sich mit den Lebensjahren mehr und mehr für alle und allesöffnen will. Wie eine Rose will es blühen und vergehen.
Und immer wird die Sehnsucht dieMedizin der Seele sein, die uns aus der Gefahr, ein sündiges, abgesondertes,vereinsamtes und misslungenes Leben zu führen, ruft und befreit. Aber sie verachtetdie Sünde nicht. Die Sünde ist schließlich die Mutter der Sehnsucht, ihrverdankt sie sich, während die Sehnsucht selbst sich am Ende zum Vater in denHimmel sehnt.
Der Weg dorthin aber sind auf dieserErde die Zehn Gebote. Ich glaube, dass ich es weiß.
Wie die Zehn Gebote missbrauchtwerden
Mich haben diese Zehn Gebote überfünfzig Jahre lang dennoch nicht interessiert. Das hat gute Gründe, die sich invielen eigenen Lebensgeschichten widerspiegeln. Solange ich zurückdenkenkann, hat man mich mit den Zehn Geboten bedroht. Sie waren eine mächtige,geheimnisvolle Keule der Großen, die sie mit dunkler, ja schwarzer Pädagogikgegen die Kleinen schleuderten.
Als ich klein war, verbot man mirdas Lügen und Kirschenstehlen und all die anderen schönen Dinge, die der liebeGott verboten haben soll. Und doch schaut er von ferne offenbar sichtlichneugierig danach, ob man ihm auch gehorcht. Es blieb bei mir immer ein Gefühl,als wenn der liebe Gott mehr am stillen Zuschauen interessiert sei als daran,dass die Kirschen auf dem Baum des Nachbarn blieben. »Du sollst nicht stehlen!« Ich aber stahl die doppelt süßen Kirschen und hatte einschlechtes Gewissen. Als ich einmal von den Kirschen einen Durchfall bekam,wusste ich gleich, von wem ich mir diese Strafe eingehandelt hatte. KleineSünden straft der »liebe Gott« sofort.
Der »liebe Gott« sieht seit meinerfrommen Kindheit alles, was ich tue. Und dass er nichts verrät, war mir nie einTrost. Außerdem stimmt es gar nicht: Der liebe Gott straft nicht. Genausowenig wie das Leben selbst straft. Er ist kein neurotischer Vater, der seineeigene Angst dadurch abbaut, dass er sie als Strafe getarnt immer weiter nachunten durchreicht, bis sie den Schwächsten der Schwachen trifft und umbringt.
Als ich dann vierzehn Jahre alt war,wollte man meine Rebellion gegen meinen strengen Vater stoppen, indem man mir dasvierte Gebot im Konfirmandenunterricht einbimste. Wer das vierte Gebot aufsagensollte, musste dabei aufstehen und schämte sich in der großen Kirche ammeisten. Ausgerechnet das vierte Gebot - und das auch noch im Angesicht derGemeinde und der nervösen Eltern! Dieses peinliche vierte Gebot schien zumKleinhalten der aufmüpfigen Jugend sehr geeignet. Es war bei den Eltern äußerstbeliebt. Unsichtbar verlängerte es ihren drohenden Zeigefinger. Und so gingeine stille Genugtuung über deren Gesicht, wenn der Pfarrer ihre Sorgenkinderan den Pranger rief, der drei Meter vom Altar entfernt war.
Und wieder spürte ich das schlechteGewissen, wo ich doch lebenslang meinem tief zu ehrenden Vater aus dem Wegging, sooft es möglich war. Es war eine offenkundige Sünde. (Aber sie kam ohneDurchfall aus. Durchfall hatte ich eher, wenn ich ihm begegnete.) »Du sollstVater und Mutter ehren!« Ich aber konnte und wolltees nicht. Der Mann war mir zeit meines Lebens eher ein Graus. Heute kann ichnur beten: »Vater, verzeih mir!« Aber damals, vor allden Jahren, war es so.
Wie sollte ich jemanden verehren,der mir Angst und Schrecken bereitete, sooft ich an ihn dachte? Wie sollte icheinen Menschen ehren, der uns Kinder schlug? Wie soll denn überhaupt ein Kindauf der Welt Vater oder Mutter ehren, wenn es genau von diesen beidengedemütigt und da und dort sogar missbraucht wird? Das vierte Gebot kann dochunmöglich von einem Gottesmann für ungezogene Kinder in Stein gemeißelt wordensein. Was wäre das für ein Gott, und was wäre das für ein Gottesmann? Hierstimmt doch etwas nicht. Wenn das Gebot aber nicht für ungezogene Kinder undJugendliche formuliert worden ist, für wen denn dann?
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© Goldmann Verlag
- Autor: Jürgen Fliege
- 2007, 191 Seiten, Maße: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442169127
- ISBN-13: 9783442169122
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