Die Rache der Dunkelelfen / Dunkelelfen-Saga Bd.2
Die Legende von Drizzt. Roman
Drizzt Do'Urden hat einen schweren Fehler begangen: Er hat die finstere Spinnengöttin Loth verraten. Ein unverzeihliches Verbrechen. Nun ist Loth zu einem qualvollen Tod verdammt. Doch er hat im Unterreich mittlerweile neue Verbündete gefunden.
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Produktinformationen zu „Die Rache der Dunkelelfen / Dunkelelfen-Saga Bd.2 “
Drizzt Do'Urden hat einen schweren Fehler begangen: Er hat die finstere Spinnengöttin Loth verraten. Ein unverzeihliches Verbrechen. Nun ist Loth zu einem qualvollen Tod verdammt. Doch er hat im Unterreich mittlerweile neue Verbündete gefunden.
Klappentext zu „Die Rache der Dunkelelfen / Dunkelelfen-Saga Bd.2 “
Die Dunkelelfen gehören zu den beliebtesten Völkern der Fantasy!Die Dunkelelfen der unterirdischen Stadt Menzoberranzan verzeihen nahezu jedes Verbrechen. Nur ein Vergehen darf niemals ungesühnt bleiben: Untreue gegenüber der finsteren Spinnengöttin Loth. Dem in Ungnade gefallenen Haus Do'Urden bleibt nur eine Möglichkeit, die Gunst der Göttin zurückzugewinnen. Allein der qualvolle Tod und das Blut des verräterischen Sohns des Hauses können Loth besänftigen - das Blut von Drizzt Do'Urden. Doch der junge Abtrünnige hat im Unterreich bereits neue Verbündete und Freunde gefunden.
Der zweite Teil der Saga, mit der R.A. Salvatore Weltruhm erlangte - endlich in ungeteilter Ausgabe!
Lese-Probe zu „Die Rache der Dunkelelfen / Dunkelelfen-Saga Bd.2 “
Die Rache der Dunkelelfen von R. A. SalvatoreEinleitung
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NIEMALS ZIERT EIN Stern dieses Land mit des Poeten lichtfunkelnder Mysterien, noch sendet die Sonne ihre wärmenden und belebenden Strahlen hierher. Dies ist das Unterreich, eine geheime Welt unter der bewegten Oberfläche der Vergessenen Welten, deren Himmel von einer Decke aus kühlem Stein gebildet wird und deren Mauern die graue Sanftmut des Todes im Fackelschein der zufällig hierhergelangten törichten Oberflächenbewohner zeigen. Dies ist nicht ihre Welt, nicht die Welt des Lichts. Wer uneingeladen hierherkommt, kehrt meistens nicht zurück.
Und jene, die in die Sicherheit ihrer Behausungen an der Oberfläche entkommen können, kehren verändert zurück. Ihre Augen haben die Schatten und das Dunkel gesehen, das unausweichliche Verhängnis des Unterreichs.
Dunkle Gänge schlängeln sich in Windungen durch das gesamte dunkle Reich und verbinden große und kleine Höhlen mit hohen und niedrigen Decken miteinander. Wälle aus Steinen, die so spitz sind wie die Zähne eines schlafenden Drachen, starren in stummer Bedrohung herab oder erheben sich als Hindernis im Weg des Eindringlings.
Hier herrscht eine tiefe und ahnungsvolle Stille, die angespannte Ruhe eines Diebes bei der Arbeit. Zu häufig ist der einzige Laut, der einzige Hinweis für Reisende im Un-
terreich darauf, dass sie ihr Hörvermögen nicht vollständig verloren haben, ein entferntes und widerhallendes Tropfgeräusch, das wie der Herzschlag eines Tieres klingt und durch die stummen Steine zu den tief im Unterreich gelegenen Teichen kühlen Wassers abgleitet. Was sich unter der ruhigen onyxähnlichen Oberfläche dieser Teiche befindet, kann man nur erahnen. Welche Geheimnisse den Tapferen und welche Schrecknisse den Narren erwarten, kann nur die Fantasie offenbaren - bis die Stille zerstört wird.
Das ist das Unterreich.
Hier gibt es Höhlen voller Leben, Städte, die oft so groß sind wie die an der Oberfläche. Hinter jeder der unzähligen Biegungen und Windungen im grauen Stein könnte ein Reisender plötzlich in das Umfeld einer solchen Stadt geraten, die einen starken Kontrast zu der Leere der Gänge bildet. Aber diese Orte sind keine Zufluchtsorte. Nur der törichte Reisende würde das vermuten. Sie sind vielmehr die Heimstätten der übelsten Völker im ganzen Reich, insbesondere der Duergar, der Kuo-Toa und der Drow. In einer dieser Höhlen, die zwei Meilen breit und tausend Fuß hoch ist, ragt Menzoberranzan drohend auf, ein Monument für die Anderweltlichen und - nicht zuletzt - für die tödliche Anmut, die die Rasse der Drowelfen kennzeichnet. Nach Drowmaßstäben ist Menzoberranzan keine große Stadt. Es leben dort nur zwanzigtausend Dunkelelfen. Wo sich in vergangenen Zeiten eine leere Höhle mit grob gestalteten Stalaktiten und Stalagmiten befand, stehen nun kunstvolle Bauwerke, aneinandergereihte gemeißelte Schlösser, die im stillen Licht der Magie verschwimmen. Die Stadt ist eine Perfektion der Formen, in der kein Stein in seiner natürlichen Form verblieben ist. Dieser Eindruck von Ordnung und Kontrolle ist jedoch nur
eine grausame Fassade, eine Illusion, die das Chaos und die Schlechtigkeit, die in den Herzen der Dunkelelfen regieren, verbirgt. Wie ihre Städte sind sie ein wundervolles, schwaches und empfindliches Volk mit strengen und immer wiederkehrenden Grundzügen.
Aber die Drow sind die Herrscher dieser unbeherrschten Welt, die Tödlichsten der Tödlichen, und alle anderen Völker beobachten sorgfältig ihren Lebensweg. Die Schönheit selbst verblasst am Ende des Schwertes eines Dunkelelfen. Die Drow sind die Überlebenden, und dies ist das Unterreich, das Tal des Todes - das Land obskurer Albträume.
TEIL 1
RANGORDNUNG
Rangordnung.
In der gesamten Welt der Drow gibt es kein wichtigeres Wort. Es ist die Visitenkarte ihrer - unserer - Religion, das unaufhörliche Sehnen tiefster Gefühle. Ehrgeiz unterdrückt den gesunden Menschenverstand, und das Mitleid wird ihm vor die Füße geworfen. Und das alles im Namen von Lloth, der Spinnenkönigin.
Der Aufstieg zur Macht basiert in der Gesellschaft der Drow auf Meuchelmord. Die Spinnenkönigin ist eine Gottheit des Chaos, und sie und ihre Priesterinnen, die wahren Herrscher der Welt der Drow, betrachten ehrgeizige Individuen, die vergiftete Dolche verwenden, nicht mit Missgunst.
Natürlich gibt es Verhaltensregeln. Jede Gesellschaft muss sie aufweisen. Öffentlich einen Mord zu begehen oder einen Krieg anzuzetteln zieht eine Gerichtsverhandlung nach sich, und die Strafen, die im Namen der Gerechtigkeit der Drow verhängt werden, sind gnadenlos. Einem Rivalen im Tumult einer größeren Schlacht oder in den lautlosen Schatten einer Gasse einen Dolch in den Rücken zu stoßen wird hingegen meistens akzeptiert - wenn nicht sogar gebilligt. Untersuchungen sind nicht die Stärke der Gerichtsbarkeit der Drow. Niemanden kümmert es genug, um sich Gedanken darüber zu machen. Rangordnungen sind das Mittel der Lloth, der Ehrgeiz, den sie dareinsetzt, das Chaos zu fördern, um ihre Drow»kinder« auf ihrem vereinbarten Kurs der Selbstbegrenzung zu halten. Kinder? Eher Schachfiguren, für die Spinnenkönigin tanzende Puppen, Marionetten auf den kaum wahrnehmbaren, aber undurchlässigen Fäden ihres Netzes. Alle klettern die Leitern der Spinnenkönigin hinauf, alle jagen ihrer Gunst hinterher, und alle fallen den Jägern ihrer Gunst zum Opfer.
Rangordnungen sind der Widersinn der Welt meines Volkes, die Begrenzung unserer Macht innerhalb des Strebens nach Macht. Sie werden durch Verrat gewonnen und bewirken Verrat gegen jene, die sie gewinnen. Diese Mächtigsten in Menzoberranzan verbringen ihre Zeit damit, über ihre Schultern zu sehen, um sich gegen Dolche zu wappnen, die sie in den Rücken treffen könnten.
Ihr Tod kommt üblicherweise von vorn.
Drizzt Do'Urden
MENZOBERRANZAN
AN EINEM OBERFLÄCHENBEWOHNER hätte er in nur einem Fuß Entfernung unbemerkt vorbeikommen können. Die gedämpften Schritte seiner Eidechse waren zu leicht, um gehört werden zu können, und die geschmeidige und gut ausbalancierte Rüstung, die sowohl Reiter als auch Reittier trugen, passte sich ihren Bewegungen perfekt an.
Dinins Eidechse trabte in leichter, aber rascher Gangart dahin, glitt über den aufgebrochenen Boden, die Wände hinauf und sogar an der Decke des langen Tunnels entlang. Eidechsen des Unterreichs mit ihren klebrigen und weichen dreizehigen Füßen wurden gerade wegen dieser Fähigkeit, Stein so leicht wie eine Spinne erklettern zu können, als Reittiere bevorzugt. Das Überqueren harten Untergrundes hinterließ in der hellen Welt der Oberfläche keine verräterischen Spuren. Aber fast alle Lebewesen des Unterreichs besaßen Infravision, die Fähigkeit, im infraroten Spektrum sehen zu können. Schritte hinterließen Hitzerückstände, die leicht verfolgt werden konnten, wenn sie einen vorhersehbaren Verlauf auf dem Boden eines Ganges markierten.
Dinin klammerte sich am Sattel fest, als sich die Eidechse eine Strecke an der Decke entlangmühte und dann einen wirbelnden Abstieg zu einem weiter entfernten Punkt vollführte. Dinin wollte nicht verfolgt werden. Es gab kein Licht, an dem er sich hätte orientieren können, aber er brauchte auch keines. Er war ein Dunkelelf, ein Drow mit ebenholzfarbener Haut, ein Stammesverwandter jener Waldbewohner, die an der Oberfläche der Welt unter den Sternen tanzten. Für Dinins außergewöhnliche Augen, die subtile Wärmeabweichungen in lebhafte und farbenfrohe Bilder übertrugen, war das Unterreich alles andere als ein lichtloser Ort. Alle Farben des Spektrums wirbelten vor ihm in dem Gestein der Wände und des Bodens umher, erhitzt durch irgendeinen entfernten Erdspalt oder einen heißen Strom. Die Wärme von Lebewesen war sehr spezifisch und erlaubte es dem Blick des Dunkelelfs, seinen Feind so deutlich und in allen Einzelheiten zu sehen, wie es für einen Oberflächenbewohner nur in hellem Tageslicht möglich war.
Normalerweise hätte Dinin die Stadt nicht allein verlassen. Die Welt des Unterreichs war zu gefährlich für Alleingänge, sogar für einen Drowelf. Aber an diesem Tag war es anders. Dinin musste sichergehen, dass kein unfreundlich gesinnter Drow sein Vorübergehen bemerkte.
Ein sanfter blauer magischer Glanz hinter einem in Stein gemeißelten Bogengang zeigte dem Drow an, dass er sich dem Eingang der Stadt näherte, und er verlangsamte den Schritt der Eidechse entsprechend. Nur wenige benutzten diesen engen Tunnel, der sich zum Tier Breche hin öffnete, dem nördlichen Abschnitt Menzoberranzans, der der Akademie vorbehalten war. Und niemand außer den Herrinnen und Herren, den Instruktoren der Akademie, konnte hier hindurchgehen, ohne Verdacht zu erregen.
Dinin wurde stets unruhig, wenn er an diese Stelle kam. Von den hundert Tunneln, die sich in die Haupthöhle Menzoberranzans öffneten, war dies der am besten bewachte.
Über dem Bogengang stand ein Paar gigantischer Spinnenstatuen in stummer Abwehr. Wenn ein Feind hindurchkam, wurden die Spinnen mit Leben erfüllt und griffen an, und in der gesamten Akademie wurden Alarmanlagen in Gang gesetzt.
Dinin stieg ab und ließ die Eidechse einfach an einer Wand in Brusthöhe haften. Er fasste unter den Kragen seines Piwafwi, seines magischen Schutzumhangs, und nahm seine Halsbörse heraus. Ihr entnahm er die Insignien des Hauses Do'Urden, eine Spinne, die mit jedem ihrer acht Beine verschiedene Waffen führte und mit den Initialen »DN« für Daermon N'a'shezbaernon, dem uralten formellen Namen des Hauses Do'Urden, verziert war.
»Warte auf meine Rückkehr«, flüsterte Dinin der Eidechse zu, während er die Insignien vor ihr umherschwenkte. Wie bei allen Häusern der Drow enthielten auch die Insignien des Hauses Do'Urden mehrere magische Dweomer, von denen eines den Familienmitgliedern absolute Kontrolle über Haustiere verlieh. Die Eidechse würde unfehlbar gehorchen und selbst dann an ihrem Platz verharren, als wäre sie im Stein verwurzelt, wenn sich eine vorüberhastende Ratte - ihr liebster Happen - nur ein paar Fuß von ihrem Maul entfernt zu einem Nickerchen entschließen sollte.
Dinin atmete tief ein und betrat vorsichtig den Bogengang. Er konnte die Spinnen aus ihrer Höhe von fünfzehn Fuß auf ihn hinabblicken sehen. Er war ein Drow der Stadt, kein Feind und konnte ungehindert durch jeden anderen Tunnel gehen, aber die Akademie war ein nicht einschätzbarer Ort. Dinin hatte gehört, dass die Spinnen den Eintritt oft tückisch verweigerten - auch einem nicht eingeladenen Drow.
Schrecken und Möglichkeiten sollten ihn nicht aufhalten können, erinnerte sich Dinin. Sein Auftrag war von größter Bedeutung für die Kampfpläne seiner Familie. Den Blick streng nach vorn gerichtet, fort von den turmhohen Spinnen, schritt er zwischen ihnen hindurch und betrat den Boden des Tier Breche.
Er trat zur Seite und legte eine Pause ein, zum einen, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe im Hinterhalt lag, und zum anderen auch, um den überwältigenden Blick auf Menzoberranzan zu bewundern. Niemand anderer, weder Drow noch sonst jemand, hatte jemals von diesem Platz aus auf die Stadt der Drow hinabgesehen, ohne ein wundersames Gefühl zu verspüren. Tier Breche war der höchste Punkt auf dem Boden der zwei Meilen großen Höhle, wodurch ein Panoramablick auf den Rest von Menzoberranzan ermöglicht wurde. Das anheimelnde Gelände der Akademie war schmal und umfasste die drei Gebäude, aus der die Schule der Drow bestand: Arach-Tinilith, die spinnenförmige Schule der Lloth; Sorcere, der anmutig geschwungene, stark gewundene Turm der Magie; und Melee-Magthere, ein eher flaches pyramidenförmiges Gebäude, in dem männliche Kämpfer ihre Kunst erlernten.
Jenseits des Tier Breche, durch die verzierten Stalagmitensäulen hindurch, die den Eingang zur Akademie markierten, fiel die Höhle schnell ab und verbreiterte sich zu beiden Seiten bis hinter Dinins Sichtgrenze zu einer weiten Ebene. Die Farben Menzoberranzans stellten sich für die empfindsamen Augen eines Drow dreifach dar. Hitzemuster von verschiedenen Spalten und heißen Quellen wirbelten durch die gesamte Höhle. Purpurfarben und Karminrot, helles Gelb und subtile Blautöne kreuzten sich und gingen ineinander über, zogen sich über die Wände und Stalagmitenwälle hin oder liefen einzeln in sich überschneidenden Linien vor dem Hintergrund des stumpfen grauen Steins entlang. Sehr viel begrenzter als diese allgemeinen und natürlichen Farbeinteilungen im infraroten Spektrum waren die Bereiche intensiver Magie wie bei den Spinnen, an denen Dinin vorbeigegangen war und die tatsächliche Energie ausstrahlten. Und schließlich waren da die wirklichen Lichter der Stadt, die Feenfeuer und angestrahlten Skulpturen an den Häusern. Die Drow waren stolz auf die Schönheit ihrer Entwürfe, und besonders verzierte Säulen oder mit Künstlerhand perfekt gestaltete Wasserspeier waren fast immer in beständiges magisches Licht getaucht.
Sogar aus dieser Entfernung konnte Dinin Haus Baenre, das Erste Haus von Menzoberranzan, ausmachen. Es umfasste zwanzig Stalagmitensäulen und noch einmal halb so viele gigantische Stalaktiten. Haus Baenre existierte seit fünftausend Jahren, seit der Gründung Menzoberranzans, und in dieser Zeit hatten die Bemühungen um die Perfektionierung seiner Kunst niemals aufgehört. Praktisch jeder Zentimeter des überwältigenden Gebäudes erglühte im Feenfeuer, blau um die äußeren Türme und strahlend purpurfarben um die hohe Mittelkuppel.
Das deutlich abgegrenzte Licht von Kerzen, fremd im Unterreich, leuchtete durch einige der Fenster der weiter entfernten Häuser. Dinin wusste, dass nur Priesterinnen oder Zauberer die Feuer als notwendige Bemühung in ihrer Welt der Schriftrollen und Pergamente entzündeten.
Das war Menzoberranzan, die Stadt der Drow. Zwanzigtausend Dunkelelfen lebten dort, zwanzigtausend Krieger in der Armee des Bösen.
Ein verschlagenes Lächeln breitete sich auf Dinins dünnen Lippen aus, als er daran dachte, dass einige jener Krieger heute Nacht fallen würden.
Dinin betrachtete Narbondel, die große Mittelsäule, die Menzoberranzan als Zeitmesser diente. Der Narbondel war die einzige Möglichkeit für die Drow, das Verstreichen der Zeit in einer Welt festzuhalten, die ansonsten keine Tage und keine Jahreszeiten kannte. Am Ende jeden Tages brachte der bevollmächtigte Erzmagier der Stadt seine magischen Feuer in das Fundament der Säule. Dort verblieb der Zauber einen Zyklus lang - an der Oberfläche ein ganzer Tag - und sandte seine Wärme nach und nach in die Narbondel genannte Säule hinauf, bis sie im infraroten Spektrum gänzlich rot erglühte. Die Säule war jetzt völlig dunkel und abgekühlt, seit die Feuer des Dweomer erloschen waren. Der Zauber musste sich auch jetzt im Fundament befinden, überlegte Dinin, bereit, den Zyklus erneut zu beginnen.
Es war Mitternacht, die vereinbarte Stunde.
Dinin entfernte sich von den Spinnen und dem Tunneleingang und schlich am Rande des Tier Breche entlang, wobei er die »Schatten« der Hitzemuster an der Wand aufsuchte, die die andersartige Kontur seiner eigenen Körpertemperatur wirksam verbergen würden. Schließlich erreichte er Sorcere, die Schule der Zauberei, und schlüpfte in die enge Gasse zwischen dem geschwungenen Sockel des Turmes und der Außenmauer von Tier Breche.
»Schüler oder Meister?«, ertönte das erwartete Flüstern.
»Nur ein Meister darf in Tier Breche im Schwarzen Tod des Narbondel sein Haus verlassen«, antwortete Dinin.
Eine düster gekleidete Gestalt kam um die Biegung des Gebäudes herum und blieb vor Dinin stehen. Der Fremde verharrte in der üblichen Haltung eines Meisters der Akademie der Drow, die Arme vorgestreckt und an den Ellenbogen gebeugt, die Hände eine über der anderen, fest vor der Brust zusammengepresst.
Diese Pose war das Einzige an der ganzen Situation, das Dinin normal erschien. »Ich grüße Euch, Gesichtsloser«, signalisierte er in der stummen Zeichensprache der Drow, einer ebenso detaillierten Sprache wie der gesprochenen. Das Zittern seiner Hände strafte sein ruhiges Gesicht jedoch Lügen, denn der Anblick dieses Zauberers brachte ihn so nah an den Rand seiner Nervenkraft wie niemals zuvor.
Übersetzung: Karin König
Deutsche Ausgabe Oktober 2010 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
NIEMALS ZIERT EIN Stern dieses Land mit des Poeten lichtfunkelnder Mysterien, noch sendet die Sonne ihre wärmenden und belebenden Strahlen hierher. Dies ist das Unterreich, eine geheime Welt unter der bewegten Oberfläche der Vergessenen Welten, deren Himmel von einer Decke aus kühlem Stein gebildet wird und deren Mauern die graue Sanftmut des Todes im Fackelschein der zufällig hierhergelangten törichten Oberflächenbewohner zeigen. Dies ist nicht ihre Welt, nicht die Welt des Lichts. Wer uneingeladen hierherkommt, kehrt meistens nicht zurück.
Und jene, die in die Sicherheit ihrer Behausungen an der Oberfläche entkommen können, kehren verändert zurück. Ihre Augen haben die Schatten und das Dunkel gesehen, das unausweichliche Verhängnis des Unterreichs.
Dunkle Gänge schlängeln sich in Windungen durch das gesamte dunkle Reich und verbinden große und kleine Höhlen mit hohen und niedrigen Decken miteinander. Wälle aus Steinen, die so spitz sind wie die Zähne eines schlafenden Drachen, starren in stummer Bedrohung herab oder erheben sich als Hindernis im Weg des Eindringlings.
Hier herrscht eine tiefe und ahnungsvolle Stille, die angespannte Ruhe eines Diebes bei der Arbeit. Zu häufig ist der einzige Laut, der einzige Hinweis für Reisende im Un-
terreich darauf, dass sie ihr Hörvermögen nicht vollständig verloren haben, ein entferntes und widerhallendes Tropfgeräusch, das wie der Herzschlag eines Tieres klingt und durch die stummen Steine zu den tief im Unterreich gelegenen Teichen kühlen Wassers abgleitet. Was sich unter der ruhigen onyxähnlichen Oberfläche dieser Teiche befindet, kann man nur erahnen. Welche Geheimnisse den Tapferen und welche Schrecknisse den Narren erwarten, kann nur die Fantasie offenbaren - bis die Stille zerstört wird.
Das ist das Unterreich.
Hier gibt es Höhlen voller Leben, Städte, die oft so groß sind wie die an der Oberfläche. Hinter jeder der unzähligen Biegungen und Windungen im grauen Stein könnte ein Reisender plötzlich in das Umfeld einer solchen Stadt geraten, die einen starken Kontrast zu der Leere der Gänge bildet. Aber diese Orte sind keine Zufluchtsorte. Nur der törichte Reisende würde das vermuten. Sie sind vielmehr die Heimstätten der übelsten Völker im ganzen Reich, insbesondere der Duergar, der Kuo-Toa und der Drow. In einer dieser Höhlen, die zwei Meilen breit und tausend Fuß hoch ist, ragt Menzoberranzan drohend auf, ein Monument für die Anderweltlichen und - nicht zuletzt - für die tödliche Anmut, die die Rasse der Drowelfen kennzeichnet. Nach Drowmaßstäben ist Menzoberranzan keine große Stadt. Es leben dort nur zwanzigtausend Dunkelelfen. Wo sich in vergangenen Zeiten eine leere Höhle mit grob gestalteten Stalaktiten und Stalagmiten befand, stehen nun kunstvolle Bauwerke, aneinandergereihte gemeißelte Schlösser, die im stillen Licht der Magie verschwimmen. Die Stadt ist eine Perfektion der Formen, in der kein Stein in seiner natürlichen Form verblieben ist. Dieser Eindruck von Ordnung und Kontrolle ist jedoch nur
eine grausame Fassade, eine Illusion, die das Chaos und die Schlechtigkeit, die in den Herzen der Dunkelelfen regieren, verbirgt. Wie ihre Städte sind sie ein wundervolles, schwaches und empfindliches Volk mit strengen und immer wiederkehrenden Grundzügen.
Aber die Drow sind die Herrscher dieser unbeherrschten Welt, die Tödlichsten der Tödlichen, und alle anderen Völker beobachten sorgfältig ihren Lebensweg. Die Schönheit selbst verblasst am Ende des Schwertes eines Dunkelelfen. Die Drow sind die Überlebenden, und dies ist das Unterreich, das Tal des Todes - das Land obskurer Albträume.
TEIL 1
RANGORDNUNG
Rangordnung.
In der gesamten Welt der Drow gibt es kein wichtigeres Wort. Es ist die Visitenkarte ihrer - unserer - Religion, das unaufhörliche Sehnen tiefster Gefühle. Ehrgeiz unterdrückt den gesunden Menschenverstand, und das Mitleid wird ihm vor die Füße geworfen. Und das alles im Namen von Lloth, der Spinnenkönigin.
Der Aufstieg zur Macht basiert in der Gesellschaft der Drow auf Meuchelmord. Die Spinnenkönigin ist eine Gottheit des Chaos, und sie und ihre Priesterinnen, die wahren Herrscher der Welt der Drow, betrachten ehrgeizige Individuen, die vergiftete Dolche verwenden, nicht mit Missgunst.
Natürlich gibt es Verhaltensregeln. Jede Gesellschaft muss sie aufweisen. Öffentlich einen Mord zu begehen oder einen Krieg anzuzetteln zieht eine Gerichtsverhandlung nach sich, und die Strafen, die im Namen der Gerechtigkeit der Drow verhängt werden, sind gnadenlos. Einem Rivalen im Tumult einer größeren Schlacht oder in den lautlosen Schatten einer Gasse einen Dolch in den Rücken zu stoßen wird hingegen meistens akzeptiert - wenn nicht sogar gebilligt. Untersuchungen sind nicht die Stärke der Gerichtsbarkeit der Drow. Niemanden kümmert es genug, um sich Gedanken darüber zu machen. Rangordnungen sind das Mittel der Lloth, der Ehrgeiz, den sie dareinsetzt, das Chaos zu fördern, um ihre Drow»kinder« auf ihrem vereinbarten Kurs der Selbstbegrenzung zu halten. Kinder? Eher Schachfiguren, für die Spinnenkönigin tanzende Puppen, Marionetten auf den kaum wahrnehmbaren, aber undurchlässigen Fäden ihres Netzes. Alle klettern die Leitern der Spinnenkönigin hinauf, alle jagen ihrer Gunst hinterher, und alle fallen den Jägern ihrer Gunst zum Opfer.
Rangordnungen sind der Widersinn der Welt meines Volkes, die Begrenzung unserer Macht innerhalb des Strebens nach Macht. Sie werden durch Verrat gewonnen und bewirken Verrat gegen jene, die sie gewinnen. Diese Mächtigsten in Menzoberranzan verbringen ihre Zeit damit, über ihre Schultern zu sehen, um sich gegen Dolche zu wappnen, die sie in den Rücken treffen könnten.
Ihr Tod kommt üblicherweise von vorn.
Drizzt Do'Urden
MENZOBERRANZAN
AN EINEM OBERFLÄCHENBEWOHNER hätte er in nur einem Fuß Entfernung unbemerkt vorbeikommen können. Die gedämpften Schritte seiner Eidechse waren zu leicht, um gehört werden zu können, und die geschmeidige und gut ausbalancierte Rüstung, die sowohl Reiter als auch Reittier trugen, passte sich ihren Bewegungen perfekt an.
Dinins Eidechse trabte in leichter, aber rascher Gangart dahin, glitt über den aufgebrochenen Boden, die Wände hinauf und sogar an der Decke des langen Tunnels entlang. Eidechsen des Unterreichs mit ihren klebrigen und weichen dreizehigen Füßen wurden gerade wegen dieser Fähigkeit, Stein so leicht wie eine Spinne erklettern zu können, als Reittiere bevorzugt. Das Überqueren harten Untergrundes hinterließ in der hellen Welt der Oberfläche keine verräterischen Spuren. Aber fast alle Lebewesen des Unterreichs besaßen Infravision, die Fähigkeit, im infraroten Spektrum sehen zu können. Schritte hinterließen Hitzerückstände, die leicht verfolgt werden konnten, wenn sie einen vorhersehbaren Verlauf auf dem Boden eines Ganges markierten.
Dinin klammerte sich am Sattel fest, als sich die Eidechse eine Strecke an der Decke entlangmühte und dann einen wirbelnden Abstieg zu einem weiter entfernten Punkt vollführte. Dinin wollte nicht verfolgt werden. Es gab kein Licht, an dem er sich hätte orientieren können, aber er brauchte auch keines. Er war ein Dunkelelf, ein Drow mit ebenholzfarbener Haut, ein Stammesverwandter jener Waldbewohner, die an der Oberfläche der Welt unter den Sternen tanzten. Für Dinins außergewöhnliche Augen, die subtile Wärmeabweichungen in lebhafte und farbenfrohe Bilder übertrugen, war das Unterreich alles andere als ein lichtloser Ort. Alle Farben des Spektrums wirbelten vor ihm in dem Gestein der Wände und des Bodens umher, erhitzt durch irgendeinen entfernten Erdspalt oder einen heißen Strom. Die Wärme von Lebewesen war sehr spezifisch und erlaubte es dem Blick des Dunkelelfs, seinen Feind so deutlich und in allen Einzelheiten zu sehen, wie es für einen Oberflächenbewohner nur in hellem Tageslicht möglich war.
Normalerweise hätte Dinin die Stadt nicht allein verlassen. Die Welt des Unterreichs war zu gefährlich für Alleingänge, sogar für einen Drowelf. Aber an diesem Tag war es anders. Dinin musste sichergehen, dass kein unfreundlich gesinnter Drow sein Vorübergehen bemerkte.
Ein sanfter blauer magischer Glanz hinter einem in Stein gemeißelten Bogengang zeigte dem Drow an, dass er sich dem Eingang der Stadt näherte, und er verlangsamte den Schritt der Eidechse entsprechend. Nur wenige benutzten diesen engen Tunnel, der sich zum Tier Breche hin öffnete, dem nördlichen Abschnitt Menzoberranzans, der der Akademie vorbehalten war. Und niemand außer den Herrinnen und Herren, den Instruktoren der Akademie, konnte hier hindurchgehen, ohne Verdacht zu erregen.
Dinin wurde stets unruhig, wenn er an diese Stelle kam. Von den hundert Tunneln, die sich in die Haupthöhle Menzoberranzans öffneten, war dies der am besten bewachte.
Über dem Bogengang stand ein Paar gigantischer Spinnenstatuen in stummer Abwehr. Wenn ein Feind hindurchkam, wurden die Spinnen mit Leben erfüllt und griffen an, und in der gesamten Akademie wurden Alarmanlagen in Gang gesetzt.
Dinin stieg ab und ließ die Eidechse einfach an einer Wand in Brusthöhe haften. Er fasste unter den Kragen seines Piwafwi, seines magischen Schutzumhangs, und nahm seine Halsbörse heraus. Ihr entnahm er die Insignien des Hauses Do'Urden, eine Spinne, die mit jedem ihrer acht Beine verschiedene Waffen führte und mit den Initialen »DN« für Daermon N'a'shezbaernon, dem uralten formellen Namen des Hauses Do'Urden, verziert war.
»Warte auf meine Rückkehr«, flüsterte Dinin der Eidechse zu, während er die Insignien vor ihr umherschwenkte. Wie bei allen Häusern der Drow enthielten auch die Insignien des Hauses Do'Urden mehrere magische Dweomer, von denen eines den Familienmitgliedern absolute Kontrolle über Haustiere verlieh. Die Eidechse würde unfehlbar gehorchen und selbst dann an ihrem Platz verharren, als wäre sie im Stein verwurzelt, wenn sich eine vorüberhastende Ratte - ihr liebster Happen - nur ein paar Fuß von ihrem Maul entfernt zu einem Nickerchen entschließen sollte.
Dinin atmete tief ein und betrat vorsichtig den Bogengang. Er konnte die Spinnen aus ihrer Höhe von fünfzehn Fuß auf ihn hinabblicken sehen. Er war ein Drow der Stadt, kein Feind und konnte ungehindert durch jeden anderen Tunnel gehen, aber die Akademie war ein nicht einschätzbarer Ort. Dinin hatte gehört, dass die Spinnen den Eintritt oft tückisch verweigerten - auch einem nicht eingeladenen Drow.
Schrecken und Möglichkeiten sollten ihn nicht aufhalten können, erinnerte sich Dinin. Sein Auftrag war von größter Bedeutung für die Kampfpläne seiner Familie. Den Blick streng nach vorn gerichtet, fort von den turmhohen Spinnen, schritt er zwischen ihnen hindurch und betrat den Boden des Tier Breche.
Er trat zur Seite und legte eine Pause ein, zum einen, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe im Hinterhalt lag, und zum anderen auch, um den überwältigenden Blick auf Menzoberranzan zu bewundern. Niemand anderer, weder Drow noch sonst jemand, hatte jemals von diesem Platz aus auf die Stadt der Drow hinabgesehen, ohne ein wundersames Gefühl zu verspüren. Tier Breche war der höchste Punkt auf dem Boden der zwei Meilen großen Höhle, wodurch ein Panoramablick auf den Rest von Menzoberranzan ermöglicht wurde. Das anheimelnde Gelände der Akademie war schmal und umfasste die drei Gebäude, aus der die Schule der Drow bestand: Arach-Tinilith, die spinnenförmige Schule der Lloth; Sorcere, der anmutig geschwungene, stark gewundene Turm der Magie; und Melee-Magthere, ein eher flaches pyramidenförmiges Gebäude, in dem männliche Kämpfer ihre Kunst erlernten.
Jenseits des Tier Breche, durch die verzierten Stalagmitensäulen hindurch, die den Eingang zur Akademie markierten, fiel die Höhle schnell ab und verbreiterte sich zu beiden Seiten bis hinter Dinins Sichtgrenze zu einer weiten Ebene. Die Farben Menzoberranzans stellten sich für die empfindsamen Augen eines Drow dreifach dar. Hitzemuster von verschiedenen Spalten und heißen Quellen wirbelten durch die gesamte Höhle. Purpurfarben und Karminrot, helles Gelb und subtile Blautöne kreuzten sich und gingen ineinander über, zogen sich über die Wände und Stalagmitenwälle hin oder liefen einzeln in sich überschneidenden Linien vor dem Hintergrund des stumpfen grauen Steins entlang. Sehr viel begrenzter als diese allgemeinen und natürlichen Farbeinteilungen im infraroten Spektrum waren die Bereiche intensiver Magie wie bei den Spinnen, an denen Dinin vorbeigegangen war und die tatsächliche Energie ausstrahlten. Und schließlich waren da die wirklichen Lichter der Stadt, die Feenfeuer und angestrahlten Skulpturen an den Häusern. Die Drow waren stolz auf die Schönheit ihrer Entwürfe, und besonders verzierte Säulen oder mit Künstlerhand perfekt gestaltete Wasserspeier waren fast immer in beständiges magisches Licht getaucht.
Sogar aus dieser Entfernung konnte Dinin Haus Baenre, das Erste Haus von Menzoberranzan, ausmachen. Es umfasste zwanzig Stalagmitensäulen und noch einmal halb so viele gigantische Stalaktiten. Haus Baenre existierte seit fünftausend Jahren, seit der Gründung Menzoberranzans, und in dieser Zeit hatten die Bemühungen um die Perfektionierung seiner Kunst niemals aufgehört. Praktisch jeder Zentimeter des überwältigenden Gebäudes erglühte im Feenfeuer, blau um die äußeren Türme und strahlend purpurfarben um die hohe Mittelkuppel.
Das deutlich abgegrenzte Licht von Kerzen, fremd im Unterreich, leuchtete durch einige der Fenster der weiter entfernten Häuser. Dinin wusste, dass nur Priesterinnen oder Zauberer die Feuer als notwendige Bemühung in ihrer Welt der Schriftrollen und Pergamente entzündeten.
Das war Menzoberranzan, die Stadt der Drow. Zwanzigtausend Dunkelelfen lebten dort, zwanzigtausend Krieger in der Armee des Bösen.
Ein verschlagenes Lächeln breitete sich auf Dinins dünnen Lippen aus, als er daran dachte, dass einige jener Krieger heute Nacht fallen würden.
Dinin betrachtete Narbondel, die große Mittelsäule, die Menzoberranzan als Zeitmesser diente. Der Narbondel war die einzige Möglichkeit für die Drow, das Verstreichen der Zeit in einer Welt festzuhalten, die ansonsten keine Tage und keine Jahreszeiten kannte. Am Ende jeden Tages brachte der bevollmächtigte Erzmagier der Stadt seine magischen Feuer in das Fundament der Säule. Dort verblieb der Zauber einen Zyklus lang - an der Oberfläche ein ganzer Tag - und sandte seine Wärme nach und nach in die Narbondel genannte Säule hinauf, bis sie im infraroten Spektrum gänzlich rot erglühte. Die Säule war jetzt völlig dunkel und abgekühlt, seit die Feuer des Dweomer erloschen waren. Der Zauber musste sich auch jetzt im Fundament befinden, überlegte Dinin, bereit, den Zyklus erneut zu beginnen.
Es war Mitternacht, die vereinbarte Stunde.
Dinin entfernte sich von den Spinnen und dem Tunneleingang und schlich am Rande des Tier Breche entlang, wobei er die »Schatten« der Hitzemuster an der Wand aufsuchte, die die andersartige Kontur seiner eigenen Körpertemperatur wirksam verbergen würden. Schließlich erreichte er Sorcere, die Schule der Zauberei, und schlüpfte in die enge Gasse zwischen dem geschwungenen Sockel des Turmes und der Außenmauer von Tier Breche.
»Schüler oder Meister?«, ertönte das erwartete Flüstern.
»Nur ein Meister darf in Tier Breche im Schwarzen Tod des Narbondel sein Haus verlassen«, antwortete Dinin.
Eine düster gekleidete Gestalt kam um die Biegung des Gebäudes herum und blieb vor Dinin stehen. Der Fremde verharrte in der üblichen Haltung eines Meisters der Akademie der Drow, die Arme vorgestreckt und an den Ellenbogen gebeugt, die Hände eine über der anderen, fest vor der Brust zusammengepresst.
Diese Pose war das Einzige an der ganzen Situation, das Dinin normal erschien. »Ich grüße Euch, Gesichtsloser«, signalisierte er in der stummen Zeichensprache der Drow, einer ebenso detaillierten Sprache wie der gesprochenen. Das Zittern seiner Hände strafte sein ruhiges Gesicht jedoch Lügen, denn der Anblick dieses Zauberers brachte ihn so nah an den Rand seiner Nervenkraft wie niemals zuvor.
Übersetzung: Karin König
Deutsche Ausgabe Oktober 2010 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
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Autoren-Porträt von Robert A. Salvatore
R. A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er auch heute noch lebt. Bereits sein erster Roman »Der gesprungene Kristall« machte ihn bekannt und legte den Grundstein zu seiner weltweit beliebten Romanserie um den Dunkelelf Drizzt DöUrden. Die Fans lieben Salvatores Bücher vor allem wegen seiner plastischen Schilderungen von Kampfhandlungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Robert A. Salvatore
- 2010, Neuveröffentlichung., 399 Seiten, Maße: 13,5 x 20,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Huff, Hartmut
- Übersetzer: Hartmut Huff
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442267552
- ISBN-13: 9783442267552
- Erscheinungsdatum: 15.11.2010
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