Ahlers, F: Regenkinder

Jacquelines Großmutter, die bisher geschwiegen hatte, erhob nun die Stimme. So hatte Jacqueline sie noch nie gesehen: Hoch aufgerichtet im Sessel, die schlohweißen Haare, die sie abends aus ihrem strengen Knoten entließ, umflossen sie wie ein silbern glitzernder Schleier, die Arme seitlich erhoben, mit einer nie gekannten, gewaltigen Stimme sagte sie: "Aber es wird kommen die Zeit, da zwei Kinder ausziehen, die Regenmassen zu bekämpfen und die Erde zu retten. Lang wird es dauern, zum Herz der Erde werden sie vorstoßen, und die Eiseskälte besiegen, die es ergriffen hat. Die Sonne werden sie sehen und in ihrer Hitze zerschmelzen, neu geboren werden die Kinder, die Erde, alles Sein. Es wird kommen die Zeit." Jacqueline überließ es heiß und kalt, ein Blick auf die anderen sagte ihr, dass es allen im Raum genauso ging wie ihr. Nie hatte sie die Großmutter so erlebt. Die alte Frau sackte jetzt kraftlos in sich zusammen, die Augen geschlossen rührte sie sich nicht mehr. Jacquelines Vater erhob sich aus seinem Sessel und näherte sich ihr langsam. Jacqueline folgte ihm vorsichtig, sie musste wissen, was mit der geliebten Großmutter los war. Der Vater berührte die wie leblos im Sessel Liegende leicht an der Schulter. Sie rührte sich nicht. "Sie ist eingeschlafen", sagte er. "Lassen wir sie." Jacqueline kam hinter seinem Rücken hervor und beugte sich über den Sessel. Sie strich der Großmutter sanft über die weißen, seidigen Haare. "Liebe Großmutter", flüsterte sie. Ja, wir werden die Erde retten, aber das sagte sie nicht laut.