Die Roaring Nineties
Der entzauberte Boom
Explodierende Aktienkurse und scheinbar nie dagewesenes Wirtschaftswachstum kennzeichneten die "Goldenen Neunziger". "Alles ist möglich" wurde zum Motto des Jahrzehnts - bis der Absturz in eine weltweite, tiefe und bis heute andauernde Rezession folgte. Was...
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Produktinformationen zu „Die Roaring Nineties “
Explodierende Aktienkurse und scheinbar nie dagewesenes Wirtschaftswachstum kennzeichneten die "Goldenen Neunziger". "Alles ist möglich" wurde zum Motto des Jahrzehnts - bis der Absturz in eine weltweite, tiefe und bis heute andauernde Rezession folgte. Was ist schief gelaufen?
Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz zeigt, welchen Kräften sich der schwindelerregende Boom verdankte und inwiefern in ihm bereits die Saat der Zerstörung angelegt war.
Stiglitz, als Berater der ersten Clinton-Administration und später Chefökonom der Weltbank ein intimer Kenner des "Tatorts Washington" (NZZ) und der internationalen Konzernzentralen, weiß von den strategischen Entscheidungen in den innersten Zirkeln von Politik und Wirtschaft zu berichten, aber auch von den hitzigen Debatten, die diesen vorausgingen. Selbstkritisch beleuchtet er die globalen Folgen ihres gemeinsamen Tuns: Wie ist die Fixierung auf den Defizitabbau heute zu bewerten? Wie wirkt sich die von der US-Regierung exzessiv betriebene Deregulierung des Marktes aus? Wohin hat uns die Maxime, Eigennutz diene automatisch auch der Allgemeinheit, geführt?
Das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt ist verloren gegangen, so Stiglitz zentrale These. Um diese Balance wiederherzustellen, entwickelt der Autor eine überzeugende Alternative zum Diktat des Marktes - denn das, so zeigt er auf provozierende Weise, ist nicht nur wenig sozial, sondern auf lange Sicht sogar unwirtschaftlich.
Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz zeigt, welchen Kräften sich der schwindelerregende Boom verdankte und inwiefern in ihm bereits die Saat der Zerstörung angelegt war.
Stiglitz, als Berater der ersten Clinton-Administration und später Chefökonom der Weltbank ein intimer Kenner des "Tatorts Washington" (NZZ) und der internationalen Konzernzentralen, weiß von den strategischen Entscheidungen in den innersten Zirkeln von Politik und Wirtschaft zu berichten, aber auch von den hitzigen Debatten, die diesen vorausgingen. Selbstkritisch beleuchtet er die globalen Folgen ihres gemeinsamen Tuns: Wie ist die Fixierung auf den Defizitabbau heute zu bewerten? Wie wirkt sich die von der US-Regierung exzessiv betriebene Deregulierung des Marktes aus? Wohin hat uns die Maxime, Eigennutz diene automatisch auch der Allgemeinheit, geführt?
Das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt ist verloren gegangen, so Stiglitz zentrale These. Um diese Balance wiederherzustellen, entwickelt der Autor eine überzeugende Alternative zum Diktat des Marktes - denn das, so zeigt er auf provozierende Weise, ist nicht nur wenig sozial, sondern auf lange Sicht sogar unwirtschaftlich.
Klappentext zu „Die Roaring Nineties “
Explodierende Aktienkurse und scheinbar nie dagewesenes Wirtschaftswachstum kennzeichneten die "Goldenen Neunziger". "Alles ist möglich" wurde zum Motto des Jahrzehnts - bis der Absturz in eine weltweite, tiefe und bis heute andauernde Rezession folgte. Was ist schief gelaufen?Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz zeigt, welchen Kräften sich der schwindelerregende Boom verdankte und inwiefern in ihm bereits die Saat der Zerstörung angelegt war.
Stiglitz, als Berater der ersten Clinton-Administration und später Chefökonom der Weltbank ein intimer Kenner des "Tatorts Washington" (NZZ) und der internationalen Konzernzentralen, weiß von den strategischen Entscheidungen in den innersten Zirkeln von Politik und Wirtschaft zu berichten, aber auch von den hitzigen Debatten, die diesen vorausgingen. Selbstkritisch beleuchtet er die globalen Folgen ihres gemeinsamen Tuns: Wie ist die Fixierung auf den Defizitabbau heute zu bewerten? Wie wirkt sich die von der US-Regierung exzessiv betriebene Deregulierung des Marktes aus? Wohin hat uns die Maxime, Eigennutz diene automatisch auch der Allgemeinheit, geführt?
Das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt ist verloren gegangen, so Stiglitz zentrale These. Um diese Balance wiederherzustellen, entwickelt der Autor eine überzeugende Alternative zum Diktat des Marktes - denn das, so zeigt er auf provozierende Weise, ist nicht nur wenig sozial, sondern auf lange Sicht sogar unwirtschaftlich.
Explodierende Aktienkurse und scheinbar nie dagewesenes Wirtschaftswachstum kennzeichneten die "Goldenen Neunziger". "Alles ist m glich" wurde zum Motto des Jahrzehnts - bis der Absturz in eine weltweite, tiefe und bis heute andauernde Rezession folgte. Was ist schief gelaufen? Nobelpreistr ger Joseph E. Stiglitz zeigt, welchen Kr ften sich der schwindelerregende Boom verdankte und inwiefern in ihm bereits die Saat der Zerst rung angelegt war.
Stiglitz, als Berater der ersten Clinton-Administration und sp ter Chef konom der Weltbank ein intimer Kenner des "Tatorts Washington" (NZZ) und der internationalen Konzernzentralen, wei von den strategischen Entscheidungen in den innersten Zirkeln von Politik und Wirtschaft zu berichten, aber auch von den hitzigen Debatten, die diesen vorausgingen. Selbstkritisch beleuchtet er die globalen Folgen ihres gemeinsamen Tuns: Wie ist die Fixierung auf den Defizitabbau heute zu bewerten? Wie wirkt sich die von der US-Regierung exzessiv betriebene Deregulierung des Marktes aus? Wohin hat uns die Maxime, Eigennutz diene automatisch auch der Allgemeinheit, gef hrt?
Das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt ist verloren gegangen, so Stiglitz' zentrale These. Um diese Balance wiederherzustellen, entwickelt Stiglitz eine berzeugende Alternative zum Diktat des Marktes - denn das, so zeigt er auf provozierende Weise, ist nicht nur wenig sozial, sondern auf lange Sicht sogar unwirtschaftlich.
"Die gl nzende Analyse des Telekom-Booms der Roaring Nineties, die der Nobelpreistr ger Joseph Stiglitz vorgenommen aht, macht deutlich, dass man selbst auf den amerikanischen Finanzm rkten nicht um kurzfristiger Wettbewerbsvorteile willen Regeln aufheben kann, ohne schwere gesellschaftliche Verwerfungen hervorzurufen." - Die Zeit
"Stiglitz ist ein Insider, er ist Rebell und Ankl ger." - STERN
"Stiglitz wei , wann es zu k mpfen gilt." - OBSERVER
Stiglitz, als Berater der ersten Clinton-Administration und sp ter Chef konom der Weltbank ein intimer Kenner des "Tatorts Washington" (NZZ) und der internationalen Konzernzentralen, wei von den strategischen Entscheidungen in den innersten Zirkeln von Politik und Wirtschaft zu berichten, aber auch von den hitzigen Debatten, die diesen vorausgingen. Selbstkritisch beleuchtet er die globalen Folgen ihres gemeinsamen Tuns: Wie ist die Fixierung auf den Defizitabbau heute zu bewerten? Wie wirkt sich die von der US-Regierung exzessiv betriebene Deregulierung des Marktes aus? Wohin hat uns die Maxime, Eigennutz diene automatisch auch der Allgemeinheit, gef hrt?
Das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt ist verloren gegangen, so Stiglitz' zentrale These. Um diese Balance wiederherzustellen, entwickelt Stiglitz eine berzeugende Alternative zum Diktat des Marktes - denn das, so zeigt er auf provozierende Weise, ist nicht nur wenig sozial, sondern auf lange Sicht sogar unwirtschaftlich.
"Die gl nzende Analyse des Telekom-Booms der Roaring Nineties, die der Nobelpreistr ger Joseph Stiglitz vorgenommen aht, macht deutlich, dass man selbst auf den amerikanischen Finanzm rkten nicht um kurzfristiger Wettbewerbsvorteile willen Regeln aufheben kann, ohne schwere gesellschaftliche Verwerfungen hervorzurufen." - Die Zeit
"Stiglitz ist ein Insider, er ist Rebell und Ankl ger." - STERN
"Stiglitz wei , wann es zu k mpfen gilt." - OBSERVER
Lese-Probe zu „Die Roaring Nineties “
Vor gerade einmal zehn Jahren verabschiedete ich mich aus meinem beschaulichen Dasein als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Stanford und ging nach Washington, wo ich zunächst als einfaches Mitglied und später als Vorsitzender des Sachverständigenrats für Wirtschaftsfragen von Präsident Clinton arbeitete. Während der vorangegangenen 25 Jahre hatte ich mich mit Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik befasst. Ich wollte verstehen, was wirklich vor sich geht - ein heimlicher Beobachter sein -, aber nicht nur das. Ich hatte in den sechziger Jahren begonnen, mich mit Volkswirtschaftslehre zu befassen, in den Jahren der Bürgerrechts- und der Friedensbewegung, und vermutlich wollte ich die Welt verändern, aber ich wusste nicht genau, wie; als Wissenschaftler musste ich sie zunächst einmal besser verstehen.Ich ahnte nicht, wie viel ich lernen würde. Als ich Washington nach vier Jahren im Dienst der ersten Clinton-Regierung und drei weiteren Jahren als Vizepräsident und Chefvolkswirt der Weltbank verließ, hatte sich viel verändert. Wir hatten die Jahre der stürmischen Roaring Nineties - der Goldenen Neunziger -, das Jahrzehnt von Megadeals und Megawachstum erlebt. Das ist allgemein bekannt. Die Idee zu diesem Buch kam mir indes, als ich über Fakten nachdachte, die nicht so allgemein bekannt sind beziehungsweise nicht so gut verstanden werden. Der Aufschwung nach der Rezession von 1991 beispielsweise stand scheinbar im Widerspruch zur herrschenden volkswirtschaftlichen Lehre. Einer beliebten Sichtweise zufolge, die von einigen in der Clinton-Administration propagiert wurde, verdankte sich die konjunkturelle Erholung dem Abbau des Haushaltsdefizits. Die Theorie hingegen prophezeit bei Rückführung des Defizits eigentlich die Verschärfung des Abschwungs. Ein weiteres Beispiel: Ich war an vielen erbitterten Auseinandersetzungen um die Frage der Deregulierung und einer Reform der Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen beteiligt, und ich war der
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Ansicht, dass wir insbesondere bei der Deregulierung des Bankensektors übers Ziel hinausschossen, während wir Gelegenheiten zur Verbesserung der Rechnungslegungsvorschriften verpassten. Allgemein war das Jahrzehnt durch die Herausbildung der so genannten New Economy und durch Produktivitätszuwächse gekennzeichnet, die zwei- bis dreimal höher lagen als in den vorangegangenen zwanzig Jahren. Die Innovationsökonomik gehörte zu meinen wissenschaftlichen Spezialgebieten, und ich hielt es für wichtig, die Ursachen für den drastischen Einbruch des Produktivitätszuwachses in den siebziger und achtziger Jahren und den plötzlichen Wiederanstieg in den neunziger Jahren genauer zu ergründen.
Doch bevor ich dieses Buch schreiben konnte, überschlugen sich die Ereignisse. Die Wirtschaft fiel in eine Rezession und bewies mit einem Schlag, dass Rezessionen nicht der Vergangenheit angehörten. Die Hohepriester des amerikanischen Kapitalismus stürzten über Unternehmensskandale; die Chief Executive Officers (CEOs) - Vorstandsvorsitzenden - einiger der größten amerikanischen Konzerne hatten sich offenbar auf Kosten ihrer Aktionäre und Mitarbeiter bereichert. Die Globalisierung - die immer engere Verflechtung der einzelnen Volkswirtschaften auf Grund sinkender Transport- und Kommunikationskosten und der Beseitigung künstlicher Marktschranken -, die noch kurz zuvor als Katalysator einer neuen Weltordnung gepriesen worden war, wurde mittlerweile ebenfalls von großen Teilen der Welt mit Misstrauen betrachtet. Die Konferenz der Welthandelsorganisation 1999 in Seattle im US-Bundesstaat Washington war als Startschuss für eine neue Runde der Handelsliberalisierung unter Führung der USA gedacht, eine Runde, die den Namen der Stadt, in der sie begann, tragen und dem Einsatz Clintons für die Globalisierung ein bleibendes Denkmal setzen sollte. Stattdessen endete sie in Krawallen, als sich Umweltschützer, Protektionisten und Aktivisten, die die mitunter verheerenden Auswirkungen der Globalisierung auf die Lage der Armen und die undemokratische Natur der weltwirtschaftlichen Institutionen kritisierten, zusammentaten und gemeinsam protestierten. Am 11. September 2001 zeigte sich eine noch bedrohlichere Seite der Globalisierung: Auch der Terrorismus bewegt sich mühelos über Grenzen hinweg. Zwar hat dieser mannigfaltige Ursachen, doch steht außer Zweifel, dass die Hoffnungslosigkeit und die hohe Arbeitslosigkeit in weiten Teilen der Welt einen fruchtbaren Nährboden für ihn bilden.
Die Entzauberung der Goldenen Neunziger ließ nicht lange auf sich warten: Sie setzte schon vor dem Ende von Clintons zweiter Amtszeit ein und ließ das, was in diesem Jahrzehnt passiert war, in neuem Licht erscheinen. Eine Neuinterpretation des Jahrzehnts schien umso notwendiger.
Wie sich herausstellte, passte dieses Projekt hervorragend zu einem anderen. Ich interessierte mich von jeher für die Frage, welche Rolle der Staat in der Gesellschaft und insbesondere in der Wirtschaft spielen sollte. Ein paar Jahre vor meinem Wechsel nach Washington hatte ich ein schmales Bändchen mit dem Titel The Economic Role of the State (Die Rolle des Staates in der Wirtschaft) geschrieben, in dem ich auf der Basis der jeweiligen Stärken und Schwächen des Staates und der Märkte die Rolle von Staat und Wirtschaft sachgerecht voneinander abzugrenzen versuchte. Ich hatte mich bemüht, einige allgemein gültige Grundsätze über sinnvolle staatliche Eingriffe ins Wirtschaftsgeschehen herauszuarbeiten. Nachdem ich acht Jahre lang selbst der Regierung angehört hatte, wollte ich dieses Thema neu bearbeiten, und eine Studie über die neunziger Jahre bot mir dazu die perfekte Gelegenheit: Die Erfolge der Clinton-Administration waren zum Teil darauf zurückzuführen, dass wir uns bemüht hatten, das richtige Gleichgewicht zwischen Staat und Markt zu finden, eine Balance, die in dem Jahrzehnt von Reagan und Thatcher verloren gegangen war. Unsere Misserfolge hingegen - von denen einige erst sichtbar wurden, als sich das Jahrzehnt seinem Ende zuneigte - hingen zum Teil mit Entscheidungen zusammen, bei denen uns diese Abwägung gründlich misslang.
Es hat einen heftigen intellektuellen Disput zwischen denjenigen, die "so wenig Staat wie möglich" befürworten, und denjenigen gegeben, die dem Staat eine wichtige, wenn auch begrenzte Rolle nicht nur bei der Korrektur von Marktversagen und Marktstörungen, sondern auch bei der Verwirklichung von mehr sozialer Gerechtigkeit zuschreiben. Ich gehöre zu Letzteren, und in diesem Buch möchte ich darlegen, weshalb ich der Meinung bin, dass Märkte zwar der Dreh- und Angelpunkt einer starken, erfolgreichen Volkswirtschaft sind, aber, sich selbst überlassen, nicht immer gut funktionieren. Deshalb lösen sie, meiner Überzeugung nach, nicht alle Probleme, und deshalb wird der Staat immer ein wichtiger Partner der Märkte bleiben.
Hier geht es daher nicht bloß darum, die Wirtschaftsgeschichte der neunziger Jahre neu zu schreiben. Die Roaring Nineties ist ebenso ein Leitfaden für die Zukunft - ein Buch darüber, wo die USA und die anderen Industriestaaten stehen und welche Richtung sie einschlagen sollten. Die Glaubwürdigkeit vieler tragender Institutionen unserer Gesellschaft - von der Kirche über unsere Topmanager, die Richterschaft und die Wirtschaftsprüfer bis hin zu unseren Banken - ist schwer, in einigen Fällen sogar unwiderruflich erschüttert. Auch wenn ich mich in diesem Buch nur mit unseren ökonomischen Institutionen beschäftige, glaube ich doch, dass ihr Zustand etwas über den Zustand des Gemeinwesens insgesamt aussagt und bedeutende Konsequenzen dafür hat.
Sowohl die politische Linke als auch die Rechte haben ihre Fixpunkte verloren. Die intellektuellen Grundlagen der ökonomischen Laisser-faire-Doktrin - der Anschauung, dass Märkte, sich selbst überlassen, zu effizienten oder gar gerechten Ergebnissen führten - wurden endgültig widerlegt. Als die Welt nach dem 11. September in eine Krise geriet, erkannten wir, dass wir gemeinsam handeln müssen. Die Unternehmensskandale, die die USA und in geringerem Maße auch Europa erschütterten, machten selbst Konservativen klar, dass es ohne staatliche Eingriffe nicht geht. Der Zerfall der Sowjetunion, der das Ende des Kalten Krieges besiegelte, nahm der Linken ihren konkreten ökonomischen Bezugspunkt: Die Unterstützung für den Sozialismus zumindest in seiner traditionellen Spielart schwand selbst in den Ländern, in denen er zuvor sehr starken Rückhalt gehabt hatte.
Heute sind wir gefordert, das richtige Gleichgewicht zwischen Staat und Markt, zwischen kollektivem Handeln auf lokaler, nationaler und globaler Ebene sowie zwischen dem Handeln staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zu finden. In dem Maße, in dem sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, muss dieses Gleichgewicht neu austariert werden. Der Staat muss neue Aufgaben übernehmen und alte abgeben. Wir sind in ein Zeitalter der Globalisierung eingetreten, in dem die Länder und Völker der Erde enger miteinander verflochten sind als jemals zuvor. Aber die Globalisierung selbst bedeutet, dass wir das Gleichgewicht verschieben müssen: Wir brauchen mehr kollektives Handeln auf internationaler Ebene, und auf globaler Ebene können wir den Belangen von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit nicht ausweichen.
Die bemerkenswerten Veränderungen, die unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften in den letzten fünfzehn Jahren durchgemacht haben, setzen das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt enorm unter Druck; und wir haben nicht angemessen reagiert. Die Probleme, die in den letzten Jahren in den Vordergrund getreten sind, spiegeln dieses Versagen teilweise wider, und deshalb hoffe ich, mit diesem Buch ein Gerüst anzubieten, das es uns ermöglicht, die Balance wiederzufinden.
Es gibt noch ein weiteres Thema. Die neunziger Jahre waren das Jahrzehnt des Finanzkapitals. Die Wall-Street-Banker verdienten Millionen, manchmal Milliarden, indem sie Geschäfte einfädelten und Kapital für Start-up-Unternehmen beschafften. Die tüchtigsten und intelligentesten jungen Amerikaner wollten bei diesem spannenden Spiel nicht abseits stehen. Die Amerikaner glaubten an die allgemeine Parole der Marktwirtschaft, wonach das Einkommen des Einzelnen dessen Produktivität reflektiere. Wer mehr verdiente, leistete einen größeren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft. Junge Menschen fühlten sich verständlicherweise von diesem simplen Gedankengang angezogen, dienten sie doch der Allgemeinheit, wenn sie ihren persönlichen Vorteil suchten.
Auch die Politik unterwarf sich weitgehend dieser Logik der Finanzmärkte. Die Entscheidungsgremien der Zentralbanken, in denen hauptsächlich Finanzexperten saßen, sollten die Geldpolitik eigenverantwortlich gestalten, und ihre ruhige Hand, so nahm man an, würde für stabiles, inflationsfreies Wachstum sorgen. Bob Woodward beschreibt in seinem Buch The Agenda (1994) auf anschauliche Weise, wie die Rückführung des Haushaltsdefizits zur obersten politischen Priorität Bill Clintons wurde. Deshalb war Clinton nicht gewählt worden, aber der Präsident war überzeugt davon, dass ihn die Finanzmärkte bestrafen würden, sollte er die Schulden nicht abbauen, und dass er ohne deren Unterstützung die übrigen Punkte seines Programms nicht würde verwirklichen können. Alles andere wurde als zweitrangig zurückgestellt - und häufig nie realisiert.
Ich möchte eines klarstellen: Die Finanzmärkte erfüllen meines Erachtens eine wichtige Funktion. Tatsächlich habe ich mit meinen eigenen Arbeiten zur Informationsökonomik dazu beigetragen, den Zusammenhang zwischen Finanzwirtschaft und Volkswirtschaft zu erhellen. Die Nobelpreisträger Franco Modigliani vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der verstorbene Merton Miller von der Universität Chicago hatten beispielsweise noch behauptet, dass es, von steuerlichen Erwägungen einmal abgesehen, keinerlei Unterschied mache, wie Unternehmen ihren Finanzmittelbedarf deckten. Doch die Finanzmärkte spielen in einer modernen Volkswirtschaft eine zentrale Rolle, wie ich in meinen Untersuchungen über asymmetrische Information zeigen konnte. Dieselben Arbeiten erklärten jedoch auch, weshalb unregulierte Finanzmärkte oft nicht richtig funktionieren, weshalb staatliche Eingriffe unabdingbar sind und weshalb das, was gut für die Wall Street ist, für die Allgemeinheit oder für bestimmte gesellschaftliche Gruppen oftmals nicht gut ist.
In den Goldenen Neunzigern führte die neue Vormachtstellung der Finanzmärkte dazu, dass ein seit langem bestehendes System wechselseitiger Kontrollen und Machtbeschränkungen - das Gleichgewicht zwischen Wall Street, Main Street (der konventionellen, konservativen Mehrheit) und Gewerkschaften, zwischen Alter Industrie und Neuer Technologie, zwischen Staat und Markt - in wesentlichen Hinsichten durcheinander gebracht wurde. Alle beugten sich dem Urteil der Finanzmärkte. Länder, die USA eingeschlossen, wurden ermahnt, sich der Disziplin des Marktes zu fügen. Was einst als selbstverständlich galt, nämlich dass es politische Alternativen gibt, dass verschiedene politische Strategien sich auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen unterschiedlich auswirken, dass es Zielkonflikte gibt und dass die Politik die Arena ist, in der diese Zielkonflikte ausgetragen und Entscheidungen getroffen werden müssen, wurde einfach über Bord geworfen.
Wir in der Clinton-Administration wussten, dass dieses eindimensionale Denken falsch war. Wenn die Finanzmärkte wirklich die oberste Autorität waren, wenn es nur eine Politik "für alle" gab, dann unterschieden wir uns allein durch unsere größere Kompetenz von den Republikanern. Doch wir wurden von einer Art Schizophrenie befallen. Obgleich wir glaubten, dass wir eine andere Politik machten, eine Politik, die den Armen und der Mittelschicht stärker zugute kommen sollte als die Rezepte der Republikaner, und obgleich wir wussten, dass es Zielkonflikte gab, schienen sich zu viele in der Regierung mit dem Gedanken abzufinden, dass der Rentenmarkt beziehungsweise die Finanzmärkte im Allgemeinen am besten wüssten, was zu tun sei - so als hätten die Finanzmärkte nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern auch das Wohl der Gesellschaft im Sinn. Ich hielt diese Vorstellung für Unsinn. Wenn wir etwas taten, was dem Rentenmarkt oder anderen Finanzmärkten missfiel, und einen Preis dafür bezahlen mussten, dann konnte dieser Preis durchaus gerechtfertigt sein. Dies mussten wir uns klar machen. Denn auch wenn die Finanzmärkte eine wichtige Aufgabe erfüllen, ist die Wall Street eine Interessengruppe wie viele andere auch.
Ich schreibe dieses Buch als Amerikaner, als jemand, der an den politischen Diskussionen in den USA teilgenommen hat und der tief besorgt ist über die Richtung, in die sich dieses Land bewegt. Aber ich schreibe dieses Buch auch als jemand, der sich sehr stark an ähnlichen Diskussionen weltweit und an der allgemeinen Globalisierungsdebatte beteiligt hat, die eine der zentralen Streitfragen unserer Zeit geworden ist. Die Versäumnisse der amerikanischen Entwicklung - die ungeminderte Dynamik starker konjunktureller Schwankungen, die fehlgeleitete makroökonomische Politik, die Auswüchse der Deregulierung und die Unternehmensskandale, zu denen all diese Faktoren beitrugen - dürften nicht nur Amerikaner interessieren. Die Geschichte, die ich hier erzählen werde, geht Menschen in der ganzen Welt an, und zwar aus mehreren Gründen.
Durch die Globalisierung sind wir alle näher zusammengerückt. Einst hieß es, wenn die USA niesen, bekommt Mexiko eine Erkältung. Wenn die USA heute niesen, fangen sich die meisten anderen Länder in der Welt eine Grippe ein. Und die heutigen Probleme der USA gehen weit über einen Schnupfen hinaus. Jede ökonomische Analyse der weltwirtschaftlichen Probleme in der Gegenwart und in den neunziger Jahren muss bei den USA ansetzen.
Zudem bedeutet Globalisierung mehr, als dass sich Güter, Dienstleistungen und Kapital leichter über nationale Grenzen bewegen können. Globalisierung heißt auch, dass sich Ideen schneller ausbreiten. Wie bereits erwähnt, präsentierten sich die USA in den neunziger Jahren als Vorbild für den Rest der Welt. In Fragen nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen Staat und Markt sowie nach den erforderlichen Institutionen und politischen Strategien für eine funktionierende Marktwirtschaft orientierte man sich an den amerikanischen Antworten. Die Praktiken amerikanischer Unternehmen wurden in der ganzen Welt übernommen, und die USA propagierten ihre Rechnungslegungsgrundsätze, wo sie konnten. Länder, die Amerika in der Hoffnung, ebenfalls einen Boom zu erleben, nicht freiwillig nachahmten (darunter auch jene, die der Ansicht waren, die USA hätten nicht das richtige Gleichgewicht gefunden), wurden dazu überredet, ja gedrängt und, im Fall der Entwicklungsländer, die von der Finanzhilfe des Internationalen Währungsfonds abhängig sind, faktisch dazu gezwungen, mit dem "Strom der Geschichte", wie es hieß, mitzuschwimmen.
Doch bevor ich dieses Buch schreiben konnte, überschlugen sich die Ereignisse. Die Wirtschaft fiel in eine Rezession und bewies mit einem Schlag, dass Rezessionen nicht der Vergangenheit angehörten. Die Hohepriester des amerikanischen Kapitalismus stürzten über Unternehmensskandale; die Chief Executive Officers (CEOs) - Vorstandsvorsitzenden - einiger der größten amerikanischen Konzerne hatten sich offenbar auf Kosten ihrer Aktionäre und Mitarbeiter bereichert. Die Globalisierung - die immer engere Verflechtung der einzelnen Volkswirtschaften auf Grund sinkender Transport- und Kommunikationskosten und der Beseitigung künstlicher Marktschranken -, die noch kurz zuvor als Katalysator einer neuen Weltordnung gepriesen worden war, wurde mittlerweile ebenfalls von großen Teilen der Welt mit Misstrauen betrachtet. Die Konferenz der Welthandelsorganisation 1999 in Seattle im US-Bundesstaat Washington war als Startschuss für eine neue Runde der Handelsliberalisierung unter Führung der USA gedacht, eine Runde, die den Namen der Stadt, in der sie begann, tragen und dem Einsatz Clintons für die Globalisierung ein bleibendes Denkmal setzen sollte. Stattdessen endete sie in Krawallen, als sich Umweltschützer, Protektionisten und Aktivisten, die die mitunter verheerenden Auswirkungen der Globalisierung auf die Lage der Armen und die undemokratische Natur der weltwirtschaftlichen Institutionen kritisierten, zusammentaten und gemeinsam protestierten. Am 11. September 2001 zeigte sich eine noch bedrohlichere Seite der Globalisierung: Auch der Terrorismus bewegt sich mühelos über Grenzen hinweg. Zwar hat dieser mannigfaltige Ursachen, doch steht außer Zweifel, dass die Hoffnungslosigkeit und die hohe Arbeitslosigkeit in weiten Teilen der Welt einen fruchtbaren Nährboden für ihn bilden.
Die Entzauberung der Goldenen Neunziger ließ nicht lange auf sich warten: Sie setzte schon vor dem Ende von Clintons zweiter Amtszeit ein und ließ das, was in diesem Jahrzehnt passiert war, in neuem Licht erscheinen. Eine Neuinterpretation des Jahrzehnts schien umso notwendiger.
Wie sich herausstellte, passte dieses Projekt hervorragend zu einem anderen. Ich interessierte mich von jeher für die Frage, welche Rolle der Staat in der Gesellschaft und insbesondere in der Wirtschaft spielen sollte. Ein paar Jahre vor meinem Wechsel nach Washington hatte ich ein schmales Bändchen mit dem Titel The Economic Role of the State (Die Rolle des Staates in der Wirtschaft) geschrieben, in dem ich auf der Basis der jeweiligen Stärken und Schwächen des Staates und der Märkte die Rolle von Staat und Wirtschaft sachgerecht voneinander abzugrenzen versuchte. Ich hatte mich bemüht, einige allgemein gültige Grundsätze über sinnvolle staatliche Eingriffe ins Wirtschaftsgeschehen herauszuarbeiten. Nachdem ich acht Jahre lang selbst der Regierung angehört hatte, wollte ich dieses Thema neu bearbeiten, und eine Studie über die neunziger Jahre bot mir dazu die perfekte Gelegenheit: Die Erfolge der Clinton-Administration waren zum Teil darauf zurückzuführen, dass wir uns bemüht hatten, das richtige Gleichgewicht zwischen Staat und Markt zu finden, eine Balance, die in dem Jahrzehnt von Reagan und Thatcher verloren gegangen war. Unsere Misserfolge hingegen - von denen einige erst sichtbar wurden, als sich das Jahrzehnt seinem Ende zuneigte - hingen zum Teil mit Entscheidungen zusammen, bei denen uns diese Abwägung gründlich misslang.
Es hat einen heftigen intellektuellen Disput zwischen denjenigen, die "so wenig Staat wie möglich" befürworten, und denjenigen gegeben, die dem Staat eine wichtige, wenn auch begrenzte Rolle nicht nur bei der Korrektur von Marktversagen und Marktstörungen, sondern auch bei der Verwirklichung von mehr sozialer Gerechtigkeit zuschreiben. Ich gehöre zu Letzteren, und in diesem Buch möchte ich darlegen, weshalb ich der Meinung bin, dass Märkte zwar der Dreh- und Angelpunkt einer starken, erfolgreichen Volkswirtschaft sind, aber, sich selbst überlassen, nicht immer gut funktionieren. Deshalb lösen sie, meiner Überzeugung nach, nicht alle Probleme, und deshalb wird der Staat immer ein wichtiger Partner der Märkte bleiben.
Hier geht es daher nicht bloß darum, die Wirtschaftsgeschichte der neunziger Jahre neu zu schreiben. Die Roaring Nineties ist ebenso ein Leitfaden für die Zukunft - ein Buch darüber, wo die USA und die anderen Industriestaaten stehen und welche Richtung sie einschlagen sollten. Die Glaubwürdigkeit vieler tragender Institutionen unserer Gesellschaft - von der Kirche über unsere Topmanager, die Richterschaft und die Wirtschaftsprüfer bis hin zu unseren Banken - ist schwer, in einigen Fällen sogar unwiderruflich erschüttert. Auch wenn ich mich in diesem Buch nur mit unseren ökonomischen Institutionen beschäftige, glaube ich doch, dass ihr Zustand etwas über den Zustand des Gemeinwesens insgesamt aussagt und bedeutende Konsequenzen dafür hat.
Sowohl die politische Linke als auch die Rechte haben ihre Fixpunkte verloren. Die intellektuellen Grundlagen der ökonomischen Laisser-faire-Doktrin - der Anschauung, dass Märkte, sich selbst überlassen, zu effizienten oder gar gerechten Ergebnissen führten - wurden endgültig widerlegt. Als die Welt nach dem 11. September in eine Krise geriet, erkannten wir, dass wir gemeinsam handeln müssen. Die Unternehmensskandale, die die USA und in geringerem Maße auch Europa erschütterten, machten selbst Konservativen klar, dass es ohne staatliche Eingriffe nicht geht. Der Zerfall der Sowjetunion, der das Ende des Kalten Krieges besiegelte, nahm der Linken ihren konkreten ökonomischen Bezugspunkt: Die Unterstützung für den Sozialismus zumindest in seiner traditionellen Spielart schwand selbst in den Ländern, in denen er zuvor sehr starken Rückhalt gehabt hatte.
Heute sind wir gefordert, das richtige Gleichgewicht zwischen Staat und Markt, zwischen kollektivem Handeln auf lokaler, nationaler und globaler Ebene sowie zwischen dem Handeln staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zu finden. In dem Maße, in dem sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, muss dieses Gleichgewicht neu austariert werden. Der Staat muss neue Aufgaben übernehmen und alte abgeben. Wir sind in ein Zeitalter der Globalisierung eingetreten, in dem die Länder und Völker der Erde enger miteinander verflochten sind als jemals zuvor. Aber die Globalisierung selbst bedeutet, dass wir das Gleichgewicht verschieben müssen: Wir brauchen mehr kollektives Handeln auf internationaler Ebene, und auf globaler Ebene können wir den Belangen von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit nicht ausweichen.
Die bemerkenswerten Veränderungen, die unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften in den letzten fünfzehn Jahren durchgemacht haben, setzen das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt enorm unter Druck; und wir haben nicht angemessen reagiert. Die Probleme, die in den letzten Jahren in den Vordergrund getreten sind, spiegeln dieses Versagen teilweise wider, und deshalb hoffe ich, mit diesem Buch ein Gerüst anzubieten, das es uns ermöglicht, die Balance wiederzufinden.
Es gibt noch ein weiteres Thema. Die neunziger Jahre waren das Jahrzehnt des Finanzkapitals. Die Wall-Street-Banker verdienten Millionen, manchmal Milliarden, indem sie Geschäfte einfädelten und Kapital für Start-up-Unternehmen beschafften. Die tüchtigsten und intelligentesten jungen Amerikaner wollten bei diesem spannenden Spiel nicht abseits stehen. Die Amerikaner glaubten an die allgemeine Parole der Marktwirtschaft, wonach das Einkommen des Einzelnen dessen Produktivität reflektiere. Wer mehr verdiente, leistete einen größeren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft. Junge Menschen fühlten sich verständlicherweise von diesem simplen Gedankengang angezogen, dienten sie doch der Allgemeinheit, wenn sie ihren persönlichen Vorteil suchten.
Auch die Politik unterwarf sich weitgehend dieser Logik der Finanzmärkte. Die Entscheidungsgremien der Zentralbanken, in denen hauptsächlich Finanzexperten saßen, sollten die Geldpolitik eigenverantwortlich gestalten, und ihre ruhige Hand, so nahm man an, würde für stabiles, inflationsfreies Wachstum sorgen. Bob Woodward beschreibt in seinem Buch The Agenda (1994) auf anschauliche Weise, wie die Rückführung des Haushaltsdefizits zur obersten politischen Priorität Bill Clintons wurde. Deshalb war Clinton nicht gewählt worden, aber der Präsident war überzeugt davon, dass ihn die Finanzmärkte bestrafen würden, sollte er die Schulden nicht abbauen, und dass er ohne deren Unterstützung die übrigen Punkte seines Programms nicht würde verwirklichen können. Alles andere wurde als zweitrangig zurückgestellt - und häufig nie realisiert.
Ich möchte eines klarstellen: Die Finanzmärkte erfüllen meines Erachtens eine wichtige Funktion. Tatsächlich habe ich mit meinen eigenen Arbeiten zur Informationsökonomik dazu beigetragen, den Zusammenhang zwischen Finanzwirtschaft und Volkswirtschaft zu erhellen. Die Nobelpreisträger Franco Modigliani vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der verstorbene Merton Miller von der Universität Chicago hatten beispielsweise noch behauptet, dass es, von steuerlichen Erwägungen einmal abgesehen, keinerlei Unterschied mache, wie Unternehmen ihren Finanzmittelbedarf deckten. Doch die Finanzmärkte spielen in einer modernen Volkswirtschaft eine zentrale Rolle, wie ich in meinen Untersuchungen über asymmetrische Information zeigen konnte. Dieselben Arbeiten erklärten jedoch auch, weshalb unregulierte Finanzmärkte oft nicht richtig funktionieren, weshalb staatliche Eingriffe unabdingbar sind und weshalb das, was gut für die Wall Street ist, für die Allgemeinheit oder für bestimmte gesellschaftliche Gruppen oftmals nicht gut ist.
In den Goldenen Neunzigern führte die neue Vormachtstellung der Finanzmärkte dazu, dass ein seit langem bestehendes System wechselseitiger Kontrollen und Machtbeschränkungen - das Gleichgewicht zwischen Wall Street, Main Street (der konventionellen, konservativen Mehrheit) und Gewerkschaften, zwischen Alter Industrie und Neuer Technologie, zwischen Staat und Markt - in wesentlichen Hinsichten durcheinander gebracht wurde. Alle beugten sich dem Urteil der Finanzmärkte. Länder, die USA eingeschlossen, wurden ermahnt, sich der Disziplin des Marktes zu fügen. Was einst als selbstverständlich galt, nämlich dass es politische Alternativen gibt, dass verschiedene politische Strategien sich auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen unterschiedlich auswirken, dass es Zielkonflikte gibt und dass die Politik die Arena ist, in der diese Zielkonflikte ausgetragen und Entscheidungen getroffen werden müssen, wurde einfach über Bord geworfen.
Wir in der Clinton-Administration wussten, dass dieses eindimensionale Denken falsch war. Wenn die Finanzmärkte wirklich die oberste Autorität waren, wenn es nur eine Politik "für alle" gab, dann unterschieden wir uns allein durch unsere größere Kompetenz von den Republikanern. Doch wir wurden von einer Art Schizophrenie befallen. Obgleich wir glaubten, dass wir eine andere Politik machten, eine Politik, die den Armen und der Mittelschicht stärker zugute kommen sollte als die Rezepte der Republikaner, und obgleich wir wussten, dass es Zielkonflikte gab, schienen sich zu viele in der Regierung mit dem Gedanken abzufinden, dass der Rentenmarkt beziehungsweise die Finanzmärkte im Allgemeinen am besten wüssten, was zu tun sei - so als hätten die Finanzmärkte nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern auch das Wohl der Gesellschaft im Sinn. Ich hielt diese Vorstellung für Unsinn. Wenn wir etwas taten, was dem Rentenmarkt oder anderen Finanzmärkten missfiel, und einen Preis dafür bezahlen mussten, dann konnte dieser Preis durchaus gerechtfertigt sein. Dies mussten wir uns klar machen. Denn auch wenn die Finanzmärkte eine wichtige Aufgabe erfüllen, ist die Wall Street eine Interessengruppe wie viele andere auch.
Ich schreibe dieses Buch als Amerikaner, als jemand, der an den politischen Diskussionen in den USA teilgenommen hat und der tief besorgt ist über die Richtung, in die sich dieses Land bewegt. Aber ich schreibe dieses Buch auch als jemand, der sich sehr stark an ähnlichen Diskussionen weltweit und an der allgemeinen Globalisierungsdebatte beteiligt hat, die eine der zentralen Streitfragen unserer Zeit geworden ist. Die Versäumnisse der amerikanischen Entwicklung - die ungeminderte Dynamik starker konjunktureller Schwankungen, die fehlgeleitete makroökonomische Politik, die Auswüchse der Deregulierung und die Unternehmensskandale, zu denen all diese Faktoren beitrugen - dürften nicht nur Amerikaner interessieren. Die Geschichte, die ich hier erzählen werde, geht Menschen in der ganzen Welt an, und zwar aus mehreren Gründen.
Durch die Globalisierung sind wir alle näher zusammengerückt. Einst hieß es, wenn die USA niesen, bekommt Mexiko eine Erkältung. Wenn die USA heute niesen, fangen sich die meisten anderen Länder in der Welt eine Grippe ein. Und die heutigen Probleme der USA gehen weit über einen Schnupfen hinaus. Jede ökonomische Analyse der weltwirtschaftlichen Probleme in der Gegenwart und in den neunziger Jahren muss bei den USA ansetzen.
Zudem bedeutet Globalisierung mehr, als dass sich Güter, Dienstleistungen und Kapital leichter über nationale Grenzen bewegen können. Globalisierung heißt auch, dass sich Ideen schneller ausbreiten. Wie bereits erwähnt, präsentierten sich die USA in den neunziger Jahren als Vorbild für den Rest der Welt. In Fragen nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen Staat und Markt sowie nach den erforderlichen Institutionen und politischen Strategien für eine funktionierende Marktwirtschaft orientierte man sich an den amerikanischen Antworten. Die Praktiken amerikanischer Unternehmen wurden in der ganzen Welt übernommen, und die USA propagierten ihre Rechnungslegungsgrundsätze, wo sie konnten. Länder, die Amerika in der Hoffnung, ebenfalls einen Boom zu erleben, nicht freiwillig nachahmten (darunter auch jene, die der Ansicht waren, die USA hätten nicht das richtige Gleichgewicht gefunden), wurden dazu überredet, ja gedrängt und, im Fall der Entwicklungsländer, die von der Finanzhilfe des Internationalen Währungsfonds abhängig sind, faktisch dazu gezwungen, mit dem "Strom der Geschichte", wie es hieß, mitzuschwimmen.
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Autoren-Porträt von Joseph E. Stiglitz
Joseph Stiglitz, geboren 1943 in den USA, war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford, bevor er 1993 zu einem Wirtschaftsberater der Clinton-Regierung wurde. Anschließend ging er als Chefvolkswirt zur Weltbank. 2001 wurde er mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet. Stiglitz lehrt heute an der Columbia University in New York und ist ein weltweit geschätzter Experte zu Fragen von Ökonomie, Politik und Gesellschaft. Er ist Autor mehrerer Bücher.
Bibliographische Angaben
- Autor: Joseph E. Stiglitz
- 2004, Überarb. Ausg., 348 Seiten, Maße: 14,3 x 22 cm, Leinen, Deutsch
- Verlag: Siedler
- ISBN-10: 3886808076
- ISBN-13: 9783886808076
Rezension zu „Die Roaring Nineties “
"Stiglitz ist ein Insider, er ist Rebell und Ankläger." (STERN)"Stiglitz ist der zur Zeit bedeutendste, kreativste und einflussreichste Wirtschaftswissenschaftler." (DIE ZEIT)
"Stiglitz weiß, wann es zu kämpfen gilt." (OBSERVER)
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