Die Schattenweberin / Das Erbe der Runen Bd.3
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Die Schattenweberin von Monika Felten
LESEPROBE
Dritter Roman der Trilogie »Das Erbe der Runen«
Prolog
». . . Es geht die Sage,dem König Sanforan sei in dieser dunklen Zeit nächtens ein geheimnisvollesKatzenwesen aus dem mystischen Walde Andauriens erschienen, um ihm einenletzten Ausweg zu weisen. So erhielt er Kunde von einem Land jenseits derendlosen Wüste und hinter dem großen Gebirge, das ihm als Zufluchtsortverheißen wurde.«
aus: »Die Chronik Nymaths«
Nackte Körper glänzten im Schein der Feuerkörbe. Glühende Kohlen zeichnetendie Umrisse dreier Krieger auf die kahlen Felswände der Höhle.
Regungslos standen die Auserwählten da, schwer atmend unter den tönernenMasken mit dem katzenhaften Antlitz des Fruchtbarkeitsgottes Shura. Ihr Blickwar starr auf die Felle in der Mitte der Höhle gerichtet, während sie mit jedemAtemzug mehr von dem süßlichen Wohlgeruch einsogen, der die Luft erfüllte.
Draußen, im Dickicht des Waldes, rief ein Nachtara durchdringend undschrill. Dann verstummte er.
Kein Laut war mehr zu hören. Und dennoch . . .
Ein Schatten schob sich vor das Mondlicht, das eben noch in den Eingangder verborgenen Höhle gedrungen war.
In den schweren Duft des Elixiers, das in den flachen Tonschalen unterder Hitze der Glut langsam verdampfte, mischte sich - wie von einem Windhauchgetragen - der strenge Geruch eines Raubtiers.
Die Auserwählten durchfuhr ein Schauder. Nicht mehr lange, dann würdenauch sie erfahren, wovon einige wenige Männer ihres Blutes mit leuchtendenAugen zu berichten wussten. Dann würden auch sie erleben, was es bedeutete,auserwählt zu sein.
Leise und verlockend strich ein Schnurrlaut durch die Höhle.
Sie kam.
Mit geschmeidigen Bewegungen löste sich ein Schatten aus dem Eingang undglitt lautlos in die Höhle hinein. Eine Frau, schlank und anmutig, die gleicheiner Katze auf allen vieren auf die Felle zupirschte.
Eine Felis! Ein Wesen, halb Mensch, halb Tier und doch gänzlich anders.Makellos schön, aber unberechenbar und immer noch so gefährlich, wie ihreSchöpfer sie einst geschaffen hatten.
Der strenge Geruch nahm zu, verdrängte den süßlichen Duft und schürtedie Begierde der Auserwählten. Wie Raubtiere nahmen sie die Witterung derKatzenfrau auf.
Doch die Felis wusste um die Gefahr, die fernab ihrer Heimat auf sielauerte. Sie nahm sich die Zeit, die Höhle mit ihren empfindsamen Sinnen zuerkunden, ehe sie sich auf den Fellen niederließ.
Ein letztes Mal wandte sie die feine Nase witternd in Richtung desEingangs, wohl wissend, dass sie von nun an wehrlos und ausgeliefert seinwürde. Dann gab sie sich ganz den Instinkten hin, die sie hierher geführthatten.
Mit ihren geschlitzten gelben Augen suchte sie den Blick des erstenKriegers und bannte ihn. Seine Muskeln spannten sich, als er sich ihr näherteund sich ehrfürchtig vor ihr verneigte. Der herbe Geruch seines Körpers reizteihre Sinne. Mit einem begehrlichen Schnurren erwiderte sie den Gruß und blecktedie spitzen Zähne. Die Finger zu Klauen gekrümmt, grub sie die gebogenen Krallentief in die Felle, während sie voller Ungeduld beobachtete, wie er langsam,fast scheu hinter sie trat.
Die Luft in der Höhle schien sich zu verdichten. In kurzen heftigen Atemzügensog die Felis Luft in die Lungen, um die Hitze zu lindern, die seine Nähe inihr entfachte. Wie eine feurige Glut spürte sie das Verlangen in sichaufsteigen, als seine kräftigen Hände sie berührten . . .
»Ergreift sie!« Der Befehl zerriss die Stille wie ein Donnerschlag.
Das rötliche Zwielicht wich grellem Fackelschein, als mehr als einDutzend schwer bewaffneter Krieger die Höhle stürmten. Mit raschen, wohlgezielten Schwertstreichen durchtrennten sie die Kehlen der beiden Männer nebenden Fellen, ehe diese sich der Bedrohung auch nur bewusst wurden, während derdritte gleichsam fassungslos auf die blutige Schwertspitze starrte, die ihnhinterrücks durchbohrt hatte. Dickes, zähflüssiges Blut quoll unter seiner Maskehervor und erstickte seinen Atem in einem gurgelnden Laut. Dann sackte erkraftlos in sich zusammen.
Die Felis reagierte instinktiv. Noch ehe sie der Körper des Sterbenden untersich begrub, schnellte sie hoch, richtete sich auf und wandte sich denAngreifern zu. Die Krieger überragten sie um mehr als Haupteslänge, doch dieKatzenfrau zeigte keine Furcht.
»Achtet auf die Augen!« Der warnende Ruf schallte über die Köpfe derKrieger hinweg, die ihr Runkas, Lanzen und Schwerter entgegenstreckten.
Die Katzenfrau fauchte. Sie war eine erfahrene Jägerin und würde sichnicht kampflos ergeben. Die Zähne gebleckt, die geschwärzten Krallen drohendvorgestreckt, wich sie langsam zurück, während sie mit den Augen nach der Spureiner Fluchtmöglichkeit oder einem unvorsichtigen Krieger Ausschau hielt. Doch dieAngreifer waren vorbereitet. Die Augen gesenkt, rückten sie Schulter anSchulter immer weiter vor - eine undurchdringliche Wand aus Speeren undSchilden. Ein Käfig, aus dem es kein Entrinnen gab.
Geschmeidig wich sie zurück, bis sie mit dem Rücken zur Felswand stand,umzingelt von grimmig dreinblickenden Kriegern, die den tödlichen Ring immerenger zogen. Ihre Haltung zeugte von ungebrochenem Mut und einer wilden Entschlossenheit,die sie dem Blut der Djakûn verdankte. Doch da war noch etwas. Etwas Neues,Fremdartiges, das sie verwirrte - sie wusste, dass sie in der Falle saß. Undzum ersten Mal in ihrem Leben verspürte die Katzenfrau Furcht. (...)
© Piper Verlag
- Autor: Monika Felten
- 2006, 1, 461 Seiten, Maße: 14,9 x 19,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Piper Taschenbuch
- ISBN-10: 3492700675
- ISBN-13: 9783492700672
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