Die Schiffe der Kleopatra
Ein Krimi aus dem alten Rom
Rom, 51 v. Chr.: Decius Caeclilius Metellus soll das östliche Mittelmeer von dreisten Piraten säubern.
Als er auf Zypern ein Flottille ausrüsten will, muß er feststellen, daß seine Gegner bestens informiert und ihm stets...
Als er auf Zypern ein Flottille ausrüsten will, muß er feststellen, daß seine Gegner bestens informiert und ihm stets...
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Produktinformationen zu „Die Schiffe der Kleopatra “
Rom, 51 v. Chr.: Decius Caeclilius Metellus soll das östliche Mittelmeer von dreisten Piraten säubern.
Als er auf Zypern ein Flottille ausrüsten will, muß er feststellen, daß seine Gegner bestens informiert und ihm stets einen Schritt voraus sind. Auch die junge ägyptische Prinzessin Kleopatra, die Decius scheinbar selbstlos ihre Hilfe andient, spielt ein undurchsichtiges Spiel.
Als dann der römische Stadthalter Silvanus an einer Überdosis Weihrauch erstickt, sieht Decius sich von Feinden bedroht, die auch über seine Leiche gehen würden...
Klappentext zu „Die Schiffe der Kleopatra “
Rom, 51 v. Chr.: Decius Caeclilius Metellus soll das östliche Mittelmeer von dreisten Piraten säubern.Als er auf Zypern ein Flottille ausrüsten will, muß er feststellen, daß seine Gegner bestens informiert und ihm stets einen Schritt voraus sind. Auch die junge ägyptische Prinzessin Kleopatra, die Decius scheinbar selbstlos ihre Hilfe andient, spielt ein undurchsichtiges Spiel.
Als dann der römische Stadthalter Silvanus an einer Überdosis Weihrauch erstickt, sieht Decius sich von Feinden bedroht, die auch über seine Leiche gehen würden...
Lese-Probe zu „Die Schiffe der Kleopatra “
Die Schiffe der Kleopatra von John Maddox RobertsAus dem Amerikanischen von Kristian Lutze
I
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Kleopatra war nicht schön. Diese Feststellung sei mir gleich
zu Beginn erlaubt. Menschen von mangelhaftem Verstand
stellen sich oft vor, daß nur eine Frau von extravagantester
Schönheit gleich beide mächtigsten Männer der Welt um den
Finger wickeln konnte, Julius Caesar und Marcus Antonius.
Es ist wahr, beide hatten einen Sinn für das Schöne, doch
Männer von Macht oder Reichtum haben ihren Anteil an
schönen Frauen gehabt, und damit die Königin von Ägypten
dieses Duo alter verbrauchter Krieger, jeder von ihnen ein
langgedienter Veteran in Feldzügen sowohl der Venus als auch
des Mars, derart verzaubern konnte, bedurfte es mehr als
bloßer Schönheit.
Natürlich war es nicht ihr Schaden, daß sie Thronerbin der
sagenhaft reichsten Nation der Welt war. Für die Schätze
Ägyptens könnte selbst der wählerischste Liebhaber schöner
Frauen ein paar überschüssige Zentimeter Nase, ein fliehendes
Kinn oder vorstehende Zähne übersehen. Oder eben auch einen
Buckel, O-Beine und ein Pickelgesicht.
Nicht, daß Kleopatra häßlich gewesen wäre. Keineswegs.
Sie war im Gegenteil durchaus attraktiv. Aber die Qualitäten,
deretwegen große Männer sie liebten, waren nicht ausschließlich
fleischlicher Natur und hatten nicht einmal etwas mit
ihrem immensen Reichtum zu tun. Es war schlicht so, daß jeder
normale Mann, der sich ein paar Minuten in ihrer Gegenwart
aufhielt, sich hoffnungslos in sie verliebte, wenn sie es so
wollte. Keine Frau konnte die Gefühle der Männer ihr gegenüber
besser kontrollieren als sie. Ob es große Leiden-
schaft, väterliche Zuneigung, hündische Loyalität oder Furcht
und Zittern war, was immer Kleopatra von einem wollte, sie bekam es.
Und Liebe zu Kleopatra war keine jugendliche Vernarrtheit
in ein wohlgeformtes, aber unbedarftes junges Ding. Wenn
Kleopatra wollte, daß ein Mann sie liebte, dann liebte er sie,
wie Paris Helena geliebt hatte, grenzenlos und unter Hintanstellung
allen gesunden Menschenverstandes und jedes Gefühls
für Anstand und Proportionen. Es war eine ernste
Krankheit, von der selbst die Götter ihn nicht erlösen konnten.
Aber ich eile meiner Geschichte voraus. Das alles geschah
erst Jahre später. Als ich Prinzessin Kleopatra zum ersten Mal
begegnete, war sie noch ein Kind, wenngleich ein bemerkenswertes.
Das war während des Konsulats von Metellus Celer
und Lucius Afranius, als ich Gesandter am Hof von Ptolemaios
Auletes in Alexandria war.
Zum zweiten Mal kreuzten sich unsere Wege ein paar Jahre
später, auf Zypern.
»Warum«, fragte ich, »kann ich nicht gleich als Praetor kandidieren?
Ich habe zwei Jahre als Aedile gedient, was in der Geschichte
Roms beispiellos ist. Dafür schuldet mir das römische
Volk nicht nur ein Praetoriat, sondern auch die beste propraetorianische
Provinz auf der Landkarte. Jedermann hat
meine Spiele geliebt, die Kanalisation ist grundüberholt, die
Straßen sind ausgebessert, die Korruption im Baugewerbe
praktisch ausgerottet -«
»Du wirst deswegen nicht gleich als Praetor kandidieren«,
unterbrach Vater mich, »weil wir bei den Wahlen im kommenden
Jahr die Kandidaten unterstützen werden, auf die wir
uns geeinigt haben, bevor wir wußten, daß dein Aedilat um
ein Jahr verlängert werden würde. Außerdem sehen es die
Leute lieber, wenn ein Kandidat für das Amt des Praetors
mehr Zeit bei der Legion abgedient hat, als du vorweisen kannst.«
»Du versuchst bloß, deine Rückkehr nach Gallien hinauszuzögern«,
sagte Creticus, womit er vollkommen recht hatte.
»Und warum auch nicht?« gab ich zurück. »In diesem
Krieg erwirbt sich keiner irgendwelche Lorbeeren außer Caesar.
Man könnte denken, er kämpft da oben ganz allein, wenn
man seine Berichte an den Senat liest.«
»Das Volk verlangt keine Lorbeeren«, sagte Vater. »Es verlangt
Pflichterfüllung. Sie werden keinem Mann das imperium
anvertrauen, der bloß fünf oder sechs Jahre unter den Adlern gedient hat.«
»Cicero haben sie auch gewählt«, murmelte ich.
»Cicero ist ein homo novus«, erwiderte mein Vetter Nepos.
»Er hat kraft seines Rufes als Anwalt die höchsten Ämter errungen,
weil er etwas Neues ist. Von einem Metellus verlangen
die Leute das, was wir ihnen jahrhundertelang geboten haben:
Führung im Senat und auf dem Schlachtfeld.«
Wie mancher vielleicht schon vermutet hat, hielten wir gerade
eine Familienkonferenz ab. Wir Metelli kamen von Zeit
zu Zeit zusammen, um politische Strategien zu entwerfen.
Wir hielten uns nämlich für einen großen Machtfaktor im Senat
und in den Volksversammlungen und verfügten auch
tatsächlich über eine ganze Menge Wählerstimmen, doch die
Macht der Metelli war seit ihrem Höhepunkt vor einer Generation,
kurz nach der Diktatur Sullas, bereits wieder spürbar geschwunden.
Creticus verschränkte die Finger auf seinem beträchtlichen
Wanst und beobachtete den Flug der Vögel am Himmel, als
hielte er Ausschau nach Omen. »Wie der Zufall es will«, sagte
er, »würde es uns in der Tat wenig nützen, wenn wir dich zu
Caesar zurückschicken.«
Mein politischer Spürsinn schlug Alarm. »Ein Richtungswechsel
in unserer Familienpolitik, nehme ich an?«
»Alle finden, daß Caesar bereits zu viel Macht und Ansehen
hat«, stellte Nepos fest. Er war ein langjähriger Gefolgsmann
von Pompeius und verachtete Caesar. Caesar war trotz seiner
patrizischen Geburt beim gemeinen Volk ungeheuer beliebt,
während wir Metelli, obgleich von plebejischer Herkunft, zur
Partei der Adeligen zählten.
»Nichtsdestoweniger«, erklärte mein Vater, »gibt es auch
jenseits der Schlachtfelder Galliens wichtige militärische Aufgaben
zu erledigen. Missionen, die dir bei deiner Kandidatur
zum Praetor und später zum Konsul zu Ruhm und Ehre gereichen werden.«
»Es wäre sicherlich ehrenhaft, die Parther zu zwingen, die
Standarten herauszugeben, die sie von Crassus erbeutet haben«,
sagte ich, »aber da jeder, der ein Schwert halten kann,
zur Zeit in Gallien ist, sehe ich nicht, wie ich -«
»Vergiß den Krieg zu Lande«, schnittCreticus mir dasWort
ab. »Im Osten ist die Piraterie wieder aufgeflammt. Diese Auswüchse
müssen im Keim erstickt werden, und zwar schnell.«
Meine Kopfhaut begann zu kribbeln. »Ein Seekommando?
Aber Duoviri navales ist ein Amt mit imperium, und ich habe noch nicht -«
»Du wirst auch kein Duoviri sein«, beschied Vater mich,
»sondern lediglich Kommodore einer Flottille von kleineren
Booten. Keine Trieren, nichts Größeres als eine Liburne.«
Schon bei der Aussicht auf ein Seekommando drehte sich
mir der Magen um. »Ich dachte, Pompeius hätte die Piraten ausradiert.«
»Piraterie läßt sich ebensowenig ausmerzen wie Banditentum«,
erklärte Creticus mir. »Pompeius hat die schwimmende
Nation zerschlagen, die das Meer in den alten Tagen beherrschte.
Aber wir waren jetzt eine Weile im Westen abgelenkt,
eine Tatsache, die sich ein neuer Schub maritimer Schurken
zunutze gemacht hat. Es wird Zeit, sie jetzt zu zerschlagen,
bevor sie wieder eine komplette Flotte aufgebaut haben.«
Ich hatte nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Irgendwas
mußte ich schließlich machen, und die Vorstellung, in finsteren
gallischen Wäldern zu kämpfen, war unendlich deprimierend.
»Wird das Kommando von den Volksversammlungen verliehen?«
fragte ich schon schicksalsergeben und in Gedanken
an potentielle Wählerstimmen.
»Du wirst durch den Senat ernannt«, sagte Vater. »Doch einer
unserer Tribunen wird den Vorschlag in das Consilium
plebis einbringen, wo er ohne Widerstände angenommen werden
wird. Du bist ein populärer Mann, und Clodius ist tot. Es
wird dir hoch angerechnet werden, daß du eine schmutzige
und undankbare Mission wie die Piratenjagd der Aussicht auf
Ruhm und Beute in Gallien vorgezogen hast.«
»Wo wir gerade von Beute sprechen -«, setzte ich an.
»Wenn du das Versteck mit ihrem Diebesgut findest«, sagte
Creticus, »wäre es selbstverständlich eine nette Geste,
wenn du einen Teil an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben
würdest, obwohl das in der Mehrzahl der Fälle natürlich
gar nicht mehr möglich sein wird. Mit einem respektablen
Beitrag zum Staatsschatz sicherst du dir einen gewogenen
Empfang durch den Senat. Und darüber hinaus mußt du dich
eben selbst schadlos halten.«
»Wenn du als Praetor kandidierst«, ergänzte Nepos,
»macht sich das ungleich viel besser, wenn du neben einer
Säule mit den Rammen der Schiffe posierst, die du gekapert
hast.« Das ist unsere traditionelle Art, einen Sieg zur See zu
begehen.
Ich seufzte. »Ich möchte Titus Milo mitnehmen.«
Vater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Kommt
überhaupt nicht in Frage! Milo ist im Exil. Er ist in Ungnade gefallen.«
»Er war früher mal Ruderer bei der Flotte«, sagte ich. »Er
kennt sich mit Schiffen und Seeleuten aus, und er bräuchte
auch keine offizielle Ernennung. Er wäre mir eine enorme Hilfe.«
»Solange er sich von Rom fernhält, sollte das kein Problem
sein«, sagte Scipio. »Wahrscheinlich wird er froh sein über die
Gelegenheit, Fausta zu entkommen.« Die letzte Bemerkung
löste in der Runde Glucksen und Kichern aus. Beimeinem alten
Freund und seiner Frau hing der Haussegen gewaltig
schief. Sie war die Tochter des Diktators, und in ihren Augen
hatte viel von Milos Charme in seinem unglaublichen Aufstieg
vom Straßenschläger zum Praetor gelegen. Sein ähnlich
steiler Absturz hingegen hatte nicht im selben Maße ihr
Wohlwollen gefunden. Er hatte das Konsulat praktisch schon
in Händen gehalten, und jetzt mußte er auf seinem Landsitz
in Lanuvium Däumchen drehen.
»Das kommt davon, wenn man dem Abschaum und Pöbel
der Straße erlaubt, sich in die Politik einzumischen«, knurrte
mein Vater, der selbst eine Reihe solcher Männer unterstützt
und protegiert hatte, wenn es ihm politisch in den Kram gepaßt
hatte. Schließlich mußte ja irgendwer die Dreckarbeit für
die Aristokraten erledigen, die es sich nicht leisten konnten,
die eigenen Hände zu beschmutzen.
»Wo wird meine Operationsbasis sein?« fragte ich.
»Zypern«, antwortete Creticus. »Setz dich mit Cato in Verbindung,
er kann dir Bericht erstatten. Er hat schließlich ein
gutes Jahr damit zugebracht, das politische Chaos dort zu ordnen.«
»Wer ist jetzt der verantwortliche Magistrat?« fragte ich.
»Ein gewisser Aulus Silvanus«, sagte Creticus.
»Silvanus? Ist das nicht einer von Gabinius' Spießgesellen?«
Einst war Gabinius im Wettlauf um soldatischen Ruhm ein
Rivale von Caesar und Pompeius gewesen, doch über vielversprechende
Ansätze war seine Karriere nicht hinausgekommen,
und er war kurz zuvor wegen Wucherei angeklagt worden.
Trotz Ciceros geistreicher Verteidigung hatte man ihn für
schuldig befunden und ins Exil geschickt. Und wenn Cicero
einen nicht rauspauken konnte, dann mußte man so schuldig sein wie Oedipus.
»So ist es, und Berichten zufolge verlebt Gabinius auf Zypern
einen bequemen Ruhestand«, bestätigte Scipio.
»Klingt ja gemütlich. Wann breche ich auf?«
»Sobald die ordnungsgemäßen Senatsdokumente erstellt
sind. Die Bestätigung durch die Tribunen wird automatisch
erfolgen, so daß du darauf nicht warten mußt.« Vater handelte
die Sache gewohnt kurz angebunden ab.
»Nun gut«, sagte ich säuerlich. »Ich werde mit den Reisevorbereitungen beginnen.«
Mit moderatem Hochgefühl ging ich zurück durch die Stadt.
Die Ernennung war mir nicht halb so unangenehm, wie ich
vorgegeben hatte. Zwar war mir wie fast allen Römern der
bloße Gedanke an einen Dienst zur See zutiefst widerwärtig,
doch es handelte sich um einen der seltenen Anlässe, bei denen
ich mich sogar darauf freute, Rom zu verlassen.
In meiner Amtszeit als Aedile hatte ich mir große Beliebtheit
erworben, doch sie war auch beschwerlich und kostspielig
gewesen. Ich war hoch verschuldet und würde es auch noch
jahrelang bleiben, wenn ich nicht etwas dagegen unternahm.
Caesar hatte mir angeboten, sämtliche meiner Verbindlichkeiten
zu übernehmen, doch ich wollte nicht in seiner Schuld
stehen. Er hatte immerhin einen Teil bezahlt, angeblich ein
Geschenk an seine Nichte Julia, in Wahrheit jedoch eine Gefälligkeit,
weil ich ihn aus einigen Schwierigkeiten befreit hatte.
Das heißt, wir waren quitt. Ich schuldete ihm keine politischen
Gefälligkeiten. Mit einem schnellen und einträglichen
Feldzug gegen die Piraten ließen sich also vielleicht tatsächlich
alle meine finanziellen Probleme auf einen Schlag lösen, wenn
ich es vermeiden konnte, dabei zu ertrinken oder in der Schlacht zu fallen.
Außerdemwar ich der Stadt überdrüssig. Romwar zum ersten
Mal seit Jahren ruhig. DurchClodius'Tod und Milos Exil
waren die mächtigen Banden, die sich jahrelang auch aristokratischer
Unterstützung erfreut hatten, führerlos geworden.
Während seines quasi-diktatorischen alleinigen Konsulats
hatte Pompeius die Stadt durchdieEinsetzung vonGerichten
mit geradezu drakonischer Rechtsprechung von allen ordnungswidrigen
Elementen gesäubert. Schläger und Schurken
waren eilends dem Lockruf entfernter Orte gefolgt oder hatten
in den Gladiatorschulen Zuflucht gesucht, aus denen die
meisten von ihnen ursprünglich ohnehin hervorgegangen waren.
Unddiejenigen, die den dezenten Hinweis ob mangelnder
Auffassungsgabe nicht schnell genug verinnerlicht hatten, landeten
alsbald im Circus maximus, um ihrer Rauflust im unbewaffneten
Kampf mit Löwen, Bären und Bullen zu frönen.
Praktisch zum ersten Mal, solange ich mich erinnern konnte,
wandelten Römer sicher auf ihren Straßen, und kein
Mensch trug Waffen. Die Leute gingen ordentlich ihren Geschäften
nach, gehorchten den Anordnungen der kurulischen
Aedilen und waren sogar freundlich zueinander. Ausländische
Händler trafen in ungekannter Zahl ein, sobald sie die Kunde
hörten, daß ihr Leben und ihre Waren fortan sicher wären.
Ich hatte jahrelang über das Chaos in der Stadt geklagt,
doch jetzt, als es verschwunden war, stellte ich fest, daß ich es
vermißte. All die Ruhe und der Frieden kamen mir unnatürlich
vor. Ich erwartete nicht, daß sie andauern würden.
Schließlich waren meine Mitbürger Römer, und wir sind stets
ein ungebändigter und ungebärdiger Haufen gewesen. Vergeßt
die Mythen von Aeneas und den Gebrüdern Romulus
und Remus. Nüchterne Tatsache ist, daß Rom von Ausgestoßenen
und Banditen eines Dutzends latinischer Stämme
gegründet wurde, mit ein paar Etruskern, Sabinern und
Oskern dazu, wenn man nach den Namen einiger unserer älteren
Familien gehen kann. Seit damals sind zwar unsere
Macht und unser Reichtum gewaltig gewachsen, aber die Zeit
hat kaum vermocht, unsere Veranlagung zu verbessern.
Mein Weg durch die Stadt war eine langwierige Prozedur,
weil ich außerordentlich beliebt war und alle paar Schritte stehenbleiben
und die Grüße eines Mitbürgers erwidern mußte.
In jenen Tagen begegneten die Römer ihrer herrschenden
Klasse ohne besondere Ehrfurcht, und es konnte durchaus
vorkommen, daß ein eher altmodischer Landsmann auf einen
Politiker, den er besonders ins Herz geschlossen hatte, zustürzte
und ihm einen dicken, knoblauchschwangeren Kuß
auf die Wange drückte. Das war im übrigen einer der gravierendsten
Mängel der berühmten römischen gravitas.
Auf meinem Weg durch die Straßen und Gassen der Stadt
stellte ich befriedigt fest, daß auch die letzten Spuren der Unruhen
im Anschluß an Clodius' Beerdigung getilgt waren. Es
hatte verheerende Brände gegeben. Noch monatelang danach
hatte ein Brandgeruch in der Luft gehangen, und die Gebäude
waren rußverschmiert gewesen. Etwas Vergleichbares sollte
Rom nicht mehr erleben, bis Antonius Jahre später seine
berühmte flammende Rede über Caesars Leiche hielt. Auf römischen
Beerdigungen ging es eben lebhafter zu als auf denen der meisten anderen Völker.
Meine Gedanken kreisten um die üblichen Probleme, die
mit einer Stationierung im Ausland verbunden waren: Was
sollte ich mitnehmen, welche Angelegenheiten noch vorher erledigen,
wie die Neuigkeit meiner Frau beibringen und dergleichen.
Eigentlich sollte sie ganz froh darüber sein, dachte
ich hoffnungsvoll. Ich zog nicht in einen Krieg in irgendeine
Provinz, sie konnte mich also begleiten. Zypern war Berichten
zufolge ein wunderschönes Fleckchen Erde und hatte bis
vor kurzem sogar einen königlichen Hof gehabt, so daß sie
eine ihrem patrizischen Rang entsprechende Gesellschaft vorfinden
sollte. Julia würde also gewiß glücklich sein, wenn sie
von meinem neuen Posten erfuhr.
Julia war nicht glücklich.
»Zypern?« rief sie in einer Mischung aus Unglauben, Verachtung
und Ekel. »Nach allem, was du geleistet hast,
schicken sie dich auf Piratenjagd nach Zypern? Sie schulden
dir etwas Besseres als das!«
»Einem ehemaligen Aedilen schulden sie überhaupt nichts.
Theoretisch zählt das Amt nicht mal zum Cursus honorum.«
Sie machte eine beredt wegwerfende Handbewegung. »Diese
alten politischen Fiktionen! Jeder weiß, daß das Aedilat
eine politische Karriere begründen oder beenden kann. Deine
Amtszeit hätte dir den Posten eines Diktators einbringen
müssen! Zypern! Das ist eine Beleidigung!«
Wir beide standen so einsam und verloren im triclinium,
man hätte nie geahnt, daß das Haus voller Sklaven war. Aber
die hielten tunlichst Abstand, wenn sie eine ihrer Launen hatte.
Immerhin war sie eine Julierin aus der Familie Caesars, und
in Momenten wie diesen schimmerte ihre Herkunft durch.
»Wenn du nicht gleich als Praetor kandidieren kannst, solltest
du nach Gallien zurückkehren. Dort kann man sich einen Namen machen.«
»Caesars Offiziere neigen dazu, für Caesars guten Namen getötet zu werden«, bemerkte ich.
»Caesar mag dich. Er würde dich zum legatus ernennen.«
»Die Ernennung eines legatus müßte vom Senat bestätigt
werden, auch wenn Caesar sich derzeit nur wenig um senatorielle
Bestätigungen schert. Außerdemwürde es mir Labienus
zum Feind machen, worauf ich gut verzichten kann, da er als
äußerst nachtragender Mensch gilt.«
»Labienus ist ein Niemand. Caesar ist ein weit größerer
Mann, und bald wird er der einzige sein, auf den es ankommt.
Du solltest an seiner Seite stehen.«
Die Richtung, die unser Gespräch nahm, gefiel mir überhaupt
nicht. »In Zypern«, warf ich ein, »ergibt sich vielleicht
die Möglichkeit, ein bißchen echten Reichtum anzuhäufen.«
»Das wäre zur Abwechslung in der Tat mal ganz nett«, gab
sie zu. »Wir könnten unsere Schulden abbezahlen.« Als der
Gedanke an derlei potentielle Vorteile zu sacken begann, glättete
sich ihre gerunzelte Stirn. Wie alle Mitglieder ihrer Familie
war sie ein eminent politischer Mensch, doch der Reiz der
Liquidität war ein mächtiges Lockmittel. »Außerdem ist Zypern
berühmt für sein gesellschaftliches Leben«, fügte ich noch hinzu.
»Und mit diesem militärischen Kommando und dem netten
kleinen Schatz, den ich erbeutet haben werde, im Rücken
kandidiere ich dann im nächsten Jahr als Praetor. Du wirst ein
Jahr lang Praetorengattin sein, und anschließend gibt es einen
Posten in einer wirklich wertvollen Provinz wie zum Beispiel
Sizilien oder Afrika. Na, wie klingt das? Würde dir das nicht
gefallen?« Außerdem könnte ich so die Legion umgehen.
Doch das sagte ich lieber nicht, da sie eine solche Bemerkung
eines römischen Staatsdieners für unwürdig gehalten hätte.
»Nun, wenn es unvermeidbar ist«, seufzte sie und wandte
sich sofort praktischen Fragen zu. »Wie werden wir die Reise
organisieren? Ich muß meine persönlichen Bediensteten mitnehmen,
nicht mehr als fünf oder sechs. Und meine Garderobe,
und...« Und so ging das noch eine ganze Weile weiter.
»Ich nehme so bald wie möglich eine schnelle Liburne«, erklärte
ich ihr. »Das heißt, ich werde so viel Gepäck mitnehmen,
wie ich in eine Ersatztoga wickeln kann, und an Deck
schlafen. Ich nehme Hermes mit.«
»Ich schlafe auf keinem Deck«, erklärte sie kategorisch.
»Im nächsten Monat sticht die Getreideflotte Richtung
Ägypten in See. Die macht immer auf Zypern halt, bevor sie
nach Alexandria weitersegelt.«
»Und was wirst du einen ganzen Monat lang tun?« fragte sie argwöhnisch.
»Nun, was schon? Piraten jagen«, erwiderte ich, und Unschuld
triefte aus jeder meiner Poren. Irgendwie waren
Gerüchte über diese germanische Prinzessin bis an ihr Ohr
gedrungen. Dabei waren wir damals noch gar nicht verheiratet
gewesen, doch das machte für Julia keinen Unterschied.
»Ist deine Familie durch das hospitium mit irgendwem auf
Zypern verbunden?« wollte sie wissen. »Ich bin sicher, meine
Familie hat keine Beziehungen dort.«
»Ich bezweifle es«, sagte ich, »aber ich werde für alle Fälle
meine Pfänder noch einmal durchsehen. Wir haben zwar
praktisch überall sonst in der griechischen Welt hospites, aber
ich glaube, Zypern hat kein Verwandter von mir je besucht.
Aber«, fügte ich hämisch hinzu, »da es doch der Geburtsort
deiner Ahnherrin ist, muß es ja von Vettern und Basen deinerseits nur so wimmeln.«
»Ich habe dich gewarnt«, sagte sie unheildrohend. Die Familie
Caesars führte ihre Abstammung auf die Göttin Venus
zurück, die natürlich auf Zypern geboren wurde, jedenfalls
unweit der zypriotischen Küste. Ihr Onkel Gaius Julius
machte sehr zur Belustigung der Römer bei jeder sich bietenden
Gelegenheit ein großes Gewese um diese vermeintlich
göttliche Herkunft, und Julia wurde fuchsteufelswild, wenn
ich sie mit diesen Großspurigkeiten ihrer noblen Verwandtschaft
aufzog. Hauptsache jedoch, ihre Gedanken wurden von
dieser germanischen Prinzessin abgelenkt.
Nachdem sie sich zurückgezogen hatte, um unverzüglich
mit den Reisevorbereitungen zu beginnen, rief ich Hermes. Er
war gerade aus der ludus zurückgekommen, wo er fast jeden
Tag an den Waffen übte. Ich ließ ihn in allen Fertigkeiten ausbilden,
die der Assistent eines Politikers brauchte, wozu in jenen
Tagen auch Straßenschlägereien zählten.
»Setze einen Brief auf«, befahl ich ihm, und er nahm murrend
am Schreibtisch Platz. Obwohl eine prächtige Karriere
vor ihm lag, die Freiheit und möglicherweise sogar die Aussicht,
irgendwann eigene Söhne in den Senat einziehen zu sehen,
hätte er das Leben eines gewöhnlichen Gladiators vorge-
zogen. Das Kämpfen liebte er, das Schreiben weniger. Nun, es
gab Tage, an denen auch ich ein Leben in der ludus vorgezogen
hätte. Dort mußte man sich zumindest nur um das Überleben
im nächsten Kampf sorgen, und der Feind schlug immer von vorn zu.
»An Titus Annius Milo von seinem Freund Decius Caecilius
Metellus dem Jüngeren, Ave«, begann ich zu diktieren
und sah, daß Hermes die Augenbrauen hochzog. Er mochte
Milo. »Ich bin nach Zypern versetzt worden, um Piraten zu
jagen. Auf dem Wasser bin ich ein absoluter Trottel und brauche
deshalb verzweifelt deine Hilfe. Immerhin ist Zypern
nicht Gallien, was allein schon ausreicht, den Ort liebenswert
zu machen. Außerdem besteht die Aussicht auf richtig Geld,
und wir werden von unseren Frauen wegkommen und jede Menge Spaß haben.«
»Das habe ich gehört!« rief Julia aus den Tiefen des Hauses.
Die Frau hatte Ohren wie ein Fuchs.
»Wenn du diesen Brief erhältst«, diktierte ich weiter, »bin
ich schon auf dem Weg nach Tarentum. Wenn du dort nicht
ankommst, bis ich in See steche, werde ich Befehl hinterlassen,
dir eine schnelle Liburne zur Verfügung zu stellen. Ich weiß,
daß du dich in Lanuvium zu Tode langweilst, also tu gar nicht
erst so, als wäre es anders. Uns beiden würde ein kleines, einigermaßen
sicheres Abenteuer in angenehmer Umgebung
guttun. Ich freue mich darauf, dich in Tarentum oder aber auf Zypern zu sehen.«
»Dienst zur See?« fragte Hermes unglücklich. Er hatte eine
noch größere Phobie vor dem Meer als die meisten Römer.
»Nur ein bißchen an der Küste entlangsegeln«, versicherte
ich ihm. »Wenn alles nach Plan läuft, sollten wir weder eine
einzige Nacht auf See verbringen noch je außer Sichtweite der
Küste segeln müssen. Du bist doch mittlerweile ein geübter
Schwimmer, dir kann absolut nichts passieren.«
»Gegen das Meer habe ich ja auch gar nichts«, erwiderte
mein langgedienter Sklave. »Ich mag nur nicht an Bord eines
Schiffes sein. Von denWellen wird man seekrank, die Stürme
können einen an Orte verschlagen, die nicht mal Odysseus
besegelt hat, und selbst wenn das Wetter gut ist, ist man von
einem Haufen Matrosen umgeben!«
»Möchtest du lieber zurück nach Gallien?« fuhr ich ihn an.
Das brachte ihn zum Schweigen.
»Na also, dann pack deine Sachen.«
II
Die Überfahrt nach Zypern ist eine leichte Reise, wenn das
Wetter gut ist, und unseres war perfekt. In Tarentum hatte ich
Neptun ein überaus spendables Opfer dargebracht, und er
muß freundlich gestimmt gewesen sein, denn er vergalt es mir großzügig.
Von der Ostspitze Italiens aus überquerten wir die Meerenge
zur griechischen Küste, wobei wir jeden Abend in kleinen
Häfen vor Anker gingen und uns selten weiter als ein paar
hundert Fuß von der Küste entfernten. Nicht einmal Hermes
wurde seekrank. In Piräus machten wir Station, und ich unternahm
die lange Wanderung nach Athen und bestaunte ein
paar Tage lang die dortigen Sehenswürdigkeiten. Ich habe nie
verstanden, wie es die Griechen geschafft haben, derart
prachtvolle Städte zu bauen und sie dann nicht regieren zu können.
Von Piräus aus kreuzten wir zwischen den lieblichen griechischen
Inseln, die sich wie ein Band von Edelsteinen über
das Meer erstrecken und aussehen, als könnte jede von ihnen
die Heimat von Calypso oder Circe sein. Von den Inseln ging
es weiter nach Asia und an der kilikischen Küste entlang, wo
wir besonders auf der Hut waren, weil Kilikien eine Heimat
der Piraten war. Die Überfahrt von der Südspitze Kilikiens
nach Zypern war das längste Stück offenen Meeres auf der gesamten
Reise. Kurz nachdem das Festland hinter uns außer
Sichtweite war, tauchten vor uns die Höhenzüge Zyperns auf,
was mich befreiter atmen ließ. Das Gefühl, ohne Land in Sicht
auf dem Meer unterwegs zu sein, habe ich noch nie ertragen können.
Ein Grund für meine Herumtrödelei war die Tatsache, daß
Milo in Tarentum nicht aufgetaucht war. Ich hoffte, er würde
mir auf dem Fuße folgen und mich bald einholen. Ich hatte
schon jetzt das bestimmte Gefühl, daß ich ihn brauchen würde.
Das Problem war meine Flottille mit ihren Seeleuten und
-soldaten sowie mein Steuermann, ein gewisser Ion. Das tiefer
liegende Problem bestand darin, daß ich Römer war und sie nicht.
Für einen Römer waren der Dienst bei der Legion und der
bei der Marine so verschieden, wie zwei militärische Alternativen
überhaupt sein können. Zu Lande waren wir absolut
selbstbewußt und hatten uns im Laufe der Jahrhunderte zu
wahren Spezialisten entwickelt. Die Römer waren schwere
Infantrie. Wir bildeten das Zentrum der Schlachtformation
und waren bekannt für Spitzenleistungen in militärischer
Baukunst, für die Errichtung von Brücken, Wällen, Festungen
und die Konstruktion von Belagerungsmaschinen. Wenn
römische Soldaten sonst gerade nichts zu tun hatten, verbrachten
sie ihre Zeit damit, die besten Straßen der Welt zu
bauen. Für alle anderen militärischen Abteilungen wie Kavallerie,
Bogen- und Katapultschützen und dergleichen verpflichteten
wir normalerweise Ausländer. Selbst unsere leichte
Infantrie bestand meistens aus Hilfstruppen, verstärkt
durch die Bewohner verbündeter Städte, die die vollen Bürgerrechte
noch nicht genossen.
Auf dem Wasser dagegen waren wir nicht eigentlich in un-
serem Element. Jeder weiß zwar, daß wir in den karthagischen
Kriegen aus dem Nichts eine Flotte aufgebaut und die größte
Seemacht der Welt geschlagen haben. In Wahrheit aber ist uns
das nur gelungen, weil wir alle Regeln der Nautik ignoriert,
statt dessen ihre Schiffe geentert und so eine See- in eine Feldschlacht
verwandelt haben. Wir waren damals noch immer
jämmerliche Seeleute. Regelmäßig verloren wir ganze Flotten
in Stürmen, die jedes wirklich seefahrende Volk allemal früh
genug hätte kommen sehen, um entsprechende Vorkehrungen
zu treffen. Und die Karthager zahlten uns diese Anmaßung
heim, indem sie den brillantesten General hervorbrachten, der
je gelebt hat: Hannibal. Und komme mir niemand mit Alexander.
Hannibal hätte den kleinen mazedonischen Zwerg zum
Frühstück verspeist. Alexander errang seinen Ruf im Kampf
gegen die Perser, und die ganze Welt weiß, daß die ein Haufen
erbärmlicher Sklaven sind.
Wie dem auch sei, unsere Marine besteht aus angeheuerten
Fremden unter dem Befehl von römischen Admirälen und
Kommodores. Die meisten von ihnen sind Griechen, was bereits
einen Großteil meines Problems erklärt.
Meine erste Konfrontation mit Ion ereignete sich in dem
Moment, als ich das Führungsschiff betrat, eine Liburne namens
Nereis. Ihr Kapitän, ein verknöcherter alter Seebär in der
traditionellen blauen Tunika und Mütze, nahm meine Referenzen
gruß- und salutlos zur Kenntnis und überflog das
Schreiben des Senats mit einem kaum unterdrückten höhnischen
Grinsen, bevor er es mir zurückgab.
»Sag uns einfach, wo du hinwillst, und wir bringen dich
hin«, sagte er. »Ansonsten steh nicht im Weg rum, versuche
gar nicht erst, den Männern Befehle zu geben, kotz nicht auf
Deck, und paß auf, daß du nicht über Bord gehst, weil wir
nicht versuchen, Männer zu retten, die über Bord gegangen
sind. Sie gehören Neptun, und der ist ein Gott, den wir nicht
beleidigen wollen.«
Also schlug ich ihn zu Boden, packte ihn an Schopf und
Gürtel und warf ihn ins Wasser. »Versucht nicht, ihn herauszufischen«,
erklärte ich den Matrosen. »Das könnte Neptun
mißfallen.« Griechen muß man von Anfang an klarmachen,
wer der Herr ist, sonst machen sie einem endlose Schwierigkeiten.
Meine beiden anderen Liburnen waren die Thetis und die
Ceto. Liburnen mit ihrem einfachen Deck, ihren lediglich
zwei Ruderbänken mit normalerweise vierzig bis fünfzig Ruderern
auf jeder Seite und nur einem Mann pro Ruder zählen
zu den kleineren Schiffen. Ich vermute, die Gefährte des
Odysseus müssen ganz ähnlich ausgesehen haben, denn die
Konstruktion ist uralt und nicht zu vergleichen mit den majästetischen
Trieren mit ihren drei Reihen Ruderbänken und
Hunderten von Ruderern. Die kleine, mit dem vergoldeten
Kopf eines Wildschweins verzierte Ramme am Bug wirkte
eher wie eine trotzige Geste denn wie eine nützliche Waffe.
Diese drei Schiffe mit ihren spärlichen Besatzungen aus
Matrosen und Seesoldaten schienen mir selbst für die bescheidene
Aufgabe, einen Haufen schmuddeliger Piraten zu
jagen, vollkommen unzureichend, und ich hoffte, mir unterwegs
Verstärkung zu verschaffen. Ion zügelte seine Unverschämtheiten,
doch er blieb kurz angebunden und mürrisch.
Ich war eine Landratte und er ein Seemann, und das war das.
Die Marinesoldaten waren der Abschaum der Meere, sie hofften
durch zwanzigjährigen Dienst auf See die Bürgerrechte zu
erlangen. Ich vermutete, daß einige von ihnen wegen unsittlichen
Gebarens bei gleichzeitiger Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte aus der Legion ausgeschlossen worden waren,
und man muß wissen, was in jenen Tagen alles toleriert
wurde, um das Ausmaß ihrer Verfehlungen zu erahnen.
Mit solchen Männern im Rücken hatten die Piraten von mir
wenig zu befürchten.
»Hermes«, sagte ich an unserem ersten Tag auf See, »wenn
irgendeiner dieser verkommenen Subjekte mir zu nahe
kommt, mach ihn mit einem Stück Feuerholz platt.«
»Keine Sorge«, erwiderte er. Hermes nahm seine Pflichten
als Leibwächter sehr ernst und hatte sich entsprechend gekleidet.
Er trug eine kurze Tunika aus dunklem Leder mit einem
bronzebeschlagenen Gürtel, an dem Schwert und Dolch
in einer Scheide hingen. Um Knöchel und Handgelenke hatte
er sich nach Gladiatorenart Lederbänder gewickelt. Er sah angemessen
verwegen aus, und die Seeleute machten einen
großen Bogen um ihn.
Piraten sahen wir keine, dafür aber jede Menge anderer
Schiffe, hauptsächlich bauchige Handelsschiffe mit ihren kurzen
schrägen Fockmasten, ihren dreieckigen Marssegeln und
den schwanenhalsartigen Achtersteven. Es war Beginn der
Handelssaison, und auf dem Meer wimmelte es von Schiffen,
beladen mit Wein, Getreide, Fellen, Töpferwaren, Metallbarren
und -waren, Sklaven, Vieh, Textilien und Luxusgütern:
Edelmetalle, Färbstoffe, Duftöle, Seide, Elfenbein und zahllose
andere Kostbarkeiten. Einige der Schiffe hatten ausschließlich
Weihrauch für die Tempel an Bord, und aus Ägypten
kam eine ganze nur mit Papyrus beladene Flotte.
Bei all diesen kostbaren Frachten, die einfach so und praktisch
unbewacht durch die Gegend schipperten, nahm es nicht
wunder, daß ein paar unternehmungslustige Räuber der Versuchung,
sich zu bedienen, nicht widerstehen konnten. Es war
vollkommen ausgeschlossen, daß ein schwer beladenes, langsames Handelsschiff mit spärlicher Besatzung einem schnittigen
Schlachtschiff entkommen konnte, das von muskulösen und
bis an die Zähne bewaffneten Piraten gerudertwurde.Ambesten,
man holte die Segel ein und ließ die Schläger an Bord
kommen und sich nehmen, was immer ihrHerz begehrte.
So lukrativ dieses Gewerbe auch war, an Land richteten die
Piraten weit schlimmere Verwüstungen an. Sie überfielen die
Küsten, plünderten kleine Dörfer und einsam gelegene Vil-
len, nahmen Gefangene, um Lösegeld zu erpressen oder sie
auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen, und machten sich ganz
allgemein zum Schrecken und Alptraum aller gesetzestreuen
Menschen. Es gab endlose Meilen Küste, und nur ein Bruchteil
davon konnte durch Küstenwachen geschützt werden.
Ich vermute, das ruchlose Gewerbe der Piraterie gibt es seit
der Erfindung des seetüchtigen Wasserfahrzeugs. Wenn wir
Homer glauben wollen, war sie einst eine ehrbare Berufung,
der sogar Könige und Helden nachgingen. Prinzen auf der
Überfahrt von oder nach Troja und dem dort wütenden Krieg
dachten sich nichts dabei, unterwegs über ein ahnungsloses
Dorf herzufallen, alle Männer zu töten, Frauen und Kinder in
die Sklaverei zu verkaufen, sämtliche Weinvorräte zu leeren
und das Vieh zu verspeisen. In den guten alten Tagen hatten
Helden dergleichen aus schierer Abenteuerlust oder zur körperlichen
Ertüchtigung getan. Vielleicht waren also diese Piraten,
die ich jagen sollte, gar keine richtigen Verbrecher, sondern
lediglich altmodisch.
Wie auch immer, wir bekamen keinen von ihnen zu Gesicht,
was nicht heißt, daß sie uns nicht sahen. Sie würden nie
ein Kriegsschiff angreifen, und wenn es noch so klein war. Das
bedeutete nur Prügel und keine Beute. Also versteckten sie
sich in ihren kleinen Buchten, die Masten ihrer Schiffe umgelegt,
und waren schon aus ein paar hundert Schritten Entfernung
praktisch unsichtbar.
Was ich ebenfalls nicht sah, waren Kriegsschiffe. Natürlich
war ein Großteil der römischen Flotte durch den Transport
von Waren und Männern für Caesar in Gallien gebunden, aber
ich hatte zumindest erwartet, die Schiffe unserer zahlreichen
maritimen Verbündeten zu Gesicht zu bekommen. So hatte
beispielsweise Rhodos damals noch eine eigene Flotte. Doch
es sah so aus, als hätte man sich allgemein darauf verständigt,
daß Rom, da es sich ohnehin alles Land unter den Nagel riß,
auch den Küstenschutz übernehmen konnte.
© Weltbild
Kleopatra war nicht schön. Diese Feststellung sei mir gleich
zu Beginn erlaubt. Menschen von mangelhaftem Verstand
stellen sich oft vor, daß nur eine Frau von extravagantester
Schönheit gleich beide mächtigsten Männer der Welt um den
Finger wickeln konnte, Julius Caesar und Marcus Antonius.
Es ist wahr, beide hatten einen Sinn für das Schöne, doch
Männer von Macht oder Reichtum haben ihren Anteil an
schönen Frauen gehabt, und damit die Königin von Ägypten
dieses Duo alter verbrauchter Krieger, jeder von ihnen ein
langgedienter Veteran in Feldzügen sowohl der Venus als auch
des Mars, derart verzaubern konnte, bedurfte es mehr als
bloßer Schönheit.
Natürlich war es nicht ihr Schaden, daß sie Thronerbin der
sagenhaft reichsten Nation der Welt war. Für die Schätze
Ägyptens könnte selbst der wählerischste Liebhaber schöner
Frauen ein paar überschüssige Zentimeter Nase, ein fliehendes
Kinn oder vorstehende Zähne übersehen. Oder eben auch einen
Buckel, O-Beine und ein Pickelgesicht.
Nicht, daß Kleopatra häßlich gewesen wäre. Keineswegs.
Sie war im Gegenteil durchaus attraktiv. Aber die Qualitäten,
deretwegen große Männer sie liebten, waren nicht ausschließlich
fleischlicher Natur und hatten nicht einmal etwas mit
ihrem immensen Reichtum zu tun. Es war schlicht so, daß jeder
normale Mann, der sich ein paar Minuten in ihrer Gegenwart
aufhielt, sich hoffnungslos in sie verliebte, wenn sie es so
wollte. Keine Frau konnte die Gefühle der Männer ihr gegenüber
besser kontrollieren als sie. Ob es große Leiden-
schaft, väterliche Zuneigung, hündische Loyalität oder Furcht
und Zittern war, was immer Kleopatra von einem wollte, sie bekam es.
Und Liebe zu Kleopatra war keine jugendliche Vernarrtheit
in ein wohlgeformtes, aber unbedarftes junges Ding. Wenn
Kleopatra wollte, daß ein Mann sie liebte, dann liebte er sie,
wie Paris Helena geliebt hatte, grenzenlos und unter Hintanstellung
allen gesunden Menschenverstandes und jedes Gefühls
für Anstand und Proportionen. Es war eine ernste
Krankheit, von der selbst die Götter ihn nicht erlösen konnten.
Aber ich eile meiner Geschichte voraus. Das alles geschah
erst Jahre später. Als ich Prinzessin Kleopatra zum ersten Mal
begegnete, war sie noch ein Kind, wenngleich ein bemerkenswertes.
Das war während des Konsulats von Metellus Celer
und Lucius Afranius, als ich Gesandter am Hof von Ptolemaios
Auletes in Alexandria war.
Zum zweiten Mal kreuzten sich unsere Wege ein paar Jahre
später, auf Zypern.
»Warum«, fragte ich, »kann ich nicht gleich als Praetor kandidieren?
Ich habe zwei Jahre als Aedile gedient, was in der Geschichte
Roms beispiellos ist. Dafür schuldet mir das römische
Volk nicht nur ein Praetoriat, sondern auch die beste propraetorianische
Provinz auf der Landkarte. Jedermann hat
meine Spiele geliebt, die Kanalisation ist grundüberholt, die
Straßen sind ausgebessert, die Korruption im Baugewerbe
praktisch ausgerottet -«
»Du wirst deswegen nicht gleich als Praetor kandidieren«,
unterbrach Vater mich, »weil wir bei den Wahlen im kommenden
Jahr die Kandidaten unterstützen werden, auf die wir
uns geeinigt haben, bevor wir wußten, daß dein Aedilat um
ein Jahr verlängert werden würde. Außerdem sehen es die
Leute lieber, wenn ein Kandidat für das Amt des Praetors
mehr Zeit bei der Legion abgedient hat, als du vorweisen kannst.«
»Du versuchst bloß, deine Rückkehr nach Gallien hinauszuzögern«,
sagte Creticus, womit er vollkommen recht hatte.
»Und warum auch nicht?« gab ich zurück. »In diesem
Krieg erwirbt sich keiner irgendwelche Lorbeeren außer Caesar.
Man könnte denken, er kämpft da oben ganz allein, wenn
man seine Berichte an den Senat liest.«
»Das Volk verlangt keine Lorbeeren«, sagte Vater. »Es verlangt
Pflichterfüllung. Sie werden keinem Mann das imperium
anvertrauen, der bloß fünf oder sechs Jahre unter den Adlern gedient hat.«
»Cicero haben sie auch gewählt«, murmelte ich.
»Cicero ist ein homo novus«, erwiderte mein Vetter Nepos.
»Er hat kraft seines Rufes als Anwalt die höchsten Ämter errungen,
weil er etwas Neues ist. Von einem Metellus verlangen
die Leute das, was wir ihnen jahrhundertelang geboten haben:
Führung im Senat und auf dem Schlachtfeld.«
Wie mancher vielleicht schon vermutet hat, hielten wir gerade
eine Familienkonferenz ab. Wir Metelli kamen von Zeit
zu Zeit zusammen, um politische Strategien zu entwerfen.
Wir hielten uns nämlich für einen großen Machtfaktor im Senat
und in den Volksversammlungen und verfügten auch
tatsächlich über eine ganze Menge Wählerstimmen, doch die
Macht der Metelli war seit ihrem Höhepunkt vor einer Generation,
kurz nach der Diktatur Sullas, bereits wieder spürbar geschwunden.
Creticus verschränkte die Finger auf seinem beträchtlichen
Wanst und beobachtete den Flug der Vögel am Himmel, als
hielte er Ausschau nach Omen. »Wie der Zufall es will«, sagte
er, »würde es uns in der Tat wenig nützen, wenn wir dich zu
Caesar zurückschicken.«
Mein politischer Spürsinn schlug Alarm. »Ein Richtungswechsel
in unserer Familienpolitik, nehme ich an?«
»Alle finden, daß Caesar bereits zu viel Macht und Ansehen
hat«, stellte Nepos fest. Er war ein langjähriger Gefolgsmann
von Pompeius und verachtete Caesar. Caesar war trotz seiner
patrizischen Geburt beim gemeinen Volk ungeheuer beliebt,
während wir Metelli, obgleich von plebejischer Herkunft, zur
Partei der Adeligen zählten.
»Nichtsdestoweniger«, erklärte mein Vater, »gibt es auch
jenseits der Schlachtfelder Galliens wichtige militärische Aufgaben
zu erledigen. Missionen, die dir bei deiner Kandidatur
zum Praetor und später zum Konsul zu Ruhm und Ehre gereichen werden.«
»Es wäre sicherlich ehrenhaft, die Parther zu zwingen, die
Standarten herauszugeben, die sie von Crassus erbeutet haben«,
sagte ich, »aber da jeder, der ein Schwert halten kann,
zur Zeit in Gallien ist, sehe ich nicht, wie ich -«
»Vergiß den Krieg zu Lande«, schnittCreticus mir dasWort
ab. »Im Osten ist die Piraterie wieder aufgeflammt. Diese Auswüchse
müssen im Keim erstickt werden, und zwar schnell.«
Meine Kopfhaut begann zu kribbeln. »Ein Seekommando?
Aber Duoviri navales ist ein Amt mit imperium, und ich habe noch nicht -«
»Du wirst auch kein Duoviri sein«, beschied Vater mich,
»sondern lediglich Kommodore einer Flottille von kleineren
Booten. Keine Trieren, nichts Größeres als eine Liburne.«
Schon bei der Aussicht auf ein Seekommando drehte sich
mir der Magen um. »Ich dachte, Pompeius hätte die Piraten ausradiert.«
»Piraterie läßt sich ebensowenig ausmerzen wie Banditentum«,
erklärte Creticus mir. »Pompeius hat die schwimmende
Nation zerschlagen, die das Meer in den alten Tagen beherrschte.
Aber wir waren jetzt eine Weile im Westen abgelenkt,
eine Tatsache, die sich ein neuer Schub maritimer Schurken
zunutze gemacht hat. Es wird Zeit, sie jetzt zu zerschlagen,
bevor sie wieder eine komplette Flotte aufgebaut haben.«
Ich hatte nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Irgendwas
mußte ich schließlich machen, und die Vorstellung, in finsteren
gallischen Wäldern zu kämpfen, war unendlich deprimierend.
»Wird das Kommando von den Volksversammlungen verliehen?«
fragte ich schon schicksalsergeben und in Gedanken
an potentielle Wählerstimmen.
»Du wirst durch den Senat ernannt«, sagte Vater. »Doch einer
unserer Tribunen wird den Vorschlag in das Consilium
plebis einbringen, wo er ohne Widerstände angenommen werden
wird. Du bist ein populärer Mann, und Clodius ist tot. Es
wird dir hoch angerechnet werden, daß du eine schmutzige
und undankbare Mission wie die Piratenjagd der Aussicht auf
Ruhm und Beute in Gallien vorgezogen hast.«
»Wo wir gerade von Beute sprechen -«, setzte ich an.
»Wenn du das Versteck mit ihrem Diebesgut findest«, sagte
Creticus, »wäre es selbstverständlich eine nette Geste,
wenn du einen Teil an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben
würdest, obwohl das in der Mehrzahl der Fälle natürlich
gar nicht mehr möglich sein wird. Mit einem respektablen
Beitrag zum Staatsschatz sicherst du dir einen gewogenen
Empfang durch den Senat. Und darüber hinaus mußt du dich
eben selbst schadlos halten.«
»Wenn du als Praetor kandidierst«, ergänzte Nepos,
»macht sich das ungleich viel besser, wenn du neben einer
Säule mit den Rammen der Schiffe posierst, die du gekapert
hast.« Das ist unsere traditionelle Art, einen Sieg zur See zu
begehen.
Ich seufzte. »Ich möchte Titus Milo mitnehmen.«
Vater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Kommt
überhaupt nicht in Frage! Milo ist im Exil. Er ist in Ungnade gefallen.«
»Er war früher mal Ruderer bei der Flotte«, sagte ich. »Er
kennt sich mit Schiffen und Seeleuten aus, und er bräuchte
auch keine offizielle Ernennung. Er wäre mir eine enorme Hilfe.«
»Solange er sich von Rom fernhält, sollte das kein Problem
sein«, sagte Scipio. »Wahrscheinlich wird er froh sein über die
Gelegenheit, Fausta zu entkommen.« Die letzte Bemerkung
löste in der Runde Glucksen und Kichern aus. Beimeinem alten
Freund und seiner Frau hing der Haussegen gewaltig
schief. Sie war die Tochter des Diktators, und in ihren Augen
hatte viel von Milos Charme in seinem unglaublichen Aufstieg
vom Straßenschläger zum Praetor gelegen. Sein ähnlich
steiler Absturz hingegen hatte nicht im selben Maße ihr
Wohlwollen gefunden. Er hatte das Konsulat praktisch schon
in Händen gehalten, und jetzt mußte er auf seinem Landsitz
in Lanuvium Däumchen drehen.
»Das kommt davon, wenn man dem Abschaum und Pöbel
der Straße erlaubt, sich in die Politik einzumischen«, knurrte
mein Vater, der selbst eine Reihe solcher Männer unterstützt
und protegiert hatte, wenn es ihm politisch in den Kram gepaßt
hatte. Schließlich mußte ja irgendwer die Dreckarbeit für
die Aristokraten erledigen, die es sich nicht leisten konnten,
die eigenen Hände zu beschmutzen.
»Wo wird meine Operationsbasis sein?« fragte ich.
»Zypern«, antwortete Creticus. »Setz dich mit Cato in Verbindung,
er kann dir Bericht erstatten. Er hat schließlich ein
gutes Jahr damit zugebracht, das politische Chaos dort zu ordnen.«
»Wer ist jetzt der verantwortliche Magistrat?« fragte ich.
»Ein gewisser Aulus Silvanus«, sagte Creticus.
»Silvanus? Ist das nicht einer von Gabinius' Spießgesellen?«
Einst war Gabinius im Wettlauf um soldatischen Ruhm ein
Rivale von Caesar und Pompeius gewesen, doch über vielversprechende
Ansätze war seine Karriere nicht hinausgekommen,
und er war kurz zuvor wegen Wucherei angeklagt worden.
Trotz Ciceros geistreicher Verteidigung hatte man ihn für
schuldig befunden und ins Exil geschickt. Und wenn Cicero
einen nicht rauspauken konnte, dann mußte man so schuldig sein wie Oedipus.
»So ist es, und Berichten zufolge verlebt Gabinius auf Zypern
einen bequemen Ruhestand«, bestätigte Scipio.
»Klingt ja gemütlich. Wann breche ich auf?«
»Sobald die ordnungsgemäßen Senatsdokumente erstellt
sind. Die Bestätigung durch die Tribunen wird automatisch
erfolgen, so daß du darauf nicht warten mußt.« Vater handelte
die Sache gewohnt kurz angebunden ab.
»Nun gut«, sagte ich säuerlich. »Ich werde mit den Reisevorbereitungen beginnen.«
Mit moderatem Hochgefühl ging ich zurück durch die Stadt.
Die Ernennung war mir nicht halb so unangenehm, wie ich
vorgegeben hatte. Zwar war mir wie fast allen Römern der
bloße Gedanke an einen Dienst zur See zutiefst widerwärtig,
doch es handelte sich um einen der seltenen Anlässe, bei denen
ich mich sogar darauf freute, Rom zu verlassen.
In meiner Amtszeit als Aedile hatte ich mir große Beliebtheit
erworben, doch sie war auch beschwerlich und kostspielig
gewesen. Ich war hoch verschuldet und würde es auch noch
jahrelang bleiben, wenn ich nicht etwas dagegen unternahm.
Caesar hatte mir angeboten, sämtliche meiner Verbindlichkeiten
zu übernehmen, doch ich wollte nicht in seiner Schuld
stehen. Er hatte immerhin einen Teil bezahlt, angeblich ein
Geschenk an seine Nichte Julia, in Wahrheit jedoch eine Gefälligkeit,
weil ich ihn aus einigen Schwierigkeiten befreit hatte.
Das heißt, wir waren quitt. Ich schuldete ihm keine politischen
Gefälligkeiten. Mit einem schnellen und einträglichen
Feldzug gegen die Piraten ließen sich also vielleicht tatsächlich
alle meine finanziellen Probleme auf einen Schlag lösen, wenn
ich es vermeiden konnte, dabei zu ertrinken oder in der Schlacht zu fallen.
Außerdemwar ich der Stadt überdrüssig. Romwar zum ersten
Mal seit Jahren ruhig. DurchClodius'Tod und Milos Exil
waren die mächtigen Banden, die sich jahrelang auch aristokratischer
Unterstützung erfreut hatten, führerlos geworden.
Während seines quasi-diktatorischen alleinigen Konsulats
hatte Pompeius die Stadt durchdieEinsetzung vonGerichten
mit geradezu drakonischer Rechtsprechung von allen ordnungswidrigen
Elementen gesäubert. Schläger und Schurken
waren eilends dem Lockruf entfernter Orte gefolgt oder hatten
in den Gladiatorschulen Zuflucht gesucht, aus denen die
meisten von ihnen ursprünglich ohnehin hervorgegangen waren.
Unddiejenigen, die den dezenten Hinweis ob mangelnder
Auffassungsgabe nicht schnell genug verinnerlicht hatten, landeten
alsbald im Circus maximus, um ihrer Rauflust im unbewaffneten
Kampf mit Löwen, Bären und Bullen zu frönen.
Praktisch zum ersten Mal, solange ich mich erinnern konnte,
wandelten Römer sicher auf ihren Straßen, und kein
Mensch trug Waffen. Die Leute gingen ordentlich ihren Geschäften
nach, gehorchten den Anordnungen der kurulischen
Aedilen und waren sogar freundlich zueinander. Ausländische
Händler trafen in ungekannter Zahl ein, sobald sie die Kunde
hörten, daß ihr Leben und ihre Waren fortan sicher wären.
Ich hatte jahrelang über das Chaos in der Stadt geklagt,
doch jetzt, als es verschwunden war, stellte ich fest, daß ich es
vermißte. All die Ruhe und der Frieden kamen mir unnatürlich
vor. Ich erwartete nicht, daß sie andauern würden.
Schließlich waren meine Mitbürger Römer, und wir sind stets
ein ungebändigter und ungebärdiger Haufen gewesen. Vergeßt
die Mythen von Aeneas und den Gebrüdern Romulus
und Remus. Nüchterne Tatsache ist, daß Rom von Ausgestoßenen
und Banditen eines Dutzends latinischer Stämme
gegründet wurde, mit ein paar Etruskern, Sabinern und
Oskern dazu, wenn man nach den Namen einiger unserer älteren
Familien gehen kann. Seit damals sind zwar unsere
Macht und unser Reichtum gewaltig gewachsen, aber die Zeit
hat kaum vermocht, unsere Veranlagung zu verbessern.
Mein Weg durch die Stadt war eine langwierige Prozedur,
weil ich außerordentlich beliebt war und alle paar Schritte stehenbleiben
und die Grüße eines Mitbürgers erwidern mußte.
In jenen Tagen begegneten die Römer ihrer herrschenden
Klasse ohne besondere Ehrfurcht, und es konnte durchaus
vorkommen, daß ein eher altmodischer Landsmann auf einen
Politiker, den er besonders ins Herz geschlossen hatte, zustürzte
und ihm einen dicken, knoblauchschwangeren Kuß
auf die Wange drückte. Das war im übrigen einer der gravierendsten
Mängel der berühmten römischen gravitas.
Auf meinem Weg durch die Straßen und Gassen der Stadt
stellte ich befriedigt fest, daß auch die letzten Spuren der Unruhen
im Anschluß an Clodius' Beerdigung getilgt waren. Es
hatte verheerende Brände gegeben. Noch monatelang danach
hatte ein Brandgeruch in der Luft gehangen, und die Gebäude
waren rußverschmiert gewesen. Etwas Vergleichbares sollte
Rom nicht mehr erleben, bis Antonius Jahre später seine
berühmte flammende Rede über Caesars Leiche hielt. Auf römischen
Beerdigungen ging es eben lebhafter zu als auf denen der meisten anderen Völker.
Meine Gedanken kreisten um die üblichen Probleme, die
mit einer Stationierung im Ausland verbunden waren: Was
sollte ich mitnehmen, welche Angelegenheiten noch vorher erledigen,
wie die Neuigkeit meiner Frau beibringen und dergleichen.
Eigentlich sollte sie ganz froh darüber sein, dachte
ich hoffnungsvoll. Ich zog nicht in einen Krieg in irgendeine
Provinz, sie konnte mich also begleiten. Zypern war Berichten
zufolge ein wunderschönes Fleckchen Erde und hatte bis
vor kurzem sogar einen königlichen Hof gehabt, so daß sie
eine ihrem patrizischen Rang entsprechende Gesellschaft vorfinden
sollte. Julia würde also gewiß glücklich sein, wenn sie
von meinem neuen Posten erfuhr.
Julia war nicht glücklich.
»Zypern?« rief sie in einer Mischung aus Unglauben, Verachtung
und Ekel. »Nach allem, was du geleistet hast,
schicken sie dich auf Piratenjagd nach Zypern? Sie schulden
dir etwas Besseres als das!«
»Einem ehemaligen Aedilen schulden sie überhaupt nichts.
Theoretisch zählt das Amt nicht mal zum Cursus honorum.«
Sie machte eine beredt wegwerfende Handbewegung. »Diese
alten politischen Fiktionen! Jeder weiß, daß das Aedilat
eine politische Karriere begründen oder beenden kann. Deine
Amtszeit hätte dir den Posten eines Diktators einbringen
müssen! Zypern! Das ist eine Beleidigung!«
Wir beide standen so einsam und verloren im triclinium,
man hätte nie geahnt, daß das Haus voller Sklaven war. Aber
die hielten tunlichst Abstand, wenn sie eine ihrer Launen hatte.
Immerhin war sie eine Julierin aus der Familie Caesars, und
in Momenten wie diesen schimmerte ihre Herkunft durch.
»Wenn du nicht gleich als Praetor kandidieren kannst, solltest
du nach Gallien zurückkehren. Dort kann man sich einen Namen machen.«
»Caesars Offiziere neigen dazu, für Caesars guten Namen getötet zu werden«, bemerkte ich.
»Caesar mag dich. Er würde dich zum legatus ernennen.«
»Die Ernennung eines legatus müßte vom Senat bestätigt
werden, auch wenn Caesar sich derzeit nur wenig um senatorielle
Bestätigungen schert. Außerdemwürde es mir Labienus
zum Feind machen, worauf ich gut verzichten kann, da er als
äußerst nachtragender Mensch gilt.«
»Labienus ist ein Niemand. Caesar ist ein weit größerer
Mann, und bald wird er der einzige sein, auf den es ankommt.
Du solltest an seiner Seite stehen.«
Die Richtung, die unser Gespräch nahm, gefiel mir überhaupt
nicht. »In Zypern«, warf ich ein, »ergibt sich vielleicht
die Möglichkeit, ein bißchen echten Reichtum anzuhäufen.«
»Das wäre zur Abwechslung in der Tat mal ganz nett«, gab
sie zu. »Wir könnten unsere Schulden abbezahlen.« Als der
Gedanke an derlei potentielle Vorteile zu sacken begann, glättete
sich ihre gerunzelte Stirn. Wie alle Mitglieder ihrer Familie
war sie ein eminent politischer Mensch, doch der Reiz der
Liquidität war ein mächtiges Lockmittel. »Außerdem ist Zypern
berühmt für sein gesellschaftliches Leben«, fügte ich noch hinzu.
»Und mit diesem militärischen Kommando und dem netten
kleinen Schatz, den ich erbeutet haben werde, im Rücken
kandidiere ich dann im nächsten Jahr als Praetor. Du wirst ein
Jahr lang Praetorengattin sein, und anschließend gibt es einen
Posten in einer wirklich wertvollen Provinz wie zum Beispiel
Sizilien oder Afrika. Na, wie klingt das? Würde dir das nicht
gefallen?« Außerdem könnte ich so die Legion umgehen.
Doch das sagte ich lieber nicht, da sie eine solche Bemerkung
eines römischen Staatsdieners für unwürdig gehalten hätte.
»Nun, wenn es unvermeidbar ist«, seufzte sie und wandte
sich sofort praktischen Fragen zu. »Wie werden wir die Reise
organisieren? Ich muß meine persönlichen Bediensteten mitnehmen,
nicht mehr als fünf oder sechs. Und meine Garderobe,
und...« Und so ging das noch eine ganze Weile weiter.
»Ich nehme so bald wie möglich eine schnelle Liburne«, erklärte
ich ihr. »Das heißt, ich werde so viel Gepäck mitnehmen,
wie ich in eine Ersatztoga wickeln kann, und an Deck
schlafen. Ich nehme Hermes mit.«
»Ich schlafe auf keinem Deck«, erklärte sie kategorisch.
»Im nächsten Monat sticht die Getreideflotte Richtung
Ägypten in See. Die macht immer auf Zypern halt, bevor sie
nach Alexandria weitersegelt.«
»Und was wirst du einen ganzen Monat lang tun?« fragte sie argwöhnisch.
»Nun, was schon? Piraten jagen«, erwiderte ich, und Unschuld
triefte aus jeder meiner Poren. Irgendwie waren
Gerüchte über diese germanische Prinzessin bis an ihr Ohr
gedrungen. Dabei waren wir damals noch gar nicht verheiratet
gewesen, doch das machte für Julia keinen Unterschied.
»Ist deine Familie durch das hospitium mit irgendwem auf
Zypern verbunden?« wollte sie wissen. »Ich bin sicher, meine
Familie hat keine Beziehungen dort.«
»Ich bezweifle es«, sagte ich, »aber ich werde für alle Fälle
meine Pfänder noch einmal durchsehen. Wir haben zwar
praktisch überall sonst in der griechischen Welt hospites, aber
ich glaube, Zypern hat kein Verwandter von mir je besucht.
Aber«, fügte ich hämisch hinzu, »da es doch der Geburtsort
deiner Ahnherrin ist, muß es ja von Vettern und Basen deinerseits nur so wimmeln.«
»Ich habe dich gewarnt«, sagte sie unheildrohend. Die Familie
Caesars führte ihre Abstammung auf die Göttin Venus
zurück, die natürlich auf Zypern geboren wurde, jedenfalls
unweit der zypriotischen Küste. Ihr Onkel Gaius Julius
machte sehr zur Belustigung der Römer bei jeder sich bietenden
Gelegenheit ein großes Gewese um diese vermeintlich
göttliche Herkunft, und Julia wurde fuchsteufelswild, wenn
ich sie mit diesen Großspurigkeiten ihrer noblen Verwandtschaft
aufzog. Hauptsache jedoch, ihre Gedanken wurden von
dieser germanischen Prinzessin abgelenkt.
Nachdem sie sich zurückgezogen hatte, um unverzüglich
mit den Reisevorbereitungen zu beginnen, rief ich Hermes. Er
war gerade aus der ludus zurückgekommen, wo er fast jeden
Tag an den Waffen übte. Ich ließ ihn in allen Fertigkeiten ausbilden,
die der Assistent eines Politikers brauchte, wozu in jenen
Tagen auch Straßenschlägereien zählten.
»Setze einen Brief auf«, befahl ich ihm, und er nahm murrend
am Schreibtisch Platz. Obwohl eine prächtige Karriere
vor ihm lag, die Freiheit und möglicherweise sogar die Aussicht,
irgendwann eigene Söhne in den Senat einziehen zu sehen,
hätte er das Leben eines gewöhnlichen Gladiators vorge-
zogen. Das Kämpfen liebte er, das Schreiben weniger. Nun, es
gab Tage, an denen auch ich ein Leben in der ludus vorgezogen
hätte. Dort mußte man sich zumindest nur um das Überleben
im nächsten Kampf sorgen, und der Feind schlug immer von vorn zu.
»An Titus Annius Milo von seinem Freund Decius Caecilius
Metellus dem Jüngeren, Ave«, begann ich zu diktieren
und sah, daß Hermes die Augenbrauen hochzog. Er mochte
Milo. »Ich bin nach Zypern versetzt worden, um Piraten zu
jagen. Auf dem Wasser bin ich ein absoluter Trottel und brauche
deshalb verzweifelt deine Hilfe. Immerhin ist Zypern
nicht Gallien, was allein schon ausreicht, den Ort liebenswert
zu machen. Außerdem besteht die Aussicht auf richtig Geld,
und wir werden von unseren Frauen wegkommen und jede Menge Spaß haben.«
»Das habe ich gehört!« rief Julia aus den Tiefen des Hauses.
Die Frau hatte Ohren wie ein Fuchs.
»Wenn du diesen Brief erhältst«, diktierte ich weiter, »bin
ich schon auf dem Weg nach Tarentum. Wenn du dort nicht
ankommst, bis ich in See steche, werde ich Befehl hinterlassen,
dir eine schnelle Liburne zur Verfügung zu stellen. Ich weiß,
daß du dich in Lanuvium zu Tode langweilst, also tu gar nicht
erst so, als wäre es anders. Uns beiden würde ein kleines, einigermaßen
sicheres Abenteuer in angenehmer Umgebung
guttun. Ich freue mich darauf, dich in Tarentum oder aber auf Zypern zu sehen.«
»Dienst zur See?« fragte Hermes unglücklich. Er hatte eine
noch größere Phobie vor dem Meer als die meisten Römer.
»Nur ein bißchen an der Küste entlangsegeln«, versicherte
ich ihm. »Wenn alles nach Plan läuft, sollten wir weder eine
einzige Nacht auf See verbringen noch je außer Sichtweite der
Küste segeln müssen. Du bist doch mittlerweile ein geübter
Schwimmer, dir kann absolut nichts passieren.«
»Gegen das Meer habe ich ja auch gar nichts«, erwiderte
mein langgedienter Sklave. »Ich mag nur nicht an Bord eines
Schiffes sein. Von denWellen wird man seekrank, die Stürme
können einen an Orte verschlagen, die nicht mal Odysseus
besegelt hat, und selbst wenn das Wetter gut ist, ist man von
einem Haufen Matrosen umgeben!«
»Möchtest du lieber zurück nach Gallien?« fuhr ich ihn an.
Das brachte ihn zum Schweigen.
»Na also, dann pack deine Sachen.«
II
Die Überfahrt nach Zypern ist eine leichte Reise, wenn das
Wetter gut ist, und unseres war perfekt. In Tarentum hatte ich
Neptun ein überaus spendables Opfer dargebracht, und er
muß freundlich gestimmt gewesen sein, denn er vergalt es mir großzügig.
Von der Ostspitze Italiens aus überquerten wir die Meerenge
zur griechischen Küste, wobei wir jeden Abend in kleinen
Häfen vor Anker gingen und uns selten weiter als ein paar
hundert Fuß von der Küste entfernten. Nicht einmal Hermes
wurde seekrank. In Piräus machten wir Station, und ich unternahm
die lange Wanderung nach Athen und bestaunte ein
paar Tage lang die dortigen Sehenswürdigkeiten. Ich habe nie
verstanden, wie es die Griechen geschafft haben, derart
prachtvolle Städte zu bauen und sie dann nicht regieren zu können.
Von Piräus aus kreuzten wir zwischen den lieblichen griechischen
Inseln, die sich wie ein Band von Edelsteinen über
das Meer erstrecken und aussehen, als könnte jede von ihnen
die Heimat von Calypso oder Circe sein. Von den Inseln ging
es weiter nach Asia und an der kilikischen Küste entlang, wo
wir besonders auf der Hut waren, weil Kilikien eine Heimat
der Piraten war. Die Überfahrt von der Südspitze Kilikiens
nach Zypern war das längste Stück offenen Meeres auf der gesamten
Reise. Kurz nachdem das Festland hinter uns außer
Sichtweite war, tauchten vor uns die Höhenzüge Zyperns auf,
was mich befreiter atmen ließ. Das Gefühl, ohne Land in Sicht
auf dem Meer unterwegs zu sein, habe ich noch nie ertragen können.
Ein Grund für meine Herumtrödelei war die Tatsache, daß
Milo in Tarentum nicht aufgetaucht war. Ich hoffte, er würde
mir auf dem Fuße folgen und mich bald einholen. Ich hatte
schon jetzt das bestimmte Gefühl, daß ich ihn brauchen würde.
Das Problem war meine Flottille mit ihren Seeleuten und
-soldaten sowie mein Steuermann, ein gewisser Ion. Das tiefer
liegende Problem bestand darin, daß ich Römer war und sie nicht.
Für einen Römer waren der Dienst bei der Legion und der
bei der Marine so verschieden, wie zwei militärische Alternativen
überhaupt sein können. Zu Lande waren wir absolut
selbstbewußt und hatten uns im Laufe der Jahrhunderte zu
wahren Spezialisten entwickelt. Die Römer waren schwere
Infantrie. Wir bildeten das Zentrum der Schlachtformation
und waren bekannt für Spitzenleistungen in militärischer
Baukunst, für die Errichtung von Brücken, Wällen, Festungen
und die Konstruktion von Belagerungsmaschinen. Wenn
römische Soldaten sonst gerade nichts zu tun hatten, verbrachten
sie ihre Zeit damit, die besten Straßen der Welt zu
bauen. Für alle anderen militärischen Abteilungen wie Kavallerie,
Bogen- und Katapultschützen und dergleichen verpflichteten
wir normalerweise Ausländer. Selbst unsere leichte
Infantrie bestand meistens aus Hilfstruppen, verstärkt
durch die Bewohner verbündeter Städte, die die vollen Bürgerrechte
noch nicht genossen.
Auf dem Wasser dagegen waren wir nicht eigentlich in un-
serem Element. Jeder weiß zwar, daß wir in den karthagischen
Kriegen aus dem Nichts eine Flotte aufgebaut und die größte
Seemacht der Welt geschlagen haben. In Wahrheit aber ist uns
das nur gelungen, weil wir alle Regeln der Nautik ignoriert,
statt dessen ihre Schiffe geentert und so eine See- in eine Feldschlacht
verwandelt haben. Wir waren damals noch immer
jämmerliche Seeleute. Regelmäßig verloren wir ganze Flotten
in Stürmen, die jedes wirklich seefahrende Volk allemal früh
genug hätte kommen sehen, um entsprechende Vorkehrungen
zu treffen. Und die Karthager zahlten uns diese Anmaßung
heim, indem sie den brillantesten General hervorbrachten, der
je gelebt hat: Hannibal. Und komme mir niemand mit Alexander.
Hannibal hätte den kleinen mazedonischen Zwerg zum
Frühstück verspeist. Alexander errang seinen Ruf im Kampf
gegen die Perser, und die ganze Welt weiß, daß die ein Haufen
erbärmlicher Sklaven sind.
Wie dem auch sei, unsere Marine besteht aus angeheuerten
Fremden unter dem Befehl von römischen Admirälen und
Kommodores. Die meisten von ihnen sind Griechen, was bereits
einen Großteil meines Problems erklärt.
Meine erste Konfrontation mit Ion ereignete sich in dem
Moment, als ich das Führungsschiff betrat, eine Liburne namens
Nereis. Ihr Kapitän, ein verknöcherter alter Seebär in der
traditionellen blauen Tunika und Mütze, nahm meine Referenzen
gruß- und salutlos zur Kenntnis und überflog das
Schreiben des Senats mit einem kaum unterdrückten höhnischen
Grinsen, bevor er es mir zurückgab.
»Sag uns einfach, wo du hinwillst, und wir bringen dich
hin«, sagte er. »Ansonsten steh nicht im Weg rum, versuche
gar nicht erst, den Männern Befehle zu geben, kotz nicht auf
Deck, und paß auf, daß du nicht über Bord gehst, weil wir
nicht versuchen, Männer zu retten, die über Bord gegangen
sind. Sie gehören Neptun, und der ist ein Gott, den wir nicht
beleidigen wollen.«
Also schlug ich ihn zu Boden, packte ihn an Schopf und
Gürtel und warf ihn ins Wasser. »Versucht nicht, ihn herauszufischen«,
erklärte ich den Matrosen. »Das könnte Neptun
mißfallen.« Griechen muß man von Anfang an klarmachen,
wer der Herr ist, sonst machen sie einem endlose Schwierigkeiten.
Meine beiden anderen Liburnen waren die Thetis und die
Ceto. Liburnen mit ihrem einfachen Deck, ihren lediglich
zwei Ruderbänken mit normalerweise vierzig bis fünfzig Ruderern
auf jeder Seite und nur einem Mann pro Ruder zählen
zu den kleineren Schiffen. Ich vermute, die Gefährte des
Odysseus müssen ganz ähnlich ausgesehen haben, denn die
Konstruktion ist uralt und nicht zu vergleichen mit den majästetischen
Trieren mit ihren drei Reihen Ruderbänken und
Hunderten von Ruderern. Die kleine, mit dem vergoldeten
Kopf eines Wildschweins verzierte Ramme am Bug wirkte
eher wie eine trotzige Geste denn wie eine nützliche Waffe.
Diese drei Schiffe mit ihren spärlichen Besatzungen aus
Matrosen und Seesoldaten schienen mir selbst für die bescheidene
Aufgabe, einen Haufen schmuddeliger Piraten zu
jagen, vollkommen unzureichend, und ich hoffte, mir unterwegs
Verstärkung zu verschaffen. Ion zügelte seine Unverschämtheiten,
doch er blieb kurz angebunden und mürrisch.
Ich war eine Landratte und er ein Seemann, und das war das.
Die Marinesoldaten waren der Abschaum der Meere, sie hofften
durch zwanzigjährigen Dienst auf See die Bürgerrechte zu
erlangen. Ich vermutete, daß einige von ihnen wegen unsittlichen
Gebarens bei gleichzeitiger Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte aus der Legion ausgeschlossen worden waren,
und man muß wissen, was in jenen Tagen alles toleriert
wurde, um das Ausmaß ihrer Verfehlungen zu erahnen.
Mit solchen Männern im Rücken hatten die Piraten von mir
wenig zu befürchten.
»Hermes«, sagte ich an unserem ersten Tag auf See, »wenn
irgendeiner dieser verkommenen Subjekte mir zu nahe
kommt, mach ihn mit einem Stück Feuerholz platt.«
»Keine Sorge«, erwiderte er. Hermes nahm seine Pflichten
als Leibwächter sehr ernst und hatte sich entsprechend gekleidet.
Er trug eine kurze Tunika aus dunklem Leder mit einem
bronzebeschlagenen Gürtel, an dem Schwert und Dolch
in einer Scheide hingen. Um Knöchel und Handgelenke hatte
er sich nach Gladiatorenart Lederbänder gewickelt. Er sah angemessen
verwegen aus, und die Seeleute machten einen
großen Bogen um ihn.
Piraten sahen wir keine, dafür aber jede Menge anderer
Schiffe, hauptsächlich bauchige Handelsschiffe mit ihren kurzen
schrägen Fockmasten, ihren dreieckigen Marssegeln und
den schwanenhalsartigen Achtersteven. Es war Beginn der
Handelssaison, und auf dem Meer wimmelte es von Schiffen,
beladen mit Wein, Getreide, Fellen, Töpferwaren, Metallbarren
und -waren, Sklaven, Vieh, Textilien und Luxusgütern:
Edelmetalle, Färbstoffe, Duftöle, Seide, Elfenbein und zahllose
andere Kostbarkeiten. Einige der Schiffe hatten ausschließlich
Weihrauch für die Tempel an Bord, und aus Ägypten
kam eine ganze nur mit Papyrus beladene Flotte.
Bei all diesen kostbaren Frachten, die einfach so und praktisch
unbewacht durch die Gegend schipperten, nahm es nicht
wunder, daß ein paar unternehmungslustige Räuber der Versuchung,
sich zu bedienen, nicht widerstehen konnten. Es war
vollkommen ausgeschlossen, daß ein schwer beladenes, langsames Handelsschiff mit spärlicher Besatzung einem schnittigen
Schlachtschiff entkommen konnte, das von muskulösen und
bis an die Zähne bewaffneten Piraten gerudertwurde.Ambesten,
man holte die Segel ein und ließ die Schläger an Bord
kommen und sich nehmen, was immer ihrHerz begehrte.
So lukrativ dieses Gewerbe auch war, an Land richteten die
Piraten weit schlimmere Verwüstungen an. Sie überfielen die
Küsten, plünderten kleine Dörfer und einsam gelegene Vil-
len, nahmen Gefangene, um Lösegeld zu erpressen oder sie
auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen, und machten sich ganz
allgemein zum Schrecken und Alptraum aller gesetzestreuen
Menschen. Es gab endlose Meilen Küste, und nur ein Bruchteil
davon konnte durch Küstenwachen geschützt werden.
Ich vermute, das ruchlose Gewerbe der Piraterie gibt es seit
der Erfindung des seetüchtigen Wasserfahrzeugs. Wenn wir
Homer glauben wollen, war sie einst eine ehrbare Berufung,
der sogar Könige und Helden nachgingen. Prinzen auf der
Überfahrt von oder nach Troja und dem dort wütenden Krieg
dachten sich nichts dabei, unterwegs über ein ahnungsloses
Dorf herzufallen, alle Männer zu töten, Frauen und Kinder in
die Sklaverei zu verkaufen, sämtliche Weinvorräte zu leeren
und das Vieh zu verspeisen. In den guten alten Tagen hatten
Helden dergleichen aus schierer Abenteuerlust oder zur körperlichen
Ertüchtigung getan. Vielleicht waren also diese Piraten,
die ich jagen sollte, gar keine richtigen Verbrecher, sondern
lediglich altmodisch.
Wie auch immer, wir bekamen keinen von ihnen zu Gesicht,
was nicht heißt, daß sie uns nicht sahen. Sie würden nie
ein Kriegsschiff angreifen, und wenn es noch so klein war. Das
bedeutete nur Prügel und keine Beute. Also versteckten sie
sich in ihren kleinen Buchten, die Masten ihrer Schiffe umgelegt,
und waren schon aus ein paar hundert Schritten Entfernung
praktisch unsichtbar.
Was ich ebenfalls nicht sah, waren Kriegsschiffe. Natürlich
war ein Großteil der römischen Flotte durch den Transport
von Waren und Männern für Caesar in Gallien gebunden, aber
ich hatte zumindest erwartet, die Schiffe unserer zahlreichen
maritimen Verbündeten zu Gesicht zu bekommen. So hatte
beispielsweise Rhodos damals noch eine eigene Flotte. Doch
es sah so aus, als hätte man sich allgemein darauf verständigt,
daß Rom, da es sich ohnehin alles Land unter den Nagel riß,
auch den Küstenschutz übernehmen konnte.
© Weltbild
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Autoren-Porträt von John Maddox Roberts
John Maddox Roberts, 1947 in Ohio geboren, machte sich zunächst als Autor zahlreicher Science-Fiction-Romane einen Namen. Sein erster historischer Kriminalroman »SPQR« wurde 1991 für den Edgar Allan Poe Award nominiert und war der Beginn einer Serie ausgesprochen erfolgreicher Romane mit dem Helden Decius Caecilius Metellus.
Bibliographische Angaben
- Autor: John Maddox Roberts
- 2000, 286 Seiten, Maße: 11,7 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Kristian Lutze
- Übersetzer: Kristian Lutze
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442441188
- ISBN-13: 9783442441181
Rezension zu „Die Schiffe der Kleopatra “
"Packende Seeschlachten, Mord, Schmuggel, schöne Frauen, fiese Senatoren und ein Held, der eher zufällig in politische Intrigen gerät und trotzdem weiterlebt. Wir warten auf den nächsten Fall [...]."
Kommentar zu "Die Schiffe der Kleopatra"
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