Die Straße nach Cape Breton
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Sehr nette egoistische Leute von Tim Lott
LESEPROBE
Daßich die Frau, die mein Leben auf den Kopf stellte, bei dem Versuch kennenlernen würde, ihr etwas anzudrehen, war so ziemlichdas einzige, was man über meine erste Begegnung mit ihr hätte voraussagenkönnen. So mache ich nämlich alle meine Frauenbekanntschaften. Das bringt derJob so mit sich.
Es mußungefähr sechs Monate hersein, aber ich erinnere michnoch sehr gut daran. Zwei Zimmer, eines davon mit angrenzendem Bad, kleineDachterrasse, Gaszentralheizung, Küche/Eßzimmer, guteEinkaufsmöglichkeiten, günstige Verkehrslage Nähe King Street, Hammersmith. Die Wohnung war hoffnungslos überteuert, nurdazu da, die Kunden auszunehmen. Doch wenn ich sie nicht davon abgehaltenhätte, dann hätte sie sie genommen. Sie hätte die Papiere unterschrieben,einfach so.
Verkaufen, das ist meinJob. Ich verscherble renovierungsbedürftige Häuser,kleine, geschmackvolle Appartements, bezaubernde Maisonettewohnungen, großeWohnungen mit Gartenanteil, die nur ein wenig renoviert werden müssen. Kurzgesagt, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich bin Immobilienmakler.
Makler zu werden warnicht gerade mein sehnlichster Wunsch gewesen. Das soll keine Entschuldigungsein - ich schäme mich nicht für meinen Job. Wir sind nicht alles inzüchtige Ruperts und perlgrauäugige Amandas mitGoldkettchen. Ich habe sogar einen Abschluß in Politikwissenschaftenund Philosophie von der University West Middlesex,oder falls Ihnen ihr ursprünglicher Name lieber ist - und mein Freund Nodge besteht darauf -, vom StainesTechnical College.
Sie werden sich sicherfragen, was ein Immobilienmakler an der Uni verloren hat. Es ist ja nichtgerade so, als ob sie Kurse dafür anbieten würden. »Einführung in die Bedeutungund Semantik von Gaunerei, dubiosen Geschäften für Fortgeschrittene undHalbwahrheiten«. Nein. Das, was ich weiß, kann man nicht lernen. Das ist ehereine Kunst. Wie Komponieren oder so was.
Na, jedenfalls hatteich es nicht so mit dem Studieren. Ich habe mich nie groß für irgend etwas engagiert, nehme ich an. Ich schlage mich mitSachen durch, bei denen ich nicht erwischt werde, solange ich nicht erwischtwerde. Nein, ich denke, ich bin aus den üblichen Gründen an die Uni gegangen,dem Wunsch, den Berufseinstieg nach der Schule noch um weitere drei Jahrehinauszuzögern, und ich hatte gehört, daß der Kurs,für den ich mich einschrieb, trotz seines ausgefallenen Titels ziemlich easy sein sollte. Mir war ein Stipendium angeboten worden,und da ich meine Schulabschlußprüfungen ziemlicheinfach fand (ich bin ein gewitztes Kerlchen, sicherlich gewitzt genug, um dieTatsache zu verheimlichen, daß ich ein gewitztesKerlchen bin), dachte ich, daß ein Uniabschluß auch nichts anderes sein würde als dasWiederkäuen von Schulbüchern und gutgelerntenPrüfungstechniken. Außerdem wohnte meine damalige Freundin in der Nähe, und wirwollten für immer und ewig zusammenbleiben. Ich dachte, wenn ich einen Abschluß hätte, würde ich mir nicht mehr so sehr wie einunwissender Nobody aus Shepherd's Bush vorkommen. Undich dachte mir, damit fände ich einen anständigen Job.
Also die üblichenKindheitsillusionen. Meine Freundin und ich trennten uns, und die folgendensechs Monate war ich auf Handbetrieb angewiesen. Der Abschlußwar gar nicht so einfach zu machen, wie ich gedacht hatte - so manches Mal tatmir der Kopf vom Denken richtig weh. Das ist schon eine komische Sache mit demDenken, das kann ich Ihnen flüstern. All die unsichtbaren Wolken, die einemüber dem Kopf schweben. All das Zeug, worüber man so nachdenkt.
Ich kam mir immer nochvor wie ein unwissender Nobody aus Shepherd's Bush,aber einer mit Ansprüchen. Ein Abschluß vom Staines Technical College vorallem ein durchschnittlicher - öffnet einem nicht gerade die allermeisten Türenin die Berufswelt, und außerdem schließt er einen von vielen der Lehr- undHandlangerberufe aus. Maurer, Installateure, Elektriker und so weiter, dieriechen doch Bildung drei Meilen gegen den Wind. Sie hassen sie (es sei denn,es geht um ihre Kinder. Für Kinder ist Bildung toll, lebenswichtig. BeiErwachsenen hassen sie sie).
Also war ich die erstensechs Monate nach der Uni arbeitslos und hatte immer weniger, worauf ichmateriell und emotional zurückgreifen konnte, bis mir ein weitläufiger Onkelvon mir erzählte, ein Freund von ihm suche jemanden, der in einem örtlichenMaklerbüro aushelfen würde.
Farley, Ratchett & Gwynne waren nurein kleines Büro, aber mit großen Ambitionen. Sie waren gewillt, immer noch einpaar Pfund runterzugehen, um an Aufträge zu kommen,und ich auch. Das war Mitte, Ende der Achtziger, und dem Immobilienmarkt ginges prächtig wie nie. Ich hatte sowieso nichts Besseres vor, also dachte ich,versuch ich es mal. Seitdem habe ich kein einziges Mal zurückgeschaut. Ich kann gar nicht mehr weit genug neben mir stehen, umzurückzuschauen. Der Job ist mir zur Gewohnheit geworden. Ich weiß jetzt, daß das Leben mehr oder weniger aus Gewohnheiten besteht.Man tut irgend etwas, dann tut man es wieder undwieder, und bevor man sich's versieht, ist man tief in dem Job drin, ist mander Job, und man kann sich gar nicht vorstellen, etwas anderes zu tun oderjemand anderer zu sein.
Gewohnheit, freie Entscheidung, irgendwie so was, jedenfallsist dieser Job immer gut zu mir gewesen. Auch wenn er mir manchmal ein wenig -na ja, leer vorkommt. Unbefriedigend.
© Rowohlt Taschenbuch Verlag
Übersetzung: Peter Torberg
- Autor: David R. MacDonald
- 2002, 352 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: S.fischer
- ISBN-10: 3100153294
- ISBN-13: 9783100153296
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