Die Tote im Keller
Ein neuer Fall für Kriminalinspektorin Irene Huss: In einer eisigen Göteborger Winternacht stoßen Polizisten in einem alten Erdkeller auf die Leiche eines Mädchens. Offensichtlich wurde es über längere Zeit gefangen gehalten, missbraucht und brutal ermordet. Wer war die Tote, die niemand zu vermissen scheint? Die Ermittlungen führen Irene Huss ins Göteborger Rotlichtmilieu. Mit Hilfe ihrer Kollegin vom Dezernat für Menschenhandel kommt sie dem Kopf eines internationalen Mädchenhändlerrings auf die Spur, der sich gerade in der Stadt aufhält. Sie folgt der Fährte bis nach Teneriffa. Nach und nach deckt Irene Huss die Hintergründe dieses schmutzigen Geschäfts auf und bringt sich auf der Suche nach den Hintermännern schließlich selbst in höchste Gefahr. Aber wer hat das Mädchen tatsächlich auf dem Gewissen? Schleuser, Zuhälter, Freier? Noch ahnt niemand, dass der Mörder näher ist als gedach.
Ein neuer Fall für Kriminalinspektorin Irene Huss: In einer eisigen Göteborger Winternacht stoßen Polizisten in einem alten Erdkeller auf die Leiche eines Mädchens. Offensichtlich wurde es über längere Zeit gefangen gehalten, missbraucht und brutal ermordet. Wer war die Tote, die niemand zu vermissen scheint? Die Ermittlungen führen Irene Huss ins Göteborger Rotlichtmilieu. Mit Hilfe ihrer Kollegin vom Dezernat für Menschenhandel kommt sie dem Kopf eines internationalen Mädchenhändlerrings auf die Spur, der sich gerade in der Stadt aufhält. Sie folgt der Fährte bis nach Teneriffa. Nach und nach deckt Irene Huss die Hintergründe dieses schmutzigen Geschäfts auf und bringt sich auf der Suche nach den Hintermännern schließlich selbst in höchste Gefahr. Aber wer hat das Mädchen tatsächlich auf dem Gewissen? Schleuser, Zuhälter, Freier? Noch ahnt niemand, dass der Mörder näher ist als gedacht
Die Tote im Keller von Helene Tursten
LESEPROBE
Im Lichtdes Neumonds standen die Sterne wie Diamantsplitter im blauschwarzenJanuarhimmel und spiegelten sich im Raureif, der Göteborg überzog. Das Außenthermometerdes Streifenwagens zeigte 15 Grad minus an. Im Laufe der Nacht würde dieTemperatur wahrscheinlich noch weiter fallen. Die strenge Kälte umklammertebereits seit zwei Wochen das ganze Land mit eisernem Griff. Bisher war inWestschweden allerdings noch kein Schnee gefallen.
DerInspektor der Ordnungspolizei Stefan Eriksson saß gähnend in der behaglichenWärme des Streifenwagens und ließ den Motor laufen, ohne einen Gedanken an dieUmwelt zu verschwenden. Bei diesem Wetter kam es vor allem darauf an, die Kälteauf Abstand zu halten. Gedankenverloren schaute er zu der erleuchteten Thekeder Imbissbude hinüber. Sein Kollege Petrén stand ganz vorne in der Schlangeund bezahlte gerade. Ein Becher Kaffee und ein Cheeseburger mit allem war genaudas, was er jetzt, eine Stunde vor Ende der Abendschicht, brauchte. ErikssonsMagen knurrte laut und bestätigte, dass es wirklich höchste Zeit war. Siehatten beide nichts mehr gegessen, seit um 16 Uhr ihre Schicht begonnen hatte.Nicht weil sonderlich viel zu tun gewesen wäre, sondern weil ausgerechnet, alssie zum Essen ins Revier fahren wollten, in einer Pizzeria in Gamlestan eineSchlägerei ausgebrochen war.
Ohneübermäßige Eile waren sie also wieder umgedreht und nach Norden zur angegebenenAdresse gefahren. Die Ankunft der Streife hatte eine beruhigende Wirkung aufdie drei Schläger ausgeübt, und nach einer Weile hatten Eriksson und Petrén dieLage unter Kontrolle gehabt. Keiner der Beteiligten hatte eine Anzeigeerstatten wollen. Plötzlich waren sie sich geradezu rührend einig gewesen, dasses sich nur um eine hitzige Diskussion gehandelt habe. Die Tatsache, dass einervon ihnen ein gebrochenes Nasenbein hatte und so stark blutete, dass ihn derKrankenwagen zur Notaufnahme des Östlichen Krankenhauses fahren musste, wareinfach nur ein bedauerliches Missgeschick. Gleiches hatte auch für diestarken, roten Schwellungen in den Gesichtern der anderen gegolten, die sich inKürze blau verfärben würden. Da kein weiteres Eingreifen von Seiten der Polizeierwünscht gewesen war, hatten Eriksson und Petrén die Pizzeria verlassen,nachdem zuvor der Mann mit dem gebrochenen Nasenbein zur Wiederherstellungseiner Gesichtssymmetrie vom Krankenwagen abgeholt worden war. Ein Bericht überden Vorfall musste reichen.
Danach warensie sich einig gewesen, dass ihnen der Appetit auf Pizza vergangen war, und sowaren sie zur Imbissbude am Delsjövägen gefahren. Dort gab es immer Parkplätze,und das Essen genoss einen guten Ruf. Behauptete zumindest Petrén. Er warJunggeselle und ernährte sich kaum von etwas anderem.
Erikssonwurde aus seinen Gedanken gerissen, als das Funkgerät krächzte:
»AllgemeineDurchsage. Ein BMW 630, silbermatallic, ist vor ein paar Minuten auf derStampgatan gestohlen worden. Der Eigentümer hat zwei jüngere Männer in das Autoeinsteigen und die Skânegatan in Richtung Liseberg davonfahren sehen.Personenbeschreibung: Beide trugen dunkle, gestrickte Mützen und dunkleKleidung. Der Zeuge beschrieb sie als mittelgroße, eher schmächtigeHiphop-Kids. Das Kennzeichen des Fahrzeugs ist «
SkânegatanRichtung Liseberg, also direkt am Präsidium vorbei. Ganz schön dreist!, dachteEriksson und sah Petrén dabei zu, wie er mit der Cheeseburgertüte in der einenHand und den Kaffeebechern mit Deckeln in der anderen auf das Auto zueilte. Eswirkte recht gewagt, wie er die heißen Becher in seiner behandschuhten Handbalancierte. Hilfsbereit beugte sich Eriksson über den Beifahrersitz undöffnete seinem Kollegen die Tür. Petrén ging in die Knie, um sich zu setzen,als er plötzlich, einen Fuß bereits im Auto, den anderen noch auf der Straße,innehielt. Eriksson spürte, wie es im warmen Wageninneren rasch kälter wurde.Verärgert sagte er:
»Jetzt hockdeinen Arsch hin, bevor «
Mitten imSatz brach er jedoch ab. Mit Fernlicht und heulendem Motor raste auf demDelsjövägen ein Auto auf sie zu. Der Streifenwagen war Richtung Zentrumgeparkt, und der andere Wagen war, so schnell es mit Gürtelreifen auf Alufelgennur ging, in der Gegenrichtung unterwegs. Eriksson registrierte, dass der Wagenhell war, wahrscheinlich silberfarben, als er ein paar Meter weiter an derStraßenlaterne vorbeischoss. Es war eindeutig ein größerer BMW. Der Wagengeriet etwas ins Schlingern, als der Fahrer das Gaspedal durchtrat und mitquietschenden Reifen am Polizeiwagen vorbeikam.
»Scheiße,Petrén! Das ist der BMW!«, schrie Eriksson.
»Was fürein BMW?«, fragte Petrén und ließ sich vorsichtig auf den Beifahrersitz sinken.
»Nach demgefahndet wurde, als du draußen warst! Gib durch, dass wir die Schweine haben!«
»Gehtnicht.«
»Was?«
»BeideHände voll.«
Petrénhielt die Tüte und die Becher hoch.
»Verdammt Schmeiß das Zeug raus!«, rief Eriksson.
Wortlosbetätigte Petrén mit dem rechten Ellenbogen den Fensterheber. Das leise Surren,mit der sich die Seitenscheibe senkte, ging im Quietschen der Reifen unter, dieauf dem Asphalt durchdrehten. Ohne Zögern entsorgte Petrén die Tüte mit denBurgern und die Becher mit dem Kaffee durch das Seitenfenster. Während dieScheibe nach oben glitt, griff er zum Mikro und funkte die Zentrale an.
»StreifeElf Null Eins vom Imbiss am Delsjövägen. Der gesuchte BMW ist gerade an unsvorbeigefahren. Er fährt in Richtung Kâlltorp. Mit hoher Geschwindigkeit.Nehmen Verfolgung auf. Over.«
»Sehr gut,Elf Null Eins. Ich fordere Verstärkung an. Dreizehn Null Vier kommt gerade vomÖstlichen Krankenhaus und kann aus der anderen Richtung den Weg abschneiden.Weitere Fahrzeuge unterwegs.«
Erikssonfuhr so schnell es ging. Die Rücklichter des BMW bewegten sich auf dashellerleuchtete, schachtelartige Gebäude des Schwedischen Fernsehens zu.Energisch drückte er aufs Gaspedal. Plötzlich flammten die Rücklichter vor ihmauf wie zwei rote Leuchtraketen. Der BMW schlitterte über die Fahrbahn undschien beinahe von der Straße abzukommen.
Die beidenPolizisten sahen, wie etwas in die Luft geschleudert wurde und dann neben demAuto aufprallte. Was immer es gewesen sein mochte, jetzt lag es unbeweglich aufder Fahrbahn, direkt neben dem Bürgersteig. Als der Fahrer vor ihnen seinFahrzeug wieder unter Kontrolle hatte, gab er sofort wieder Vollgas.
DerStreifenwagen wurde langsamer und hielt an.
»Verdammt!Sie haben jemanden angefahren! Fordere Hilfe an!«, schrie Eriksson aufgebracht.
Petréngriff erneut zum Mikro:
»Hier istElf Null Eins. Die Flüchtigen haben vor der Fernsehanstalt einen Fußgängerangefahren! Schickt einen Krankenwagen und Verstärkung. Wir bleiben amUnfallort. Over.«
»Verstanden.Wir schicken einen Krankenwagen und eine weitere Streife. Die anderen Einheitenfolgen dem BMW.«
Letztereshörte Stefan Eriksson schon nicht mehr, weil er aus dem Wagen gesprungen war.Mit wenigen großen Schritten war er bei der reglosen Gestalt.
Er sah sehrviel Blut. Und die große, dunkle Blutlache wuchs mit einer entsetzlichenGeschwindigkeit. So ein Blutverlust war tödlich. Eriksson wusste irgendwie,dass der Mann vor ihm bereits tot war. Trotzdem näherte er sich vorsichtig demKopf des Opfers, um nach der Halsschlagader zu tasten. Als er sah, in welchem Zustand sich der Kopf befand, ließer es bleiben. Damit ein Mensch überleben konnte, musste er noch ein Gehirnhaben. Dies war hier nicht mehr der Fall.
Erikssonhatte während seiner Dienstjahre viele Verkehrstote gesehen, aber dieser boteinen ungewöhnlich unerfreulichen Anblick. Es würde nicht leicht sein, denToten zu identifizieren. Aus der Ferne hörte er die Sirenen des Krankenwagens.Er drehte sich um. Sein Kollege baute gerade die Absperrungen mit derreflektierenden Aufschrift »Polizei« auf. Das Blaulicht ihres Streifenwagenstauchte den Unfallort in ein gespenstisches Licht. Einige Pkws hatten ineiniger Entfernung angehalten, aber es gelang Petrén, die Insassen dazu zubewegen, sitzen zu bleiben.
Das Opferlag mit unnatürlich verdrehten Beinen auf dem Rücken. Der linke Unterschenkelwar offensichtlich vollkommen abgetrennt. Der linke Arm war im rechten Winkelausgestreckt, die Hand fehlte. Eriksson schaute sich um und entdeckte einenKlumpen auf dem Bürgersteig, bei dem es sich vermutlich um die abgerissene Handhandelte. Die Kleidung ließ darauf schließen, dass das Opfer männlich war. Ertrug einen schwarzen oder dunkelblauen Overall. Die rechte Hand lag kraftlosauf der Brust. Das verlieh der übel zugerichteten Leiche einen geradezufriedlichen Ausdruck. Als hätte der Mann eingesehen, dass er sterben würde, undinstinktiv die Hand aufs Herz gelegt, um seinen letzten Schlag zu spüren.
Dichthinter dem Krankenwagen traf der zweite Streifenwagen ein. In dem blinkendenLicht der Blaulichter sah Eriksson plötzlich, dass es in der Herzregion, nebender Hand des Toten, schwach glomm. Er versuchte der Blutlache auszuweichen, alser näher herantrat, um besser sehen zu können.
Erstweigerte sich sein Kopf zu akzeptieren, was er da sah. Er erkannte es müheloswieder, da er es schon unzählige Male gesehen hatte. Als sich Petrén mit deneben eingetroffenen Kollegen zu ihm gesellte, deutete Eriksson mit zitterndemFinger auf die Brust des Opfers. ( )
© Btb
Übersetzung:Holger Wolandt, Lotta Rüegger
- Autor: Helene Tursten
- 2007, 1, 315 Seiten, Maße: 14,5 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Rüegger, Lotta; Wolandt, Holger
- Übersetzer: Holger Wolandt, Lotta Rüegger
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442752000
- ISBN-13: 9783442752003
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