Die unsichtbaren Trümmer
Im Auftrag der US-Regierung reist James Stern 1945 durch Deutschland, um zu untersuchen, welchen Effekt die alliierten Luftangriffe auf die Bevölkerung hatten. Er begegnet Opfern und Tätern, Flüchtlingen und Kriegsgewinnlern.
''... eines der besten...
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Produktinformationen zu „Die unsichtbaren Trümmer “
Im Auftrag der US-Regierung reist James Stern 1945 durch Deutschland, um zu untersuchen, welchen Effekt die alliierten Luftangriffe auf die Bevölkerung hatten. Er begegnet Opfern und Tätern, Flüchtlingen und Kriegsgewinnlern.
''... eines der besten Bücher über Deutschland unter alliierter Besatzung.''
New York Times
Klappentext zu „Die unsichtbaren Trümmer “
"Darmstadt war mir - des lokalen Buntsandsteins wegen - als rosa Stadt in Erinnerung. Noch die Ruinen Darmstadts leuchteten in einem Rosa, wie wir es nirgends sonst sahen". Ende Mai 1945 landet James Stern in einer Trümmerlandschaft, die sich vor kurzem noch Deutschland nannte. Im Auftrag der Amerikanischen Regierung soll er erforschen, welchen Effekt die alliierten Luftangriffe auf die deutsche Bevölkerung hatten. In der amerikanischen Zone interviewt er verunsicherte Zivilisten, spricht mit den Hinterbliebenen Schurik Schmorells (einem der hingerichteten Aktivisten der "Weißen Rose"), trifft beängstigend lernfähige Wendehälse und verstockte Nazis, er wohnt bei verstörten ehemaligen Herrenmenschen und trifft auf dem flachen Land eine Hochschwangere, die seit Wochen von Italien aus zu Fuß in Richtung Norden unterwegs ist.Sein Buch, 1947 erstmals erschienen, ist in seiner Mischung aus Reportage und Interviews ein einzigartiges Zeitdokument und in den angelsächsischen Ländern längst ein Klassiker. Es erscheint - erstaunlicherweise - nun erstmals auf Deutsch.Lese-Probe zu „Die unsichtbaren Trümmer “
Der Abend des 5. März 1945 in New York wurde kalt und grau. Als ich das Fenster öffnete, kam von der Third Avenue ein Schwall eisiger Luft herein. Ein Mann, der draußen vor Moriarty, dem Pub an der Ecke, mit den Füßen stampfte und in seine Hände blies, erinnerte mich an Winternächte in Dublin. Ich wandte mich zurück ins Zimmer und warf einen Blick auf die New York Times auf dem Tisch. "Die Alliierten am Rhein", begann der Bericht aus London, "aber sie haben den Krieg noch nicht gewonnen ... Dies ist nicht das Ende, nicht einmal der Anfang vom Ende ..."Ehe ich lesen konnte, was es nach Meinung des Schreibers nun war, klingelte es.
Es war Mervyn, der mir einen seiner spontanen, unangekündigten Besuche aus Philadelphia abstattete. Wortlos setzte er sich. Er schien abgelenkt, merkwürdig still. Schließlich murmelte er: "Ich glaube, ich werde nach Deutschland fahren!"
Ich starrte ihn an. "Deutschland!" sagte ich. "Wie? Wann? Du machst Witze!"
"Mach ich nicht, glaub mir." Und langsam, zögernd, begann er zu erzählen, wie er die Bekanntschaft eines "gewissen Mannes" gemacht hatte, der versuchte, Zivilisten für Missionen in Übersee zu rekrutieren. Sie würden Uniform tragen, sagte er, und unter Befehl des Kriegsministeriums in einem ihrem Einkommen entsprechenden Rang reisen müssen, was aber genau ihre Aufgabe in Deutschland sein würde, schien Mervyn nicht zu wissen. Jetzt merkte ich, daß er sich zur Ruhe zwang, in Wirklichkeit jedoch äußerst erregt war.
"Welche Qualifikationen werden verlangt?" fragte ich. "Oh", sagte er, "ich glaube, man soll eine gewisse Zeit in Deutschland gelebt und einige Kenntnisse der Sprache haben - das scheint so ziemlich alles zu sein." Ich dachte bereits angestrengt nach. "Und wie wär's mit mir?" fragte ich schließlich. "Käme ich in Frage?"
Er blickte überrascht auf. "Du? Willst du denn? Übersetzt du nicht gerade dieses dicke Buch?"
"Natürlich würde ich gerne gehen", sagte ich. "Und mit dem Buch, das du erwähnst, bin ich fast
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fertig."
"Also gut," sagte Mervyn, "ich werde dem Mann deine Telefonnummer geben. Wenn dich ein Mr. Nesbit anruft, weißt du ja, was er will."
Eine Stunde später ging Mervyn, und ich hörte eine Woche lang nichts mehr von der Sache. Während dieser Zeit fiel es mir sehr schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich hatte im Deutschland vor Hitler gelebt und gearbeitet. Doch abgesehen von einem Wochenende im Jahre 1935 hatte ich das Land nicht mehr betreten, seit Hitler an die Macht gekommen war. In den Jahren dazwischen hatte ich viel Zeit mit Flüchtlingen, hauptsächlich Schriftstellern, verbracht, um ihnen Englisch, Textredaktion, Ghostwriting beizubringen und ihre Bücher zu übersetzen. Erst jetzt wurde mir richtig bewußt, wie sehr ich mich mit ihnen identifizierte. Auf den Gedanken, Deutschland wieder zu besuchen, war ich nicht gekommen. Die Aussicht, zurückzukehren, erfüllte mich mit einer Mischung aus Grauen und Faszination. Mir war, als würde ich in ein Land reisen wollen, das es in Wirklichkeit gar nicht gab, oder ins Bett zu gehen mit der Gewißheit, im Schlaf müßte sich jener Alptraum wiederholen, in dem mau mich, an Händen und Füßen gefesselt, zwang, zuzuschauen, wie ein waagerechter Steinblock von den Ausmaßen der von Stonehenge mit schrecklicher Langsamkeit auf eine Masse nackter, geknebelter, auf der Erde liegender menschlicher Gestalten herabgelassen wurde. An beiden Enden des Steinblocks war ein flaschenzugähnliches Gebilde, von Hitler und Himmler bedient, die in wahnsinniges, kreischendes Gelächter ausbrachen, als sich das große Gewicht bis auf einen Fuß über die Köpfe der sich in stummer Qual windenden Leiber senkte.
Obwohl der alte Alptraum nicht wiederkam, hielt mich nachts eine merkwürdige Erregung wach - je mehr ich über eine Rückkehr nach Deutschland nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam sie mir vor. Nach ein paar Tagen war es mir fast gelungen, mir die Idee ganz aus dem Kopf zu schlagen.
Dann rief Mr. Nesbit an. Auf der Reise nach Washington machte er Station in New York. Zwischen zwei Zügen hatte er eine halbe Stunde Zeit. Er fragte, ob ich ihn um neun Uhr in einem bestimmten Warteraum in der 42sten Straße treffen könne?
"Ich bin sehr klein", sagte die Stimme. "Mein Mantel ist braun und mein Haar auch. Wie sehen Sie aus?"
"Mein Mantel ist auch braun", antwortete ich, "hat aber ein ziemlich auffälliges Karomuster. Ich trage nie einen Hut und bin, glaube ich, überdurchschnittlich groß."
"Ein Langer und ein Kurzer", sagte Mr. Nesbits Stimme.
Er war so charmant, wie ich nach dieser Bemerkung vermuten durfte, und da der Warteraum fast leer war, erkannten wir einander sofort. In Ledersesseln saßen wir in einer Ecke, und als ich sah, was für hellwache, schlaue Augen er hatte, beschloß ich, die vielen Fragen, die mir auf der Zunge lagen, nicht zu stellen.
Statt dessen beantwortete ich seine. Sie schienen mir kaum weniger formal als jene auf dem Fragebogen für den Staatsdienst, den ich einmal für das Office of War Information ausgefüllt hatte. Vor einundvierzig Jahren in Irland geboren, 1929 zum ersten Mal nach Amerika gekommen. Ja, ich spräche Französisch und Deutsch. Habe in beiden Ländern gelebt. Dann wechselten wir vom Englischen ins Deutsche. Ich hätte in Frankfurt und Berlin gearbeitet, hauptsächlich bei Banken. Ob ich gewillt sei, mich für sechs Monate zu verpflichten, vielleicht auch für ein Jahr? Sicher. Mr. Nesbit erhob sich aus seinem Sessel. Ich würde im Laufe der Woche von ihm hören. Er müsse jetzt zu seinem Zug. Wir gaben uns die Hand.
"Also gut," sagte Mervyn, "ich werde dem Mann deine Telefonnummer geben. Wenn dich ein Mr. Nesbit anruft, weißt du ja, was er will."
Eine Stunde später ging Mervyn, und ich hörte eine Woche lang nichts mehr von der Sache. Während dieser Zeit fiel es mir sehr schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich hatte im Deutschland vor Hitler gelebt und gearbeitet. Doch abgesehen von einem Wochenende im Jahre 1935 hatte ich das Land nicht mehr betreten, seit Hitler an die Macht gekommen war. In den Jahren dazwischen hatte ich viel Zeit mit Flüchtlingen, hauptsächlich Schriftstellern, verbracht, um ihnen Englisch, Textredaktion, Ghostwriting beizubringen und ihre Bücher zu übersetzen. Erst jetzt wurde mir richtig bewußt, wie sehr ich mich mit ihnen identifizierte. Auf den Gedanken, Deutschland wieder zu besuchen, war ich nicht gekommen. Die Aussicht, zurückzukehren, erfüllte mich mit einer Mischung aus Grauen und Faszination. Mir war, als würde ich in ein Land reisen wollen, das es in Wirklichkeit gar nicht gab, oder ins Bett zu gehen mit der Gewißheit, im Schlaf müßte sich jener Alptraum wiederholen, in dem mau mich, an Händen und Füßen gefesselt, zwang, zuzuschauen, wie ein waagerechter Steinblock von den Ausmaßen der von Stonehenge mit schrecklicher Langsamkeit auf eine Masse nackter, geknebelter, auf der Erde liegender menschlicher Gestalten herabgelassen wurde. An beiden Enden des Steinblocks war ein flaschenzugähnliches Gebilde, von Hitler und Himmler bedient, die in wahnsinniges, kreischendes Gelächter ausbrachen, als sich das große Gewicht bis auf einen Fuß über die Köpfe der sich in stummer Qual windenden Leiber senkte.
Obwohl der alte Alptraum nicht wiederkam, hielt mich nachts eine merkwürdige Erregung wach - je mehr ich über eine Rückkehr nach Deutschland nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam sie mir vor. Nach ein paar Tagen war es mir fast gelungen, mir die Idee ganz aus dem Kopf zu schlagen.
Dann rief Mr. Nesbit an. Auf der Reise nach Washington machte er Station in New York. Zwischen zwei Zügen hatte er eine halbe Stunde Zeit. Er fragte, ob ich ihn um neun Uhr in einem bestimmten Warteraum in der 42sten Straße treffen könne?
"Ich bin sehr klein", sagte die Stimme. "Mein Mantel ist braun und mein Haar auch. Wie sehen Sie aus?"
"Mein Mantel ist auch braun", antwortete ich, "hat aber ein ziemlich auffälliges Karomuster. Ich trage nie einen Hut und bin, glaube ich, überdurchschnittlich groß."
"Ein Langer und ein Kurzer", sagte Mr. Nesbits Stimme.
Er war so charmant, wie ich nach dieser Bemerkung vermuten durfte, und da der Warteraum fast leer war, erkannten wir einander sofort. In Ledersesseln saßen wir in einer Ecke, und als ich sah, was für hellwache, schlaue Augen er hatte, beschloß ich, die vielen Fragen, die mir auf der Zunge lagen, nicht zu stellen.
Statt dessen beantwortete ich seine. Sie schienen mir kaum weniger formal als jene auf dem Fragebogen für den Staatsdienst, den ich einmal für das Office of War Information ausgefüllt hatte. Vor einundvierzig Jahren in Irland geboren, 1929 zum ersten Mal nach Amerika gekommen. Ja, ich spräche Französisch und Deutsch. Habe in beiden Ländern gelebt. Dann wechselten wir vom Englischen ins Deutsche. Ich hätte in Frankfurt und Berlin gearbeitet, hauptsächlich bei Banken. Ob ich gewillt sei, mich für sechs Monate zu verpflichten, vielleicht auch für ein Jahr? Sicher. Mr. Nesbit erhob sich aus seinem Sessel. Ich würde im Laufe der Woche von ihm hören. Er müsse jetzt zu seinem Zug. Wir gaben uns die Hand.
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Bibliographische Angaben
- Autor: James Stern
- 2004, 3. Aufl., 400 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 15 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Berger, Fritz; Utz, Joachim
- Übersetzer: Fritz Berger, Joachim Utz
- Verlag: Eichborn
- ISBN-10: 3821807490
- ISBN-13: 9783821807492
Rezension zu „Die unsichtbaren Trümmer “
"Überwältigend, ein kleines Wunder ... James Stern ist eine Beschreibung der Nachwirkungen des deutschen Krieges und der alliierten Besatzung gelungen, die genauso eindrucksvoll ist wie John Herseys Buch über Hiroshima - selbst Tolstoi hätte es nicht besser gekonnt." (Anne Freemantle)"'Die unsichtbaren Trümmer' ist eines der besten Bücher über Deutschland unter alliierter Besatzung." (New York Times)
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