Drachensaat
Roman
Benno Tiggelkamp hat Mist gebaut. Diesmal so richtig. Und ist erwischt worden. Deshalb sitzt er jetzt beim Heiner und soll reden. Benno weiß auch nicht, wozu das gut ist. Aber er wird ja nicht gefragt. Der Psychotherapeut Dr. Heiner Zins glaubt fest...
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Produktinformationen zu „Drachensaat “
Benno Tiggelkamp hat Mist gebaut. Diesmal so richtig. Und ist erwischt worden. Deshalb sitzt er jetzt beim Heiner und soll reden. Benno weiß auch nicht, wozu das gut ist. Aber er wird ja nicht gefragt. Der Psychotherapeut Dr. Heiner Zins glaubt fest an seine Entdeckung einer neuen Zivilisationskrankheit. Deshalb lässt er zu Forschungszwecken sechs schwere Fälle in seine Klinik verlegen: Sechs Menschen, die scheinbar vollkommen absurde Taten begangen haben. Die gruppentherapeutischen Sitzungen des Arztes erzeugen bei den Patienten nicht nur ein bisher ungekanntes Selbstbewusstsein, sondern bald auch den Wunsch nach Ruhm und Anerkennung. Schnell verliert der ehrgeizige Arzt die Kontrolle über die Gruppe und kann nicht verhindern, dass diese ausbricht Witzig und wüst - eine skurrile Achterbahnfahrt mit gesellschaftlichem Sprengstoff.
Klappentext zu „Drachensaat “
Benno Tiggelkamp hat Mist gebaut. Diesmal so richtig. Und ist erwischt worden. Deshalb sitzt er jetzt beim Heiner und soll reden. Benno weiß auch nicht, wozu das gut ist. Aber er wird ja nicht gefragt. Der Psychotherapeut Dr. Heiner Zins glaubt fest an seine Entdeckung einer neuen Zivilisationskrankheit. Deshalb lässt er zu Forschungszwecken sechs schwere Fälle in seine Klinik verlegen: Sechs Menschen, die scheinbar vollkommen absurde Taten begangen haben. Die gruppentherapeutischen Sitzungen des Arztes erzeugen bei den Patienten nicht nur ein bisher ungekanntes Selbstbewusstsein, sondern bald auch den Wunsch nach Ruhm und Anerkennung. Schnell verliert der ehrgeizige Arzt die Kontrolle über die Gruppe und kann nicht verhindern, dass diese ausbrichtWitzig und wüst - eine skurrile Achterbahnfahrt mit gesellschaftlichem Sprengstoff.
Lese-Probe zu „Drachensaat “
Drachensaat von Jan WeilerLESEPROBE
2. Das Reich des Wassertrinkers
Die erste Zeit im Haus Unruh empfand ich als sehr angenehm, als reinste Erholung. Ich erhielt ein Einzelzimmer, verfügte über viel mehr Freiheiten als zuvor, aber vor allem waren dort praktisch keine Bekloppten unterwegs. Genau genommen gab es für eine ganze Weile nur mich und die Pfleger. Nachdem mich der Doktor begrüßt und mir erklärt hatte, dass er sich für die nächsten zehn Tage in der Schweiz bei einem Kongress aufzuhalten gedenke und noch am Abend abreisen müsse, eigentlich nur gewartet habe, um mich persönlich in Empfang zu nehmen, bat er mich ins Kaminzimmer, wo er sich in einen massiven Ledersessel fallen ließ. Ich setzte mich ihm gegenüber. Sein Anzug und mein Smoking passten gut hierher, die Szene strahlte eine gewisse Eleganz aus. Holzscheite verbrannten knackend und warfen ein flackerndes Licht auf den Arzt, der mich freundlich anlächelte, wie um mich zu beruhigen. Dabei war ich nicht aufgeregt, nur neugierig.
Heiner Zens besaß ein altersloses Gesicht. Er konnte ebenso gut Ende dreißig sein wie Anfang fünfzig. Er war nicht groß und nicht schwer und der Typ Mann, den man sich nicht in kurzen Hosen vorstellen konnte. Er wirkte, als sei er in diesem tadellos sitzenden grauen Anzug auf die Welt gekommen. Die sehr modische Brille auf seiner Nase nahm er immer wieder ab, um sie in seine Brusttasche zu stecken und nach ein paar Minuten wieder hervorzuholen, was ich als Indiz dafür wertete, dass er eher älter als jünger war, denn das Brillengefummel deutete auf Weitsichtigkeit hin. Kurzsichtige Menschen behalten ihre Brille in der Regel auf. Der Haarkranz auf seinem Kopf war kurz rasiert und von unbestimmbarer Farbe. Wegen seiner hellen Augenbrauen nahm ich an, er sei blond. Seine Haut war beinahe weiß - er schien mir ein
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sonnenempfindlicher Typ zu sein - und wies nicht eine einzige Unebenheit auf, keine Unreinheit, kein Muttermal, keine Sommersprossen, keinen Bartwuchs. Dies machte ihn wiederum jünger, als sein Brillentick es hätte vermuten lassen. Seine Stimme ließ ebenfalls keine Rückschlüsse auf sein Alter zu. Sie war ruhig und angenehm, klang nach Bildung, auch nach Überlegenheit. Alles in allem war Heiner Zens eine ebenso interessante wie undurchsichtige Erscheinung.
Er musterte mich mit der gleichen freundlichen Neugier, mit der ich ihn ansah. Dann sagte er: «Sie waren Architekt, richtig?»
«Richtig, ja.»
«Ein interessanter Beruf. Sie müssen mir beizeiten mal davon erzählen.»
Ich fasste das als Versuch auf, mein Vertrauen zu gewinnen. Dann plauderte er über das Haus, in dem wir uns befanden. Ich erfuhr, dass es nach seinem ersten Besitzer, einem Industriellen aus Wiesbaden, benannt worden war, der es 1918 hatte bauen lassen. Wilhelm Unruh sei Apotheker und Tablettenhersteller gewesen. Er habe alle möglichen Medikamente zusammengemischt und als Versuchsperson seiner Rezepturen eine ordentliche Drogenkarriere hingelegt, bevor er reich und glücklich in den fünfziger Jahren kinderlos starb. Das Haus habe zunächst lange leer gestanden und dann als Schulungszentrum des pharmazeutischen Konzerns, der Unruhs Firma aufgekauft hatte, gedient. Vor einem guten halben Jahr habe Doktor Zens es erworben, renoviert und für seine Zwecke hergerichtet.
«Wollen Sie Ihr neues Zuhause sehen?», fragte er und erhob sich. Dann zeigte er mir sichtlich stolz die Villa. Im Erdgeschoss lagen außer dem Kaminzimmer eine Bibliothek, ein großzügiger Wohnraum mit einem an einer Kette baumelnden Boxsack. Daneben befand sich das Speisezimmer. Ich zählte sechs Plätze an der Tafel. Es stand auch ein Getränkeautomat in dem Raum, welcher in allen acht Schächten Wasser enthielt. Wasser mit und ohne und mit wenig Kohlensäure, natriumarm, warm und kalt und mittelkalt und mit einem Hauch von Zitronenaroma. Man müsse für jede Flasche ein Markstück einwerfen, erläuterte Zens. Ich habe während meines Aufenthaltes Hunderte von Flaschen aus diesem Automaten geholt. Nie war ein Schacht leer. Das Haus Unruh verfügte über eine große Küche, in der ein Koch ständig arbeitete. Man hörte dauernd Geräusche, doch gesehen habe ich nie jemanden.
Innerhalb des Hauses durften ich und meine späteren Mitpatienten uns weitgehend frei bewegen. Fenster und Türen indes waren stets abgeschlossen, die Fenster zusätzlich vergittert. Natürlich gingen wir mal in den Park, doch dieser besaß eine unüberwindbare Mauer. Außerdem durften wir das Gebäude nur in Begleitung eines Pflegers verlassen. Die Türen unserer Zimmer blieben immer offen. Nur zur Nachtruhe schlossen sie automatisch und ließen sich dann nicht mehr von innen öffnen.
Auf der rechten Seite entlang eines mit Teppich ausgelegten Flures in der ersten Etage lagen die Patientenzimmer. Zens nannte sie «Gasträume». Gegenüber befanden sich ein großes Besprechungszimmer sowie zwei durch Türen miteinander verbundene Behandlungsräume. Im Flur stand ein Wasserautomat wie im Esszimmer.
Alles in allem machte das Haus Unruh einen sehr sauberen Eindruck. Obwohl es sich um eine Jugendstilvilla handelte, wirkte das Gebäude sehr modern und klinisch. Ganz offensichtlich war es gerade erst renoviert und eingerichtet worden. Es roch nach Farbe, unter einem der Sessel sah ich Transportfolie. Sie haben sie nicht vollständig abgerissen, als sie den Sessel im Kaminzimmer abgestellt haben. Ich habe so viele Gebäude abgenommen, ich kann frische Bohrlöcher förmlich riechen. Für mich stand fest, dass ich der erste Patient dieser Einrichtung war. Ich kann nicht behaupten, dass mir der Gedanke gefiel.
Nach der Hausführung verabschiedete sich Doktor Zens. Er sagte: «Ich finde, Sie passen ausgezeichnet hierher. Wir werden bald Gelegenheit haben, uns besser kennenzulernen.»
«Was mache ich eigentlich hier?»
«Gute Frage. Die stelle ich mir manchmal auch. Oft denke ich, dass ich selber Patient bin. Der Unterschied ist nur: Die Patienten gehen eines Tages wieder, aber ich bleibe lebenslänglich.» Zens lachte.
«Sie haben meine Frage nicht beantwortet.»
«Das geht auch nicht zwischen Tür und Angel. Wir werden uns darüber unterhalten, wenn ich wieder zurück bin. Richten Sie sich ein, akklimatisieren Sie sich. Lesen Sie ein Buch. Und Sie bekommen natürlich etwas zum Anziehen. Möchten Sie Ihre Medikamente nehmen oder nicht?»
«Habe ich denn eine Wahl?»
«Ja, natürlich. Sie müssen die Tabletten nicht nehmen, wenn Sie nicht wollen. Ich betrachte Sie nicht als krank. Und ich brauche Sie bei wachem Verstand. Mir wäre lieber, Sie würden nichts nehmen, es sei denn, es ist Ihnen danach.»
«Ich habe Kopfschmerzen.»
«Ja, sicher. Entscheiden Sie selber.»
Er gab mir die Hand und ging.
Ein Pfleger brachte mich in die erste Etage in ein komfortables Zimmer mit einem kleinen Bad. Zwar ließ sich das Fenster nicht öffnen, und die Sicht war auch hier durch Gitterstäbe eingeschränkt, aber der Raum passabel eingerichtet. Es hätten nur noch ein Fernseher und eine Minibar gefehlt, und man hätte sich in einem Viersternehotel geglaubt.
Natürlich entdeckte ich sofort die Überwachungskamera. Sie hatten sich auch überhaupt nicht die Mühe gemacht, sie zu verstecken. In der Schublade neben dem Bett fand ich sechsundzwanzig Markstücke. Für die Wasserautomaten. Ich stellte meine Zahnbürste ins Glas, zog mich bis auf die Unterhose aus, legte mich aufs Bett und wartete. Nichts geschah, irgendwann schloss sich die Tür meines Zimmers automatisch, und ich schlief ein.
Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass sich die Tür nicht öffnen ließ. Ich klopfte, aber niemand kam. Also stellte ich mich vor die Überwachungskamera und sagte: «Guten Morgen, die Herrschaften. Könnten Sie mich rauslassen, bitte? Hallo?» Aber es kam niemand. Ich zog den Bademantel an, den ich im Schrank gefunden hatte, und setzte mich aufs Bett. Ich wartete nicht lange, dann klickte es hörbar im Schloss.
Unten im Esszimmer war für eine Person eingedeckt. Ich setzte mich. Wenige Sekunden später erschien ein Pfleger und servierte das Frühstück. Wurst. Schinken. Eine Käseauswahl, dazu Marmelade, Honig, Brot und Brötchen, ein Croissant. «Guten Morgen», sagte ich. Der Mann nickte wortlos und stellte eine Karaffe mit Wasser auf den Tisch.
© Kindler Verlag
Er musterte mich mit der gleichen freundlichen Neugier, mit der ich ihn ansah. Dann sagte er: «Sie waren Architekt, richtig?»
«Richtig, ja.»
«Ein interessanter Beruf. Sie müssen mir beizeiten mal davon erzählen.»
Ich fasste das als Versuch auf, mein Vertrauen zu gewinnen. Dann plauderte er über das Haus, in dem wir uns befanden. Ich erfuhr, dass es nach seinem ersten Besitzer, einem Industriellen aus Wiesbaden, benannt worden war, der es 1918 hatte bauen lassen. Wilhelm Unruh sei Apotheker und Tablettenhersteller gewesen. Er habe alle möglichen Medikamente zusammengemischt und als Versuchsperson seiner Rezepturen eine ordentliche Drogenkarriere hingelegt, bevor er reich und glücklich in den fünfziger Jahren kinderlos starb. Das Haus habe zunächst lange leer gestanden und dann als Schulungszentrum des pharmazeutischen Konzerns, der Unruhs Firma aufgekauft hatte, gedient. Vor einem guten halben Jahr habe Doktor Zens es erworben, renoviert und für seine Zwecke hergerichtet.
«Wollen Sie Ihr neues Zuhause sehen?», fragte er und erhob sich. Dann zeigte er mir sichtlich stolz die Villa. Im Erdgeschoss lagen außer dem Kaminzimmer eine Bibliothek, ein großzügiger Wohnraum mit einem an einer Kette baumelnden Boxsack. Daneben befand sich das Speisezimmer. Ich zählte sechs Plätze an der Tafel. Es stand auch ein Getränkeautomat in dem Raum, welcher in allen acht Schächten Wasser enthielt. Wasser mit und ohne und mit wenig Kohlensäure, natriumarm, warm und kalt und mittelkalt und mit einem Hauch von Zitronenaroma. Man müsse für jede Flasche ein Markstück einwerfen, erläuterte Zens. Ich habe während meines Aufenthaltes Hunderte von Flaschen aus diesem Automaten geholt. Nie war ein Schacht leer. Das Haus Unruh verfügte über eine große Küche, in der ein Koch ständig arbeitete. Man hörte dauernd Geräusche, doch gesehen habe ich nie jemanden.
Innerhalb des Hauses durften ich und meine späteren Mitpatienten uns weitgehend frei bewegen. Fenster und Türen indes waren stets abgeschlossen, die Fenster zusätzlich vergittert. Natürlich gingen wir mal in den Park, doch dieser besaß eine unüberwindbare Mauer. Außerdem durften wir das Gebäude nur in Begleitung eines Pflegers verlassen. Die Türen unserer Zimmer blieben immer offen. Nur zur Nachtruhe schlossen sie automatisch und ließen sich dann nicht mehr von innen öffnen.
Auf der rechten Seite entlang eines mit Teppich ausgelegten Flures in der ersten Etage lagen die Patientenzimmer. Zens nannte sie «Gasträume». Gegenüber befanden sich ein großes Besprechungszimmer sowie zwei durch Türen miteinander verbundene Behandlungsräume. Im Flur stand ein Wasserautomat wie im Esszimmer.
Alles in allem machte das Haus Unruh einen sehr sauberen Eindruck. Obwohl es sich um eine Jugendstilvilla handelte, wirkte das Gebäude sehr modern und klinisch. Ganz offensichtlich war es gerade erst renoviert und eingerichtet worden. Es roch nach Farbe, unter einem der Sessel sah ich Transportfolie. Sie haben sie nicht vollständig abgerissen, als sie den Sessel im Kaminzimmer abgestellt haben. Ich habe so viele Gebäude abgenommen, ich kann frische Bohrlöcher förmlich riechen. Für mich stand fest, dass ich der erste Patient dieser Einrichtung war. Ich kann nicht behaupten, dass mir der Gedanke gefiel.
Nach der Hausführung verabschiedete sich Doktor Zens. Er sagte: «Ich finde, Sie passen ausgezeichnet hierher. Wir werden bald Gelegenheit haben, uns besser kennenzulernen.»
«Was mache ich eigentlich hier?»
«Gute Frage. Die stelle ich mir manchmal auch. Oft denke ich, dass ich selber Patient bin. Der Unterschied ist nur: Die Patienten gehen eines Tages wieder, aber ich bleibe lebenslänglich.» Zens lachte.
«Sie haben meine Frage nicht beantwortet.»
«Das geht auch nicht zwischen Tür und Angel. Wir werden uns darüber unterhalten, wenn ich wieder zurück bin. Richten Sie sich ein, akklimatisieren Sie sich. Lesen Sie ein Buch. Und Sie bekommen natürlich etwas zum Anziehen. Möchten Sie Ihre Medikamente nehmen oder nicht?»
«Habe ich denn eine Wahl?»
«Ja, natürlich. Sie müssen die Tabletten nicht nehmen, wenn Sie nicht wollen. Ich betrachte Sie nicht als krank. Und ich brauche Sie bei wachem Verstand. Mir wäre lieber, Sie würden nichts nehmen, es sei denn, es ist Ihnen danach.»
«Ich habe Kopfschmerzen.»
«Ja, sicher. Entscheiden Sie selber.»
Er gab mir die Hand und ging.
Ein Pfleger brachte mich in die erste Etage in ein komfortables Zimmer mit einem kleinen Bad. Zwar ließ sich das Fenster nicht öffnen, und die Sicht war auch hier durch Gitterstäbe eingeschränkt, aber der Raum passabel eingerichtet. Es hätten nur noch ein Fernseher und eine Minibar gefehlt, und man hätte sich in einem Viersternehotel geglaubt.
Natürlich entdeckte ich sofort die Überwachungskamera. Sie hatten sich auch überhaupt nicht die Mühe gemacht, sie zu verstecken. In der Schublade neben dem Bett fand ich sechsundzwanzig Markstücke. Für die Wasserautomaten. Ich stellte meine Zahnbürste ins Glas, zog mich bis auf die Unterhose aus, legte mich aufs Bett und wartete. Nichts geschah, irgendwann schloss sich die Tür meines Zimmers automatisch, und ich schlief ein.
Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass sich die Tür nicht öffnen ließ. Ich klopfte, aber niemand kam. Also stellte ich mich vor die Überwachungskamera und sagte: «Guten Morgen, die Herrschaften. Könnten Sie mich rauslassen, bitte? Hallo?» Aber es kam niemand. Ich zog den Bademantel an, den ich im Schrank gefunden hatte, und setzte mich aufs Bett. Ich wartete nicht lange, dann klickte es hörbar im Schloss.
Unten im Esszimmer war für eine Person eingedeckt. Ich setzte mich. Wenige Sekunden später erschien ein Pfleger und servierte das Frühstück. Wurst. Schinken. Eine Käseauswahl, dazu Marmelade, Honig, Brot und Brötchen, ein Croissant. «Guten Morgen», sagte ich. Der Mann nickte wortlos und stellte eine Karaffe mit Wasser auf den Tisch.
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Autoren-Porträt von Jan Weiler
Weiler, JanJan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch «Maria, ihm schmeckt's nicht!» gilt als eins der erfolgreichsten Romandebüts der Nachkriegszeit. Es folgten unter anderem: «Antonio im Wunderland» (2005), «In meinem kleinen Land» (2006), «Drachensaat» (2008), «Mein Leben als Mensch» (2009), «Das Pubertier» (2014), «Kühn hat zu tun» (2015) und «Im Reich der Pubertiere» (2016). Jan Weiler verfasst zudem Hörspiele und Hörbücher, die er auch selber spricht. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Nähe von München.
Autoren-Interview mit Jan Weiler
Interview mit Jan Weiler „Drachensaat“ knüpft nicht unbedingt nahtlos an die teils autobiografischen Maria- und Antonio-Romane an. Wie würden Sie den Schritt beschreiben, den Sie mit „Drachensaat“ als Autor getan haben?
Das ist ein natürlicher Schritt. Die Antonio-Geschichte war zu Ende erzählt, und das Grundthema zu „Drachensaat“ lag schon lange auf dem Schreibtisch. Es war jetzt einfach dran. Nun stellt sich heraus, dass das Buch von vielen Lesern als schneller Kommentar zur aktuellen Lage interpretiert wird. Dabei habe ich zehn Jahre immer wieder mal daran gearbeitet.
Dr. Zens treibt die Frage um, warum heute nicht mehr Menschen „ausrasten“. Glauben Sie an eine Renaissance revolutionärer Ideen in einer beschleunigten Welt, deren Zentrifugalkräfte so viele Menschen an den Rand drängen?
Nein, das ist eine Utopie. Die Betroffenen müssten ihr Schicksal zunächst einmal so weit reflektieren, dass sie so eine Revolution überhaupt für möglich halten. Und sie müssten sich solidarisieren, füreinander eintreten, vom Rand der Gesellschaft gemeinsam in die Mitte drängen. Und genau dies tritt nicht ein. Die Revolution fällt wegen mangelnden Engagements der Revolutionäre aus.
Wie schmal ist heute der Grat zwischen „Funktionieren“ und „Wahnsinn“? In Drachensaat erleben wir dieses Ausrasten ja hautnah…
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Offenbar ist der Grat doch recht breit. Die meisten Menschen funktionieren prächtig und lassen sich leicht beruhigen. Manchmal befürchte ich allerdings, die Gesellschaft könnte aus ihrer Vollnarkose erwachen und sich tatsächlich auflehnen. Dann würden sich viel mehr Leute aufführen wie die Angehörigen der Drachensaat.
Sind der Medienzirkus und der Kampf um mediale Aufmerksamkeit in „Drachensaat“ nur die Kulisse für einen grotesken Freilandversuch, oder wollen Sie sich auch Luft machen?
Ich wollte eine Geschichte erzählen. Und die sollte mitten unter uns spielen, mit unserer Wirklichkeit zu tun haben. Mit mir selber hat das nichts zu tun.
Sie sind bekannt als unermüdlicher „Lesereisender“. Worin liegt der besondere Reiz, die eigenen Texte zu lesen und zu inszenieren? Was kann man vom Publikum lernen?
Zunächst lernt man, welche Pointen funktionieren und welche nicht. Ich bin manchmal sehr überrascht, dass vermeintlich sagenhafte Wortböller verpuffen und dafür an Stellen gelacht wird, wo ich das gar nicht vorgesehen hatte. Der besondere Reiz liegt darin, jeden Abend besser zu werden, ständig am Material zu arbeiten. Wenn ich die perfekte Lesung gemacht habe, höre ich auf. Also nie. Die Fragen stellte Carsten Hansen, Literaturtest.
Sind der Medienzirkus und der Kampf um mediale Aufmerksamkeit in „Drachensaat“ nur die Kulisse für einen grotesken Freilandversuch, oder wollen Sie sich auch Luft machen?
Ich wollte eine Geschichte erzählen. Und die sollte mitten unter uns spielen, mit unserer Wirklichkeit zu tun haben. Mit mir selber hat das nichts zu tun.
Sie sind bekannt als unermüdlicher „Lesereisender“. Worin liegt der besondere Reiz, die eigenen Texte zu lesen und zu inszenieren? Was kann man vom Publikum lernen?
Zunächst lernt man, welche Pointen funktionieren und welche nicht. Ich bin manchmal sehr überrascht, dass vermeintlich sagenhafte Wortböller verpuffen und dafür an Stellen gelacht wird, wo ich das gar nicht vorgesehen hatte. Der besondere Reiz liegt darin, jeden Abend besser zu werden, ständig am Material zu arbeiten. Wenn ich die perfekte Lesung gemacht habe, höre ich auf. Also nie. Die Fragen stellte Carsten Hansen, Literaturtest.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Jan Weiler
- 2008, Neuausg., 397 Seiten, Maße: 13 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kindler
- ISBN-10: 3463405393
- ISBN-13: 9783463405391
- Erscheinungsdatum: 29.08.2008
Kommentar zu "Drachensaat"
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