Dünnes Eis
Der 17-jährige Andrew Bartlett steht im dringenden Verdacht, seine Freundin und einen seiner Lehrer umgebracht zu haben. Ohne vorher mit dem Verdächtigen zu sprechen, prescht die...
Der 17-jährige Andrew Bartlett steht im dringenden Verdacht, seine Freundin und einen seiner Lehrer umgebracht zu haben. Ohne vorher mit dem Verdächtigen zu sprechen, prescht die übereifrige junge Anwältin Amy Wu vor und zeigt bei der Staatsanwaltschaft die Täterschaft an. Sie will damit erreichen, dass Andrew, ein Sohn aus reichem Haus, noch unter die Gerichtsbarkeit des Jugendstrafrechts fällt. Aber sie hat die Rechnung ohne Andrew gemacht, der standhaft behauptet, nicht der Täter zu sein, obwohl alle Indizien gegen ihn sprechen. Anwalt Dismas Hardy wollte sich eigentlich desillusioniert aus dem Geschäft zurückziehen, aber als nun die junge Kollegin gehörig in Schwierigkeiten gerät, ist sein Können wieder gefragt. Die Suche nach der Wahrheit führt schließlich in ungeahnte Abgründe und bringt die beiden Anwälte mit jedem Schritt in immer größere Gefahr.
Auch mit seinem neuen Roman zeigt sich John Lescroart als Meister seines Fachs. Ein Justizthriller der Spitzenklasse!
Über den Autor: John T. Lescroart studierte in Berkeley und lebt heute als freier Schriftsteller in Davis, Kalifornien. Seine Justizthriller sind internationale Bestseller.
Der 17-jährige Andrew Bartlett steht im dringenden Verdacht, seine Freundin und einen seiner Lehrer umgebracht zu haben. Ohne vorher mit dem Verdächtigen zu sprechen, prescht die übereifrige junge Anwältin Amy Wu vor und zeigt bei der Staatsanwaltschaft die Täterschaft an. Sie will damit erreichen, dass Andrew, ein Sohn aus reichem Haus, noch unter die Gerichtsbarkeit des Jugendstrafrechts fällt. Aber sie hat die Rechnung ohne Andrew gemacht, der standhaft behauptet, nicht der Täter zu sein, obwohl alle Indizien gegen ihn sprechen. Anwalt Dismas Hardy wollte sich eigentlich desillusioniert aus dem Geschäft zurückziehen, aber als nun die junge Kollegin gehörig in Schwierigkeiten gerät, ist sein Können wieder gefragt. Die Suche nach der Wahrheit führt schließlich in ungeahnte Abgründe - und bringt die beiden Anwälte mit jedem Schritt in immer größere Gefahr.
Auch mit seinem neuen Roman zeigt sich John Lescroart als Meister seines Fachs. Ein Justizthriller der Spitzenklasse!
"Krimis, wie sie sein müssen: intelligent und vielschichtig, gut erzählt und spannend." Facts
"Immer in der ersten Reihe, wenn es um Justizthriller geht." Chicago Tribune
Dünnes Eis vonJohn Lescroart
LESEPROBE
1
»Hallo.«
»Ich möchte bitte Amy Wu sprechen.« »Am Apparat.«
»Schlafen Sie? Hab ich Sieaufgeweckt?«
»Nein. Hab mich nur kurz hingelegt.«
»Am Freitagnachmittag sind Sie alsonicht im Büro?« »Nein. Genau. Ich fühle mich nichtbesonders. Wer ist da eigentlich?«
»HalNorth. Sie erinnern sich sicherlich an mich.« »Natürlich,Mr. North. Wie geht es Ihnen? Woher haben Sie meine Privatnummer?«
»Sie haben sie mir letztes Malgegeben, wissen Sie nicht mehr?«
»Ah ja. Richtig. Ich habe sie Ihnengegeben. Also, was kann ich für Sie tun?«
»Andrew ist wieder inSchwierigkeiten.«
»Tut mir leid, das zu hören. Was fürSchwierigkeiten?« »Große Schwierigkeiten. Die Polizei war gerade da und hat ihnwegen Mordverdachts verhaftet. Sind Sie noch da?«
»Ja. Sagten Sie Mord? Andrew?«
»Ja, ich weiß. Aber es stimmt. Zwei,genauer gesagt.« »Entschuldigung. Zwei was?«
»Was sagte ich gerade? Hören Sie mirnicht zu? Morde. Sein Lehrer und seine Freundin.«
»Wo ist er jetzt?«
»Sie haben ihn ins Gefängnisgebracht. Ich meine, ins Youth GuidanceCenter. Er ist ja noch nicht achtzehn, sonst wär s das Gefängnis gewesen.«
»Rufen Sie von dort aus an, vom YGC?«
»Nein. Linda und ich, wir müssenheute noch auf eine Benefizveranstaltung, das heißt, wir werden nochmindestens zwei Stunden hier zu Hause sein. Oder auch drei, denn wir könntenwahrscheinlich auch ein bisschen später hingehen, falls Sie «
»Ich bin in, sagen wir, einer halbenStunde bei Ihnen.« »Gut. Wir erwarten Sie.«
Wu begutachtete sich imBadezimmerspiegel. Alle Schminke dieser Welt würde nicht ausreichen, um diegeschwollenen Säcke unter ihren Augen zu verbergen. Halb chinesischer, halbschwarzer Abkunft, besaß Wu einen sowieso schon rechtdunklen Teint, und wenn sie von Erschöpfung geplagt war, vertieften sich dieRinge unter ihren Augen noch. Jetzt, im Gefolge von Heulanfällen, Schlafmangelund schwerem Kater, wirkte Wu ihrer Ansicht nachgeradezu verhärmt und mindestens zehn Jahre älter, als sie tatsächlich war,nämlich dreißig. Warum die Typen trotz dieses Aussehens immer noch anbissen,war ihr ein Rätsel, aber tatsächlich mangelte es anscheinend nie anKandidaten, seit sie vor vier Monaten, nach dem Tod ihres Vaters, damitangefangen hatte, praktisch jeden Abend auf die Piste zu gehen, auf der Suchenach was auch immer.
Trotzdem gab sie sich alle Mühe,sich für den Besuch bei Hal North einigermaßenvorzeigbar herzurichten. Sie durfte keinen unprofessionellen Eindruck machen.Hier ging es um eine Rechtsangelegenheit, und sie wusste, dass der potenzielleMandant mit seiner Multiplex-Kinokette Millionen verdient hatte. Vor einigenJahren jedenfalls war Hal North millionenschwergewesen, als sein Justiziar - ein ehemaliger Kommilitone - Wuals Strafverteidigerin vorgeschlagen und sie daraufhin Norths Stiefsohn Andrewin einem minder schweren Fall von vorübergehendem Autoklau mit anschließenderSpritztour vertreten hatte. Dank ihren Bemühungen war er mit einer Geldstrafeund ein paar Stunden gemeinnütziger Arbeit davongekommen. Das nach ihremregulären Stundensatz berechnete Honorar hatte sich auf knapp zweitausend Dollarbelaufen, aber als der Richter sein Urteil - nur die gelbe statt derbefürchteten roten Karte - verkündete, hatte North ihr auf der Stelle einenScheck über zehn Riesen ausgestellt. Sie hatte nicht genau gewusst, ob sie sichgeschmeichelt oder aber auf den Schlips getreten fühlen sollte wegen seinerAnnahme, er müsse seiner Anwältin ein Trinkgeld geben.
Von nun an, hatte North auf seineentschiedene Art erklärt, sei sie seine Anwältin und damit basta.Andrew, der sich während des ganzen Verfahrens trübsinnig und distanziertgezeigt hatte, konnte sich ausnahmsweise sogar ein zustimmendes Lächelnabringen. Sie hatte den beiden mitgeteilt, dass der Beifall für ihre Arbeitihr zwar schmeichle, es alles in allem aber doch wohl besser wäre, wenn dieFamilie in Zukunft keine Strafverteidigerin mehr in Anspruch nehmen müsse.Beide hatten zugegeben, dass sie da nicht ganz unrechthabe.
Sie streckte sich noch einmalgestoppte zwei Minuten lang auf ihrem Bett aus, nachdem sie sich in einHandtuch gewickelte Eiswürfel auf die Augen gelegt hatte. Anschließendtrocknete sie sich das Gesicht ab und begann Lidschatten, Wimperntusche undLippenstift aufzutragen. Ihre Hand war einigermaßen ruhig, eine angenehmeÜberraschung. Heute früh beim Zähneputzen, nachdem sie die Wohnung von - wiehieß er gleich? - im Morgengrauen verlassen hatte, war ihr zweimal dieZahnbürste aus der Hand gefallen, woraufhin sie das Unterfangen aufgegeben, imBüro angerufen und sich zum vierten Mal in vier Monaten - übel, übel -krankgemeldet hatte und dann kurzerhand eingeschlafen war.
Einen Moment lang erwog sie, Northzurückzurufen und lieber einen Termin für morgen zu vereinbaren. Schließlich musstendie Norths heute Abend zu einer Benefizgala - ständig hatten sie irgendwelcheVerpflichtungen, fiel ihr jetzt wieder ein - und waren bestimmt in Eile. Undihr ging es wirklich furchtbar schlecht. Ihr Verstand würde nicht so arbeiten,wie es wünschenswert wäre. Aber Herrgott, das wurde ja allmählich zur Regel,nicht wahr? Kein Schlaf, keine Konzentration.
Sie hasste sich selbst dafür, aberanscheinend war sie nicht imstande, das Gefühl, es sei ja sowieso alles egal,in seine Schranken zu weisen. Natürlich ist es überhaupt nicht egal, sagtesie sich. Recht und Gesetz waren, wie ihr alter Chef David Freemannie müde geworden war festzustellen, etwas Heiliges und Schönes. Und Wu hatte nicht jahrelang von einer Anwaltskarrieregeträumt, dann drei Jahre auf ihren Abschluss hingearbeitet und nunmehr seitfünf Jahren praktiziert, nur um jetzt plötzlich ihren Glauben zu verlierenund zur Zynikerin zu werden. Das passte nicht zu ihr, nicht zu ihrem innerstenWesen. Allzu oft allerdings passte es in letzter Zeit zu ihrem Verhalten - undzu ihrer Stimmung.
Freilich war es so - ihre bösenGeister flüsterten ihr das unablässig ein -, dass man gar nicht immer so gut inForm sein musste, wie sie es seit ihrem Studium für unabdingbar gehalten hatte.Dafür waren die vergangenen vier Monate, in denen sie nicht weniger als zehnVerhandlungen weitgehend im Halbschlaf bestritten hatte, ja wohl Beweis genug gewesen.Niemand - nicht einmal ihr Chef Dismas Hardy, derimmer alles mitkriegte - hatte irgendwelche Andeutungen gemacht, dass mitihrer Arbeit etwas nicht stimme.
Die Mandanten waren ohnehin immerschuldig. Es war ja nicht so, dass man versuchte, sie rauszupauken, mit einemglatten Freispruch etwa. Nein, vielmehr übte man hier ein bisschen Druck aus,flirtete dort ein bisschen mit dem Staatsanwalt, handelte um klitzkleine Vorteile, und am Ende waren dann meistens allezufrieden. Das war das Geschäft, das sie betrieb. Es war nämlich einGeschäft, und inzwischen hatte sie begriffen, wie es funktionierte.
Mr. North hatte gesagt, dass seinSohn des Mordes beschuldigt wurde, und wenn das stimmte, dann wäre es ihr ersterMordfall. Allerdings lehrte die Erfahrung, dass es wahrscheinlich dann dochkein richtiger Mord war, der als solcher zur Anklage kam. Sofern nicht schlichteine Personenverwechslung vorlag oder schlimmstenfalls ein Unfall, handeltees sich vermutlich um Totschlag in irgendeiner Form. Und es war klar, dass dieNorths in solchen Fällen einen Anwalt am Start haben wollten. Wenn Wu jetzt zu ihnen fuhr, würde sie immerhin schon einmal einenEindruck von dem Fall bekommen, könnte ein paar relevante Fakten sammeln. Dannhätte sie das ganze Wochenende zur Verfügung, um erste Ermittlungsergebnissein die Finger zu bekommen, sofern solche bereits vorlagen.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Karsten Singelmann
- Autor: John T. Lescroart
- 2007, 1, 540 Seiten, Maße: 14,5 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453265513
- ISBN-13: 9783453265516
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