Dunkle Triebe
Wie Sexualtäter denken und ihre Taten planen
Die Kriminalpsychologin Anna Salter ist eine gefragte Expertin und Beraterin für Sexualstraftaten bei amerikanischen Gerichten. Über zwei Jahrzehnte studierte sie das Verhalten von Sexualstraftätern. Was sie denken, wie sie ihre Opfer täuschen und wie sie...
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Produktinformationen zu „Dunkle Triebe “
Die Kriminalpsychologin Anna Salter ist eine gefragte Expertin und Beraterin für Sexualstraftaten bei amerikanischen Gerichten. Über zwei Jahrzehnte studierte sie das Verhalten von Sexualstraftätern. Was sie denken, wie sie ihre Opfer täuschen und wie sie sich strafrechtlicher Verfolgung entziehen. Ihr Buch ist eine erschütternde Dokumentation über die Abgründe der Seele und die Bestie im Menschen.
"Salter enthüllt auf brillante Weise die beängstigende Tatsache, dass selbst scheinbar nette Menschen zu ganz abscheulichen Handlungen fähig sind. Anschaulich erläutert sie, woran Dunkeltäter zu erkennen sind, und wie wir mit Sexualstraftätern umgehen können." Havard Law School
"Anna Salter weiß wovon sie spricht. Unzählige Sexualtäter hat sie ausführlich interviewt, sie kennt ihre Fantasien und Vorgehensweisen. Die Sexualpsychologin setzt auf schonungslose Aufklärung." Dr. Laura Schlessinger
"Ein wichtiges Buch." Wiener Zeitung
"Anna Salter weiß wovon sie spricht. Unzählige Sexualtäter hat sie ausführlich interviewt, sie kennt ihre Fantasien und Vorgehensweisen. Die Sexualpsychologin setzt auf schonungslose Aufklärung." Dr. Laura Schlessinger
"Ein wichtiges Buch." Wiener Zeitung
Lese-Probe zu „Dunkle Triebe “
Ich beginne dieses Vorwort mit den gleichen Worten, mit denen ich es auch beenden werde: Dank Ihnen, Anna Salter, dass Sie mit all Ihrer fachlichen Autorit den sexuellen Missbrauch ins Rampenlicht rken, wo es doch die meisten Menschen viel einfacher finden, wegzusehen oder gar zu leugnen, dass es ihn gibt. Die meisten Eltern ringen lieber die Hde ob des unbekannten Triebters, der in ihrem beschaulichen Viertel aufgekreuzt ist, als sich klar zu machen, dass jemand, den sie selbst in ihr Haus geladen haben, ihr Kind sexuell missbraucht - und das, obwohl die Mehrzahl aller sexuellen Missbrauchsfle von jemandem begangen werden, den die Familie kennt.So schwer es sein mag, die Vorstellung zu akzeptieren, dass ein freundlicher Nachbar oder ein Freund der Familie ein Kind missbraucht, was aber, wenn es jemand aus der eigenen Familie ist? Es ist leicht, diesen unliebsamen Gedanken durch einen angenehmeren zu verdrgen, wie etwa den: "In unserer Familie doch nicht."
Und doch hat statistisch betrachtet jedes dritte Mchen und jeder sechste Junge sexuelle Beziehungen zu einem Erwachsenen, also muss es in der einen oder anderen Familie passieren. erall dort, wo es zu sexuellem Missbrauch kommt, gibt es ahnungslose Eltern oder Betreuer, die dem Vorspiel beiwohnen, das dem Delikt vorangeht, und nicht erkennen, wann ein Triebter ihre Kinder dazu bringt, ihm zu vertrauen. Naive Eltern sind oftmals unbewusste Mitter des Missbrauchs, entwerfen Theorien, um die Schlafstungen, Essstungen oder die plzliche Angst ihres Kindes vor einem Erwachsenen, den es noch vor einer Woche so sehr gemocht hatte, zu erklen.
Wenn die Diskussion die Beschtigung mit der grausamen Wahrheit erfordert, versuchen manche Eltern, sich herauszuwinden: "Wenn man er solche Dinge redet, fordert man sie nur heraus." Oder: "Ja, ich weialles er dieses Thema, knen wir bitte er etwas Erfreulicheres reden?" Unter Druck aber werden sie schlieich die Gefahren sehen, und dann realisieren sie, dass vorgeschobenes
... mehr
Wissen oftmals die beste Verteidigung gegen unwillkommenes Wissen ist. Diese Eltern sind nicht dumm - im Gegenteil, die einfallsreiche Art und Weise, wie sie ihre Kinder aus der Diskussion heraushalten, zeugt von einiger Intelligenz: "Sie haben so Recht", sagen sie. "Sexueller Missbrauch ist ein ungeheures Problem, vor allem f junge Teenager. Gott sei Dank sind meine noch nicht so weit."
'Tut mir Leid, entgegnet darauf die Wirklichkeit: Das Hauptalter, in dem sexueller Missbrauch beginnt, betrt drei Jahre.'
"Natlich, wenn Sie Homosexuelle an kleine Kinder heranlassen, dann besteht immer ein Risiko."
'Tut mir Leid, meldet sich erneut die Wirklichkeit: Die meisten Fle von sexuellem Missbrauch werden von Heterosexuellen begangen.'
"Mag sein, aber so ein Perverser wohnt in unserer Gegend nicht."
'Tut mir Leid, darauf erneut die Wirklichkeit, aber in Ihrer Gegend lebt sehr wohl so ein Perverser. Das Justizministerium schzt, dass es in den Vereinigten Staaten im Durchschnitt einen pophilen Triebter pro Quadratmeile gibt.'
"Nun, wenigstens weidie Polizei, wer diese Leute sind."
'Eher unwahrscheinlich, meint die Wirklichkeit, denn der durchschnittliche pophile Triebter missbraucht ffzig bis hundertffzig Kinder, bevor er verhaftet wird (und danach noch viele andere).'
Wenn alle Verteidigungslinien gegener der Realit brkeln, ergeben sich manche Eltern der Resignation, was nichts anderes bedeutet, als dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ihre Verantwortung aufkden: "Wenn man ohnehin nichts dagegen tun kann ..." Dieser fehlgeleitete Fatalismus aber endet f manche Kinder tatshlich fatal.
Ein anderer wohlbekannter Refrain dieser Gefahrenverleugner im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch lautet: "Kinder sind z. Wenn ihnen etwas Schlimmes zustt, prallt das an ihnen ab."
'Nicht im Geringsten, entgegnet die Wirklichkeit. An Kindern prallt erhaupt nichts ab. Sie passen sich an, sie verheimlichen, sie verdrgen, und manchmal finden sie sich auch ab und machen weiter, aber abprallen tut an ihnen nichts.'
Mag sein, dass ich Verdrgern gegener erbarmungslos scheine, aber ich habe meine Grde daf, Grde, die mich dankbar sein lassen, dass die Seiten von Dunkle Triebe ein Gegengift gegen Verdrgung enthalten: gut recherchierte, klar prentierte Information. Wir lernen von Anna Salter, dass auch der Sexualstrafter verdrgt, dass er ein Krimineller ist, der seinen Weg auch dann noch weitergeht, wenn klar ist, wohin er ihn frt. Anna Salter hat genend Sexualstrafter interviewt, um eine alarmierende Wahrheit aufzudecken: Viele von ihnen glauben, ein Recht darauf zu haben, sich zu nehmen, was sie begehren, und scheren sich schlicht keinen Deut darum, welchen Preis die anderen zahlen msen. Sie sind, kurz gesagt, grausam.
Und bei nahezu jeder Grausamkeit, die einem Kind angetan wird, gibt es eine Zuherschaft der Verdrger, die die Signale wahrnimmt, jedoch rasch die Augen davor schlie.
Die Lung f das Problem der sexuellen Gewalt in Amerika besteht nicht in mehr Gesetzen, mehr Waffen, mehr Polizei oder mehr Gefgnissen.
'Die Lung f dieses Problem besteht darin, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.'
Eine der unumstlichsten Wahrheiten lautet, dass Triebter ein unerhtes Geschick darin besitzen, die Kontrolle er ihre Opfer zu erlangen.
Es gibt zwei Triebter-Grundtypen: den Machtmenschen und den erredungsmenschen. Der Machtmensch schlt zu wie ein B, hat im Augenblick des Angriffs unverkennbar nur ein Ziel vor Augen. Aus diesem Grund kann er sich nicht so leicht herauswinden, nicht behaupten, alles sei nur ein gros Missverstdnis. Er wird demzufolge nur zuschlagen, wenn er sicher sein kann, dass er die Oberhand beht.
Der weit hfigere Ter ist der erredungskstler. Dieser Tertyp sucht nach einem Opfer mit Schwachstellen, jemandem, er den sich Kontrolle erlangen lst. Wie ein Hai, der ein potenzielles Opfer umkreist, nert sich der erredungster langsam und mit Bedacht, beobachtet sorgsam, wie die Menschen auf seine Avancen reagieren. Er fgt einen Dialog an, und mit jeder ihm willkommenen Antwort kommt er ein wenig ner, zieht seine Kreise enger. Anfglich wird er eine Kleinigkeit investieren, einen gefahrlosen Schritt tun, der es ihm ermlicht, die Gewser zu pren und sich unbehelligt davonzumachen, wenn die Dinge nicht gut laufen. Er ist ein Feigling - zugegeben, ein gerissener Feigling, aber nichtsdestotrotz ein Feigling.
Die Wahl der Opfer kann bei einem Triebter nlich komplexe und unerklliche Motive haben wie die sexuelle Anziehung unter Erwachsenen, allerdings mit einem bedeutsamen Unterschied: F die meisten Pophilen ist Schwhe allein bereits stimulierend. Wie ein Raubtier muss auch ein Menschenjer sein anvisiertes Opfer von der Herde trennen. Um Kinder den Eltern abspenstig zu machen, wird nur selten Gewalt angewendet: Kinder werden nicht mit vorgehaltener Waffe geraubt. Sie werden durch eine Form der Verfrung gelockt, hier geht es nicht um Leidenschaft, sondern um Vertrauen - Ihres oder das Ihres Kindes. Vertrauen am falschen Ort ist das wirksamste Instrument des Triebters, und wir haben die Wahl, ob wir ihm dieses zugestehen wollen oder nicht.
Vertrauen am falschen Ort kann entsetzliche Folgen haben. Abgesehen von dem, was wir normalerweise mit Kindesbeltigung oder Kindesmissbrauch assoziieren, werden Kinder weitaus hfiger vergewaltigt, als Sie oder ich es uns vorstellen knen. Die Kriminalstatistiken des amerikanischen Justizministeriums berichten, dass ffzehn Prozent aller Vergewaltigungsopfer jger sind als zwf Jahre.
Eine Mutter, ihr Name ist Carla, erzlte mir, wie sie einmal mit ihrer sechsjrigen Tochter auf einen kleinen abgeznten Spielplatz im nahe gelegenen Park gegangen sei. Die meisten Kinder dort waren in Begleitung eines Elternteils, bei manchen waren es Babysitter oder Kinderfrauen, in einem Fall die Groutter. Nach kurzer Zeit hatte Carla intuitiv jedem Kind seine Betreuungsperson zugeordnet. Mal aufgrund der nlichkeit, ein anderes Mal, weil das Kind zu einem der Erwachsenen gelaufen kam, um ihm etwas zu erzlen. In einem Fall rief ein Mann einem kleinen Jungen, der zernd oben auf einer Rutsche stand, ermunternde Worte zu. Bald hatte Carla jeden Erwachsenen auf dem Spielplatz eingeordnet, nur ein Mann war da, den sie nicht mochte.
Er saauf einer Bank und sah den Kindern beim Spielen zu, hatte aber kein Kind speziell im Auge. Er hatte nichts bei sich, wrend die meisten anderen Erwachsenen auf irgendetwas aufzupassen hatten: eine Puppe, ein Spielzeug, einen Buggy mit Wolldecke. Als Carla den Mann allein vom Spielplatz fortgehen sah, dachte sie bei sich:
'Ich traue ihm nicht. Was hat er hier zu suchen? Bin ich froh, dass er weg ist. Auf den werde ich kftig ein Auge haben. Er wirkt wie einer, der es auf Kinder abgesehen hat.'
Er wirkt wie einer, der es auf Kinder abgesehen hat? Mit welcher Begrdung? Man kann das als empende und unverdiente Verurteilung ansehen, als Diskriminierung von solcher Intoleranz, dass sie in anderem Zusammenhang als illegal gelten mste. Als der Mann wenige Minuten sper zum Spielplatz zurkkehrte und Carla sah, wie sein Sohn zu ihm rannte und ihn stmisch umarmte (sie hatte den Jungen irrtlich einem anderen Erwachsenen zugeordnet), korrigierte sie ihr Urteil sofort. Aber schlieich, so erklte sie mir, "habe ich nur mein Kind beschzt".
Ich fragte sie, ob sie ein ungutes Gefl habe, weil sie den Mann insgeheim zu Unrecht beschuldigt hatte. Nein. Ob die Erfahrung sie gelehrt habe, Menschen in Zukunft nicht so rasch abzuurteilen? Nein. Ob sie, nun da er sich als Elternteil entpuppt habe, ihren Argwohn bereue? Nein.
Ich habe sie erst einmal f ihr Selbstvertrauen gelobt, ihr dann aber erklt: "Um Ihre Tochter wirksam beschzen zu knen, msen Sie auch die Bereitschaft haben, Leute zu verdhtigen, die Sie kennen."
"Das ist nicht so einfach", entgegnete Carla. "Denn dann fle ich mich furchtbar schuldig."
Dieses Schuldgefl am falschen Ort ist problematisch, denn ein Kind ist sehr viel leichter angreifbar durch jemanden, den die Familie kennt, als durch einen Fremden. Und wie alle Eltern ist auch Carla weit weniger bereit, jemanden zu verdhtigen, den sie kennt. Die Menschen, die wir bereitwillig verdhtigen, sind prinzipiell weniger gefrlich als jene, die wir nicht zu verdhtigen wagen. Wir neigen dazu, fragwdige Gedanken er unsere Freunde zu unterdrken, aber die einzige Art und Weise, einen Gedanken wirklich aus unserem Kopf zu verbannen, besteht darin, ihn zu Ende zu denken. Ja, wir zollen unseren Freunden weit greren Respekt und bringen unseren Kindern mehr Liebe entgegen, wenn wir bereit sind, die Mlichkeit zu erwen, dass Menschen in unserer Ne fig sein knten, sexuellen Missbrauch zu begehen, wonach wir diesen Gedanken dann hoffentlich zu den Akten legen knen.
Was ich damit sagen will, ist nicht, dass Sie jedem Mann oder heranwachsenden Jungen misstrauen sollen, der in die Ne Ihrer Kinder kommt, sondern dass Sie bereit sein msen, Ihrer Intuition zu vertrauen, wenn in Ihnen ein Verdacht reift. Vor allem anderen rate ich Eltern, sorgftig und auf keinen Fall ereilt zu entscheiden, wen sie am Leben ihrer Kinder teilhaben lassen - und rasche Entscheidungen zu treffen, wenn es um diejenigen geht, die sie davon ausschlien. Es ist ein Merkmal unserer Spezies, dass es erwachsene mnliche Artgenossen gibt, die sich an Kindern vergehen. Zu erwarten, dass diese speziellen Personen sich in auffallender Weise von allen anderen unterscheiden, hat sich, was die Verhinderung von sexuellem Missbrauch angeht, als wenig hilfreich erwiesen. Weit verbreitet, aber nicht hilfreich.
Wo es um die Sicherheit von Kindern geht, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Hauptunterschied zwischen Eltern und Fachleuten darin besteht, dass Eltern hfiger sagen: "Ich nehme an" - beispielsweise: "Ich nehme an, diese Typen hgen an Orten herum, an denen viele Kinder sind." Und Eltern beenden ihre Feststellungen stets mit einem Fragezeichen: "Zu zweit sind Kinder weniger gefrdet, nicht?" Da sich die Information so im Gron und Ganzen nicht dert, egal, wer damit aufwartet, demonstriere ich so oft wie mlich, dass das, was Menschen f die wahrscheinliche Antwort halten, tatshlich in aller Regel auch die richtige ist. Ich erinnere mich an eine Mutter, die mich fragte, wie man Anzeichen des Missbrauchs an einem Kind erkenne.
Ich antwortete mit einer Gegenfrage: "Was glauben Sie, sind die Anzeichen?"
"Ich weinicht."
"Wenn Sie die Antwort wsten, wie wde sie lauten?" (Diese Formulierung veranlasst die Person, die eben noch gesagt hat, sie habe keine Ahnung, in den meisten Flen zu einer Antwort.)
"Nun, ich nehme an, es wird Probleme mit dem Schlafen haben. Vielleicht verdert sich das Verhalten des Kindes - aber sonst wste ich nichts."
"Sie meinen, dass man es wissen muss, um es zu erkennen?"
"Ich weinicht."
"Wenn Sie es wsten, was f Zeichen knte es noch geben?"
"Vielleicht sexuelle Handlungen an anderen Kindern? Dass es Bilder malt, die mit Sex zu tun haben? Irgendwelche sexuellen Dinge tut? Ich weies nicht."
In allen Punkten korrekt, natlich. Fen Sie noch Hyperaktivit hinzu, die Angst, mit bestimmten Erwachsenen allein gelassen zu werden, ein ungewnliches oder ertriebenes Interesse am Kper anderer, das ereinanderziehen etlicher Schichten Kleidung, schon haben Sie ein Gutteil der gelfigen Verhaltensanzeichen.
Manchmal legt der Kper eines Kindes eindeutig Zeugnis ab von dem, was geschehen ist, und diese Hinweise sind nur schwer zu ersehen. Die folgende Liste spricht eine bedrkend deutliche Sprache:
- Magenschmerzen und Verdauungsprobleme
- Probleme beim Sitzen oder Gehen
- Zerrissene, blut- oder anderweitig befleckte Unterwche
- Blut in Stuhl oder Urin
- Unerklliche Prellungen im Genitalbereich
- Geschlechtskrankheiten
- Schwangerschaft
Solche Listen sind einer der Grde daf, dass niemand ernsthaft er dieses Thema nachdenken mag. Infolgedessen denken zu wenig Eltern darer nach, wrend zu viele Ter ihre Fertigkeiten perfektionieren.
Dunkle Triebe gibt Eltern und Lehrkrten die beste Verteidigungswaffe gegen Sexualverbrecher: Wissen. Im Namen aller Kinder und aller Erwachsenen, die dieses Buches wegen gar nicht erst zu Opfern werden, mhte ich sagen: Dank Ihnen, Anna Salter.
Gavin de Becker
Einleitung
Ende der siebziger Jahre machte ich mich als junge Therapeutin mit meinem frisch erworbenen Titel eines Doktors der Psychologie zu einer kleinen Stadt in Neuengland auf. Ich wde, so dachte ich, in einer Allgemeinpraxis arbeiten und im rigen dem Landleben fren. Ich stellte mir Patienten im Kindesalter vor, die Aufmerksamkeitsdefizite oder Verhaltensauffligkeiten zeigten, Beratungen an Schulen, einen Garten, vielleicht ein Pferd.
Aber dann sah es ganz danach aus, als seien zwei von drei der Kinder, mit denen ich in der kleinen Provinzstadt zu tun bekam, physisch oder psychisch missbraucht worden, wenn nicht gar beides. Das kam mir ausgesprochen merkwdig vor. Zu jener Zeit lag die Inzestrate offiziellen Schzungen zufolge bei einem aus einer Million Kindern. Meine kleine neuenglische Stadt hatte 15 000 Einwohner und wies eine erschreckende Zahl an Inzestflen auf, von sexuellem Missbrauch durch Fremde, Vergewaltigung, physischem Missbrauch, Vernachlsigung und hslicher Gewalt gar nicht zu reden.
Getrieben von einer verzehrenden Leidenschaft f ein edles Vollblut mit Sehnen wie Engelshaar und einer engen Beziehung zum tlichen Tierarzt arbeitete ich ein Jahr hindurch jede dritte Nacht in einer psychiatrischen Ambulanz, die f den gesamten Regierungsbezirk zustdig war. Es war ein mderischer Arbeitsrhythmus, den ich nur durchhielt, weil ich das Pferd unterhalten wollte, aber was ich dort lernte, war unbezahlbar. Die Arbeit in der Ambulanz - vor allem die vielen Nhte - machte Gewalt auf eine direkte, bis ins Innerste flbare Weise machtvoll und stark erfahrbar, die man in der Distanziertheit whentlicher Therapiesitzungen nie empfinden wird. Ich lernte, anrufende Frauen, die mir mitteilten, dass ihr Mann sie schle, zu fragen: "Schlt er Sie jetzt, in diesem Augenblick?" Oftmals war das der Fall, und sie rief in der Hoffnung an, dass ich seinem Tun auf magische Weise per Telefon ein Ende machen kne, ohne dass sie ihn wde verlassen msen. Im gstigsten Falle wurden die Schle auf sper verschoben.
Mit der Zeit entwickelte sich in meiner Phantasie die Vorstellung, meine kleine Stadt in Neuengland sei so etwas wie jene paar Quadratmeilen in Mexiko, zu der es stliche Monarchfalter des Kontinents zieht. So muss es sein, dachte ich: Zentrum der Gewalt des ganzen Universums. Es konnte gar nicht anders sein, wenn die offiziellen Schzungen zutrafen, denn denen zufolge sollte es nirgends so viel Gewalt auf einem Fleck geben, ganz bestimmt jedenfalls nicht in den idyllischen Kleinstten der Vereinigten Staaten. In den zwei Jahren, die ich bis zum Abschluss in Kinderheilkunde an der Tufts University, und den ff Jahren, die ich bis zur Promotion in Psychologie und Allgemeinmedizin in Harvard zugebracht hatte, war in kaum einem der Kurse, die ich belegt hatte, von sexuellem und physischem Kindesmissbrauch die Rede gewesen. Ich hatte eine Vorlesung er die Opfer von Kindesmissbrauch geht, doch keinen einzigen Vortrag er die Ter. Ich empfand es geradezu als Ironie, dass viele Vortre hingegen von Krankheiten handelten, die so selten sind, dass ich sie in meinen zwanzig Berufsjahren bis heute nicht zu Gesicht bekommen habe. In den Jahren seither habe ich viele Kliniken aus den verschiedensten kleinen und gron Stten in ganz Amerika kennen gelernt, ihrer aller Phantasie nrt die immer gleiche Vorstellung: dass nlich ausgerechnet ihr Herkunftsort das Gewaltzentrum des Universums sein mse. Es kann vorkommen, dass mich nach einem Vortrag er sexuellen Missbrauch eine Zuherin anspricht. "Glauben Sie, dass es in Kleinstten hfiger zu sexuellem Missbrauch kommt?", fragt sie dann vielleicht etwas irritiert. "Wir haben so hfig damit zu tun."
Wenige Minuten sper wird jemand anders auftauchen. "Glauben Sie, dass Missbrauch in Grotten hfiger ist?", wird er fragen.
'Tut mir Leid, entgegnet darauf die Wirklichkeit: Das Hauptalter, in dem sexueller Missbrauch beginnt, betrt drei Jahre.'
"Natlich, wenn Sie Homosexuelle an kleine Kinder heranlassen, dann besteht immer ein Risiko."
'Tut mir Leid, meldet sich erneut die Wirklichkeit: Die meisten Fle von sexuellem Missbrauch werden von Heterosexuellen begangen.'
"Mag sein, aber so ein Perverser wohnt in unserer Gegend nicht."
'Tut mir Leid, darauf erneut die Wirklichkeit, aber in Ihrer Gegend lebt sehr wohl so ein Perverser. Das Justizministerium schzt, dass es in den Vereinigten Staaten im Durchschnitt einen pophilen Triebter pro Quadratmeile gibt.'
"Nun, wenigstens weidie Polizei, wer diese Leute sind."
'Eher unwahrscheinlich, meint die Wirklichkeit, denn der durchschnittliche pophile Triebter missbraucht ffzig bis hundertffzig Kinder, bevor er verhaftet wird (und danach noch viele andere).'
Wenn alle Verteidigungslinien gegener der Realit brkeln, ergeben sich manche Eltern der Resignation, was nichts anderes bedeutet, als dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ihre Verantwortung aufkden: "Wenn man ohnehin nichts dagegen tun kann ..." Dieser fehlgeleitete Fatalismus aber endet f manche Kinder tatshlich fatal.
Ein anderer wohlbekannter Refrain dieser Gefahrenverleugner im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch lautet: "Kinder sind z. Wenn ihnen etwas Schlimmes zustt, prallt das an ihnen ab."
'Nicht im Geringsten, entgegnet die Wirklichkeit. An Kindern prallt erhaupt nichts ab. Sie passen sich an, sie verheimlichen, sie verdrgen, und manchmal finden sie sich auch ab und machen weiter, aber abprallen tut an ihnen nichts.'
Mag sein, dass ich Verdrgern gegener erbarmungslos scheine, aber ich habe meine Grde daf, Grde, die mich dankbar sein lassen, dass die Seiten von Dunkle Triebe ein Gegengift gegen Verdrgung enthalten: gut recherchierte, klar prentierte Information. Wir lernen von Anna Salter, dass auch der Sexualstrafter verdrgt, dass er ein Krimineller ist, der seinen Weg auch dann noch weitergeht, wenn klar ist, wohin er ihn frt. Anna Salter hat genend Sexualstrafter interviewt, um eine alarmierende Wahrheit aufzudecken: Viele von ihnen glauben, ein Recht darauf zu haben, sich zu nehmen, was sie begehren, und scheren sich schlicht keinen Deut darum, welchen Preis die anderen zahlen msen. Sie sind, kurz gesagt, grausam.
Und bei nahezu jeder Grausamkeit, die einem Kind angetan wird, gibt es eine Zuherschaft der Verdrger, die die Signale wahrnimmt, jedoch rasch die Augen davor schlie.
Die Lung f das Problem der sexuellen Gewalt in Amerika besteht nicht in mehr Gesetzen, mehr Waffen, mehr Polizei oder mehr Gefgnissen.
'Die Lung f dieses Problem besteht darin, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.'
Eine der unumstlichsten Wahrheiten lautet, dass Triebter ein unerhtes Geschick darin besitzen, die Kontrolle er ihre Opfer zu erlangen.
Es gibt zwei Triebter-Grundtypen: den Machtmenschen und den erredungsmenschen. Der Machtmensch schlt zu wie ein B, hat im Augenblick des Angriffs unverkennbar nur ein Ziel vor Augen. Aus diesem Grund kann er sich nicht so leicht herauswinden, nicht behaupten, alles sei nur ein gros Missverstdnis. Er wird demzufolge nur zuschlagen, wenn er sicher sein kann, dass er die Oberhand beht.
Der weit hfigere Ter ist der erredungskstler. Dieser Tertyp sucht nach einem Opfer mit Schwachstellen, jemandem, er den sich Kontrolle erlangen lst. Wie ein Hai, der ein potenzielles Opfer umkreist, nert sich der erredungster langsam und mit Bedacht, beobachtet sorgsam, wie die Menschen auf seine Avancen reagieren. Er fgt einen Dialog an, und mit jeder ihm willkommenen Antwort kommt er ein wenig ner, zieht seine Kreise enger. Anfglich wird er eine Kleinigkeit investieren, einen gefahrlosen Schritt tun, der es ihm ermlicht, die Gewser zu pren und sich unbehelligt davonzumachen, wenn die Dinge nicht gut laufen. Er ist ein Feigling - zugegeben, ein gerissener Feigling, aber nichtsdestotrotz ein Feigling.
Die Wahl der Opfer kann bei einem Triebter nlich komplexe und unerklliche Motive haben wie die sexuelle Anziehung unter Erwachsenen, allerdings mit einem bedeutsamen Unterschied: F die meisten Pophilen ist Schwhe allein bereits stimulierend. Wie ein Raubtier muss auch ein Menschenjer sein anvisiertes Opfer von der Herde trennen. Um Kinder den Eltern abspenstig zu machen, wird nur selten Gewalt angewendet: Kinder werden nicht mit vorgehaltener Waffe geraubt. Sie werden durch eine Form der Verfrung gelockt, hier geht es nicht um Leidenschaft, sondern um Vertrauen - Ihres oder das Ihres Kindes. Vertrauen am falschen Ort ist das wirksamste Instrument des Triebters, und wir haben die Wahl, ob wir ihm dieses zugestehen wollen oder nicht.
Vertrauen am falschen Ort kann entsetzliche Folgen haben. Abgesehen von dem, was wir normalerweise mit Kindesbeltigung oder Kindesmissbrauch assoziieren, werden Kinder weitaus hfiger vergewaltigt, als Sie oder ich es uns vorstellen knen. Die Kriminalstatistiken des amerikanischen Justizministeriums berichten, dass ffzehn Prozent aller Vergewaltigungsopfer jger sind als zwf Jahre.
Eine Mutter, ihr Name ist Carla, erzlte mir, wie sie einmal mit ihrer sechsjrigen Tochter auf einen kleinen abgeznten Spielplatz im nahe gelegenen Park gegangen sei. Die meisten Kinder dort waren in Begleitung eines Elternteils, bei manchen waren es Babysitter oder Kinderfrauen, in einem Fall die Groutter. Nach kurzer Zeit hatte Carla intuitiv jedem Kind seine Betreuungsperson zugeordnet. Mal aufgrund der nlichkeit, ein anderes Mal, weil das Kind zu einem der Erwachsenen gelaufen kam, um ihm etwas zu erzlen. In einem Fall rief ein Mann einem kleinen Jungen, der zernd oben auf einer Rutsche stand, ermunternde Worte zu. Bald hatte Carla jeden Erwachsenen auf dem Spielplatz eingeordnet, nur ein Mann war da, den sie nicht mochte.
Er saauf einer Bank und sah den Kindern beim Spielen zu, hatte aber kein Kind speziell im Auge. Er hatte nichts bei sich, wrend die meisten anderen Erwachsenen auf irgendetwas aufzupassen hatten: eine Puppe, ein Spielzeug, einen Buggy mit Wolldecke. Als Carla den Mann allein vom Spielplatz fortgehen sah, dachte sie bei sich:
'Ich traue ihm nicht. Was hat er hier zu suchen? Bin ich froh, dass er weg ist. Auf den werde ich kftig ein Auge haben. Er wirkt wie einer, der es auf Kinder abgesehen hat.'
Er wirkt wie einer, der es auf Kinder abgesehen hat? Mit welcher Begrdung? Man kann das als empende und unverdiente Verurteilung ansehen, als Diskriminierung von solcher Intoleranz, dass sie in anderem Zusammenhang als illegal gelten mste. Als der Mann wenige Minuten sper zum Spielplatz zurkkehrte und Carla sah, wie sein Sohn zu ihm rannte und ihn stmisch umarmte (sie hatte den Jungen irrtlich einem anderen Erwachsenen zugeordnet), korrigierte sie ihr Urteil sofort. Aber schlieich, so erklte sie mir, "habe ich nur mein Kind beschzt".
Ich fragte sie, ob sie ein ungutes Gefl habe, weil sie den Mann insgeheim zu Unrecht beschuldigt hatte. Nein. Ob die Erfahrung sie gelehrt habe, Menschen in Zukunft nicht so rasch abzuurteilen? Nein. Ob sie, nun da er sich als Elternteil entpuppt habe, ihren Argwohn bereue? Nein.
Ich habe sie erst einmal f ihr Selbstvertrauen gelobt, ihr dann aber erklt: "Um Ihre Tochter wirksam beschzen zu knen, msen Sie auch die Bereitschaft haben, Leute zu verdhtigen, die Sie kennen."
"Das ist nicht so einfach", entgegnete Carla. "Denn dann fle ich mich furchtbar schuldig."
Dieses Schuldgefl am falschen Ort ist problematisch, denn ein Kind ist sehr viel leichter angreifbar durch jemanden, den die Familie kennt, als durch einen Fremden. Und wie alle Eltern ist auch Carla weit weniger bereit, jemanden zu verdhtigen, den sie kennt. Die Menschen, die wir bereitwillig verdhtigen, sind prinzipiell weniger gefrlich als jene, die wir nicht zu verdhtigen wagen. Wir neigen dazu, fragwdige Gedanken er unsere Freunde zu unterdrken, aber die einzige Art und Weise, einen Gedanken wirklich aus unserem Kopf zu verbannen, besteht darin, ihn zu Ende zu denken. Ja, wir zollen unseren Freunden weit greren Respekt und bringen unseren Kindern mehr Liebe entgegen, wenn wir bereit sind, die Mlichkeit zu erwen, dass Menschen in unserer Ne fig sein knten, sexuellen Missbrauch zu begehen, wonach wir diesen Gedanken dann hoffentlich zu den Akten legen knen.
Was ich damit sagen will, ist nicht, dass Sie jedem Mann oder heranwachsenden Jungen misstrauen sollen, der in die Ne Ihrer Kinder kommt, sondern dass Sie bereit sein msen, Ihrer Intuition zu vertrauen, wenn in Ihnen ein Verdacht reift. Vor allem anderen rate ich Eltern, sorgftig und auf keinen Fall ereilt zu entscheiden, wen sie am Leben ihrer Kinder teilhaben lassen - und rasche Entscheidungen zu treffen, wenn es um diejenigen geht, die sie davon ausschlien. Es ist ein Merkmal unserer Spezies, dass es erwachsene mnliche Artgenossen gibt, die sich an Kindern vergehen. Zu erwarten, dass diese speziellen Personen sich in auffallender Weise von allen anderen unterscheiden, hat sich, was die Verhinderung von sexuellem Missbrauch angeht, als wenig hilfreich erwiesen. Weit verbreitet, aber nicht hilfreich.
Wo es um die Sicherheit von Kindern geht, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Hauptunterschied zwischen Eltern und Fachleuten darin besteht, dass Eltern hfiger sagen: "Ich nehme an" - beispielsweise: "Ich nehme an, diese Typen hgen an Orten herum, an denen viele Kinder sind." Und Eltern beenden ihre Feststellungen stets mit einem Fragezeichen: "Zu zweit sind Kinder weniger gefrdet, nicht?" Da sich die Information so im Gron und Ganzen nicht dert, egal, wer damit aufwartet, demonstriere ich so oft wie mlich, dass das, was Menschen f die wahrscheinliche Antwort halten, tatshlich in aller Regel auch die richtige ist. Ich erinnere mich an eine Mutter, die mich fragte, wie man Anzeichen des Missbrauchs an einem Kind erkenne.
Ich antwortete mit einer Gegenfrage: "Was glauben Sie, sind die Anzeichen?"
"Ich weinicht."
"Wenn Sie die Antwort wsten, wie wde sie lauten?" (Diese Formulierung veranlasst die Person, die eben noch gesagt hat, sie habe keine Ahnung, in den meisten Flen zu einer Antwort.)
"Nun, ich nehme an, es wird Probleme mit dem Schlafen haben. Vielleicht verdert sich das Verhalten des Kindes - aber sonst wste ich nichts."
"Sie meinen, dass man es wissen muss, um es zu erkennen?"
"Ich weinicht."
"Wenn Sie es wsten, was f Zeichen knte es noch geben?"
"Vielleicht sexuelle Handlungen an anderen Kindern? Dass es Bilder malt, die mit Sex zu tun haben? Irgendwelche sexuellen Dinge tut? Ich weies nicht."
In allen Punkten korrekt, natlich. Fen Sie noch Hyperaktivit hinzu, die Angst, mit bestimmten Erwachsenen allein gelassen zu werden, ein ungewnliches oder ertriebenes Interesse am Kper anderer, das ereinanderziehen etlicher Schichten Kleidung, schon haben Sie ein Gutteil der gelfigen Verhaltensanzeichen.
Manchmal legt der Kper eines Kindes eindeutig Zeugnis ab von dem, was geschehen ist, und diese Hinweise sind nur schwer zu ersehen. Die folgende Liste spricht eine bedrkend deutliche Sprache:
- Magenschmerzen und Verdauungsprobleme
- Probleme beim Sitzen oder Gehen
- Zerrissene, blut- oder anderweitig befleckte Unterwche
- Blut in Stuhl oder Urin
- Unerklliche Prellungen im Genitalbereich
- Geschlechtskrankheiten
- Schwangerschaft
Solche Listen sind einer der Grde daf, dass niemand ernsthaft er dieses Thema nachdenken mag. Infolgedessen denken zu wenig Eltern darer nach, wrend zu viele Ter ihre Fertigkeiten perfektionieren.
Dunkle Triebe gibt Eltern und Lehrkrten die beste Verteidigungswaffe gegen Sexualverbrecher: Wissen. Im Namen aller Kinder und aller Erwachsenen, die dieses Buches wegen gar nicht erst zu Opfern werden, mhte ich sagen: Dank Ihnen, Anna Salter.
Gavin de Becker
Einleitung
Ende der siebziger Jahre machte ich mich als junge Therapeutin mit meinem frisch erworbenen Titel eines Doktors der Psychologie zu einer kleinen Stadt in Neuengland auf. Ich wde, so dachte ich, in einer Allgemeinpraxis arbeiten und im rigen dem Landleben fren. Ich stellte mir Patienten im Kindesalter vor, die Aufmerksamkeitsdefizite oder Verhaltensauffligkeiten zeigten, Beratungen an Schulen, einen Garten, vielleicht ein Pferd.
Aber dann sah es ganz danach aus, als seien zwei von drei der Kinder, mit denen ich in der kleinen Provinzstadt zu tun bekam, physisch oder psychisch missbraucht worden, wenn nicht gar beides. Das kam mir ausgesprochen merkwdig vor. Zu jener Zeit lag die Inzestrate offiziellen Schzungen zufolge bei einem aus einer Million Kindern. Meine kleine neuenglische Stadt hatte 15 000 Einwohner und wies eine erschreckende Zahl an Inzestflen auf, von sexuellem Missbrauch durch Fremde, Vergewaltigung, physischem Missbrauch, Vernachlsigung und hslicher Gewalt gar nicht zu reden.
Getrieben von einer verzehrenden Leidenschaft f ein edles Vollblut mit Sehnen wie Engelshaar und einer engen Beziehung zum tlichen Tierarzt arbeitete ich ein Jahr hindurch jede dritte Nacht in einer psychiatrischen Ambulanz, die f den gesamten Regierungsbezirk zustdig war. Es war ein mderischer Arbeitsrhythmus, den ich nur durchhielt, weil ich das Pferd unterhalten wollte, aber was ich dort lernte, war unbezahlbar. Die Arbeit in der Ambulanz - vor allem die vielen Nhte - machte Gewalt auf eine direkte, bis ins Innerste flbare Weise machtvoll und stark erfahrbar, die man in der Distanziertheit whentlicher Therapiesitzungen nie empfinden wird. Ich lernte, anrufende Frauen, die mir mitteilten, dass ihr Mann sie schle, zu fragen: "Schlt er Sie jetzt, in diesem Augenblick?" Oftmals war das der Fall, und sie rief in der Hoffnung an, dass ich seinem Tun auf magische Weise per Telefon ein Ende machen kne, ohne dass sie ihn wde verlassen msen. Im gstigsten Falle wurden die Schle auf sper verschoben.
Mit der Zeit entwickelte sich in meiner Phantasie die Vorstellung, meine kleine Stadt in Neuengland sei so etwas wie jene paar Quadratmeilen in Mexiko, zu der es stliche Monarchfalter des Kontinents zieht. So muss es sein, dachte ich: Zentrum der Gewalt des ganzen Universums. Es konnte gar nicht anders sein, wenn die offiziellen Schzungen zutrafen, denn denen zufolge sollte es nirgends so viel Gewalt auf einem Fleck geben, ganz bestimmt jedenfalls nicht in den idyllischen Kleinstten der Vereinigten Staaten. In den zwei Jahren, die ich bis zum Abschluss in Kinderheilkunde an der Tufts University, und den ff Jahren, die ich bis zur Promotion in Psychologie und Allgemeinmedizin in Harvard zugebracht hatte, war in kaum einem der Kurse, die ich belegt hatte, von sexuellem und physischem Kindesmissbrauch die Rede gewesen. Ich hatte eine Vorlesung er die Opfer von Kindesmissbrauch geht, doch keinen einzigen Vortrag er die Ter. Ich empfand es geradezu als Ironie, dass viele Vortre hingegen von Krankheiten handelten, die so selten sind, dass ich sie in meinen zwanzig Berufsjahren bis heute nicht zu Gesicht bekommen habe. In den Jahren seither habe ich viele Kliniken aus den verschiedensten kleinen und gron Stten in ganz Amerika kennen gelernt, ihrer aller Phantasie nrt die immer gleiche Vorstellung: dass nlich ausgerechnet ihr Herkunftsort das Gewaltzentrum des Universums sein mse. Es kann vorkommen, dass mich nach einem Vortrag er sexuellen Missbrauch eine Zuherin anspricht. "Glauben Sie, dass es in Kleinstten hfiger zu sexuellem Missbrauch kommt?", fragt sie dann vielleicht etwas irritiert. "Wir haben so hfig damit zu tun."
Wenige Minuten sper wird jemand anders auftauchen. "Glauben Sie, dass Missbrauch in Grotten hfiger ist?", wird er fragen.
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Autoren-Porträt von Anna Salter
Dr. Anna Salter ist in North Carolina geboren und aufgewachsen. Sie hatte zunächst Literaturwissenschaft und Psychologie studiert, bevor sie sich in Harvard der Kinderpsychologie und klinischen Psychologie zuwandte. Ihre wissenschaftlichen Publikationen gelten als Leitfaden für die Therapie von Sexualstraftätern. Sie ist gefragte Beraterin bei Gericht und im Strafvollzug, hat Lehrbücher geschrieben und zahllose Vorträge in aller Welt gehalten. Dr. Anna Salter hat eine Privatpraxis in Madison, Wisconsin, und arbeitet als Beraterin für das Wisconsin Department of Corrections. In ihrer Freizeit ist sie eine begeisterte Basketballspielerin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anna Salter
- 2006, 378 Seiten, Maße: 11,8 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Susanne Kuhlmann-Krieg
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442153840
- ISBN-13: 9783442153848
Rezension zu „Dunkle Triebe “
"Ein wichtiges Buch."
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