Ein Engländer in Botswana
Immer wieder stockt Will Randall der Atem, wenn er Elefanten begegnet. Und seit er in Botswana als Lehrer arbeitet,...
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Immer wieder stockt Will Randall der Atem, wenn er Elefanten begegnet. Und seit er in Botswana als Lehrer arbeitet, trifft er täglich auf die Riesen. Weniger Herzrasen bereiten ihm da seine sechsjährigen Schüler, die mit Feuereifer lernen und ebensolcher Begeisterung Fußball spielen. Um ihr Talent unter Beweis zu stellen, fährt Will mit den Kindern zu Nachbarschulen, die in dem afrikanischen Land oft hunderte Meilen auseinander liegen - ein riskantes Abenteuer, denn in der Wildnis lauern viele Gefahren, von denen der Engländer nichts ahnt ...
EinEngländer in Botswana von Will Randall
LESEPROBE
DieHitze machte mich wunderbar schläfrig, und langsam sanken meine Augenliderherab. Natürlich wurde ich, wie das oft so ist, gerade als ich endgültig in dasangenehme, dunkle Nichts abgleiten wollte, plötzlich von einem durch Mark undBein dringenden Lärm aufgeschreckt. Das Blechdach über mir schepperte unddröhnte.
Esklang wie dicke, warme Regentropfen.
Pula!
Regen!
Ichschob meinen Korbstuhl auf dem rohen Bretterboden der Holzhütte zurück und warmit einem Sprung beim Fenster. Zutiefst enttäuscht stellte ich fest, dass dieSonne Afrikas - sicher die unbarmherzigste Sonne auf der Welt - noch immer aufdas unterwürfige Land brannte. Unter den sengenden Strahlen der Vormittagssonneerwärmten sich die verzinkten Bleche und dehnten sich aus, bis sie sich, umPlatz kämpfend, aneinander aufwölbten und dabei diese paukenschlagähnlichenGeräusche von sich gaben.
Zumeinem Ärger entdeckte ich am Horizont über Namibia ganze Berge mächtiger,schwarzer Wolken, die grollten und rollten und blitzende Zacken derElektrizität über den Hunderten von Brahman-Rindern und ihren Stöckeschwingenden Hirten spuckten, die über die Flussebene wanderten. Unter mir lagim Schatten staubiger Akazien-Dornbüsche mein Dorf - eine moderne Ansammlunggefälliger Häuschen, verschiedener Geschäfte und großzügiger Safari-Hütten mitVeranden zum Flussufer hin. Von meinem Fenster aus sah ich die Ebene, die sichbis in staubige Unendlichkeit ausdehnte: ein Anblick, der unverändert gebliebenwar, seit die hier lebenden Eingeborenen vor vielen Hunderten von Jahren mitihrem Viehbestand aus dem Westen und aus dem Norden hierher gekommen waren.
Geradeals ich mich abwenden und wieder Platz nehmen wollte, erspähte meineinigermaßen geübtes Auge ganz rechts in meinem Blickfeld zwei vertrauteGestalten. Am Rande der gelbbraunen Böschung in wenigen Hundert MeternEntfernung bewegten sich die Silhouetten einer Elefantenmutter und ihres Jungenwie ein großes und ein kleines schief gezeichnetes M langsam über dieLichtung. Mit erstaunlich synchronen Nickbewegungen marschierten sie denflachen Abhang hinunter. Ich musste über ihre ernsthafte Entschlossenheitlächeln. Das Muttertier blickte gelegentlich mit einer leichten Kopfdrehungzurück, um sich zu vergewissern, dass ihr Spross ihr dichtauf folgte, dennselbst in der Hitze des Vormittags lauerten Raubtiere in dem Wald aus dicken,schattigen Dornbäumen. Die natürliche Farbe der Tiere war das Grau von rissigemTöpferton, jetzt aber waren sie mit schwarzem Schlamm aus dem letztenausgetrockneten Wasserloch paniert, das sie auf ihrem langen Weg von denChinamba-Hügeln in den Süden gefunden hatten. Von ihrem Instinkt geleitet,trotteten sie dahin und strebten wie Hunderte ihrer Artgenossen den kühlen, tiefbraunenFluten des Chobe River zu. Sie bewegten sich jetzt fast direkt auf mich zu undschienen in ihrem Drang nach Wasser und Grünfutter die leichte Holzhütte, inder ich mich befand, gar nicht wahrzunehmen.
Einumgestürzter Mopane-Baum lag quer über ihrem Weg, vertrocknet und knochig wieder Leichnam eines Verdursteten. Aus den rippenartig gewölbten Ästen huschteeine Racke mit lilafarbener Brust hervor, die berühmteste Vogelart in Botswana.Sie breitete ihre türkis-metallisch blitzenden Flügel aus und verschwand miterschrockenem, kackerndem Gekrächz im Busch, kurz bevor die Elefantenkuh mitruhiger Entschlossenheit ihre leuchtend weißen Stoßzähne unter den Baumstammschob, die ungefähr eine Tonne schwere Last mühelos in die Höhe hob und miteinem Krachen beiseite warf. Gewichtig trat sie ein paar Schritte zurück undbefand, dass nun alles schon viel ordentlicher aussah. Das Elefantenjunge hobseinen kleinen Rüssel mit eingerollter, rosafarbener Spitze in die Höhe undblies voll kindlicher Bewunderung Luft hervor. Seine Mutter erlaubte sich einkleines, liebevolles Lächeln und setzte dann ihren Marsch fort.
GlutheißeWindböen wirbelten um die Knie der beiden Elefanten Staubwolken auf, was dieseanscheinend aus dem Konzept brachte. Sie wichen von ihrer geraden Bahn ab undentschieden sich jetzt offenbar für die Abkürzung durch den kleinen,wunderschönen, sorgfältig gepflegten und gewässerten Garten, der um das Gebäudeherum angelegt war. Sie nahmen keine Notiz von dem weiß gestrichenen Holzzaun,dessen Latten wie Streichhölzer unter ihren Füßen knickten, und marschiertenruhig und unaggressiv weiter, wobei sie durch die geometrisch angelegten Beetetrampelten und die in allen Farben leuchtenden Blumen verspeisten, die einen soreizvollen Kontrast zu dem eintönigen Gelb und Braun des endlosen Buschsbildeten. Der junge Gabamukuni, unser fröhlicher, wenn auch nicht übermäßigfleißiger »Hausmeister«, würde nicht glücklich darüber sein, wenn er aus derKlinik zurückkam. Gar nicht glücklich.
Ichsollte wirklich etwas tun, dachte ich.
EinenElefanten verscheuchen
Dagab es verschiedene Methoden. Manche hielten immer eine alte Bratpfanne ausAluminium und einen verbeulten Schöpflöffel bereit, mit dem man gut Krachschlagen konnte. Andere besaßen ein ganzes Arsenal von Feuerwerkskörpern, diesie strategisch geschickt einsetzten, um diese freundlichen, aberzerstörerischen Riesen zu verjagen.
MeineMethode bestand normalerweise darin, möglichst lange den Atem anzuhalten.
Obwohlich, seit ich in Botswana lebte, schon Hunderte, nein Tausende dieser graziösenKolosse zu Gesicht bekommen hatte, empfand ich neben der Begeisterung undAufregung und Ehrfurcht bei ihrem Anblick immer auch ein Magen aufwühlendesAlarmgefühl. Als diese beiden in weniger als dreißig Metern Entfernung an mirvorbeischaukelten, fühlte ich, wie mir die Furcht in die Kehle kroch.Unwillkürlich wich ich vorsichtig zurück, als der Schatten des ersten Elefantenauf das Fenster fiel. Natürlich stieß ich dabei gegen meinen Schreibtisch undwarf einen Stapel Lesebücher um, die polternd auf dem Holzboden landeten. EineSekunde später landete ich mit einem Krachen, das die Hütte erschütterte,zwischen ihnen. Einen Augenblick lang blieb ich wie erstarrt sitzen undlauschte angestrengt, dann krabbelte ich so leise wie möglich wieder auf dieFüße und spähte über das Fensterbrett. Schweiß lief mir in die Augen.
DieElefantenkuh hatte die Ohren drohend ausgeklappt. Sie hatte sich halbumgewendet, um mich anzusehen, und hob instinktiv einen Vorderfuß. Dabeischwenkte sie ihre Stoßzähne auf und ab. Ihr erschrockenes Kalb war mitüberraschender Behändigkeit hinter ihr in Deckung gegangen und spähtevorsichtig zu mir herüber.
Ichspähte vorsichtig zurück.
Elefantengeben sich gern angriffslustig, was aber nur Angeberei ist oder Mutterinstinkt.Sie machten aber eigentlich meistens nicht wirklich alles platt, spekulierteich, während ich an ihnen vorbei die Straße der Zerstörung betrachtete, dieentwurzelten, zerschmetterten Bäume und die zertrampelten Pflanzen. DiesesGebäude bestand aus Sperrholz, Blech und ein paar Nägeln - es hatte nichteinmal richtige Fenster. Aber selbst wenn die Elefantenkuh angriff, wäre eswohl mehr symbolisch, nur um mir zu zeigen, wer hier der Boss war - nicht, dassich darüber irgendwelche Zweifel hegte. Dann würde sie sich wiederzurückziehen, und die beiden würden sich gemütlich davonmachen und zum Flusswandern, um ihren Durst zu löschen, ein paar Blätter zu verspeisen und sich imSchlamm zu wälzen.
Oderetwa nicht?
DasMuttertier hob den Rüssel in die Höhe, höher als das Dach der Hütte war, undweckte mich aus meinen Hoffnungsträumen, indem sie auf den Boden stampfte undmit einer Lautstärke trompetete, als wollte sie Tote aufwecken. Sie schrie solaut, dass mir die Zähne aufeinander schlugen und die Augen tränten.
Natürlichbrach bei diesem Lärm unvermeidlich Tumult im Klassenzimmer aus. Alle vierzehnKinder, die bis jetzt still und zufrieden in ihren Lesebüchern gelesen hatten,waren durch meinen Sturz aus ihren Phantasieabenteuern aufgeschreckt worden.Als sie jetzt unserer Besucher gewahr wurden, sprangen sie von ihren Plätzenauf, wobei Kugelschreiber, Radiergummis und Zeichenstifte auf den Bodenpurzelten, und stürmten über Tische und Bänke zum Fenster. »Elefanten, schöneElefanten!«, quietschte Stella, und ihre dicken Zöpfe hüpften auf und ab.
»Woist der Elefant, Mr. Mango?«
»Washeißt hier, wo ist der Elefant?«, fragte ich erstaunt zurück, ohne aber gegenmeinen neuen afrikanischen Spitznamen zu protestieren. »Wo ist der Elefant?«Ich warf nervös einen Blick über die Schulter zu dem grauen Riesen draußen vordem Fenster. Dann blickte ich zu Blessings hinab und stellte fest, dass er zuklein war, um aus dem Fenster blicken zu können. Ohne nachzudenken, hob ich ihnin die Höhe, und er kicherte und wand sich, um etwas zu sehen. Bothle, dernormalerweise jede überflüssige Bewegung vermied, versuchte voll Elan, anmeinem rechten Bein emporzuklettern, um besser sehen zu können. Allerdingsmachte ihm sein rundlicher Bauch dabei schwer zu schaffen. An meinem linkenEllbogen zerrte Tsolofelo und blickte beschwörend zu mir auf, weil auch ersehen wollte, was eigentlich los war.
»Setzteuch wieder hin, und pschhhht, um Himmels willen, seid leise!«, beschwor ichsie in komischem Halbfalsett und warf einen Blick über die Schulter. Gehorsamwie immer kehrten die Kinder zu ihren Plätzen zurück, manche hoben dabei sogarihre Lesebücher wieder auf.
Zumeiner großen Erleichterung befanden die Elefanten, vielleicht durch den Tumultin der Hütte beeindruckt, dass der Punkt an sie ging, und entfernten sichlangsam über das Fußballfeld. Ich blickte ihnen nervös nach und passte auf, obsie es sich nicht noch einmal anders überlegten.
»Mr.Mango, Mr. Mango!«, rief Courtney in seinem ununterdrückbaren Singsang, undseine blauen Augen blitzten vor Aufregung.
»Ja,Courtney? Na komm schon, geh von deinem Stuhl runter. Sonst fällst du nurwieder auf die Nase.«
Beider Erinnerung an das Blutbad in der vorangegangenen Woche fühlte ich michschwach.
» tschuldigung,Mr. Mango«, erwiderte er in seinem Singsang, kletterte dabei mit den Händen aufden Tisch gestützt vom Stuhl und schob schließlich seinen Hintern auf dieSitzfläche. »Aber, Mr. Mango, darf ich am Samstag als Mittelstürmer spielen,Mr. Mango?«
»Nein,Courtney. Das haben wir doch schon entschieden, oder? Dolly und Tsolo sind indieser Woche unsere Stürmer.«
»Ohhhh,Mr. Mango!«
»Ssscht,Courtney!«, tadelte Elizabeth, unsere Schulhelferin, sanft, setzte sich dann inihrem Lehnstuhl bequemer zurecht und wandte sich wieder dem Riss in Blessingskurzer Hose zu, dem sie mit Nadel und Faden zu Leibe rückte. Der Himmel alleinwusste, was uns am Samstag erwartete.
DiePfosten des einen Tores waren gerade auf einem Elefantenrücken im Buschverschwunden. (...)
© Goldmann
Übersetzung: Eva Kornbichler
- Autor: Will Randall
- 2006, 317 Seiten, Maße: 11,6 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Eva Kornbichler
- Herausgegeben: Doris Bampi-Hautmann
- Übersetzer: Eva Kornbichler
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442460417
- ISBN-13: 9783442460410
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