Einführung in die Klassische Archäologie

"III. Die Stellung der Klassischen Archäologie innerhalb der übrigen Archäologien

Um es gleich vorweg zu sagen: das schmückende Beiwort Klassisch trägt wenig zum unmittelbaren Verständnis dessen bei, was die spezifische Ausrichtung der Klassischen Archäologie im Spektrum der übrigen Archäologien ausmacht. Doch auch die terminologische Kennzeichnung der anderen archäologischen Fachrichtungen ist für Außenstehende nicht auf Anhieb einleuchtend.
Eine wohltuende Ausnahme bildet die Vorderasiatische Archäologie. Ihre Vertreter befassen sich im Einklang mit der Fachbezeichnung mit den Denkmälern und materiellen Hinterlassenschaften der frühen Hochkulturen vom Kaukasus im Norden bis zum Zweistromland und der Levante im Süden. Auch die Ägyptologie - die in Deutschland freilich überwiegend als eine philologische Disziplin betrieben wird - bedarf in unserem Zusammenhang keiner näheren Erläuterung.
Wer sich freilich für das "Archäologiestudium" (wie es meist verkürzt genannt wird) ents cheidet, muß wissen, daß das Studienfach Klassische Archäologie eine Spezialisierung innerhalb der Archäologie darstellt. Ein kurzer Blick auf die übrigen Archäologien soll die Rollenverteilung in der heutigen Berufspraxis und dementsprechend in dem Studienangebot verdeutlichen.
Die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
Vornehmlicher Forschungsgegenstand der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie sind jene Epochen der Menschheitsgeschichte, in denen sich die Menschen noch keiner Schrift bedienten, so daß alle Antworten allein aus materiellen Hinterlassenschaften (zum Beispiel Werkzeuge und Waffen, Keramik und Gerät, Wohn- und Bestattungsformen) zu beziehen sind. Doch schon die Doppelung in der Namensform zeigt an, daß diese Definition des Faches nur eingeschränkt zutreffend ist. Der geographische Raum, wie er traditionell in Forschung und Lehre an den deutschen und europäischen Universitäten behandelt wird, umfaßt Gebiete, die in einer zeitlichen Spanne von mehr als 4000 Jahren

Ulrich Sinn lehrt als Professor für Klassische Archäologie an der Universität Würzburg, ist Direktor der Antikensammlung des Martin von Wagner Museums und leitet seit 1985 ein Forschungsprojekt bei den Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Olympia. Von ihm erschien u.a.: Olympia. Kult, Sport und Fest in der Antike (1996).