Einstimmung auf das Heilige - Auf der Suche nach der Transzendenz

Die Erkenntnisse der modernen Wissenschaften haben dem Menschen scheinbar die letzten religiösen Gewissheiten genommen. Wie ist es möglich, noch über Gott zu sprechen? Michael Fishbane, einer der renommiertesten amerikanischen Forscher auf dem Gebiet der Hebräischen Bibel, geht es bei seiner Lektüre der jüdischen Heiligen Schrift nicht um eine intellektuelle Annäherung, sondern um einen lebenspraktischen, existentialistischen Ansatz. Der Ausruf des namenlosen Gottes im Dornbusch - »Ich werde sein« - ist für Fishbane das Urdatum einer jüdischen Theologie. Die Bedeutung dieses Ereignisses und die Übergabe der Zehn Gebote machen den Kern seines Buches aus: Mit dem unwiederholbaren Gründungsereignis Gottes gegenüber seinem Volk Israel ist auch ein individuelles seelisches Ereignis verbunden - in jedem Aspekt der Welt kann etwas vom unsichtbaren Gott wahrgenommen werden. Zudem ist die Auslegung der Tora, der Vorgang der Interpretation, entscheidend, und die dadurch eingeübte Aufmerksamkeit beeinflusst die religiöse Praxis: Der Anrede Gottes - »Ich werde sein« - muss das Handeln des Menschen entsprechen, der Gläubige sollte den Alltag immer wieder unterbrechen, um Gott zu loben und zu preisen, im Gebet und Torastudium - eine Einstimmung auf das Heilige. Michael Fishbanes Buch, ursprünglich ein persönliches Bekenntnis für einen kleinen Kreis, ist der aufregende und mutige Versuch, eine moderne »jüdische Theologie« für das 21. Jahrhundert zu entwerfen, eine Art Leitfaden zur jüdischen Spiritualität.