Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann
Manchmal gehen an Weihnachten Wünsche in Erfüllung!Die zehnjährige Emmi verbringt die Osterferien mit ihrer Mutter in Finnland. Sie glaubt, dass sie dort ein verspätetes Weihnachtsgeschenk bekommt, nämlich einen Hund. Emmi ist...
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Produktinformationen zu „Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann “
Manchmal gehen an Weihnachten Wünsche in Erfüllung!
Die zehnjährige Emmi verbringt die Osterferien mit ihrer Mutter in Finnland. Sie glaubt, dass sie dort ein verspätetes Weihnachtsgeschenk bekommt, nämlich einen Hund. Emmi ist ziemlich enttäuscht, als sie stattdessen den neuen Freund ihrer Mutter und dessen Sohn kennenlernt. Beide Kinder schmieden einen Plan, wie sie das Paar auseinanderbringen können. Der Plan gelingt. Aber irgendwie vermisst Emmi ihre »Fast«-Familie. Und an Heiligabend hofft sie auf die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches ...
Angelika Glitz erzählt ganz wunderbar. Ihre Helden sind lebendig und so liebenswert, dass man sie am liebsten in den Arm nehmen und drücken möchte.
Klappentext zu „Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann “
Manchmal gehen an Weihnachten Wünsche in Erfüllung!Die zehnjährige Emmi verbringt die Osterferien mit ihrer Mutter in Finnland. Sie glaubt, dass sie dort ein verspätetes Weihnachtsgeschenk bekommt, nämlich einen Hund. Emmi ist ziemlich enttäuscht, als sie stattdessen den neuen Freund ihrer Mutter und dessen Sohn kennenlernt. Beide Kinder schmieden einen Plan, wie sie das Paar auseinanderbringen können. Der Plan gelingt. Aber irgendwie vermisst Emmi ihre "Fast"-Familie. Und an Heiligabend hofft sie auf die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches
Angelika Glitz erzählt ganz wunderbar. Ihre Helden sind lebendig und so liebenswert, dass man sie am liebsten in den Arm nehmen und drücken möchte.
Lese-Probe zu „Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann “
Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann von Angelika GlitzFerien in Kuusamo
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Es war der erste Tag der Osterferien. Frankfurt lag unter einer grauen Wolkendecke. Auch der starke Wind hatte es nicht geschafft, sie auseinanderzutreiben. Emmi und ihre Mutter hatten den Flug 701 nach Helsinki mit Ach und Krach bekommen. Die Männer in Anzug und Krawatte raschelten im Flugzeug bereits ungeduldig mit den Zeitungen, als sie sich schließlich doch noch mit ihrem Handgepäck den schmalen Gang entlanggequetscht hatten.
»Geschafft!« Stöhnend ließ sich ihre Mutter auf den Sitz sinken. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Nur wegen deiner blöden Hundehaare. War doch klar, dass das Ärger gibt. Vier Ordner voller Hundehaare! Du liebe Güte!«
Mama fischte nach den Anschnallgurten und klickte die Schnallen zusammen. Eine Stewardess mit kirschrotem Mund beugte sich zu ihnen hinunter.
»Könnten Sie bitte Ihr Handgepäck verstauen.« »Ja, 'tschuldigung, sofort!«
Mama kickte mit den Füßen ihre Tasche unter den Sitz.
»Angst vor Infektionskrankheiten. War doch klar. Und dreißig Euro fürs Übergepäck!«
Emmi grinste und schaute aus dem Fenster. Sie hatte längst gelernt, wann es besser war zu schweigen und wann sich eine Antwort lohnte. Schließlich war alles in Butter. Ihre Hundehaarsammlung war an Bord. Das Fell von 1322 Hunden, alle mit Mango-Shampoo gewaschen und alphabetisch sortiert. Und das war längst nicht alles, was in Butter war. Nein, sie, Emmi König, schwamm geradezu in Buttersoße. Sie saß nämlich im Flieger nach Nordfinnland, um ihren Hund abzuholen. Zumindest hielt sie genau das für mehr als wahrscheinlich. Einen echten, voll süßen Husky, vermutlich von einem finnischen Hundezüchter.
Neben ihr rutschte ihre Mutter im Sitz hin und her. Sie versuchte ihre Beine auszustrecken, gab es dann aber auf und zog eins der Bordhefte hervor. Sie schob ihre Brille zurecht und las die Slogans, die unter den Fotos der Parfums standen. »Die Verführung der Sinne« und »Ein Hauch von Sommer«. Emmi kicherte.
»Was?«, fragte ihre Mutter.
»Freust du dich auch so?«
»Ja, und ob, endlich Ferien. Ich hätte meinen Chef keinen Tag länger ertragen können.«
»Ja, da lassen wir zwei es uns mal richtig gutgehen.« Emmi lachte. »Wenn ich doch nur wüsste, was das ›Tolle‹ ist.«
Ihre Mutter grinste geheimnisvoll und schwieg, so wie sie es schon seit zwei Wochen jedes Mal tat, wenn Emmi sie darauf ansprach. Ihre Mutter liebte Überraschungen, und sie hasste es, wenn man sie ihr verdarb.
Grinsend blätterte Mama um und versenkte sich in bunte Fotos von Armbändern und Ketten. Der Flieger rumpelte schneller und schneller über die Startbahn und hob sich schließlich in den Himmel. Er musste sich durch Unmengen von Nebelschwaden kämpfen, bis er endlich das ganze Grau hinter sich gelassen hatte.
Emmi zog die rote Karte aus ihrer Hosentasche. Sie war voller Knicke und mit einer silbernen Schnörkelschrift beschrieben. Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk! Sie hatte sie vor zwei Wochen unter dem Weihnachtsbaum gefunden. Oder besser gesagt unter dem Gerippe, das von ihrem Weihnachtsbaum übrig geblieben war. Es war an dem Tag gewesen, als Mama ihn endlich in der Gartenmüll-Verwertungsanlage entsorgen wollte, weil sie den Platz dringend für ihren Osterstrauß brauchte. Emmi las die geschnörkelte Schrift, obwohl sie den Text auswendig kannte.
Gutschein für etwas »Tolles« in Finnland.
Liebe Grüße vom Weihnachtsmann.
PS: Entschuldigung für die Verspätung. Aber die richtig guten Geschenke brauchen schon mal länger.
Weihnachtsmann! Das war natürlich Quatsch. Aber Mama hing eben sehr an Weihnachtsmännern, Zahnfeen, Osterhasen und so was.
Die Stewardess erschien mit etwas, das Spaghetti Bolognese hieß, aber wie roter Kartoffelbrei mit Würmern aussah! Mama schaute es nachdenklich an.
»Ich glaube, ich schlafe lieber eine Runde«, sagte sie. »Ist gesünder.« Gähnend schob Mama die Silberschachtel an den äußersten Rand des kleinen Klapptisches und rutschte tiefer in den Sitz.
»Weck mich, wenn wir in Helsinki sind, ja!«
»Klar, mach ich!«
Emmi fischte sich das Törtchen von Mamas Tablett. Bei Mandeltörtchen konnte man nicht viel falsch machen. Sie biss ab und drückte ihre Nase gegen die Scheibe. Eine Wattelandschaft aus Wolken lag unter ihnen.
Am Anfang hatte Emmi keine Idee gehabt, was das »Tolle« sein könnte. Eine Reise nach Finnland erschien ihr schon so toll, dass es kaum auszuhalten war. Doch dann eines Abends war sie in die Küche geschlichen, um sich ein paar Süßigkeiten aus dem Schrank zu holen. Und als sie leise auf Zehenspitzen den Flur zurückgetappt war, hatte sie ihre Mutter im Wohnzimmer sprechen gehört.
»Hundertfünfzig Hunde?«, hatte ihre Mutter gefragt und gekichert. Und »Sind die auch alle lieb?« Emmi war vor Aufregung gleich die Süßigkeitendose aus der Hand gefallen. Das hatte vielleicht gescheppert, und Mama hatte plötzlich mit knallroter Birne vor ihr gestanden und sie wieder ins Bett geschickt. Aber von diesem Abend an war die Hoffnung in ihr gewachsen. Wie ein kleines Samenkorn war sie plötzlich aufgegangen und gewachsen und hatte Hundepfoten und eine Schnauze bekommen, bis Emmi schließlich an nichts anderes mehr denken konnte. Nicht einmal in der Mathearbeit. Dort hatte sie als Antwortsatz unter die Textaufgabe geschrieben: »Jedes Kind der Tiger-Klasse bekommt fünf Hunde in die Tüte.« Obwohl es natürlich Bonbons hätte heißen müssen. Frau Schlotze-Nötze, ihre Mathelehrerin, hatte gar nicht mehr aufhören können, darüber mit dem Kopf zu schütteln, und gesagt, dass es wohl höchste Zeit für die Ferien sei.
Zwei Stunden später landeten sie im verschneiten Helsinki zwischen. Sie fuhren mit einem Bus in die City und liefen einmal über die Nordsee, die in Helsinki im Frühling eine einzige gefrorene Eiswüste ist. Eine Stunde später waren sie erneut in der Luft. Der Himmel war wolkenlos, und die untergehende Sonne färbte die Schneewelt unter ihnen rosa. Ungefähr zu dieser Zeit bekam auch Mama plötzlich Flöhe unterm Po, denn sie fing an, auf ihrem Sitz umherzurutschen und andauernd aus dem Fenster zu schauen, auch dann noch, als es draußen bereits stockdunkel war. Als der Pilot über Lautsprecher sagte, dass er nun mit dem Landeanflug beginnen würde, tastete sie unter dem Sitz nach ihrem Rucksack und kramte die neuen Riemchensandalen hervor, um sie gegen ihre alten Stiefel auszutauschen.
»Aber Mama, Sandalen? Im tiefsten Finnland. Ich glaube, du wirst dir einen Schnupfen holen.«
»Davon verstehst du nichts«, sagte Mama und versenkte ihre Hand erneut im Rucksack, um jetzt auch noch ihre Schminktasche hervorzuziehen. Sie bemalte sich gerade die Lippen, als sie mitten im Schnee aufsetzten. Der Flieger hüpfte und rumpelte, und ihre Mutter sah aus, als hätte sie zu viel Erdbeereis gegessen.
»Alles in Ordnung, Mama?«, fragte Emmi.
Ihre Mutter schaute seufzend in ihren Taschenspiegel. Der Lippenstift war überall, nur nicht auf ihrem Mund.
»Klar, alles in Ordnung, mein Schatz. Außer dass ich mich frage, ob der Pilot seinen Flugschein wohl bei Ebay ersteigert hat.«
In der Flughalle in Kuusamo benahm sich Mama auch nicht besser. Gleich an der Passkontrolle ließ sie ihre Jacke liegen, und ein Passkontrolleur musste rufend hinter ihnen herrennen. Dann verschwand Mama in der Toilette, um sich die Lippen neu zu bemalen, kam aber eine Sekunde später mit hochrotem Kopf zurück, weil sie sich in der Tür geirrt hatte. Sie hatte aus Versehen die Herrentoilette erwischt. Emmi schüttelte den Kopf, als sie jetzt durch die Tür für die Damen ging. Vielleicht war Mama die Höhenluft nicht bekommen. Höhenkollaps oder so.
»Mama, guck, hier sind die Gepäckwagen«, rief Emmi in der Gepäckhalle und zeigte auf eine Schlange aus Silberwägelchen. »Du bist gerade vorbeigerannt.«
»Ah, ach so«, sagte Mama.
Aber wieder war sie nicht bei der Sache. Während sie versuchte, den Trolley aus der Reihe zu lösen, schaute sie in der Gegend herum. Emmi seufzte. »Mama, lass mich mal.«
Emmi löste die Bremse, ruckelte nach rechts und nach links.
»So geht das. Hast du gesehen. Hier Mama, bitte.«
Als sie aufschaute, sah sie, dass Mama ihr nicht zugehört hatte. Sie hatte sich von ihr weggedreht und schaute zur großen Scheibe hinüber, hinter der Menschen in dicken Pullovern, Schals und Mützen standen. Ihre Mutter winkte und strahlte wie die Sommersonne. Und dort hinter der Glasscheibe stand ein Mann in dicken Stiefeln und winkte zurück. Er überragte die anderen um gut einen Kopf und strahlte mit ihrer Mutter um die Wette. Als Mama Emmis Blick bemerkte, zuckte sie erschrocken und ließ ihre Hand sinken.
...
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Es war der erste Tag der Osterferien. Frankfurt lag unter einer grauen Wolkendecke. Auch der starke Wind hatte es nicht geschafft, sie auseinanderzutreiben. Emmi und ihre Mutter hatten den Flug 701 nach Helsinki mit Ach und Krach bekommen. Die Männer in Anzug und Krawatte raschelten im Flugzeug bereits ungeduldig mit den Zeitungen, als sie sich schließlich doch noch mit ihrem Handgepäck den schmalen Gang entlanggequetscht hatten.
»Geschafft!« Stöhnend ließ sich ihre Mutter auf den Sitz sinken. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Nur wegen deiner blöden Hundehaare. War doch klar, dass das Ärger gibt. Vier Ordner voller Hundehaare! Du liebe Güte!«
Mama fischte nach den Anschnallgurten und klickte die Schnallen zusammen. Eine Stewardess mit kirschrotem Mund beugte sich zu ihnen hinunter.
»Könnten Sie bitte Ihr Handgepäck verstauen.« »Ja, 'tschuldigung, sofort!«
Mama kickte mit den Füßen ihre Tasche unter den Sitz.
»Angst vor Infektionskrankheiten. War doch klar. Und dreißig Euro fürs Übergepäck!«
Emmi grinste und schaute aus dem Fenster. Sie hatte längst gelernt, wann es besser war zu schweigen und wann sich eine Antwort lohnte. Schließlich war alles in Butter. Ihre Hundehaarsammlung war an Bord. Das Fell von 1322 Hunden, alle mit Mango-Shampoo gewaschen und alphabetisch sortiert. Und das war längst nicht alles, was in Butter war. Nein, sie, Emmi König, schwamm geradezu in Buttersoße. Sie saß nämlich im Flieger nach Nordfinnland, um ihren Hund abzuholen. Zumindest hielt sie genau das für mehr als wahrscheinlich. Einen echten, voll süßen Husky, vermutlich von einem finnischen Hundezüchter.
Neben ihr rutschte ihre Mutter im Sitz hin und her. Sie versuchte ihre Beine auszustrecken, gab es dann aber auf und zog eins der Bordhefte hervor. Sie schob ihre Brille zurecht und las die Slogans, die unter den Fotos der Parfums standen. »Die Verführung der Sinne« und »Ein Hauch von Sommer«. Emmi kicherte.
»Was?«, fragte ihre Mutter.
»Freust du dich auch so?«
»Ja, und ob, endlich Ferien. Ich hätte meinen Chef keinen Tag länger ertragen können.«
»Ja, da lassen wir zwei es uns mal richtig gutgehen.« Emmi lachte. »Wenn ich doch nur wüsste, was das ›Tolle‹ ist.«
Ihre Mutter grinste geheimnisvoll und schwieg, so wie sie es schon seit zwei Wochen jedes Mal tat, wenn Emmi sie darauf ansprach. Ihre Mutter liebte Überraschungen, und sie hasste es, wenn man sie ihr verdarb.
Grinsend blätterte Mama um und versenkte sich in bunte Fotos von Armbändern und Ketten. Der Flieger rumpelte schneller und schneller über die Startbahn und hob sich schließlich in den Himmel. Er musste sich durch Unmengen von Nebelschwaden kämpfen, bis er endlich das ganze Grau hinter sich gelassen hatte.
Emmi zog die rote Karte aus ihrer Hosentasche. Sie war voller Knicke und mit einer silbernen Schnörkelschrift beschrieben. Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk! Sie hatte sie vor zwei Wochen unter dem Weihnachtsbaum gefunden. Oder besser gesagt unter dem Gerippe, das von ihrem Weihnachtsbaum übrig geblieben war. Es war an dem Tag gewesen, als Mama ihn endlich in der Gartenmüll-Verwertungsanlage entsorgen wollte, weil sie den Platz dringend für ihren Osterstrauß brauchte. Emmi las die geschnörkelte Schrift, obwohl sie den Text auswendig kannte.
Gutschein für etwas »Tolles« in Finnland.
Liebe Grüße vom Weihnachtsmann.
PS: Entschuldigung für die Verspätung. Aber die richtig guten Geschenke brauchen schon mal länger.
Weihnachtsmann! Das war natürlich Quatsch. Aber Mama hing eben sehr an Weihnachtsmännern, Zahnfeen, Osterhasen und so was.
Die Stewardess erschien mit etwas, das Spaghetti Bolognese hieß, aber wie roter Kartoffelbrei mit Würmern aussah! Mama schaute es nachdenklich an.
»Ich glaube, ich schlafe lieber eine Runde«, sagte sie. »Ist gesünder.« Gähnend schob Mama die Silberschachtel an den äußersten Rand des kleinen Klapptisches und rutschte tiefer in den Sitz.
»Weck mich, wenn wir in Helsinki sind, ja!«
»Klar, mach ich!«
Emmi fischte sich das Törtchen von Mamas Tablett. Bei Mandeltörtchen konnte man nicht viel falsch machen. Sie biss ab und drückte ihre Nase gegen die Scheibe. Eine Wattelandschaft aus Wolken lag unter ihnen.
Am Anfang hatte Emmi keine Idee gehabt, was das »Tolle« sein könnte. Eine Reise nach Finnland erschien ihr schon so toll, dass es kaum auszuhalten war. Doch dann eines Abends war sie in die Küche geschlichen, um sich ein paar Süßigkeiten aus dem Schrank zu holen. Und als sie leise auf Zehenspitzen den Flur zurückgetappt war, hatte sie ihre Mutter im Wohnzimmer sprechen gehört.
»Hundertfünfzig Hunde?«, hatte ihre Mutter gefragt und gekichert. Und »Sind die auch alle lieb?« Emmi war vor Aufregung gleich die Süßigkeitendose aus der Hand gefallen. Das hatte vielleicht gescheppert, und Mama hatte plötzlich mit knallroter Birne vor ihr gestanden und sie wieder ins Bett geschickt. Aber von diesem Abend an war die Hoffnung in ihr gewachsen. Wie ein kleines Samenkorn war sie plötzlich aufgegangen und gewachsen und hatte Hundepfoten und eine Schnauze bekommen, bis Emmi schließlich an nichts anderes mehr denken konnte. Nicht einmal in der Mathearbeit. Dort hatte sie als Antwortsatz unter die Textaufgabe geschrieben: »Jedes Kind der Tiger-Klasse bekommt fünf Hunde in die Tüte.« Obwohl es natürlich Bonbons hätte heißen müssen. Frau Schlotze-Nötze, ihre Mathelehrerin, hatte gar nicht mehr aufhören können, darüber mit dem Kopf zu schütteln, und gesagt, dass es wohl höchste Zeit für die Ferien sei.
Zwei Stunden später landeten sie im verschneiten Helsinki zwischen. Sie fuhren mit einem Bus in die City und liefen einmal über die Nordsee, die in Helsinki im Frühling eine einzige gefrorene Eiswüste ist. Eine Stunde später waren sie erneut in der Luft. Der Himmel war wolkenlos, und die untergehende Sonne färbte die Schneewelt unter ihnen rosa. Ungefähr zu dieser Zeit bekam auch Mama plötzlich Flöhe unterm Po, denn sie fing an, auf ihrem Sitz umherzurutschen und andauernd aus dem Fenster zu schauen, auch dann noch, als es draußen bereits stockdunkel war. Als der Pilot über Lautsprecher sagte, dass er nun mit dem Landeanflug beginnen würde, tastete sie unter dem Sitz nach ihrem Rucksack und kramte die neuen Riemchensandalen hervor, um sie gegen ihre alten Stiefel auszutauschen.
»Aber Mama, Sandalen? Im tiefsten Finnland. Ich glaube, du wirst dir einen Schnupfen holen.«
»Davon verstehst du nichts«, sagte Mama und versenkte ihre Hand erneut im Rucksack, um jetzt auch noch ihre Schminktasche hervorzuziehen. Sie bemalte sich gerade die Lippen, als sie mitten im Schnee aufsetzten. Der Flieger hüpfte und rumpelte, und ihre Mutter sah aus, als hätte sie zu viel Erdbeereis gegessen.
»Alles in Ordnung, Mama?«, fragte Emmi.
Ihre Mutter schaute seufzend in ihren Taschenspiegel. Der Lippenstift war überall, nur nicht auf ihrem Mund.
»Klar, alles in Ordnung, mein Schatz. Außer dass ich mich frage, ob der Pilot seinen Flugschein wohl bei Ebay ersteigert hat.«
In der Flughalle in Kuusamo benahm sich Mama auch nicht besser. Gleich an der Passkontrolle ließ sie ihre Jacke liegen, und ein Passkontrolleur musste rufend hinter ihnen herrennen. Dann verschwand Mama in der Toilette, um sich die Lippen neu zu bemalen, kam aber eine Sekunde später mit hochrotem Kopf zurück, weil sie sich in der Tür geirrt hatte. Sie hatte aus Versehen die Herrentoilette erwischt. Emmi schüttelte den Kopf, als sie jetzt durch die Tür für die Damen ging. Vielleicht war Mama die Höhenluft nicht bekommen. Höhenkollaps oder so.
»Mama, guck, hier sind die Gepäckwagen«, rief Emmi in der Gepäckhalle und zeigte auf eine Schlange aus Silberwägelchen. »Du bist gerade vorbeigerannt.«
»Ah, ach so«, sagte Mama.
Aber wieder war sie nicht bei der Sache. Während sie versuchte, den Trolley aus der Reihe zu lösen, schaute sie in der Gegend herum. Emmi seufzte. »Mama, lass mich mal.«
Emmi löste die Bremse, ruckelte nach rechts und nach links.
»So geht das. Hast du gesehen. Hier Mama, bitte.«
Als sie aufschaute, sah sie, dass Mama ihr nicht zugehört hatte. Sie hatte sich von ihr weggedreht und schaute zur großen Scheibe hinüber, hinter der Menschen in dicken Pullovern, Schals und Mützen standen. Ihre Mutter winkte und strahlte wie die Sommersonne. Und dort hinter der Glasscheibe stand ein Mann in dicken Stiefeln und winkte zurück. Er überragte die anderen um gut einen Kopf und strahlte mit ihrer Mutter um die Wette. Als Mama Emmis Blick bemerkte, zuckte sie erschrocken und ließ ihre Hand sinken.
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© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Angelika Glitz
Glitz, AngelikaAngelika Glitz, Jahrgang 66, studierte in Münster Betriebswirtschaftslehre und arbeitete einige Jahre in der Werbung. Heute lebt Angelika Glitz mit Mann und drei Kindern am Rand des Taunus und schreibt seit vielen Jahren für Kinder und Jugendliche. Außerdem erfindet sie Geschichten fürs Theater, für Rundfunk und Fernsehen.
Raidt, Gerda
Gerda Raidt 1975 in Berlin geboren, war Meisterschülerin an der BGB Leipzig und arbeitet seit 2004 als Illustratorin, Grafikerin und Lehrbeauftragte.
Bibliographische Angaben
- Autor: Angelika Glitz
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2012, 176 Seiten, Maße: 14,6 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Illustration: Raidt, Gerda
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596855063
- ISBN-13: 9783596855063
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