Erinnerungen
1959 die Märchenhochzeit mit dem Shah von Persien. Doch Kaiserin Farah Diba-Pahlavi wurde vom Schicksal nicht verschont. Die islamische Revolution zwang sie ins Exil. Trotzdem kämpfte sie - für sich und andere.
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Produktinformationen zu „Erinnerungen “
1959 die Märchenhochzeit mit dem Shah von Persien. Doch Kaiserin Farah Diba-Pahlavi wurde vom Schicksal nicht verschont. Die islamische Revolution zwang sie ins Exil. Trotzdem kämpfte sie - für sich und andere.
Lese-Probe zu „Erinnerungen “
Erinnerungen von Farah Diba-Pahlavi
Unvermindert starke Trauer ergreift mein Herz, wenn ich an jenen Januarmorgen des Jahres 1979 zurückdenke. Eine beängstigende Stille hatte sich über Teheran gelegt, als würde unsere Hauptstadt, die seit Monaten ein Ort der Auseinandersetzungen war, mit einem Mal den Atem anhalten. An diesem 16. Januar gingen wir fort und verließen das Land in der Annahme, ein vorübergehender Rückzug des Shah könne zur Beruhigung der Lage beitragen.
Die Entscheidung über unseren Weggang war rund zehn Tage zuvor gefallen. Offiziell flogen wir für mehrere Wochen ins Ausland, um uns zu erholen. So hatte der Shah es darstellen wollen. Glaubte er auch daran? Die außerordentliche Bedrängnis, die ich zeitweilig in seinen Augen sah, ließ mich eher vermuten, dass dem nicht so war. Aber ich hoffte mit aller Kraft und glaubte doch nicht allzu sehr daran. Es erschien mir ausgeschlossen, dass diesem Mann, der die letzten siebenunddreißig Jahre seines Lebens seinem Volk geschenkt hatte, nicht so bald wieder Vertrauen entgegengebracht würde. Unter seiner Herrschaft hatte der Iran sich in Windeseile entwickelt: Wenn erst wieder Friede herrschte, würde das jeder zugeben müssen. Ja, ich hoffte. Man würde ihn bitten zurückzukommen, und ihm würde Gerechtigkeit widerfahren.
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Es hatte geschneit, der von den Bergen kommende, schneidende Wind sorgte hier und da für glitzernde Wirbel vor der aufgehenden Sonne. Die Nacht war ruhig gewesen, eigenartig ruhig, so dass der Shah immerhin ein paar Stunden hatte schlafen können. Die Krankheit hatte ihn geschwächt, er war zermürbt von den Ereignissen und hatte im Laufe des zurückliegenden Jahres einiges an Gewicht verloren. Und dann die letzten Wochen, in denen trotz der verhängten Ausgangssperre Nacht für Nacht Demonstranten den Militärposten getrotzt hatten und auf die Dächer geklettert waren. Ihr hasserfülltes Geschrei war bis zu uns in den Palast vorgedrungen: »Allaho akbar, marg bar Shah!« (Allah ist der Größte, Tod dem Shah!). Ich hätte alles darum gegeben, den Shah vor diesen Beschimpfungen zu schützen.
Die Kinder waren nicht mehr bei uns. Die Überraschungsbesuche meiner kleinen Leila, Farahnaz' schüchterne, zärtliche Blicke für ihren Vater, Ali-Rezas Scherze und sein Lachen, all diese kleinen Freuden, die mein Mann liebevoll tolerierte, gab es nun nicht mehr im Palast. Ich hatte die Abreise bis zuletzt hinausgezögert, da ich befürchtete, dass damit wahrscheinlich das Ende eines Familienlebens besiegelt wäre, das uns fast zwanzig Jahre lang über alle Maßen glücklich gemacht hatte. Unser ältester Sohn Reza war in den Vereinigten Staaten, wo er eine Ausbildung zum Jagdflieger absolvierte. Er war damals neunzehn Jahre alt und rief uns täglich an. Die Lage, wie sie im amerikanischen Fernsehen dargestellt wurde, bekümmerte ihn zutiefst. Ich versuchte, ihn zu beruhigen und davon zu überzeugen, dass wir durchhalten müssten und vor allem nicht die Hoffnung verlieren dürften, während ich gleichzeitig feststellte, dass das Land im Chaos versank.
Fast überall hatten die Menschen aufgehört zu arbeiten, die Raffinerien standen still, die Wirtschaft stagnierte, und jeden Tag wurde demonstriert, und Ausbrüche des Hasses, der Provokationen und gezielte Fehlinformation überrollten das Land. Der Shah sprach kurz mit seinem ältesten Sohn und ließ sich am Telefon nichts von seiner Verzweiflung anmerken. Während dieser Zeit ergriffen die Menschen die Flucht. Jeden Monat verließen mehr Unternehmer, Ingenieure, Wissenschaftler und sonstige Führungskräfte das Land. Bald würden wir zu den verbliebenen »Legitimisten« auf diesem sinkenden Schiff zählen, das düstere Mächte allem Anschein nach dem Untergang geweiht hatten.
Diese letzten Tage vor der Abreise der Kinder waren furchtbar gewesen. Mit ihren acht Jahren schien Leila nicht zu begreifen, in welch furchtbarer Anspannung wir lebten, aber Farahnaz und Ali-Reza, die fünfzehn und zwölf Jahre alt waren, zeigten sehr wohl, wie verunsichert sie waren. Ich beobachtete unsere große Tochter, wie sie lange vor den Gitterstäben im Park stand und schweigend die menschenleeren Straßen absuchte, erstaunt darüber, dort keine fröhlichen Kinder mehr zu sehen, mit denen sie früher geplaudert hatte. Wo waren all diese Kinder geblieben? Gleichzeitig machten im Palast nacheinander Generäle, Politiker, Professoren und einige Glaubensführer meinem Mann die Aufwartung, um ihm ihre Vorschläge zu unterbreiten. Einige befürworteten eine friedliche politische Lösung, andere rieten inständig dazu, es der Armee zu gestatten, das Feuer zu eröffnen. Der Shah gab allen stets die gleiche Antwort: dass ein Souverän seinen Thron nicht um den Preis des Blutvergießens unter seinen Landsleuten retten dürfe – »ein Diktator wohl, nicht aber ein Souverän«. Und mit dieser unbeugsamen Haltung verabschiedete er sie wieder.
Als es dem Shah die vernünftigste Lösung zu sein schien, das Land zu verlassen, rangen wir uns dazu durch, uns von den Kindern zu trennen. Einen Monat zuvor, Mitte Dezember 1978, war Farahnaz bereits zu ihrem großen Bruder in die Vereinigten Staaten geflogen. Nun machten sich unter der Obhut meiner Mutter auch Leila und Ali-Reza auf den Weg nach Amerika. Ich erinnere mich noch, dass Ali-Reza unbedingt die kaiserliche Flagge und seine Gardeuniform mitnehmen wollte. Wann würden wir uns wiedersehen? Nachdem die Vereinigten Staaten zunächst angeboten hatten, uns aufzunehmen, zauderten sie jetzt; wir waren ganz offensichtlich nicht mehr willkommen. Das befreundete Ägypten von Präsident Sadat würde also unser erstes Ziel sein, weit weg von den Kindern.
An jenem Morgen frühstückten wir getrennt. Der Shah war sehr früh aufgestanden und hatte sich, wie an jedem anderen Tag auch, in sein Büro begeben. Ahnte er, dass dies die letzten Stunden in der geliebten Heimat waren? Ahnte er, dass er nie mehr lebendig dorthin zurückkehren würde? Beim Gedanken daran bricht es mir noch heute das Herz.
Mir blieb der Vormittag, um ein paar Sachen zusammenzupacken. Nachts hatte ich an die Fotos von den Kindern gedacht, an die Familienalben, und die Vorstellung, sie zurücklassen zu müssen, hatte mir eine unbeschreibliche Angst eingejagt. Ich nahm die Alben schnell an mich. Diese Seiten enthielten alle Erinnerungen an unser vergangenes Glück. Und was galt es, außerdem mitzunehmen? Ich weiß noch, dass ich mich in meiner Aufregung plötzlich auf ein Paar Stiefel konzentrierte, die ich immer trug, wenn wir auf dem Land waren. Wir würden jetzt viel Zeit zum Spazierengehen haben, und das war auch wichtig, um nicht den Mut zu verlieren, um seelisch im Gleichgewicht zu bleiben. Ja, diese Stiefel würden meine wertvollsten Verbündeten werden. Sie mit mir zu nehmen hatte mich eigenartigerweise wieder heiter gestimmt. Ein paar Tage später, als ich sie im Koffer entdeckte, lachte ich bitter über mich selbst: Mein Gott! Wieso war es mir nicht in den Sinn gekommen, dass es solche Stiefel überall auf der Welt gab? In welches eisige, menschenleere Exil sah ich uns aufbrechen?
Als ich dann die Bibliothek abschritt, holte ich meine Lieblingsbücher hervor, die Dichter, Staatschefs oder Schriftsteller anlässlich von Begegnungen im Iran und in der ganzen Welt für mich mit Widmungen versehen hatten.
Ein Palastangestellter war heraufgekommen, um mir zu helfen; wir waren in meinem Büro.
»Die Miniaturen gehören Ihnen, Majestät, nehmen Sie sie an sich.«
Ich weiß noch, dass ich den Mann traurig ansah.
»Nein, alles bleibt an seinem Platz, ich will von diesen Dingen nichts mitnehmen.«
Ich war hin und her gerissen zwischen der Hoffnung, wir könnten zurückkehren, und dem entsetzlichen, erniedrigenden Anblick, der sich mir innerlich bereits darbot – das Bild wütender Demonstranten, die in den Palast hereindrängen und Schubladen und Schränke öffnen. Um keinen Preis wollte ich, dass sie den Eindruck gewinnen könnten, wir hätten uns mit Sack und Pack auf den Weg gemacht! Nein, wir würden erhobenen Hauptes gehen, mit der Überzeugung, unermüdlich zum Besten des Landes gewirkt zu haben. Und wenn uns Fehler unterlaufen waren, so hatten wir uns doch immer vom Allgemeinwohl leiten lassen.
Am Vortag hatte ich die Leiter der Museen gebeten, einige wertvolle Objekte, die uns von verschiedenen Regenten und Staatschefs geschenkt worden waren, sowie ein paar persönliche Gegenstände bei uns abzuholen. Diese sollten nicht gestohlen werden. Der Wert der Dinge war mir nicht wichtig. Ich wollte, dass alles Übrige – Gemälde, persönliche Dinge, Teppiche und so weiter – an seinem Platz bliebe, auch meine iranischen Kleider, die ich absichtlich zurückließ, so wie man einen Teil seiner Seele zurücklässt. Um Plünderungen und Verleumdungen vorzubeugen, hatte ich das Fernsehen eingeladen, damit das Interieur des Palastes gefilmt würde. Auch iranische und ausländische Journalisten hatte ich eingeladen. Unser Leben und das Schicksal des Iran waren untrennbar miteinander verbunden, und in meinem tiefsten Innern bin ich stolz, dass unser persönlicher Besitz das Land nie verlassen hat.
Die letzten Stunden gingen schnell, allzu schnell vorüber, zwischen größter Hektik und langen Momenten des Nachdenkens, in denen der Blick sich im grellen Winterlicht Teherans zwischen den Bäumen im Park verlor und über die vertrauten Räumlichkeiten schweifte, wo wir ein so intensives Leben geführt hatten. Ich kann mich erinnern, dass ich in diesem Zustand Farahnaz in den Vereinigten Staaten anrief, da mir mit einem Mal klar wurde, dass das arme Kind schon vor einem Monat abgereist war in der Gewissheit, sie würde ihr Zimmer und all das Glück eines heranwachsenden Mädchens wieder vorfinden. Wie hätte sie ahnen können, dass sie den Iran bis heute, da ich diese Erinnerungen niederschreibe, nicht wieder sehen würde? Was sollte ich für sie mitnehmen?
»Überlege gut, Nanaz >djun<, Liebling, woran hängst du am meisten? Sag es mir...«
Zu meinem Erstaunen hörte ich sie sagen, sie wolle das Poster des Sängers Sattar, der im Iran bereits sehr erfolgreich war und dessen Konterfei in ihrem Zimmer an exponierter Stelle hing. Etwas anderes wollte sie nicht. Ich glaube, dass, ähnlich wie es bei mir mit den Stiefeln der Fall war, die Verheißung dieses Posters sie beruhigte und ihr das Ausmaß des Unheils, das sie vermutlich auf sich zukommen sah, verdrängte.
Was Reza anging, so hatte er innerhalb des Palastes ein eigenes Haus bewohnt. Die Fensterläden waren seit seiner Abreise vor einem Jahr geschlossen. Sämtliche Anzüge, die er als Kind getragen hatte und die ich mit unendlicher Zärtlichkeit aufbewahrt hatte, Kassetten mit Aufnahmen von seinen ersten Worten und Schritten, Fotoalben – all die Erinnerungen befanden sich dort. Ich hatte nicht einmal mehr die Geistesgegenwart, ihn anzurufen, und ließ alles zurück. Heute würde ich viel dafür geben, diese Schätze wieder zu finden ...
Der Vormittag ging zu Ende, der Shah war noch immer in seinem Büro hinter verschlossener Tür, und die Stimmung im Palast wurde von Minute zu Minute beklemmender. Ich spürte die Verzweiflung der Frauen und Männer, von denen die Ältesten Reza Shah, dem Vater meines Mannes, gedient hatten, und von denen einige an unserer Hochzeit zwanzig Jahre zuvor teilgenommen hatten. Alle schienen über unsere bevorstehende Abreise bestürzt zu sein und liefen ungewohnt still hin und her.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Karola Bartsch; Eliane Hagedorn; Gisela Sturm
Die Kinder waren nicht mehr bei uns. Die Überraschungsbesuche meiner kleinen Leila, Farahnaz' schüchterne, zärtliche Blicke für ihren Vater, Ali-Rezas Scherze und sein Lachen, all diese kleinen Freuden, die mein Mann liebevoll tolerierte, gab es nun nicht mehr im Palast. Ich hatte die Abreise bis zuletzt hinausgezögert, da ich befürchtete, dass damit wahrscheinlich das Ende eines Familienlebens besiegelt wäre, das uns fast zwanzig Jahre lang über alle Maßen glücklich gemacht hatte. Unser ältester Sohn Reza war in den Vereinigten Staaten, wo er eine Ausbildung zum Jagdflieger absolvierte. Er war damals neunzehn Jahre alt und rief uns täglich an. Die Lage, wie sie im amerikanischen Fernsehen dargestellt wurde, bekümmerte ihn zutiefst. Ich versuchte, ihn zu beruhigen und davon zu überzeugen, dass wir durchhalten müssten und vor allem nicht die Hoffnung verlieren dürften, während ich gleichzeitig feststellte, dass das Land im Chaos versank.
Fast überall hatten die Menschen aufgehört zu arbeiten, die Raffinerien standen still, die Wirtschaft stagnierte, und jeden Tag wurde demonstriert, und Ausbrüche des Hasses, der Provokationen und gezielte Fehlinformation überrollten das Land. Der Shah sprach kurz mit seinem ältesten Sohn und ließ sich am Telefon nichts von seiner Verzweiflung anmerken. Während dieser Zeit ergriffen die Menschen die Flucht. Jeden Monat verließen mehr Unternehmer, Ingenieure, Wissenschaftler und sonstige Führungskräfte das Land. Bald würden wir zu den verbliebenen »Legitimisten« auf diesem sinkenden Schiff zählen, das düstere Mächte allem Anschein nach dem Untergang geweiht hatten.
Diese letzten Tage vor der Abreise der Kinder waren furchtbar gewesen. Mit ihren acht Jahren schien Leila nicht zu begreifen, in welch furchtbarer Anspannung wir lebten, aber Farahnaz und Ali-Reza, die fünfzehn und zwölf Jahre alt waren, zeigten sehr wohl, wie verunsichert sie waren. Ich beobachtete unsere große Tochter, wie sie lange vor den Gitterstäben im Park stand und schweigend die menschenleeren Straßen absuchte, erstaunt darüber, dort keine fröhlichen Kinder mehr zu sehen, mit denen sie früher geplaudert hatte. Wo waren all diese Kinder geblieben? Gleichzeitig machten im Palast nacheinander Generäle, Politiker, Professoren und einige Glaubensführer meinem Mann die Aufwartung, um ihm ihre Vorschläge zu unterbreiten. Einige befürworteten eine friedliche politische Lösung, andere rieten inständig dazu, es der Armee zu gestatten, das Feuer zu eröffnen. Der Shah gab allen stets die gleiche Antwort: dass ein Souverän seinen Thron nicht um den Preis des Blutvergießens unter seinen Landsleuten retten dürfe – »ein Diktator wohl, nicht aber ein Souverän«. Und mit dieser unbeugsamen Haltung verabschiedete er sie wieder.
Als es dem Shah die vernünftigste Lösung zu sein schien, das Land zu verlassen, rangen wir uns dazu durch, uns von den Kindern zu trennen. Einen Monat zuvor, Mitte Dezember 1978, war Farahnaz bereits zu ihrem großen Bruder in die Vereinigten Staaten geflogen. Nun machten sich unter der Obhut meiner Mutter auch Leila und Ali-Reza auf den Weg nach Amerika. Ich erinnere mich noch, dass Ali-Reza unbedingt die kaiserliche Flagge und seine Gardeuniform mitnehmen wollte. Wann würden wir uns wiedersehen? Nachdem die Vereinigten Staaten zunächst angeboten hatten, uns aufzunehmen, zauderten sie jetzt; wir waren ganz offensichtlich nicht mehr willkommen. Das befreundete Ägypten von Präsident Sadat würde also unser erstes Ziel sein, weit weg von den Kindern.
An jenem Morgen frühstückten wir getrennt. Der Shah war sehr früh aufgestanden und hatte sich, wie an jedem anderen Tag auch, in sein Büro begeben. Ahnte er, dass dies die letzten Stunden in der geliebten Heimat waren? Ahnte er, dass er nie mehr lebendig dorthin zurückkehren würde? Beim Gedanken daran bricht es mir noch heute das Herz.
Mir blieb der Vormittag, um ein paar Sachen zusammenzupacken. Nachts hatte ich an die Fotos von den Kindern gedacht, an die Familienalben, und die Vorstellung, sie zurücklassen zu müssen, hatte mir eine unbeschreibliche Angst eingejagt. Ich nahm die Alben schnell an mich. Diese Seiten enthielten alle Erinnerungen an unser vergangenes Glück. Und was galt es, außerdem mitzunehmen? Ich weiß noch, dass ich mich in meiner Aufregung plötzlich auf ein Paar Stiefel konzentrierte, die ich immer trug, wenn wir auf dem Land waren. Wir würden jetzt viel Zeit zum Spazierengehen haben, und das war auch wichtig, um nicht den Mut zu verlieren, um seelisch im Gleichgewicht zu bleiben. Ja, diese Stiefel würden meine wertvollsten Verbündeten werden. Sie mit mir zu nehmen hatte mich eigenartigerweise wieder heiter gestimmt. Ein paar Tage später, als ich sie im Koffer entdeckte, lachte ich bitter über mich selbst: Mein Gott! Wieso war es mir nicht in den Sinn gekommen, dass es solche Stiefel überall auf der Welt gab? In welches eisige, menschenleere Exil sah ich uns aufbrechen?
Als ich dann die Bibliothek abschritt, holte ich meine Lieblingsbücher hervor, die Dichter, Staatschefs oder Schriftsteller anlässlich von Begegnungen im Iran und in der ganzen Welt für mich mit Widmungen versehen hatten.
Ein Palastangestellter war heraufgekommen, um mir zu helfen; wir waren in meinem Büro.
»Die Miniaturen gehören Ihnen, Majestät, nehmen Sie sie an sich.«
Ich weiß noch, dass ich den Mann traurig ansah.
»Nein, alles bleibt an seinem Platz, ich will von diesen Dingen nichts mitnehmen.«
Ich war hin und her gerissen zwischen der Hoffnung, wir könnten zurückkehren, und dem entsetzlichen, erniedrigenden Anblick, der sich mir innerlich bereits darbot – das Bild wütender Demonstranten, die in den Palast hereindrängen und Schubladen und Schränke öffnen. Um keinen Preis wollte ich, dass sie den Eindruck gewinnen könnten, wir hätten uns mit Sack und Pack auf den Weg gemacht! Nein, wir würden erhobenen Hauptes gehen, mit der Überzeugung, unermüdlich zum Besten des Landes gewirkt zu haben. Und wenn uns Fehler unterlaufen waren, so hatten wir uns doch immer vom Allgemeinwohl leiten lassen.
Am Vortag hatte ich die Leiter der Museen gebeten, einige wertvolle Objekte, die uns von verschiedenen Regenten und Staatschefs geschenkt worden waren, sowie ein paar persönliche Gegenstände bei uns abzuholen. Diese sollten nicht gestohlen werden. Der Wert der Dinge war mir nicht wichtig. Ich wollte, dass alles Übrige – Gemälde, persönliche Dinge, Teppiche und so weiter – an seinem Platz bliebe, auch meine iranischen Kleider, die ich absichtlich zurückließ, so wie man einen Teil seiner Seele zurücklässt. Um Plünderungen und Verleumdungen vorzubeugen, hatte ich das Fernsehen eingeladen, damit das Interieur des Palastes gefilmt würde. Auch iranische und ausländische Journalisten hatte ich eingeladen. Unser Leben und das Schicksal des Iran waren untrennbar miteinander verbunden, und in meinem tiefsten Innern bin ich stolz, dass unser persönlicher Besitz das Land nie verlassen hat.
Die letzten Stunden gingen schnell, allzu schnell vorüber, zwischen größter Hektik und langen Momenten des Nachdenkens, in denen der Blick sich im grellen Winterlicht Teherans zwischen den Bäumen im Park verlor und über die vertrauten Räumlichkeiten schweifte, wo wir ein so intensives Leben geführt hatten. Ich kann mich erinnern, dass ich in diesem Zustand Farahnaz in den Vereinigten Staaten anrief, da mir mit einem Mal klar wurde, dass das arme Kind schon vor einem Monat abgereist war in der Gewissheit, sie würde ihr Zimmer und all das Glück eines heranwachsenden Mädchens wieder vorfinden. Wie hätte sie ahnen können, dass sie den Iran bis heute, da ich diese Erinnerungen niederschreibe, nicht wieder sehen würde? Was sollte ich für sie mitnehmen?
»Überlege gut, Nanaz >djun<, Liebling, woran hängst du am meisten? Sag es mir...«
Zu meinem Erstaunen hörte ich sie sagen, sie wolle das Poster des Sängers Sattar, der im Iran bereits sehr erfolgreich war und dessen Konterfei in ihrem Zimmer an exponierter Stelle hing. Etwas anderes wollte sie nicht. Ich glaube, dass, ähnlich wie es bei mir mit den Stiefeln der Fall war, die Verheißung dieses Posters sie beruhigte und ihr das Ausmaß des Unheils, das sie vermutlich auf sich zukommen sah, verdrängte.
Was Reza anging, so hatte er innerhalb des Palastes ein eigenes Haus bewohnt. Die Fensterläden waren seit seiner Abreise vor einem Jahr geschlossen. Sämtliche Anzüge, die er als Kind getragen hatte und die ich mit unendlicher Zärtlichkeit aufbewahrt hatte, Kassetten mit Aufnahmen von seinen ersten Worten und Schritten, Fotoalben – all die Erinnerungen befanden sich dort. Ich hatte nicht einmal mehr die Geistesgegenwart, ihn anzurufen, und ließ alles zurück. Heute würde ich viel dafür geben, diese Schätze wieder zu finden ...
Der Vormittag ging zu Ende, der Shah war noch immer in seinem Büro hinter verschlossener Tür, und die Stimmung im Palast wurde von Minute zu Minute beklemmender. Ich spürte die Verzweiflung der Frauen und Männer, von denen die Ältesten Reza Shah, dem Vater meines Mannes, gedient hatten, und von denen einige an unserer Hochzeit zwanzig Jahre zuvor teilgenommen hatten. Alle schienen über unsere bevorstehende Abreise bestürzt zu sein und liefen ungewohnt still hin und her.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Karola Bartsch; Eliane Hagedorn; Gisela Sturm
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Autoren-Porträt von Farah Diba-pahlavi
Farah Diba-Pahlavi, 1938 in Teheran geboren. 1959 Heirat als dritte Ehefrau mit dem Herrscher des Iran, Schah Reza Pahlavi. 1967 Kaiserinnen-Krönung. 1979 musste sie mit ihrer Familie im Zuge der islamischen Revolution das Land verlassen. Sie lebt heute u. a. in Frankreich und den USA.
Bibliographische Angaben
- Autor: Farah Diba-pahlavi
- 2005, 463 Seiten, teilweise farbige Abbildungen, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Karola Bartsch, Eliane Hagedorn, Gisela Sturm
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404615751
- ISBN-13: 9783404615759
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