Erwachendes Verlangen
Roman. Deutsche Erstausgabe
Ein unbeschwerter Junggeselle, der über Nacht zum Duke wird, und eine unbezähmbare Schönheit von nicht ganz einwandfreiem Ruf: Fayne Carlisle und Lady Kilby sind das perfekte Skandalpaar. Es geht gar das Gerücht, Faynes Vater sei...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
7.95 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Erwachendes Verlangen “
Ein unbeschwerter Junggeselle, der über Nacht zum Duke wird, und eine unbezähmbare Schönheit von nicht ganz einwandfreiem Ruf: Fayne Carlisle und Lady Kilby sind das perfekte Skandalpaar. Es geht gar das Gerücht, Faynes Vater sei ausgerechnet in Lady Kilbys Armen verstorben. Den Duke kümmert das wenig. Er ist geradezu besessen von Kilby - die nur mit ihm zu spielen scheint.<br />
<br />
Klappentext zu „Erwachendes Verlangen “
Ein unbeschwerter Junggeselle, der über Nacht zum Duke wird, und eine unbezähmbare Schönheit von nicht ganz einwandfreiem Ruf: Fayne Carlisle und Lady Kilby sind das perfekte Skandalpaar. Es geht gar das Gerücht, Faynes Vater sei ausgerechnet in Lady Kilbys Armen verstorben. Den Duke kümmert das wenig. Er ist geradezu besessen von Kilby - die nur mit ihm zu spielen scheint.
Lese-Probe zu „Erwachendes Verlangen “
Erwachendes Verlangen von Barbara Pierce Erstes Kapitel
London, 10. April 1809
Der Herzog von Solitea war tot.
Also beschloss seine Witwe natürlich, einen Ball zu
veranstalten. Der exzentrischen Herzogin erschien es
als passend, auf diese Weise das Ableben ihres Ehemannes
zu verkünden. Fayne Carlisle, der Marquis
von Temmes trank schnell den Rest Brandy in seinem
Glas aus und schüttelte in anhaltender Verwunderung
den Kopf.
Wirklich, einen Ball für einen Toten! Niemand hatte
den Carlisles jemals vorgeworfen, konventionell zu
sein. Die Herzogin wollte sogar, dass der Verstorbene
an den Feierlichkeiten teilnahm. Fayne hatte diesem
befremdlichen Vorschlag Einhalt geboten und sich
rundheraus geweigert, dem Begehren seiner Mutter
nachzugeben. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie
der Herzog, prächtig für seine Beerdigung herausgeputzt,
wie im Leben den Salon beherrschte und seine
beiden geliebten aprikosenfarbenen Doggen auf beiden
Seiten des Sarges Wache hielten.
Gott bewahresieallevordenEinfällenseinerMutter!
Fayne stand lässig in einer der hintersten Ecken des
Salons und beobachtete gedankenvoll die Gäste. Seine
Mutter hatte ein vier Meter hohes Porträt des Herzogs
in der Mitte des Raumes aufstellen lassen, das sie ursprünglich
zu seinem dreißigsten Geburtstag in Auftrag
gegeben hatte. Übergroße schwarz-goldene Porzellanvasen,
die mit Laub und Treibhausblumen gefüllt
waren, rahmten das Gemälde ein.
... mehr
Fayne nippte an seinem Glas, doch schmeckte er den
Brandy kaum. Wenn er an die ruhige, feierliche Prozession
zur Westminster Abbey dachte, die er mit seiner
Familie am Nachmittag durchlebt hatte, um den
Herzog von Solitea beizusetzen, dann geriet sein Innerstes
in Aufruhr. Seine jüngere Schwester, Fayre,
hatte ihr Gesicht an seiner Schulter vergraben und
geschluchzt. Die Herzogin hatte still an seiner Seite
gesessen, und ihre ausdruckslose Miene hatte ihn an
blassen Marmor erinnert. Noch Tage, nachdem sie die
Nachricht vom Tod des Herzogs erreicht hatte, war
ihre tiefe, untröstliche Trauer nicht gemildert. Sie hatte
nur geschlafen, weil der Leibarzt der Familie, mit Faynes
Hilfe, ihr jede Nacht die Schlaf fördernde Mixtur
des Apothekers eingeflößt hatte.
Fayne hatte die stille, bleiche Frau neben sich im
Trauerwagen nicht wiedererkannt. Er sehnte sich
nach einem Schimmer des alten Temperaments seiner
Mutter und nach einem Zeichen, dass sie den Tod ihres
Mannes verwinden konnte. Das war der Hauptgrund,
warum er diesem lächerlichen Ball zugestimmt
hatte.
Eine Dame fiel vor dem Porträt auf die Knie und
weinte in ihr Spitzentaschentuch. Er konnte ihr Gesicht
nicht sehen, doch er fragte sich, ob die Trauernde
vielleicht eine der früheren Mätressen seines Vaters
war. Sein Blick schweifte über das Dutzend Leute
vor dem Gemälde. Die meisten meinten es sicherlich
gut. Wenn jemand es für notwendig erachten sollte,
mit ihm zu sprechen, dann würden seine ablehnende
Haltung und seine furchterregende Miene sie sicher
davon abhalten. Zum Glück, denn die Herzogin würde
es bestimmt nicht begrüßen, wenn er einen ihrer
Gäste schlagen und damit eine Szene heraufbeschwören
würde.
»Du magst deinen Tee also noch immer lieber kalt,
wie ich sehe«, sagte eine männliche Stimme links neben
ihm und unterbrach damit Faynes düstere Gedanken.
Jeder vernünftige Mensch hätte genug Verstand
gehabt, die Privatsphäre eines trauernden Sohnes zu
respektieren. Unglücklicherweise blieb Fayne nichts
anderes übrig, als sich mit den Unvernünftigen zu beschäftigen.
Er rieb sich die rechte Augenbraue und warf seinem
Freund einen gereizten Blick zu. »Ramscar. Ich dachte
gerade, wie verärgert die Herzogin wäre, wenn mich
ein wohlmeinender Mistkerl dazu brächte, ihn zu ohrfeigen
«, sagte Fayne anstelle einer Begrüßung.
Fowler Knowden, Graf von Ramscar, grinste ihn bei
dieser Androhung von Gewalt einfach nur an. Mit fast
einem Meter achtzig war er etwa acht Zentimeter kleiner
als Fayne. Doch sein Selbstvertrauen und die träge
Eleganz warnten jeden Beobachter davor, ihn nicht zu
unterschätzen. Erwartungsfroh sah Fayne, wie Ramscar
einen Dekanter mit Brandy hinter seinem Rücken
hervorholte und ihn wie eine weiße Flagge vor Fayne
hin und her schwenkte. »Dein Glas ist leer, und die
Dienerschaft hat Angst vor dir. Byrchmore, Everod
und ich haben gelost. Ich war der Verlierer«, fügte er
unnötigerweise hinzu.
Fayne schüttelte den Kopf angesichts der einnehmenden
Aufrichtigkeit im Blick seines Freundes. Von
seinen drei liebsten Freunden war Ramscar der Vermittler
der Gruppe. Die Herzogin hatte ihn immer den
»Vernünftigen« genannt. Unter der spitzbübischen
Fassade versteckte sich tiefe Sensibilität und in den
intelligenten haselnussbraunen Augen lag das Verlangen
nach Fairness. Es kam in den seltsamsten Momenten
zum Vorschein.
»Da werde ich dir nicht widersprechen.« Fayne
schmunzelte sarkastisch und hielt ihm sein Glas hin.
Im Stillen war ihm das Auftauchen des Freundes sogar
recht. Denn trotz der lebhaften Musik, die im Ballsaal
gespielt wurde, war die Stimmung im Salon vollkommen
rührselig, weil die Besucher alle entweder schockiert
das Porträt seines Vaters anstarrten oder im Fall
der weiblichen Gäste hemmungslos in ihre Taschentücher
heulten.
Fayne konnte seiner Mutter für ihren Versuch keinen
Vorwurf machen. Mit Hilfe seiner Schwester war
die Herzogin dem Wunsch seines Vaters nachgekommen,
sein Leben zu feiern statt sein Ableben zu betrauern.
Es war passend für einen Mann, von dem viele
glaubten, dass er mehr als den ihm zustehenden Teil
an Dekadenz im Leben genossen hatte.
Ramscar brachte ihn mit dem Klingen des Glases
wieder in die Gegenwart zurück, als er es füllte. Er
murmelte vor sich hin und holte ein leeres Glas aus
seiner Innentasche hervor.
Ramscar goss sich einen großzügigen Schluck Brandy
ein und stellte den Dekanter zwischen ihnen auf
dem Boden ab.
»Wie sieht denn nun dein Plan aus, Solitea?«
Fayne zuckte zusammen. Er hatte sich mit der Tatsache,
dass das Herzogtum nun ihm gehörte noch nicht
richtig beschäftigt. Von diesem Tag an war er nicht
mehr Lord Temmes sondern der Herzog von Solitea.
Mit dem neuen Titel kamen viele Privilegien - und
der Fluch. Seine Hand war nicht ganz still, als er den
Schwenker an die Lippen führte.
Ramscar sah seinen Freund ärgerlich an. »Du bist
der Erbe deines alten Herrn, Carlisle. Sicher hast du
den Tag kommen sehen, an dem du die Nachfolge antrittst.
« Sein Blick wanderte zum Porträt des Herzogs,
wo zwei junge Damen ihm die letzte Ehre erwiesen.
Leider hatte Ramscar keinen respektablen Knochen
im Leib, wenn es um die Frauen ging. Er nippte am
Brandy und starrte einer der beiden hungrig und anerkennend
auf den Hintern.
»Ram, mein Vater ist vor acht Tagen gestorben. Da
musst du verstehen, dass sein plötzlicher Tod etwas beunruhigend
für mich ist«, sagte Fayne lakonisch. Ein
Farbtupfer lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Eingang.
Als er die Ankömmlinge erkannte, unterdrückte
er einen leisen Fluch.
Holt Cadd, Marquis von Byrchmore, und Townsend
Lidsaw, Viscount Everod, kamen mit einem Vertrauen
auf sie zu, wie es nur aus einer Freundschaft
seit Kindertagen beruhen konnte. Ihre Titel und ihr
Stammbaum machten sie zu geeigneten Gefährten für
den Erben eines Herzogs. Über die Jahre hatten sie
zusammen gespielt, gegeneinander gekämpft und gemeinsam
studiert. Die vier waren gut aussehend, reich
und unverheiratet. Und so hatten sie London durchstreift
und die Welt nahezu herausgefordert, ihnen das
Gewünschte zu verwehren. In der Gesellschaft nannte
man sie liebevoll les sauvages nobles, die edlen Wilden.
Diesem Spitznamen hatten sie alle Ehre gemacht und
ihn durch betrunkene Eskapaden, Hurerei und gewagtes
Glückspiel immer wieder bestätigt.
»Da die Möbel noch aufrecht stehen, dachten wir, es
sei sicher herüberzukommen«, sagte Cadd und lehnte
seinen muskulösen Oberkörper gegen die Wand.
Mit vierundzwanzig Jahren war er der Jüngste und
am leichtesten zu provozieren. Er war einst ein hübscher
Junge und deshalb in viele Streitereien verwickelt
gewesen. Einmal hatte man ihm die Nase gebrochen,
was die Schönheit seines Gesichts vollends
ruiniert hatte. Doch es war dadurch nicht weniger
reizvoll geworden. Mit den glänzenden schwarzen Augen
und der unvollkommenen Nase schien Cadd die
Damen der Londoner Gesellschaft zu faszinieren. Obwohl
sein dunkelbraunes Haar lang genug war, um es
zu einem ordentlichen Zopf zu binden, trug der Marquis
die wellige Mähne meistens ungebändigt.
Cadd hatte etwas Waghalsiges an sich, was ihn oft
in Schwierigkeiten brachte. »Was machst du hier drin,
Carlisle?«, fragte er herausfordernd.
»Ich betrinke mich«, erwiderte Fayne und gab
Ramscar ein Zeichen mit seinem leeren Glas. Er hatte
sich die letzte Stunde vom Ballsaal ferngehalten. Die
Idee zu tanzen oder mit den Wohlwollenden und Neugierigen
zu sprechen hatte keinen Reiz für ihn. Seine
Mutter und seine Schwester hatten mehr Geduld für
solchen Nonsens.
»Ich wette, das hast du schon geschafft.«
Natürlich kam der sarkastische Kommentar von einem
weiteren guten Freund, Viscount Everod. Niemand
hätte den jungen Herrn als gut aussehend beschrieben.
»Fesselnd« war ein passenderer Ausdruck.
Er war einige Zentimeter größer als Fayne und hatte
die Ausstrahlung eines mittelalterlichen Lehnsherrn.
Sein glänzendes schwarzes Haar reichte ihm etliche
Zoll über die breiten, muskulösen Schultern hinaus.
Selbst ein oberflächlicher Betrachter würde sich an
die bernsteinfarbenen Augen des Viscounts erinnern.
Sie hatten hellgrüne Ringe und brannten mit einem
inneren Feuer, das entweder kalt oder heiß sein konnte.
Obwohl die Krawatte das meiste davon verdeckte,
besaß er eine böse Narbe, die sich von der linken Seite
des Halses bis zur rechten Kinnunterseite zog. Niemand
erwähnte sie je, nicht einmal seine Freunde. Sie
wussten es besser als jeder andere, dass unter Everods
erbittertem Sarkasmus ein respekteinflößendes Temperament
lag. Schon einige Male hatten seine Freunde
ihm den Rücken gestärkt, als er sich wieder einmal
in eine brenzlige Lage gebracht hatte. Fayne war sich
sicher, dass es ihm genau so gefiel.
Everod beugte sich nach unten und nahm die Karaffe
mit dem Brandy, bevor Ramscar dazu kam. Er
schenkte Fayne nach. Nach einem leisen Zeichen des
Grafen füllte er auch dessen Glas.
»Ein Toast«, verkündete Everod und hielt die Karaffe
in die Höhe. »Auf den Herzog. Mögen wir alle
solches Glück haben.« Er wankte etwas, als er einen
Schluck nahm.
Cadd boxte Everod auf den Arm, der einen Schritt
zurücktreten musste, um das Gleichgewicht zu halten.
»Rindvieh! Kein Respekt, der Mann.«
»Hände weg.« Der Viscount grinste höhnisch. Sein
Stolz war verletzt, weil Cadd ihn überrascht hatte. Die
beiden hatten eine merkwürdige Freundschaft, in der
es immer wieder beim kleinsten Anlass zu Auseinandersetzungen
kam. »Ich wollte nicht respektlos sein,
Der Herzog war ein guter Mann. Es tut mir ja auch
leid, dass er tot ist und so weiter.
Vollständige deutsche Erstausgabe 07/2010
Copyright © 2007 by Barbara Pierce
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der
Verlagsgruppe Random House GmbH
Printed in Germany 2010
Umschlagillustration: © Pino Daeni via Agentur Schlück GmbH
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agenturen:
Books Crossing Borders, Inc. und
Interpill Media GmbH, Hamburg
Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 978-3-453-77254-0
Fayne nippte an seinem Glas, doch schmeckte er den
Brandy kaum. Wenn er an die ruhige, feierliche Prozession
zur Westminster Abbey dachte, die er mit seiner
Familie am Nachmittag durchlebt hatte, um den
Herzog von Solitea beizusetzen, dann geriet sein Innerstes
in Aufruhr. Seine jüngere Schwester, Fayre,
hatte ihr Gesicht an seiner Schulter vergraben und
geschluchzt. Die Herzogin hatte still an seiner Seite
gesessen, und ihre ausdruckslose Miene hatte ihn an
blassen Marmor erinnert. Noch Tage, nachdem sie die
Nachricht vom Tod des Herzogs erreicht hatte, war
ihre tiefe, untröstliche Trauer nicht gemildert. Sie hatte
nur geschlafen, weil der Leibarzt der Familie, mit Faynes
Hilfe, ihr jede Nacht die Schlaf fördernde Mixtur
des Apothekers eingeflößt hatte.
Fayne hatte die stille, bleiche Frau neben sich im
Trauerwagen nicht wiedererkannt. Er sehnte sich
nach einem Schimmer des alten Temperaments seiner
Mutter und nach einem Zeichen, dass sie den Tod ihres
Mannes verwinden konnte. Das war der Hauptgrund,
warum er diesem lächerlichen Ball zugestimmt
hatte.
Eine Dame fiel vor dem Porträt auf die Knie und
weinte in ihr Spitzentaschentuch. Er konnte ihr Gesicht
nicht sehen, doch er fragte sich, ob die Trauernde
vielleicht eine der früheren Mätressen seines Vaters
war. Sein Blick schweifte über das Dutzend Leute
vor dem Gemälde. Die meisten meinten es sicherlich
gut. Wenn jemand es für notwendig erachten sollte,
mit ihm zu sprechen, dann würden seine ablehnende
Haltung und seine furchterregende Miene sie sicher
davon abhalten. Zum Glück, denn die Herzogin würde
es bestimmt nicht begrüßen, wenn er einen ihrer
Gäste schlagen und damit eine Szene heraufbeschwören
würde.
»Du magst deinen Tee also noch immer lieber kalt,
wie ich sehe«, sagte eine männliche Stimme links neben
ihm und unterbrach damit Faynes düstere Gedanken.
Jeder vernünftige Mensch hätte genug Verstand
gehabt, die Privatsphäre eines trauernden Sohnes zu
respektieren. Unglücklicherweise blieb Fayne nichts
anderes übrig, als sich mit den Unvernünftigen zu beschäftigen.
Er rieb sich die rechte Augenbraue und warf seinem
Freund einen gereizten Blick zu. »Ramscar. Ich dachte
gerade, wie verärgert die Herzogin wäre, wenn mich
ein wohlmeinender Mistkerl dazu brächte, ihn zu ohrfeigen
«, sagte Fayne anstelle einer Begrüßung.
Fowler Knowden, Graf von Ramscar, grinste ihn bei
dieser Androhung von Gewalt einfach nur an. Mit fast
einem Meter achtzig war er etwa acht Zentimeter kleiner
als Fayne. Doch sein Selbstvertrauen und die träge
Eleganz warnten jeden Beobachter davor, ihn nicht zu
unterschätzen. Erwartungsfroh sah Fayne, wie Ramscar
einen Dekanter mit Brandy hinter seinem Rücken
hervorholte und ihn wie eine weiße Flagge vor Fayne
hin und her schwenkte. »Dein Glas ist leer, und die
Dienerschaft hat Angst vor dir. Byrchmore, Everod
und ich haben gelost. Ich war der Verlierer«, fügte er
unnötigerweise hinzu.
Fayne schüttelte den Kopf angesichts der einnehmenden
Aufrichtigkeit im Blick seines Freundes. Von
seinen drei liebsten Freunden war Ramscar der Vermittler
der Gruppe. Die Herzogin hatte ihn immer den
»Vernünftigen« genannt. Unter der spitzbübischen
Fassade versteckte sich tiefe Sensibilität und in den
intelligenten haselnussbraunen Augen lag das Verlangen
nach Fairness. Es kam in den seltsamsten Momenten
zum Vorschein.
»Da werde ich dir nicht widersprechen.« Fayne
schmunzelte sarkastisch und hielt ihm sein Glas hin.
Im Stillen war ihm das Auftauchen des Freundes sogar
recht. Denn trotz der lebhaften Musik, die im Ballsaal
gespielt wurde, war die Stimmung im Salon vollkommen
rührselig, weil die Besucher alle entweder schockiert
das Porträt seines Vaters anstarrten oder im Fall
der weiblichen Gäste hemmungslos in ihre Taschentücher
heulten.
Fayne konnte seiner Mutter für ihren Versuch keinen
Vorwurf machen. Mit Hilfe seiner Schwester war
die Herzogin dem Wunsch seines Vaters nachgekommen,
sein Leben zu feiern statt sein Ableben zu betrauern.
Es war passend für einen Mann, von dem viele
glaubten, dass er mehr als den ihm zustehenden Teil
an Dekadenz im Leben genossen hatte.
Ramscar brachte ihn mit dem Klingen des Glases
wieder in die Gegenwart zurück, als er es füllte. Er
murmelte vor sich hin und holte ein leeres Glas aus
seiner Innentasche hervor.
Ramscar goss sich einen großzügigen Schluck Brandy
ein und stellte den Dekanter zwischen ihnen auf
dem Boden ab.
»Wie sieht denn nun dein Plan aus, Solitea?«
Fayne zuckte zusammen. Er hatte sich mit der Tatsache,
dass das Herzogtum nun ihm gehörte noch nicht
richtig beschäftigt. Von diesem Tag an war er nicht
mehr Lord Temmes sondern der Herzog von Solitea.
Mit dem neuen Titel kamen viele Privilegien - und
der Fluch. Seine Hand war nicht ganz still, als er den
Schwenker an die Lippen führte.
Ramscar sah seinen Freund ärgerlich an. »Du bist
der Erbe deines alten Herrn, Carlisle. Sicher hast du
den Tag kommen sehen, an dem du die Nachfolge antrittst.
« Sein Blick wanderte zum Porträt des Herzogs,
wo zwei junge Damen ihm die letzte Ehre erwiesen.
Leider hatte Ramscar keinen respektablen Knochen
im Leib, wenn es um die Frauen ging. Er nippte am
Brandy und starrte einer der beiden hungrig und anerkennend
auf den Hintern.
»Ram, mein Vater ist vor acht Tagen gestorben. Da
musst du verstehen, dass sein plötzlicher Tod etwas beunruhigend
für mich ist«, sagte Fayne lakonisch. Ein
Farbtupfer lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Eingang.
Als er die Ankömmlinge erkannte, unterdrückte
er einen leisen Fluch.
Holt Cadd, Marquis von Byrchmore, und Townsend
Lidsaw, Viscount Everod, kamen mit einem Vertrauen
auf sie zu, wie es nur aus einer Freundschaft
seit Kindertagen beruhen konnte. Ihre Titel und ihr
Stammbaum machten sie zu geeigneten Gefährten für
den Erben eines Herzogs. Über die Jahre hatten sie
zusammen gespielt, gegeneinander gekämpft und gemeinsam
studiert. Die vier waren gut aussehend, reich
und unverheiratet. Und so hatten sie London durchstreift
und die Welt nahezu herausgefordert, ihnen das
Gewünschte zu verwehren. In der Gesellschaft nannte
man sie liebevoll les sauvages nobles, die edlen Wilden.
Diesem Spitznamen hatten sie alle Ehre gemacht und
ihn durch betrunkene Eskapaden, Hurerei und gewagtes
Glückspiel immer wieder bestätigt.
»Da die Möbel noch aufrecht stehen, dachten wir, es
sei sicher herüberzukommen«, sagte Cadd und lehnte
seinen muskulösen Oberkörper gegen die Wand.
Mit vierundzwanzig Jahren war er der Jüngste und
am leichtesten zu provozieren. Er war einst ein hübscher
Junge und deshalb in viele Streitereien verwickelt
gewesen. Einmal hatte man ihm die Nase gebrochen,
was die Schönheit seines Gesichts vollends
ruiniert hatte. Doch es war dadurch nicht weniger
reizvoll geworden. Mit den glänzenden schwarzen Augen
und der unvollkommenen Nase schien Cadd die
Damen der Londoner Gesellschaft zu faszinieren. Obwohl
sein dunkelbraunes Haar lang genug war, um es
zu einem ordentlichen Zopf zu binden, trug der Marquis
die wellige Mähne meistens ungebändigt.
Cadd hatte etwas Waghalsiges an sich, was ihn oft
in Schwierigkeiten brachte. »Was machst du hier drin,
Carlisle?«, fragte er herausfordernd.
»Ich betrinke mich«, erwiderte Fayne und gab
Ramscar ein Zeichen mit seinem leeren Glas. Er hatte
sich die letzte Stunde vom Ballsaal ferngehalten. Die
Idee zu tanzen oder mit den Wohlwollenden und Neugierigen
zu sprechen hatte keinen Reiz für ihn. Seine
Mutter und seine Schwester hatten mehr Geduld für
solchen Nonsens.
»Ich wette, das hast du schon geschafft.«
Natürlich kam der sarkastische Kommentar von einem
weiteren guten Freund, Viscount Everod. Niemand
hätte den jungen Herrn als gut aussehend beschrieben.
»Fesselnd« war ein passenderer Ausdruck.
Er war einige Zentimeter größer als Fayne und hatte
die Ausstrahlung eines mittelalterlichen Lehnsherrn.
Sein glänzendes schwarzes Haar reichte ihm etliche
Zoll über die breiten, muskulösen Schultern hinaus.
Selbst ein oberflächlicher Betrachter würde sich an
die bernsteinfarbenen Augen des Viscounts erinnern.
Sie hatten hellgrüne Ringe und brannten mit einem
inneren Feuer, das entweder kalt oder heiß sein konnte.
Obwohl die Krawatte das meiste davon verdeckte,
besaß er eine böse Narbe, die sich von der linken Seite
des Halses bis zur rechten Kinnunterseite zog. Niemand
erwähnte sie je, nicht einmal seine Freunde. Sie
wussten es besser als jeder andere, dass unter Everods
erbittertem Sarkasmus ein respekteinflößendes Temperament
lag. Schon einige Male hatten seine Freunde
ihm den Rücken gestärkt, als er sich wieder einmal
in eine brenzlige Lage gebracht hatte. Fayne war sich
sicher, dass es ihm genau so gefiel.
Everod beugte sich nach unten und nahm die Karaffe
mit dem Brandy, bevor Ramscar dazu kam. Er
schenkte Fayne nach. Nach einem leisen Zeichen des
Grafen füllte er auch dessen Glas.
»Ein Toast«, verkündete Everod und hielt die Karaffe
in die Höhe. »Auf den Herzog. Mögen wir alle
solches Glück haben.« Er wankte etwas, als er einen
Schluck nahm.
Cadd boxte Everod auf den Arm, der einen Schritt
zurücktreten musste, um das Gleichgewicht zu halten.
»Rindvieh! Kein Respekt, der Mann.«
»Hände weg.« Der Viscount grinste höhnisch. Sein
Stolz war verletzt, weil Cadd ihn überrascht hatte. Die
beiden hatten eine merkwürdige Freundschaft, in der
es immer wieder beim kleinsten Anlass zu Auseinandersetzungen
kam. »Ich wollte nicht respektlos sein,
Der Herzog war ein guter Mann. Es tut mir ja auch
leid, dass er tot ist und so weiter.
Vollständige deutsche Erstausgabe 07/2010
Copyright © 2007 by Barbara Pierce
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der
Verlagsgruppe Random House GmbH
Printed in Germany 2010
Umschlagillustration: © Pino Daeni via Agentur Schlück GmbH
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agenturen:
Books Crossing Borders, Inc. und
Interpill Media GmbH, Hamburg
Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 978-3-453-77254-0
... weniger
Autoren-Porträt von Barbara Pierce
Seit ihrer Kindheit spuken Barbara Pierce romantische Geschichten durch den Kopf. Als sie sich dann endlich hinsetzte und sie niederzuschreiben begann, wurde dies ein durchschlagender Erfolge. Die Presse lobte ihre historischen Liebesromane in den höchsten Tönen, ihre Leserinnen können gar nicht genug davon bekommen. Mit ihrem Mann und drei Kindern lebt Barbara Pierce in der Nähe von Atlanta.
Bibliographische Angaben
- Autor: Barbara Pierce
- 2010, 399 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Voland, Christine
- Übersetzer: Christine Voland
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453772547
- ISBN-13: 9783453772540
Rezension zu „Erwachendes Verlangen “
"Ein wunderbares Buch, sehr empfehlenswert, um einen verregneten Nachmittag wie im Flug vergehen zu lassen!"
Kommentar zu "Erwachendes Verlangen"
0 Gebrauchte Artikel zu „Erwachendes Verlangen“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Erwachendes Verlangen".
Kommentar verfassen