Fliegender Stern
Die Geschichte von Fliegender Stern und seinem mutigen Ritt zu den weißen Männern - eines der schönsten Kinderbücher, die Ursula Wölfel geschrieben hat.
Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, reite ich zum weißen Mann und sage ihm, dass die Büffel...
Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, reite ich zum weißen Mann und sage ihm, dass die Büffel...
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Produktinformationen zu „Fliegender Stern “
Die Geschichte von Fliegender Stern und seinem mutigen Ritt zu den weißen Männern - eines der schönsten Kinderbücher, die Ursula Wölfel geschrieben hat.
Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, reite ich zum weißen Mann und sage ihm, dass die Büffel den Indianern gehören. Denn ohne sie müssen wir hungern und haben kein Leder für unsere Kleider und Schuhe und Zelte. Und dann werde ich mit dem weißen Mann kämpfen und ihn besiegen. Als die Büffeljagd seines Stammes zu lange erfolglos bleibt, brechen Fliegender Stern und sein Freund Grasvogel schon früher auf. Heimlich machen sich die beiden Kinder auf den beschwerlichen Weg zu den gefürchteten weißen Männern und erleben eine große Überraschung. Denn im Gebiet der Weißen angekommen, erfahren sie, warum die weißen Männer in das Land der Indianer gekommen sind, die Eisenbahn gebaut und die großen Büffelherden vertrieben haben. Und sie erleben, dass der weiße Mann eigentlich nicht viel weiß vom Leben der Indianer und eher aus Unwissenheit, denn aus Bösartigkeit handelt. Als Fliegender Stern und Grasvogel sich wieder auf den Heimweg machen, können sie ihrem Häuptling diese wunderba re Botschaft bringen - und ein besonderes Geschenk der weißen Männer: eine Karte, die den Indianern den Weg zu den Büffelherden weist und damit ihr Überleben sichern wird.
Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, reite ich zum weißen Mann und sage ihm, dass die Büffel den Indianern gehören. Denn ohne sie müssen wir hungern und haben kein Leder für unsere Kleider und Schuhe und Zelte. Und dann werde ich mit dem weißen Mann kämpfen und ihn besiegen. Als die Büffeljagd seines Stammes zu lange erfolglos bleibt, brechen Fliegender Stern und sein Freund Grasvogel schon früher auf. Heimlich machen sich die beiden Kinder auf den beschwerlichen Weg zu den gefürchteten weißen Männern und erleben eine große Überraschung. Denn im Gebiet der Weißen angekommen, erfahren sie, warum die weißen Männer in das Land der Indianer gekommen sind, die Eisenbahn gebaut und die großen Büffelherden vertrieben haben. Und sie erleben, dass der weiße Mann eigentlich nicht viel weiß vom Leben der Indianer und eher aus Unwissenheit, denn aus Bösartigkeit handelt. Als Fliegender Stern und Grasvogel sich wieder auf den Heimweg machen, können sie ihrem Häuptling diese wunderba re Botschaft bringen - und ein besonderes Geschenk der weißen Männer: eine Karte, die den Indianern den Weg zu den Büffelherden weist und damit ihr Überleben sichern wird.
Klappentext zu „Fliegender Stern “
Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, reite ich zum weißen Mann und sage ihm, dass die Büffel den Indianern gehören. Denn ohne sie müssen wir hungern und haben kein Leder für unsere Kleider und Schuhe und Zelte. Und dann werde ich mit dem weißen Mann kämpfen und ihn besiegen. Als die Büffeljagd seines Stammes zu lange erfolglos bleibt, brechen Fliegender Stern und sein Freund Grasvogel schon früher auf. Heimlich machen sich die beiden Kinder auf den beschwerlichen Weg zu den gefürchteten weißen Männern und erleben eine große Überraschung. Denn im Gebiet der Weißen angekommen, erfahren sie, warum die weißen Männer in das Land der Indianer gekommen sind, die Eisenbahn gebaut und die großen Büffelherden vertrieben haben. Und sie erleben, dass der weiße Mann eigentlich nicht viel weiß vom Leben der Indianer und eher aus Unwissenheit, denn aus Bösartigkeit handelt. Als Fliegender Stern und Grasvogel sich wieder auf den Heimweg machen, können sie ihrem Häuptling diese wunderba reBotschaft bringen - und ein besonderes Geschenk der weißen Männer: eine Karte, die den Indianern den Weg zu den Büffelherden weist und damit ihr Überleben sichern wird.
Lese-Probe zu „Fliegender Stern “
Wo sind die Büffel?Fliegender Stern saß vor dem Zelt seines Vaters und dachte: Es ist schlimm, wenn man noch ein kleiner Junge ist. Warum dauert es nur so lange, bis man groß wird? Die großen Jungen wollten Steinewerfen und Bogenschießen üben. Auch der große Bruder Grau-Hengst war dabei.
Fliegender Stern war mit ihnen gelaufen bis zu dem Hügel, hinter dem sie ihren Spielplatz hatten. Aber sie hatten ihn fortgeschickt und gesagt:
"Du bist noch zu klein, du musst bei den Mädchen und den kleinen Kindern bleiben."
Die Kleinen hockten hinter Bergadlers Zelt und warfen mit Steinen nach einem alten Topf. Fliegender Stern konnte sehr gut den Topf treffen. Aber er wollte überhaupt nicht mehr mit den kleinen Kindern spielen. Er wollte lieber hier sitzen und sich langweilen.
Ringsum standen die weißen Lederzelte in einem großen Kreis. Die Frauen und alten Leute saßen zusammen und redeten miteinander. Alle warteten auf die Männer, die auf die Jagd geritten waren.
Ob sie wohl eine Büffelherde gefunden hatten? Dann würde es endlich bald wieder frisches Fleisch geben!
Jetzt kam die Mutter. Sie trug das kleine Schwesterchen in einem ledernen Sack auf dem Rücken. Es schlief, und die Mutter ging langsam und vorsichtig, um es nicht zu wecken. Die Mutter hieß Sonne-über-dem-Weg, und Fliegender Stern fand, dass sie die Schönste von allen Frauen und Müttern im Lager sei.
"Warum spielst du nicht mit den anderen Kindern?", fragte die Mutter.
Fliegender Stern stand auf. Wenn die Mutter mit ihm sprach, durfte er nicht sitzen bleiben.
"Sie wollten mich nicht mitnehmen", sagte er. "Aber ich bin doch gar nicht mehr so klein!"
Die Mutter wusste gleich, dass er versucht hatte, mit den Großen zu gehen. Sie sagte:
"Es sind jetzt sechs Winter vergangen, Fliegender Stern, und fünf Sommer, seit du auf die Welt kamst. Du bist noch ein kleiner Junge. Geh zu den anderen Kleinen."
Fliegender Stern ging also zu den kleinen Kindern. Er spielte aber nicht mit, er sah
... mehr
nur zu, wie sie Topftreffen spielten.
Das kleine Mädchen, das Rote Blume hieß, fragte ihn:
"Warum spielst du nicht mit, Fliegender Stern?"
"Ich will nicht", antwortete er. "Dies ist ein Spiel für kleine Kinder. Ich bin schon zu groß dafür."
"Aber du darfst doch auch noch nicht allein reiten!", rief der Junge, der Helles Wasser hieß. Und der Junge, der Ruft-den-Regen hieß, fragte:
"Gehst du denn morgens mit den Großen an den Fluss? Kannst du schon schwimmen?"
Fliegender Stern wusste nicht, was er antworten sollte, denn er durfte noch nicht allein reiten, und noch nie hatten die Großen ihn morgens mit an den Fluss genommen. Nun fragte Grasvogel:
"Du bist doch mein Freund, Fliegender Stern? Warum willst du nicht mehr mit mir spielen?"
Wieder wusste Fliegender Stern nicht, was er antworten sollte, denn Grasvogel war wirklich sein bester Freund.
Fliegender Stern schaute in das Grasland hinaus. Bis zum Himmelsrand war da nichts als eine weite, wellige Wiese. Nur hier und dort standen ein paar Büsche und ganz in der Ferne ein großer, uralter Baum. Plötzlich sah Fliegender Stern, dass sich hinter dem Baum etwas bewegte. Er machte die Augen schmal. Ja, da kamen die Männer von der Jagd zurück.
"Sie kommen!", schrie Fliegender Stern. Nun war er nicht mehr schlecht gelaunt. Er hatte die Reiter zuerst gesehen, eher als die alten weisen Männer und Frauen mit ihren scharfen Augen, eher als die Mütter und eher als die anderen Kinder.
Er klatschte in die Hände und rief noch einmal:
"Sie kommen!"
Gleich liefen alle zusammen, und Fliegender Stern zeigte ihnen, was er gesehen hatte. Bald konnte man die Reiter deutlich erkennen. Alle liefen ihnen entgegen. Auch die großen Jungen kamen. Alle wollten wissen, ob es heute Abend etwas Gutes zu essen gäbe.
Aber die Männer ritten stumm und mit gesenkten Köpfen ins Lager.
"Wir haben keinen Pfeil und keine Kugel verschossen", sagten sie.
Fliegender Stern lief neben dem Pferd seines Vaters her. Der Vater hieß Guter Jäger. Doch heute brachte er nichts von der Jagd nach Hause.
"Wir sind weit geritten", sagte er zu seiner Frau Sonne-über-dem-Weg, "fast so weit wie von einem Nachtlager zum anderen. Aber der weiße Mann hat uns die Büffel vertrieben."
Schon oft hatte Fliegender Stern etwas vom weißen Mann gehört. Immer wenn die Erwachsenen von ihm sprachen, waren ihre Gesichter und Stimmen traurig. Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, will ich zum weißen Mann reiten und ihm sagen, dass die Büffel den Indianern gehören, weil wir sonst hungern müssen und kein Leder haben für unsere Kleider und Schuhe und Zelte. Und ich werde mit dem weißen Mann kämpfen und ihn besiegen.
Die Mutter holte einen Topf mit wilden Rüben. Die hatte sie am Morgen gesucht. Sie tat aus einem Lederbeutel eine Hand voll getrocknetes Büffelfleisch dazu. Nun war der Beutel leer.
Als Fliegender Stern schlafen sollte, hatte er noch großen Hunger. Niemand war satt geworden im Lager. Fliegender Stern dachte wieder an den weißen Mann. Draußen saßen noch die Erwachsenen am Feuer und sprachen leise miteinander und sangen ein trauriges Lied. Die Hunde knurrten und jaulten. Sie hatten Hunger wie die Menschen. Nur die Pferde grasten zufrieden. Unruhe und Trauer lagen über den weißen Zelten, als der Mond vom Himmelsrand aufstieg, der große, rote Sommermond.
Das braune Pferd
Früh am anderen Morgen, als noch alle Sterne am Himmel standen, lief der Ausrufer durch das Lager und rief: "Steht auf! Steht auf!"
Sie wollten weiterziehen zu einem See, in dem es viele Fische gab. Das hatten die Männer am Abend mit dem Häuptling besprochen. Die Mutter, der große Bruder Grau-Hengst und Fliegender Stern rollten das Zelt zusammen und der Vater packte es auf ein Pferd. Im ganzen Lager war ein lautes Rufen und Hin- und Herrennen, Hundegebell und Pferdegestampf. Die Kinder liefen dazwischen umher und freuten sich, weil es überall etwas zu sehen gab: wie der Zaubermann sein Zauberzelt, seine Trommeln und Kräuterbündel einpackte, wie der Feuermann das Feuer in einen hohlen Baumstamm tat und mit Moos zudeckte, wie die Väter und Mütter alle ihre Geräte und Waffen, ihre Töpfe und Säcke und Decken auf die Pferde banden.
Aber Fliegender Stern war wieder nicht bei den Kindern. Er wollte zeigen, dass er nicht mehr klein war, er half den Eltern. Sie banden das Traggestell an das Pferd der Mutter. Das war wie ein Schlitten. Die Mut-ter packte ihre Küchengeräte darauf und ließ in der Mitte einen Platz frei. Dort sollte Fliegender Stern sitzen. Aber er hatte sich etwas anderes vorgenommen. Heute wollte er reiten wie die großen Jungen. Die hatten schon ihre Pferde losgemacht und ritten mit Geschrei und Gejuchze um den Lagerplatz.
Fliegender Stern sagte zu seinem Vater:
"Mein Vater Guter Jäger, bitte gib mir ein Pferd. Ich möchte jetzt zu den Großen gehören."
"Dann will ich dir ein gutes Pferd geben, Fliegender Stern", sagte der Vater. Und er hob ihn auf das braune Pferd, das er im vergangenen Herbst eingefangen und zugeritten hatte.
Fliegender Stern war so froh, dass er nichts sagen konnte. Er nahm den Zügel und sah sich um. Helles Wasser, Rote Blume und Grasvogel standen in der Nähe. Fliegender Stern wünschte, dass bald die Sonne aufgehen möchte, damit alle im Lager ihn auf dem schönen braunen Pferd sehen könnten.
"Nun zeige, dass du reiten kannst!", sagte der Vater. Er gab dem Pferd einen Klaps. Es machte einen Sprung - und schon lag Fliegender Stern wieder im Gras. Er hatte nur an die Kinder und die Leute gedacht und nicht aufgepasst.
Der Vater sagte nichts. Er wartete, bis Fliegender Stern aufgestanden war. Dann hob er ihn wieder aufs Pferd. Wie groß das war und wie breit und glatt sein Rücken! Plötzlich hatte Fliegender Stern Angst. Jetzt wäre er am liebsten wieder hinuntergerutscht und hätte sich auf seinen alten Platz zwischen Mutters Tragstangen gesetzt. Aber die anderen Kinder sahen ihn. Auch Grau-Hengst war mit den anderen Großen gekommen. Wieder gab der Vater dem Pferd einen Klaps und die großen Jungen riefen: "Ho! Ho-Ho!" Das Pferd rannte los. Vor Schreck fasste Fliegender Stern so schnell nach der Mähne, dass er den Zügel verlor. Das Pferd fühlte sich frei und galoppierte ins dunkle Grasland hinaus. Fliegender Stern wickelte sich die Mähnenhaare um die Finger. Sie schnitten hart und tief ein, aber er wollte nicht loslassen. Diesmal würde er oben bleiben! Wenn nur das Pferd nicht immer weiter fortgelaufen wäre, immer weiter und weiter in die schwarze, endlose Ebene hinaus! Jetzt rasten sie an dem hohen Baum vorbei. Fliegender Stern dachte: Nun kann mich niemand mehr sehen und hören. Und er schrie, so laut er konnte:
"Zurück, Pferd! Zurück!" Aber das Pferd erschrak nur und rannte noch schneller, gerade auf den Himmelsrand zu, auf den grün-gelb schimmernden Streifen Licht, dort, wo der Himmel die Erde berührte und wo bald die Sonne aufgehen würde. Was mochte dort sein? Ein großes Wasser? Ein gewaltiges Feuer? Oder war dort vielleicht das Land des Großen Geistes, zu dem die toten Menschen gingen?
Fort und fort trug ihn das braune Pferd und Fliegender Stern war ganz allein. Er hatte große Angst.
Vorsichtig schob er sich über die Mähne am Pferdehals hinauf. Er wollte die Zügel packen. Der Braune schüttelte sich und warf den Kopf zurück. Fliegender Stern machte schnell die linke Hand los und fasste nach dem Zügel. Das Pferd fühlte den scharfen Ruck in seinem weichen Maul und warf sich nach links herum. Fliegender Stern flog in hohem Bogen auf die harte, trockene Sommererde, und das Pferd lief ohne Reiter davon.
Da lag er nun. Sein Kopf und seine Knie und Hände taten ihm sehr weh. Er legte sein Gesicht ins Gras und weinte.
Aber bald kam das Pferd zurück. Es stellte sich neben ihn und stupste ihn mit der weichen Nase an der Schulter. Es war ein gutes Pferd, es lief nicht einfach von seinem Reiter fort. Fliegender Stern streichelte den schönen Kopf mit den großen blanken Augen.
"Liebes Braunes", sagte er, "ich kann doch nicht allein aufsteigen." Und gleich musste er wieder weinen. Die Tränen liefen ihm in den Mund, sie liefen an seinem Hals entlang. Er hatte schon lange nicht mehr geweint. Aber hier sah es ja niemand.
Plötzlich hob das Pferd den Kopf. Es scharrte mit den Hufen und wieherte leise. Fliegender Stern sprang auf und schaute sich um. Kam ein wildes Tier, ein Bär oder ein Wolf? Nein, ein Reiter, der Vater! Fliegender Stern rannte ihm entgegen, schwenkte die Arme und rief:
"Mein Vater! Mein Vater Guter Jäger!"
Guter Jäger hielt sein Pferd an und sagte: "Du bist weit geritten, Fliegender Stern. Nun steige schnell wieder auf. Alle warten auf uns."
Fliegender Stern ging zu dem Braunen und nahm die Zügel. "Du musst in die Mähne fassen und dich hochziehen", sagte der Vater. Fliegender Stern griff in die Mähne. Seine Hände waren blutig und taten sehr weh. Er zog sich hoch - aber seine Arme waren zu schwach, er kam nicht hoch genug, er konnte sein Bein nicht über den Pferderücken schwingen. Immer wieder glitt er ab. Er sah den Vater an.
"Noch einmal", sagte der nur.
"Ich kann nicht", flüsterte Fliegender Stern. "Bitte, hilf mir!"
"Wer nicht allein aufsteigen kann, der soll auch nicht allein reiten", sagte der Vater.
Fliegender Stern ging zehn Schritte zurück, spuckte in die Hände, lief, sprang - und saß oben! Er sah zum Vater hinüber. Er lachte.
"Nun kannst du allein aufsteigen und allein reiten", sagte der Vater. "Ich will dir das braune Pferd schenken. Du darfst ihm einen Namen geben." Fliegender Stern verneigte sich vor seinem Vater, wie er es gelernt hatte.
Sie ritten nebeneinander zum Lager zurück.
Fliegender Stern fragte: "Was ist, wenn man durch das ganze Grasland bis an den Himmelsrand reitet?"
"Wenn man bis an den Himmelsrand reitet", antwortete Guter Jäger, "dann wird wieder ein Grasland sein und ein neuer Himmelsrand. Und wenn man durch das andere Grasland reitet bis an den anderen Himmelsrand, dann wird wieder ein neues Grasland und ein neuer Himmelsrand da sein. Und wenn man immer weiter und weiter reitet, kommt man dorthin, wo der weiße Mann wohnt."
Dann schwieg der Vater, und Fliegender Stern sah an seinem Gesicht, dass der Vater nicht mehr sagen wollte. So war es immer, wenn vom weißen Mann gesprochen wurde.
Erst als sie das Lager schon sahen, sagte Fliegender Stern:
"Ich will mein braunes Pferd Himmelsrand nennen."
"So soll es heißen", sagte der Vater. "Das ist ein guter Name für ein Pferd."
Die anderen saßen schon auf den Pferden. Die Feuer waren gelöscht.
"Fliegender Stern kann nun allein reiten", sagte der Vater. Alle nickten und die Mutter lächelte. Fliegender Stern lenkte sein Pferd zu ihr hin.
"Nun bist du schon beinah ein großer Junge!", sagte sie.
Den ganzen Tag blieb Fliegender Stern in der Nähe der Mutter. Wenn sie rasteten, half er ihr, das kleine Schwesterchen zu versorgen, und als sie am Abend zum Lagerplatz am See kamen, brachte er ihr Wasser und suchte Holz für das Feuer. Dann schickte die Mutter ihn fort zu den anderen Kindern. Sie wollten noch Beeren und Wurzeln suchen. Die Männer und Burschen gingen mit Netzen und Angeln an den See. Aber sie fingen nicht viel. Alle mussten an diesem Abend wieder hungrig einschlafen. Aber darüber redeten sie nicht.
Die Mutter war traurig, weil sie wusste, dass ihre Söhne nicht satt waren. Deshalb sagte sie zu Grau-Hengst:
"Ich will dir morgen eine schöne neue Angelschnur schenken." Und zu Fliegender Stern sagte sie: "Dir will ich eine kleine Angelrute schneiden."
"Und eine Schnur bekomme ich auch?", fragte Fliegender Stern.
"Ja, auch eine lange Schnur machen wir daran", sagte die Mutter.
Da war er vergnügt und schlief bald ein.
Am schwarzen Wasser
Als Fliegender Stern am anderen Morgen aufwachte, war es noch dunkel. Er dachte an sein braunes Pferd Himmelsrand und an die Angel, die er bekommen sollte, und er freute sich auf den Tag. Da packte ihn jemand an der Schulter. "Steh auf, Fliegender Stern!", flüsterte der große Bruder Grau-Hengst und zog ihm die Decken weg.
"Was ist?", fragte Fliegender Stern und hielt die Decken fest.
"Still! Unsere Mutter schläft noch! Die Männer sind fort zur Jagd. Komm nach draußen!", flüsterte Grau-Hengst.
Fliegender Stern fror in der kalten Morgenluft.
"Du sollst mit zum See!", sagte Grau-Hengst.
Fliegender Stern erschrak. Jetzt, im Dunkeln und ohne den Vater, sollte er allein im eiskalten See schwimmen?
"Ich bin noch zu müde", sagte er.
"Willst du nicht?", fragte Grau-Hengst und lachte. "Du hast doch ein eigenes Pferd und sollst eine Angel bekommen. Ich dachte, mein Bruder Fliegender Stern sei jetzt ein Großer? Aber da steht er und klappert mit den Zähnen!"
Jemand lachte im Dunkeln. Fliegender Stern merkte, dass Schneller Hirsch, Großer Felsen und andere von den Großen in der Nähe standen. Überall krochen sie jetzt aus den Zelten, reckten sich und gähnten.
"Soll ich mich für meinen Bruder schämen?", fragte Grau-Hengst.
"Los!", riefen die anderen und alle rannten zum See hinunter. Schneller Hirsch war immer der Erste. Sie liefen durch ein kleines Wäldchen. Fliegender Stern rannte, so schnell er konnte. Er wollte nicht der Letzte sein. Grau-Hengst lief dicht hinter Schneller Hirsch. Fliegender Stern sah ihn nicht mehr. Dann lag das schwarze, blinkende Wasser vor ihnen. Die Ersten sprangen gleich im Laufen über das Ufer hinaus. Sie schrien und prusteten und balgten sich. Jetzt sprangen die Letzten ins Wasser.
Nur Fliegender Stern stand noch am Ufer. Er hielt sich an einem Baumstamm fest und starrte in das schwarze Wasser hinunter. Er konnte nicht springen.
Grau-Hengst schwamm heran. Er rief:
"Komm, Fliegender Stern!"
Fliegender Stern schüttelte den Kopf.
Die anderen schrien: "Fliegender Stern! Du bist gut gelaufen! Nun zeige, dass du wirklich ein Großer bist! Spring, spring!"
Wieder schüttelte Fliegender Stern den Kopf. Am liebsten wäre er fortgelaufen.
"Ich befehle es dir!", rief Grau-Hengst.
Fliegender Stern versteckte sein Gesicht hinter dem Stamm.
Grau-Hengst stieg aus dem Wasser. Jetzt war es schon dämmerig und Fliegender Stern sah, dass Grau-Hengst zornig war.
"Wirf mich hinein", flüsterte er.
"Das gilt nicht", sagte Grau-Hengst. "Aber komm, gib mir die Hand, wir springen zusammen."
Fliegender Stern ließ den Stamm los. Er machte die Augen zu und sprang mit Grau-Hengst über den Uferrand.Eisig war das Wasser. Fliegender Stern war steif vor Schreck und Angst und sank wie ein Stein bis auf den schlammigen Grund. Es brauste und donnerte in seinen Ohren. Grau-Hengst hatte ihn losgelassen. Er strampelte und schlug um sich - und dann sah er durch den Wasserschleier vor seinen Augen den Morgenhimmel und die Bäume. Er spuckte und sackte schon wieder ab. Doch jetzt packten ihn Grau-Hengst und sein Freund Großer Felsen. Sie zogen ihn ans Ufer.
Das kleine Mädchen, das Rote Blume hieß, fragte ihn:
"Warum spielst du nicht mit, Fliegender Stern?"
"Ich will nicht", antwortete er. "Dies ist ein Spiel für kleine Kinder. Ich bin schon zu groß dafür."
"Aber du darfst doch auch noch nicht allein reiten!", rief der Junge, der Helles Wasser hieß. Und der Junge, der Ruft-den-Regen hieß, fragte:
"Gehst du denn morgens mit den Großen an den Fluss? Kannst du schon schwimmen?"
Fliegender Stern wusste nicht, was er antworten sollte, denn er durfte noch nicht allein reiten, und noch nie hatten die Großen ihn morgens mit an den Fluss genommen. Nun fragte Grasvogel:
"Du bist doch mein Freund, Fliegender Stern? Warum willst du nicht mehr mit mir spielen?"
Wieder wusste Fliegender Stern nicht, was er antworten sollte, denn Grasvogel war wirklich sein bester Freund.
Fliegender Stern schaute in das Grasland hinaus. Bis zum Himmelsrand war da nichts als eine weite, wellige Wiese. Nur hier und dort standen ein paar Büsche und ganz in der Ferne ein großer, uralter Baum. Plötzlich sah Fliegender Stern, dass sich hinter dem Baum etwas bewegte. Er machte die Augen schmal. Ja, da kamen die Männer von der Jagd zurück.
"Sie kommen!", schrie Fliegender Stern. Nun war er nicht mehr schlecht gelaunt. Er hatte die Reiter zuerst gesehen, eher als die alten weisen Männer und Frauen mit ihren scharfen Augen, eher als die Mütter und eher als die anderen Kinder.
Er klatschte in die Hände und rief noch einmal:
"Sie kommen!"
Gleich liefen alle zusammen, und Fliegender Stern zeigte ihnen, was er gesehen hatte. Bald konnte man die Reiter deutlich erkennen. Alle liefen ihnen entgegen. Auch die großen Jungen kamen. Alle wollten wissen, ob es heute Abend etwas Gutes zu essen gäbe.
Aber die Männer ritten stumm und mit gesenkten Köpfen ins Lager.
"Wir haben keinen Pfeil und keine Kugel verschossen", sagten sie.
Fliegender Stern lief neben dem Pferd seines Vaters her. Der Vater hieß Guter Jäger. Doch heute brachte er nichts von der Jagd nach Hause.
"Wir sind weit geritten", sagte er zu seiner Frau Sonne-über-dem-Weg, "fast so weit wie von einem Nachtlager zum anderen. Aber der weiße Mann hat uns die Büffel vertrieben."
Schon oft hatte Fliegender Stern etwas vom weißen Mann gehört. Immer wenn die Erwachsenen von ihm sprachen, waren ihre Gesichter und Stimmen traurig. Fliegender Stern dachte: Wenn ich groß bin, will ich zum weißen Mann reiten und ihm sagen, dass die Büffel den Indianern gehören, weil wir sonst hungern müssen und kein Leder haben für unsere Kleider und Schuhe und Zelte. Und ich werde mit dem weißen Mann kämpfen und ihn besiegen.
Die Mutter holte einen Topf mit wilden Rüben. Die hatte sie am Morgen gesucht. Sie tat aus einem Lederbeutel eine Hand voll getrocknetes Büffelfleisch dazu. Nun war der Beutel leer.
Als Fliegender Stern schlafen sollte, hatte er noch großen Hunger. Niemand war satt geworden im Lager. Fliegender Stern dachte wieder an den weißen Mann. Draußen saßen noch die Erwachsenen am Feuer und sprachen leise miteinander und sangen ein trauriges Lied. Die Hunde knurrten und jaulten. Sie hatten Hunger wie die Menschen. Nur die Pferde grasten zufrieden. Unruhe und Trauer lagen über den weißen Zelten, als der Mond vom Himmelsrand aufstieg, der große, rote Sommermond.
Das braune Pferd
Früh am anderen Morgen, als noch alle Sterne am Himmel standen, lief der Ausrufer durch das Lager und rief: "Steht auf! Steht auf!"
Sie wollten weiterziehen zu einem See, in dem es viele Fische gab. Das hatten die Männer am Abend mit dem Häuptling besprochen. Die Mutter, der große Bruder Grau-Hengst und Fliegender Stern rollten das Zelt zusammen und der Vater packte es auf ein Pferd. Im ganzen Lager war ein lautes Rufen und Hin- und Herrennen, Hundegebell und Pferdegestampf. Die Kinder liefen dazwischen umher und freuten sich, weil es überall etwas zu sehen gab: wie der Zaubermann sein Zauberzelt, seine Trommeln und Kräuterbündel einpackte, wie der Feuermann das Feuer in einen hohlen Baumstamm tat und mit Moos zudeckte, wie die Väter und Mütter alle ihre Geräte und Waffen, ihre Töpfe und Säcke und Decken auf die Pferde banden.
Aber Fliegender Stern war wieder nicht bei den Kindern. Er wollte zeigen, dass er nicht mehr klein war, er half den Eltern. Sie banden das Traggestell an das Pferd der Mutter. Das war wie ein Schlitten. Die Mut-ter packte ihre Küchengeräte darauf und ließ in der Mitte einen Platz frei. Dort sollte Fliegender Stern sitzen. Aber er hatte sich etwas anderes vorgenommen. Heute wollte er reiten wie die großen Jungen. Die hatten schon ihre Pferde losgemacht und ritten mit Geschrei und Gejuchze um den Lagerplatz.
Fliegender Stern sagte zu seinem Vater:
"Mein Vater Guter Jäger, bitte gib mir ein Pferd. Ich möchte jetzt zu den Großen gehören."
"Dann will ich dir ein gutes Pferd geben, Fliegender Stern", sagte der Vater. Und er hob ihn auf das braune Pferd, das er im vergangenen Herbst eingefangen und zugeritten hatte.
Fliegender Stern war so froh, dass er nichts sagen konnte. Er nahm den Zügel und sah sich um. Helles Wasser, Rote Blume und Grasvogel standen in der Nähe. Fliegender Stern wünschte, dass bald die Sonne aufgehen möchte, damit alle im Lager ihn auf dem schönen braunen Pferd sehen könnten.
"Nun zeige, dass du reiten kannst!", sagte der Vater. Er gab dem Pferd einen Klaps. Es machte einen Sprung - und schon lag Fliegender Stern wieder im Gras. Er hatte nur an die Kinder und die Leute gedacht und nicht aufgepasst.
Der Vater sagte nichts. Er wartete, bis Fliegender Stern aufgestanden war. Dann hob er ihn wieder aufs Pferd. Wie groß das war und wie breit und glatt sein Rücken! Plötzlich hatte Fliegender Stern Angst. Jetzt wäre er am liebsten wieder hinuntergerutscht und hätte sich auf seinen alten Platz zwischen Mutters Tragstangen gesetzt. Aber die anderen Kinder sahen ihn. Auch Grau-Hengst war mit den anderen Großen gekommen. Wieder gab der Vater dem Pferd einen Klaps und die großen Jungen riefen: "Ho! Ho-Ho!" Das Pferd rannte los. Vor Schreck fasste Fliegender Stern so schnell nach der Mähne, dass er den Zügel verlor. Das Pferd fühlte sich frei und galoppierte ins dunkle Grasland hinaus. Fliegender Stern wickelte sich die Mähnenhaare um die Finger. Sie schnitten hart und tief ein, aber er wollte nicht loslassen. Diesmal würde er oben bleiben! Wenn nur das Pferd nicht immer weiter fortgelaufen wäre, immer weiter und weiter in die schwarze, endlose Ebene hinaus! Jetzt rasten sie an dem hohen Baum vorbei. Fliegender Stern dachte: Nun kann mich niemand mehr sehen und hören. Und er schrie, so laut er konnte:
"Zurück, Pferd! Zurück!" Aber das Pferd erschrak nur und rannte noch schneller, gerade auf den Himmelsrand zu, auf den grün-gelb schimmernden Streifen Licht, dort, wo der Himmel die Erde berührte und wo bald die Sonne aufgehen würde. Was mochte dort sein? Ein großes Wasser? Ein gewaltiges Feuer? Oder war dort vielleicht das Land des Großen Geistes, zu dem die toten Menschen gingen?
Fort und fort trug ihn das braune Pferd und Fliegender Stern war ganz allein. Er hatte große Angst.
Vorsichtig schob er sich über die Mähne am Pferdehals hinauf. Er wollte die Zügel packen. Der Braune schüttelte sich und warf den Kopf zurück. Fliegender Stern machte schnell die linke Hand los und fasste nach dem Zügel. Das Pferd fühlte den scharfen Ruck in seinem weichen Maul und warf sich nach links herum. Fliegender Stern flog in hohem Bogen auf die harte, trockene Sommererde, und das Pferd lief ohne Reiter davon.
Da lag er nun. Sein Kopf und seine Knie und Hände taten ihm sehr weh. Er legte sein Gesicht ins Gras und weinte.
Aber bald kam das Pferd zurück. Es stellte sich neben ihn und stupste ihn mit der weichen Nase an der Schulter. Es war ein gutes Pferd, es lief nicht einfach von seinem Reiter fort. Fliegender Stern streichelte den schönen Kopf mit den großen blanken Augen.
"Liebes Braunes", sagte er, "ich kann doch nicht allein aufsteigen." Und gleich musste er wieder weinen. Die Tränen liefen ihm in den Mund, sie liefen an seinem Hals entlang. Er hatte schon lange nicht mehr geweint. Aber hier sah es ja niemand.
Plötzlich hob das Pferd den Kopf. Es scharrte mit den Hufen und wieherte leise. Fliegender Stern sprang auf und schaute sich um. Kam ein wildes Tier, ein Bär oder ein Wolf? Nein, ein Reiter, der Vater! Fliegender Stern rannte ihm entgegen, schwenkte die Arme und rief:
"Mein Vater! Mein Vater Guter Jäger!"
Guter Jäger hielt sein Pferd an und sagte: "Du bist weit geritten, Fliegender Stern. Nun steige schnell wieder auf. Alle warten auf uns."
Fliegender Stern ging zu dem Braunen und nahm die Zügel. "Du musst in die Mähne fassen und dich hochziehen", sagte der Vater. Fliegender Stern griff in die Mähne. Seine Hände waren blutig und taten sehr weh. Er zog sich hoch - aber seine Arme waren zu schwach, er kam nicht hoch genug, er konnte sein Bein nicht über den Pferderücken schwingen. Immer wieder glitt er ab. Er sah den Vater an.
"Noch einmal", sagte der nur.
"Ich kann nicht", flüsterte Fliegender Stern. "Bitte, hilf mir!"
"Wer nicht allein aufsteigen kann, der soll auch nicht allein reiten", sagte der Vater.
Fliegender Stern ging zehn Schritte zurück, spuckte in die Hände, lief, sprang - und saß oben! Er sah zum Vater hinüber. Er lachte.
"Nun kannst du allein aufsteigen und allein reiten", sagte der Vater. "Ich will dir das braune Pferd schenken. Du darfst ihm einen Namen geben." Fliegender Stern verneigte sich vor seinem Vater, wie er es gelernt hatte.
Sie ritten nebeneinander zum Lager zurück.
Fliegender Stern fragte: "Was ist, wenn man durch das ganze Grasland bis an den Himmelsrand reitet?"
"Wenn man bis an den Himmelsrand reitet", antwortete Guter Jäger, "dann wird wieder ein Grasland sein und ein neuer Himmelsrand. Und wenn man durch das andere Grasland reitet bis an den anderen Himmelsrand, dann wird wieder ein neues Grasland und ein neuer Himmelsrand da sein. Und wenn man immer weiter und weiter reitet, kommt man dorthin, wo der weiße Mann wohnt."
Dann schwieg der Vater, und Fliegender Stern sah an seinem Gesicht, dass der Vater nicht mehr sagen wollte. So war es immer, wenn vom weißen Mann gesprochen wurde.
Erst als sie das Lager schon sahen, sagte Fliegender Stern:
"Ich will mein braunes Pferd Himmelsrand nennen."
"So soll es heißen", sagte der Vater. "Das ist ein guter Name für ein Pferd."
Die anderen saßen schon auf den Pferden. Die Feuer waren gelöscht.
"Fliegender Stern kann nun allein reiten", sagte der Vater. Alle nickten und die Mutter lächelte. Fliegender Stern lenkte sein Pferd zu ihr hin.
"Nun bist du schon beinah ein großer Junge!", sagte sie.
Den ganzen Tag blieb Fliegender Stern in der Nähe der Mutter. Wenn sie rasteten, half er ihr, das kleine Schwesterchen zu versorgen, und als sie am Abend zum Lagerplatz am See kamen, brachte er ihr Wasser und suchte Holz für das Feuer. Dann schickte die Mutter ihn fort zu den anderen Kindern. Sie wollten noch Beeren und Wurzeln suchen. Die Männer und Burschen gingen mit Netzen und Angeln an den See. Aber sie fingen nicht viel. Alle mussten an diesem Abend wieder hungrig einschlafen. Aber darüber redeten sie nicht.
Die Mutter war traurig, weil sie wusste, dass ihre Söhne nicht satt waren. Deshalb sagte sie zu Grau-Hengst:
"Ich will dir morgen eine schöne neue Angelschnur schenken." Und zu Fliegender Stern sagte sie: "Dir will ich eine kleine Angelrute schneiden."
"Und eine Schnur bekomme ich auch?", fragte Fliegender Stern.
"Ja, auch eine lange Schnur machen wir daran", sagte die Mutter.
Da war er vergnügt und schlief bald ein.
Am schwarzen Wasser
Als Fliegender Stern am anderen Morgen aufwachte, war es noch dunkel. Er dachte an sein braunes Pferd Himmelsrand und an die Angel, die er bekommen sollte, und er freute sich auf den Tag. Da packte ihn jemand an der Schulter. "Steh auf, Fliegender Stern!", flüsterte der große Bruder Grau-Hengst und zog ihm die Decken weg.
"Was ist?", fragte Fliegender Stern und hielt die Decken fest.
"Still! Unsere Mutter schläft noch! Die Männer sind fort zur Jagd. Komm nach draußen!", flüsterte Grau-Hengst.
Fliegender Stern fror in der kalten Morgenluft.
"Du sollst mit zum See!", sagte Grau-Hengst.
Fliegender Stern erschrak. Jetzt, im Dunkeln und ohne den Vater, sollte er allein im eiskalten See schwimmen?
"Ich bin noch zu müde", sagte er.
"Willst du nicht?", fragte Grau-Hengst und lachte. "Du hast doch ein eigenes Pferd und sollst eine Angel bekommen. Ich dachte, mein Bruder Fliegender Stern sei jetzt ein Großer? Aber da steht er und klappert mit den Zähnen!"
Jemand lachte im Dunkeln. Fliegender Stern merkte, dass Schneller Hirsch, Großer Felsen und andere von den Großen in der Nähe standen. Überall krochen sie jetzt aus den Zelten, reckten sich und gähnten.
"Soll ich mich für meinen Bruder schämen?", fragte Grau-Hengst.
"Los!", riefen die anderen und alle rannten zum See hinunter. Schneller Hirsch war immer der Erste. Sie liefen durch ein kleines Wäldchen. Fliegender Stern rannte, so schnell er konnte. Er wollte nicht der Letzte sein. Grau-Hengst lief dicht hinter Schneller Hirsch. Fliegender Stern sah ihn nicht mehr. Dann lag das schwarze, blinkende Wasser vor ihnen. Die Ersten sprangen gleich im Laufen über das Ufer hinaus. Sie schrien und prusteten und balgten sich. Jetzt sprangen die Letzten ins Wasser.
Nur Fliegender Stern stand noch am Ufer. Er hielt sich an einem Baumstamm fest und starrte in das schwarze Wasser hinunter. Er konnte nicht springen.
Grau-Hengst schwamm heran. Er rief:
"Komm, Fliegender Stern!"
Fliegender Stern schüttelte den Kopf.
Die anderen schrien: "Fliegender Stern! Du bist gut gelaufen! Nun zeige, dass du wirklich ein Großer bist! Spring, spring!"
Wieder schüttelte Fliegender Stern den Kopf. Am liebsten wäre er fortgelaufen.
"Ich befehle es dir!", rief Grau-Hengst.
Fliegender Stern versteckte sein Gesicht hinter dem Stamm.
Grau-Hengst stieg aus dem Wasser. Jetzt war es schon dämmerig und Fliegender Stern sah, dass Grau-Hengst zornig war.
"Wirf mich hinein", flüsterte er.
"Das gilt nicht", sagte Grau-Hengst. "Aber komm, gib mir die Hand, wir springen zusammen."
Fliegender Stern ließ den Stamm los. Er machte die Augen zu und sprang mit Grau-Hengst über den Uferrand.Eisig war das Wasser. Fliegender Stern war steif vor Schreck und Angst und sank wie ein Stein bis auf den schlammigen Grund. Es brauste und donnerte in seinen Ohren. Grau-Hengst hatte ihn losgelassen. Er strampelte und schlug um sich - und dann sah er durch den Wasserschleier vor seinen Augen den Morgenhimmel und die Bäume. Er spuckte und sackte schon wieder ab. Doch jetzt packten ihn Grau-Hengst und sein Freund Großer Felsen. Sie zogen ihn ans Ufer.
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Autoren-Porträt von Ursula Wölfel
Ursula Wölfel, 1922 im Ruhrgebiet geboren, studierte Germanistik in Heidelberg. Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete sie als Schulhelferin im Odenwald, absolvierte ein Pädagogikstudium und wurde Sonderschullehrerin. Seit 1961 war Ursula Wölfel freie Schriftstellerin, seit 1972 PEN-Mitglied. Ihre Bücher wurden mit vielen nationalen und internationalen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt. 1991 erhielt Ursula Wölfel den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für ihr Gesamtwerk. Sie verstarb 2014.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ursula Wölfel
- Altersempfehlung: 8 - 10 Jahre
- 2001, 93 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 357026064X
- ISBN-13: 9783570260647
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