Frau am Steuer
Autos sind für sie kein Thema. Bis sie beschließt, sich endlich ihrer...
Autos sind für sie kein Thema. Bis sie beschließt, sich endlich ihrer panischen Angst vorm Autofahren zu stellen. In dem geheimnisvollen Attila, Lebenskünstler und Mann mit Vergangenheit, findet sie ihren Meister.
''Eine liebenswerte Lehrstunde im Autofahren und im Leben.''
Publishers Weekly
Frau amSteuer von Amy Fine Collins
LESEPROBE
Nisht für dich gedacht
Der ständig wiederkehrende Albtraum:
Ich sitze im Cabrio meines Vaters. Der austerngraue MorrisMinor, auf dessen Fahrersitz ich beinahe verschwinde, braust einen steilenAbhang hinunter.
Mit meinen Händen erreiche ich weder das Lenkrad noch denHebel der Gangschaltung, und hoch über den Pedalen baumeln nutzlos meine Füße.Der Wagen fährt so schnell, dass ich nichts sehe als einen mit rasenderGeschwindigkeit vorbeiziehenden unscharfen Fleck, verschwommene Bewegung.
Der Traum hat keinen Anfang und kein Ende. Nur Panik undTempo.
Die nächtliche Szene spielt sich jetzt am helllichten Tagab. Zeit und Raum existieren tatsächlich. Nur der
Drehort hat sich deutlich verändert. Diesmal sitze ich ineinem ganz anderen Fahrzeug, einem Honda Acura Integra, Baujahr 92. MeineBeine sind jetzt zwar lang genug, um die Pedale zu erreichen, doch so wie meinrechter Fuß das Fahrverhalten des Wagens beeinflusst, könnte er auch einfachin die Windschutzscheibe treten. Hier gibt es zwar keine steil abfallende Straße,trotzdem könnte der Wagen genauso gut auf dem Dach in den Weltraum schießen - ichhabe jede räumliche Orientierung verloren. Die Begriffe vertikal-horizontal,rechts-links, Erde-Atmosphäre haben keinerlei Bedeutung. Und diesmal erkenneich nur zu genau, was draußen vor dem Fenster vorüberzieht: ein pulsierendesdigitales Verkehrsschild, hüpfende weiße und gelbe Linien, eine gebogeneBegrenzungsmauer und eine drohend aufragende Hängebrücke, etwa dreihundertMeter vor mir. Und alles dramatisch geneigt, drauf und dran in meine Richtungzu kollidieren und konvergieren, wie die fallenden Ebenen eines kubistischenGemäldes.
Der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz packt das Lenkrad undsteuert unser Auto aus dem Anziehungsbereich eines schemenhaft erkennbarenGeländewagens auf der Nebenspur.
Gerettet. Der Traum verblasst.
In meinem ganzen bisherigen Erwachsenendasein hatte ich keinAuto gebraucht. Im Gegensatz zu den meisten Amerikanern fuhr ich nie mit demAuto zur Arbeit - in meinem Fall die Redaktion von Vanity Fair inManhattan, Times Square Nr. 4, zweiundzwanzigster Stock. Stattdessen pendelteich jeden Morgen von meinem in Rosa und Silber gehaltenen Schlafzimmer in derPark Avenue zu einem großen, schwarz-goldenen Schreibtisch im angrenzendenAnkleidezimmer. Auch die Kleider in den Schränken gegenüber diesem reichverzierten Möbelstück (vormals Eigentum von Hugh Hefner) waren Teil meinesArbeitslebens. Es waren alles Maßanfertigungen von Geoffrey Beene. Er war meinModementor, ich seine Muse. Das ist fünfzehn Jahre her.
Meine damalige Garderobe von Gigli und Alaia überließ icheiner der von mir unterstützten gemeinnützigen Einrichtungen, derKostümsammlung des Metropolitan Museum. Damit war dieses Kapitel für michabgeschlossen. In Erfüllung meiner Pflicht hatte ich selbst diese drastischeMaßnahme ergriffen. Als Sonderkorrespondentin für Vanity Fair schriebich Artikel über Stil, Mode, gesellschaftliche Ereignisse, über Hollywood undandere glamouröse Themen. Ich liebte makellose Designs und war eine Verfechterinpeinlich genauer Recherchen. Außerdem schrieb ich mit Hingabe über Menschen,Orte und Dinge aus längst vergangenen Tagen.
Die fuchsiarot lackierten Trennwände meines Arbeitsplatzeswaren tapeziert mit Artikeln, die ich in den vierzehn Jahren meiner Arbeitveröffentlicht hatte - Studioaufnahmen von Claudette Colbert und
Hedda Hopper, rote Gepäckanhänger mit der Aufschrift »DianaVreeland«, schrullige Zeichnungen, die Karl Lagerfeld und Hilary Knight von mirangefertigt hatten. Handgeschriebene Briefchen von Geoffrey Beene und einDreifach-Porträt von mir - fotografiert von Horst. In dieser Trophäengaleriehingen auch Bilder meiner mittlerweile neunjährigen Tochter, aufgenommen vonden Fotografen, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammengearbeitet hatte.
Selbstverständlich habe ich meine Tochter auch nie zurSchule gefahren - sie fuhr mit dem gelben Schulbus. Und wenn ich ins Büro amTimes Square musste, zu einer Verabredung zum Mittagessen (beinahe täglich),einem Abendempfang oder einer Benefizveranstaltung (fast allabendlich - daüberschnitt sich mein Arbeits- mit meinem Gesellschaftsleben), fuhr ich mit demTaxi, dem Chauffeur-Service und gelegentlich auch mit dem Bus oder dem Zug. InNew York hatte ich eine unerschöpfliche Auswahl an Transportmöglichkeiten:prompt und rund um die Uhr verfügbar.
Wenn ich für eine Vanity Fair-Story - wie zumBeispiel über Chanel oder Valentino - nach Los Angeles, London, Paris oder Rommusste, stand mir auch dort ein Chauffeur zur Verfügung, oder ich nahm mir ein Taxi.Und wenn ich Urlaub machte und New York verließ - um Thanksgiving bei meinerTante in Pennsylvania oder den August in einem Strandhaus zu verbringen -, dannnahm sich mein Mann, ein Großstadt
gewächs mit einem Faible für die U-Bahn, einen Leihwagenund fuhr mich. Das war zwar ein einseitiges Arrangement, wurde jedoch nieinfrage gestellt.
Meine Abhängigkeit von meinem Mann, von Freunden, Kollegenund Fremden wurde fast schon zur Manieriertheit, die zu demalltagsuntauglichen, verkopften Treibhausgehabe meines Lebens gehörte. Ichbesaß keine Freizeitschuhe (im Fitness-Studio hatte ich Ballettschuhe an),nicht einmal Jeans (Beene-Overalls waren fürs Land genau das Richtige). Ich trughochhackige Manolos (die ich sammelte, seit sie 1985 in Amerika auf den Marktgekommen waren), selbst meine ganze Schwangerschaft hindurch, und blutrotenLippenstift zu jeder Tageszeit. Und ich hortete edle nutzlose Gegenstände vonimponierend ausgefallener Provenienz wie Flohmärkten und Auktionen:Vogue-Modebilder aus den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts undAcrylmöbel aus derselben Periode, die ich später Museen als Leihgaben überlassenhabe. Wenn die meisten Leute sie auch für ungemütlich hielten (Gemütlichkeithatte meiner Meinung nach etwas mit dem Gemütszustand zu tun), meine Wohnungwar höchst fotogen und immer wieder in Zeitschriften und Einrichtungsbüchernzu sehen. (...)
© Wilhelm Heyne Verlag
Übersetzung: Silvia Visintini
- Autor: Amy Fine Collins
- 2006, 319 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Silvia Visintini
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453401964
- ISBN-13: 9783453401969
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