Frauen sind so
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die Zwillinge Lindsey und Alex sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Lindsey das Mauerblümchen, Alex die Strahlende und Schöne. Da erhält Lindsey ein tolles Jobangebot - und will es endlich einmal allen zeigen. Doch dann erhält Alex eine erschütternde Diagnose.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Frauen sind so “
Die Zwillinge Lindsey und Alex sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Lindsey das Mauerblümchen, Alex die Strahlende und Schöne. Da erhält Lindsey ein tolles Jobangebot - und will es endlich einmal allen zeigen. Doch dann erhält Alex eine erschütternde Diagnose.
Klappentext zu „Frauen sind so “
Ungleicher können Zwillinge nicht sein. Lindsey war immer das Mauerblümchen und die Fleißige. Alex hingegen die viel Schönere und Strahlendere. Sie sind, wie Frauen sind: wie Gucci und Gummistiefel, wie Feuer und Wasser. Nun will Lindsey es allen zeigen, indem sie es an die Spitze einer New Yorker Werbeagentur schafft. Als ihr Traum durch eine Intrige scheitert und sie nach Hause zurückgehen muss, fürchtet sie, wieder im Schatten der beliebten Schwester zu stehen. Da bekommt Alex eine erschütternde Diagnose.
"Neu, humorvoll und ein wahres Lesevergnügen. Ein fantastisches Buch!" -- New York Times Bestsellerautorin Jennifer Weiner
"Ein absolutes Muss, das jede Frau zum Nachdenken bringt und jede Schwester dazu, sofort ihre Schwester anzurufen." -- New York Journal of Books
"Berührend und neu." -- People Magazine
"Ein absolutes Muss, das jede Frau zum Nachdenken bringt und jede Schwester dazu, sofort ihre Schwester anzurufen." -- New York Journal of Books
"Berührend und neu." -- People Magazine
Lese-Probe zu „Frauen sind so “
Frauen sind so von Sarah PekkanenEins
ALS ICH DIE SCHWERE GLASTÜR von Richards, Dunne & Krantz öffnete und durch den langen Korridor ging, fiel mir auf, dass oben Licht brannte. So früh morgens war sonst noch nie jemand da. Ich lief schneller. Als ich näher kam, erkannte ich, dass das Licht in meinem Büro brannte. Ich war erst gegen vier Uhr morgens nach Hause gegangen, um mich kurz aufs Ohr zu legen und zu duschen, aber mein Büro hatte ich eigentlich abgeschlossen. Kein Zweifel, ich hatte es sogar zweimal überprüft, und nun war irgendjemand dort drin. Ich fing an zu rennen, panische Gedanken wirbelten mir durch den Kopf: Hatte ich etwa mein Storyboard offen liegen lassen?
Versuchte da jemand die Werbekampagne zu sabotieren, die mir schon seit Wochen schlaflose Nächte bescherte und von der meine gesamte berufliche Zukunft abhing? Ich platzte in mein Büro, gerade als der Eindringling sich an meinem Schreibtisch zu schaffen machen wollte. »Lindsey! Sie haben mich zu Tode erschreckt!«, beschwerte sich meine Assistentin Donna, die gerade dabei war, einen dampfenden Becher Kaffee auf meinen Tisch zu stellen.
»Oh Gott, Entschuldigung«, sagte ich und gab mir in Gedanken selbst eine Ohrfeige. Sollte ich mal beim Onlinedating enden was, um ehrlich zu sein, wohl eines Tages passieren wird , müsste ich wohl das besonders schmeichelhafte Kästchen »Paranoider Freak« ankreuzen, wenn es um meine Charaktereigenschaften geht. Ich besorge mir lieber schon einmal ein paar Barrikaden, damit ich mir, wenn es so weit ist, die New Yorker Junggesellen vom Hals halten kann.
»Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sonst noch jemand so früh hier ist«, erklärte ich Donna, als sich mein Atem ein wenig beruhigt hatte. Mentale Notiz an mich selbst: Muss Fitnessstudio beitreten, da mich schon ein Achtzehn-MeterSprint
... mehr
völlig außer Atem bringt. Ich sollte lieber nicht darüber nachdenken, wie oft ich dann tatsächlich zum Training gehen würde, wenn ich es schon seit zwei Jahren nicht einmal schaffe, überhaupt beizutreten.
»Heute ist ein großer Tag«, sagte Donna und drückte mir den Kaffeebecher in die Hand.
»Sie sind einfach großartig.« Ich schloss meine vor Müdigkeit brennenden Augen, nahm einen Schluck und spürte, wie mir das Wundermittel in die Blutbahn schoss.
»Das ist genau, was ich jetzt brauche. Ich habe nicht viel Schlaf bekommen.«
»Und gefrühstückt haben Sie doch bestimmt auch nicht, oder?«, erkundigte sich Donna, die Hände resolut in die Hüften gestützt. Sie war eine winzige Person mit ihren nur gut ein Meter fünfzig und mit ihren rosaroten Bäckchen sah sie aus wie eine Spitzendeckchen häkelnde Großmutter.
Aber eine, die nicht zögern würde, aus ihrem gemütlichen Schaukelstuhl aufzustehen und nach ihrer Flinte zu greifen, falls es jemand wagen würde, ihr in die Quere zu kommen.
»Ich werde einfach gut zu Mittag essen«, wich ich aus und vermied es, ihr dabei in die Augen zu sehen.
Selbst nach drei Jahren hatte ich mich immer noch nicht daran gewöhnen können, eine Assistentin zu haben, noch dazu eine, die dreißig Jahre älter war, aber nur ein Drittel meines Gehalts bekam. Donna und ich wussten genau, dass sie in unserer Beziehung die Hosen anhatte, aber das Geheimrezept für unsere gute Zusammenarbeit war, dass wir so taten, als sei es umgekehrt.
Ein wenig so wie bei meinen Eltern meine Mutter fügte sich scheinbar immer der Autorität meines Vaters, allerdings erst nachdem sie ihn so lange gnadenlos moralisch unter Druck gesetzt hatte, bis er ihren Standpunkt angenommen hatte.
»Ich bespreche dann alles noch einmal mit den Caterern«, sagte Donna. »Soll ich heute Vormittag Ihre Anrufe zurückhalten?«
»Ja, bitte«, antwortete ich, »außer es ist ein Notfall. Oder Walt aus der Kreativabteilung der flippt bestimmt wieder aus wegen der Schriftgröße auf der Musteranzeige und dann muss ich ihn beruhigen. Oder Matt. Ich will heute Vormittag noch einen Testdurchlauf mit ihm machen. Und, lassen Sie mich nachdenken, wer noch ... Ach ja, alle Anrufe von Gloss Cosmetics natürlich. Meine Güte, die kommen ja schon in ...«
Ich sah auf die Uhr und das Blut gefror mir in den Adern. »... zwei Stunden!«
»Moment noch, Madame«, befahl Donna in einem Ton, den nur jemand an den Tag legen konnte, der die Hosen anhatte. Sie huschte geschäftig zu ihrem Schreibtisch und kehrte mit einem Blaubeermuffin und zwei Ibuprofen zurück.
»Ich wusste, dass Sie wieder nichts essen würden, also habe ich gleich mal mehr mitgenommen. Und Ihre Kopfschmerzen kündigen sich auch schon wieder an, oder?«, erkundigte sie sich mitfühlend.
»Heute geht es«, log ich und streckte meine Hand nach den Ibuprofen-Tabletten aus. Ich hoffte, Donna würde nicht bemerken, dass ich alle meine Fingernägel abgekaut hatte. Schon wieder. Als Donna dann die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank ich in meinen großen Ledersessel und nahm dankbar noch einen großen Schluck Kaffee.
Durch die Fenster hinter mir drang die strahlende Morgensonne herein und spiegelte sich glitzernd in dem goldenen Clio Award auf meinem Tisch. Ich strich mit dem Finger darüber, wie ich es immer tat, wenn eine Präsentation bevorstand. Das brachte mir Glück. Dann berührte ich die Statue ein zweites Mal. Denn heute war kein gewöhnlicher Präsentationstag.
Diesmal ging es um viel mehr als nur darum, einen weiteren Millionen-DollarAuftrag an Land zu ziehen. Wenn ich die Kampagne unter Dach und Fach bringen und Gloss Cosmetics als neuen Kunden gewinnen könnte ... ich kniff vor Anspannung die Augen zusammen. Ich wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Ich wollte das Schicksal nicht herausfordern. Ich sprang auf und durchquerte das Zimmer, um meine bisherigen Werke zu betrachten, eines meiner weiteren abergläubischen Rituale an wichtigen Tagen. Eine Wand meines Büros war bedeckt von einfachen, aber teuren schwarzen Rahmen, in denen die gesammelten Werke meiner Anzeigen aus den verschiedensten Zeitschriften präsentiert wurden: ein Vater in roter Schürze, der Hot Dogs grillte; ein hübsches Paar, das die nackten Zehen in einem flauschigen Teppich vergrub; eine junge Managerin, die sich in ihrem Business-Class-Sitz zurücklehnte. Seelenruhig zurücklehnen, stand darüber. Ich musste lächeln, als ich an diese Kampagne zurückdachte.
Es hatte mich zwei Wochen und drei Fokusgruppen gekostet, bis ich mich endlich für das Wort »seelenruhig« anstelle von »entspannt« entschieden hatte.
Trotzdem wäre die Kampagne in letzter Minute beinahe noch geplatzt, da das Model ausgerechnet die gleiche Frisur hatte wie die Exfrau des Chefs der Fluggesellschaft, die ihn zu Anfang ihrer Beziehung davon überzeugt hatte, dass wahre Liebe keinen Ehevertrag brauchte. Wenn ich nicht eine Fünf-Dollar-Tube Haargel im Koffer der Visagistin entdeckt hätte, wäre uns ein Zwei-Millionen-Dollar-Vertrag durch die Lappen gegangen. Und das nur wegen eines kinnlangen Bobs. Die meisten Kunden waren einfach notorisch launenhaft, und als Faustregel galt: je reicher, desto verrückter. Dem Kunden, mit dem ich es heute zu tun haben würde, gehörte halb Manhattan.
Ich nahm das Anzeigenmodell, das mein Kreativteam für Gloss entworfen hatte, und starrte wohl zum millionsten Mal darauf, auf der Suche nach nicht vorhandenen Fehlern. Ich hatte mich drei ganze Wochen mit jedem Detail dieser Kampagne gequält, für deren Präsentation ich nun nur ein paar Minuten haben würde. Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr und mein Herzschlag setzte kurz aus. Anders als in anderen Werbeagenturen gibt es bei meiner keine klare Trennung zwischen dem kreativen und dem geschäftlichen Bereich.
Wenn man es bei Richards, Dunne & Krantz zu etwas bringen wollte, musste man ein Händchen für beides haben. Natürlich bedeutete das für mich auch, dass alle Verantwortung für diese Präsentation allein auf meinen Schultern ruhte. Das Schlimmste daran, das, was wirklich an meinen Nerven nagte, mich um drei Uhr morgens hochschrecken ließ, wenn ich es doch einmal geschafft hatte, abends einzuschlafen, war, dass all diese Wochenenden auf Fertigpizza-Diät und die Konferenzschaltungen mitten in der Nacht womöglich ganz umsonst gewesen waren. Falls der Leiter von Gloss meinen Vorschlag ablehnte vielleicht weil er mein Parfüm nicht mochte oder ihm ein Adjektiv nicht ganz zusagte , dann lösten sich Hunderttausende von Dollars, die unsere Agentur für die Entwicklung der Kampagne vorgestreckt hatte, einfach so in Luft auf.
Einmal saß ein japanischer Luxushotel-Tycoon in einer brillanten Kampagnen Präsentation, an der wir zwei Monate lang getüftelt hatten und die unser Chef persönlich überwacht hatte wir sprechen hier von einer kreativen Vision, die locker Preise gewonnen hätte und die in aller Munde gewesen wäre , und trat sie mit einem missmutigen Grunzen in die Tonne, das uns sein Assistent mit einem ungerührten »Er mag kein Blau« übersetzte. Und das war's. Keine Chance, den Farbton zu ändern, nur ein Haufen verdutzter Werbefachleute, die ganz umsonst gelernt hatten »Konnichi-wa!« zu jubeln und nun wie eine Herde betretener Schafe zum Ausgang gescheucht wurden. Bei dem Gedanken warf ich eine weitere Ibuprofen-Tablette ein.
Eine aus dem Geheimvorrat in meiner Schreibtischschublade, von dem Donna nichts wusste. Ich knetete mit einer Hand an dem Knoten in meinem Nacken herum, während ich wieder auf den Anzeigenentwurf für Gloss starrte. Nachdem der Kosmetikkonzern letzten Monat an unsere Agentur herangetreten war und angedeutet hatte, dass man auf der Suche nach neuen Werbern war, trommelte unser Agenturchef, ein zweiundvierzigjähriges Marketinggenie namens Mason, der sogar zum Smoking seine roten Converse-Turnschuhe trug, die besten fünf Kreativteams in seinem Büro zusammen.
»Gloss will Cover Girl auf die Pelle rücken«, hatte Mason gesagt, an seiner Lipton-Eisteeflasche genippt (die Marke war unser Kunde) und mit einem Bic Pen (dito) auf seinem Eichenholztisch herumgetrommelt. Mason war so loyal zu seinen Kunden, dass er einmal sogar empört ein Nobelrestaurant verließ, weil sich der Küchenchef geweigert hatte, sein Champagnertrüffel-Dressing durch eine Soße aus der Kraft-Palette zu ersetzen.
»Gloss' Motto ist: Glamour für alle«, hatte Mason erläutert. »Also vergesst die Fifth-Avenue-Prinzessinnen, wir wollen die Lehrerinnen, die Fabrikmädels und Sekretärinnen erreichen.«
Dabei hatte er seine Augen in der Runde schweifen lassen, um uns alle mit seinem eindringlichen Blick durchbohren zu können. Ich bin sicher, er hat fast zwei Minuten lang nicht geblinzelt. Mason mit seinem glühbirnenförmigen Glatzkopf und den schweren Augenlidern erinnerte mich sowieso immer an einen Außerirdischen, und wenn er in seinen zwinkerfreien Modus schaltete, dann stellte ich mir vor, dass er wahrscheinlich gerade Daten von seinem Mutterschiff herunterlud.
Meine Assistentin Donna hingegen war davon überzeugt, dass er nur an Vitamin-CMangel litt, deshalb lag sie ihm auch ständig in den Ohren, er solle sich doch mal um den Minute-Maid-Etat bemühen. »Was war die Trefferquote der letzten Gloss-Kampagne?«, hatte jemand am anderen Ende des Konferenztisches gefragt.
Es war die Schlampe Cheryl, der mal wieder die Möpse aus dem engen weißen Shirt quollen, als sie sich vorbeugte, um an eine Lipton-Tee-Getränkedose in der Mitte des Tisches heranzukommen.
»Soll ich dir eine geben?« Matt, unser Junior Art Director, klang eigentlich ganz unschuldig dabei. Aber ich kannte ihn besser. Hier in der Agentur war er mein bester Freund. Besser gesagt, mein einziger Freund, denn im Vergleich zu dieser Agentur war sogar eine Sadistenmesse ein kuscheliger Ort.
»Danke, ich komm schon dran«, hatte Cheryl tapfer geantwortet, das haselnussbraune Haar zurückgeworfen und sich weiter geräkelt, während Matt mir einen kurzen Blick zuwarf. Man könnte meinen, sie hätte nach ein paar Hundert Meetings an diesem Tisch schon einen einfacheren Weg gefunden, etwas zu trinken zu bekommen, als sich wie ein Hooters Girl auf der Jagd nach Trinkgeld aufzuführen.
Aber rein zufällig wurde sie immer gerade dann durstig, wenn sie eine Frage hatte, und so konnte sie sich der Aufmerksamkeit aller sicher sein.
»Die letzte Kampagne von Cover Girl, die mit Queen Latifah, hatte eine Trefferquote von dreißig, die aktuelle von Gloss nur zwölf«, sagte Mason, ohne irgendwelche Notizen zu Rate zu ziehen. Er hatte ein fotografisches Gedächtnis wahrscheinlich ein Grund, warum ihm seine Kunden die roten Turnschuhe nachsahen. Jetzt verstand ich auch, warum sich die Leute von Gloss nach einer anderen Agentur umsehen wollten.
Zwölf war gar nicht gut. Die sogenannte Trefferquote war einer der wichtigsten Maßstäbe, den die Werbebranche auf Lager hatte. Im Grunde sagte sie aus, wie viel Prozent der Leute, die eine Anzeige gesehen hatten, sich auch daran erinnern konnten. Cheryl, die wie ich Creative Director war, hatte mit ihrem Team einmal eine Hundefutterwerbung gemacht, die eine Trefferquote von einundvierzig hatte. Daraufhin hatte sie Dutzende von Luftballons mit dem Aufdruck »Einundvierzig« geordert und sie in der ganzen Agentur verteilt.
Bescheidenheit gehörte genauso wenig zu ihrem Repertoire wie Rollkragenpullover. Ich schwöre, ich sage das nicht nur, weil ich noch nie eine höhere Trefferquote als vierzig erreicht habe (und nur, um das einmal festzuhalten, das ist mir schon dreimal gelungen. Agenturrekord).
»Ich will, dass sich fünf Teams darum kümmern«, hatte Mason gesagt.
»In genau drei Wochen will ich die fertigen Vorschläge auf meinem Tisch sehen. Nur die zwei besten werden auch Gloss präsentiert.«
Als alle aufstanden, um das Büro zu verlassen, sprach Mason mich an, während Cheryl sich viel Zeit ließ, ihre Unterlagen zusammenzuräumen, und so tat, als würde sie nicht lauschen.
»Ich brauche diesen Etat«, sagte er und seine hellblauen Augen bohrten sich in meine.
»Haben die wirklich ein so hohes Budget?«
»Nein, das sind miese Knauser«, hatte er fröhlich geantwortet. »Aber nenn' mir unsere drei letzten Kampagnen.«
»Häusliche Gesundheitsfürsorge, orthopädische Matratzen und Hygieneeinlagen für Erwachsene«, hatte ich aufgezählt.
»Windeln!«, hatte er empört gerufen. »Ganz hässlicher Trend. Wenn das so weitergeht, sind wir bald als Agentur für inkontinente alte Säcke verschrien. Wir brauchen die Achtzehn- bis Fünfunddreißigjährigen. Zieh mir diesen Etat an Land, Lindsey.«
Seine Stimme war ganz leise geworden und Cheryl hatte aufgehört, mit ihren Papieren zu rascheln. Sie und ich hatten die Ohren gespitzt.
»Was das für dich bedeuten würde, brauche ich dir ja nicht extra zu sagen. Das ist die Gelegenheit. Die Präsentation für Gloss findet ungefähr zur selben Zeit statt wie die Abstimmung. Also mach das zur besten Kampagne, die du je hattest ...«
Ich wusste, worauf Mason hinauswollte. Es war kein Geheimnis, dass in der Agentur bald über einen neuen Vizechefposten entschieden wurde. Der Titel Vice President Creative Director bedeutete eine saftige Gehaltserhöhung und viele andere Vorteile, die damit einhergingen: sechsstellige Bonuszahlungen, einen Altersvorsorgeplan, nur noch Business-Class-Flüge, einen Fahrerservice und ein fast schon unanständig hohes Spesenkonto.
Er bedeutete außerdem, dass ich mir wirklich das kleine, sonnige Appartement an der Upper West Side kaufen konnte, von dem ich schon so lange träumte.
Kurz und gut, er bedeutete, es geschafft zu haben.
Übersetzung: Carolin Müller
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
»Heute ist ein großer Tag«, sagte Donna und drückte mir den Kaffeebecher in die Hand.
»Sie sind einfach großartig.« Ich schloss meine vor Müdigkeit brennenden Augen, nahm einen Schluck und spürte, wie mir das Wundermittel in die Blutbahn schoss.
»Das ist genau, was ich jetzt brauche. Ich habe nicht viel Schlaf bekommen.«
»Und gefrühstückt haben Sie doch bestimmt auch nicht, oder?«, erkundigte sich Donna, die Hände resolut in die Hüften gestützt. Sie war eine winzige Person mit ihren nur gut ein Meter fünfzig und mit ihren rosaroten Bäckchen sah sie aus wie eine Spitzendeckchen häkelnde Großmutter.
Aber eine, die nicht zögern würde, aus ihrem gemütlichen Schaukelstuhl aufzustehen und nach ihrer Flinte zu greifen, falls es jemand wagen würde, ihr in die Quere zu kommen.
»Ich werde einfach gut zu Mittag essen«, wich ich aus und vermied es, ihr dabei in die Augen zu sehen.
Selbst nach drei Jahren hatte ich mich immer noch nicht daran gewöhnen können, eine Assistentin zu haben, noch dazu eine, die dreißig Jahre älter war, aber nur ein Drittel meines Gehalts bekam. Donna und ich wussten genau, dass sie in unserer Beziehung die Hosen anhatte, aber das Geheimrezept für unsere gute Zusammenarbeit war, dass wir so taten, als sei es umgekehrt.
Ein wenig so wie bei meinen Eltern meine Mutter fügte sich scheinbar immer der Autorität meines Vaters, allerdings erst nachdem sie ihn so lange gnadenlos moralisch unter Druck gesetzt hatte, bis er ihren Standpunkt angenommen hatte.
»Ich bespreche dann alles noch einmal mit den Caterern«, sagte Donna. »Soll ich heute Vormittag Ihre Anrufe zurückhalten?«
»Ja, bitte«, antwortete ich, »außer es ist ein Notfall. Oder Walt aus der Kreativabteilung der flippt bestimmt wieder aus wegen der Schriftgröße auf der Musteranzeige und dann muss ich ihn beruhigen. Oder Matt. Ich will heute Vormittag noch einen Testdurchlauf mit ihm machen. Und, lassen Sie mich nachdenken, wer noch ... Ach ja, alle Anrufe von Gloss Cosmetics natürlich. Meine Güte, die kommen ja schon in ...«
Ich sah auf die Uhr und das Blut gefror mir in den Adern. »... zwei Stunden!«
»Moment noch, Madame«, befahl Donna in einem Ton, den nur jemand an den Tag legen konnte, der die Hosen anhatte. Sie huschte geschäftig zu ihrem Schreibtisch und kehrte mit einem Blaubeermuffin und zwei Ibuprofen zurück.
»Ich wusste, dass Sie wieder nichts essen würden, also habe ich gleich mal mehr mitgenommen. Und Ihre Kopfschmerzen kündigen sich auch schon wieder an, oder?«, erkundigte sie sich mitfühlend.
»Heute geht es«, log ich und streckte meine Hand nach den Ibuprofen-Tabletten aus. Ich hoffte, Donna würde nicht bemerken, dass ich alle meine Fingernägel abgekaut hatte. Schon wieder. Als Donna dann die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank ich in meinen großen Ledersessel und nahm dankbar noch einen großen Schluck Kaffee.
Durch die Fenster hinter mir drang die strahlende Morgensonne herein und spiegelte sich glitzernd in dem goldenen Clio Award auf meinem Tisch. Ich strich mit dem Finger darüber, wie ich es immer tat, wenn eine Präsentation bevorstand. Das brachte mir Glück. Dann berührte ich die Statue ein zweites Mal. Denn heute war kein gewöhnlicher Präsentationstag.
Diesmal ging es um viel mehr als nur darum, einen weiteren Millionen-DollarAuftrag an Land zu ziehen. Wenn ich die Kampagne unter Dach und Fach bringen und Gloss Cosmetics als neuen Kunden gewinnen könnte ... ich kniff vor Anspannung die Augen zusammen. Ich wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Ich wollte das Schicksal nicht herausfordern. Ich sprang auf und durchquerte das Zimmer, um meine bisherigen Werke zu betrachten, eines meiner weiteren abergläubischen Rituale an wichtigen Tagen. Eine Wand meines Büros war bedeckt von einfachen, aber teuren schwarzen Rahmen, in denen die gesammelten Werke meiner Anzeigen aus den verschiedensten Zeitschriften präsentiert wurden: ein Vater in roter Schürze, der Hot Dogs grillte; ein hübsches Paar, das die nackten Zehen in einem flauschigen Teppich vergrub; eine junge Managerin, die sich in ihrem Business-Class-Sitz zurücklehnte. Seelenruhig zurücklehnen, stand darüber. Ich musste lächeln, als ich an diese Kampagne zurückdachte.
Es hatte mich zwei Wochen und drei Fokusgruppen gekostet, bis ich mich endlich für das Wort »seelenruhig« anstelle von »entspannt« entschieden hatte.
Trotzdem wäre die Kampagne in letzter Minute beinahe noch geplatzt, da das Model ausgerechnet die gleiche Frisur hatte wie die Exfrau des Chefs der Fluggesellschaft, die ihn zu Anfang ihrer Beziehung davon überzeugt hatte, dass wahre Liebe keinen Ehevertrag brauchte. Wenn ich nicht eine Fünf-Dollar-Tube Haargel im Koffer der Visagistin entdeckt hätte, wäre uns ein Zwei-Millionen-Dollar-Vertrag durch die Lappen gegangen. Und das nur wegen eines kinnlangen Bobs. Die meisten Kunden waren einfach notorisch launenhaft, und als Faustregel galt: je reicher, desto verrückter. Dem Kunden, mit dem ich es heute zu tun haben würde, gehörte halb Manhattan.
Ich nahm das Anzeigenmodell, das mein Kreativteam für Gloss entworfen hatte, und starrte wohl zum millionsten Mal darauf, auf der Suche nach nicht vorhandenen Fehlern. Ich hatte mich drei ganze Wochen mit jedem Detail dieser Kampagne gequält, für deren Präsentation ich nun nur ein paar Minuten haben würde. Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr und mein Herzschlag setzte kurz aus. Anders als in anderen Werbeagenturen gibt es bei meiner keine klare Trennung zwischen dem kreativen und dem geschäftlichen Bereich.
Wenn man es bei Richards, Dunne & Krantz zu etwas bringen wollte, musste man ein Händchen für beides haben. Natürlich bedeutete das für mich auch, dass alle Verantwortung für diese Präsentation allein auf meinen Schultern ruhte. Das Schlimmste daran, das, was wirklich an meinen Nerven nagte, mich um drei Uhr morgens hochschrecken ließ, wenn ich es doch einmal geschafft hatte, abends einzuschlafen, war, dass all diese Wochenenden auf Fertigpizza-Diät und die Konferenzschaltungen mitten in der Nacht womöglich ganz umsonst gewesen waren. Falls der Leiter von Gloss meinen Vorschlag ablehnte vielleicht weil er mein Parfüm nicht mochte oder ihm ein Adjektiv nicht ganz zusagte , dann lösten sich Hunderttausende von Dollars, die unsere Agentur für die Entwicklung der Kampagne vorgestreckt hatte, einfach so in Luft auf.
Einmal saß ein japanischer Luxushotel-Tycoon in einer brillanten Kampagnen Präsentation, an der wir zwei Monate lang getüftelt hatten und die unser Chef persönlich überwacht hatte wir sprechen hier von einer kreativen Vision, die locker Preise gewonnen hätte und die in aller Munde gewesen wäre , und trat sie mit einem missmutigen Grunzen in die Tonne, das uns sein Assistent mit einem ungerührten »Er mag kein Blau« übersetzte. Und das war's. Keine Chance, den Farbton zu ändern, nur ein Haufen verdutzter Werbefachleute, die ganz umsonst gelernt hatten »Konnichi-wa!« zu jubeln und nun wie eine Herde betretener Schafe zum Ausgang gescheucht wurden. Bei dem Gedanken warf ich eine weitere Ibuprofen-Tablette ein.
Eine aus dem Geheimvorrat in meiner Schreibtischschublade, von dem Donna nichts wusste. Ich knetete mit einer Hand an dem Knoten in meinem Nacken herum, während ich wieder auf den Anzeigenentwurf für Gloss starrte. Nachdem der Kosmetikkonzern letzten Monat an unsere Agentur herangetreten war und angedeutet hatte, dass man auf der Suche nach neuen Werbern war, trommelte unser Agenturchef, ein zweiundvierzigjähriges Marketinggenie namens Mason, der sogar zum Smoking seine roten Converse-Turnschuhe trug, die besten fünf Kreativteams in seinem Büro zusammen.
»Gloss will Cover Girl auf die Pelle rücken«, hatte Mason gesagt, an seiner Lipton-Eisteeflasche genippt (die Marke war unser Kunde) und mit einem Bic Pen (dito) auf seinem Eichenholztisch herumgetrommelt. Mason war so loyal zu seinen Kunden, dass er einmal sogar empört ein Nobelrestaurant verließ, weil sich der Küchenchef geweigert hatte, sein Champagnertrüffel-Dressing durch eine Soße aus der Kraft-Palette zu ersetzen.
»Gloss' Motto ist: Glamour für alle«, hatte Mason erläutert. »Also vergesst die Fifth-Avenue-Prinzessinnen, wir wollen die Lehrerinnen, die Fabrikmädels und Sekretärinnen erreichen.«
Dabei hatte er seine Augen in der Runde schweifen lassen, um uns alle mit seinem eindringlichen Blick durchbohren zu können. Ich bin sicher, er hat fast zwei Minuten lang nicht geblinzelt. Mason mit seinem glühbirnenförmigen Glatzkopf und den schweren Augenlidern erinnerte mich sowieso immer an einen Außerirdischen, und wenn er in seinen zwinkerfreien Modus schaltete, dann stellte ich mir vor, dass er wahrscheinlich gerade Daten von seinem Mutterschiff herunterlud.
Meine Assistentin Donna hingegen war davon überzeugt, dass er nur an Vitamin-CMangel litt, deshalb lag sie ihm auch ständig in den Ohren, er solle sich doch mal um den Minute-Maid-Etat bemühen. »Was war die Trefferquote der letzten Gloss-Kampagne?«, hatte jemand am anderen Ende des Konferenztisches gefragt.
Es war die Schlampe Cheryl, der mal wieder die Möpse aus dem engen weißen Shirt quollen, als sie sich vorbeugte, um an eine Lipton-Tee-Getränkedose in der Mitte des Tisches heranzukommen.
»Soll ich dir eine geben?« Matt, unser Junior Art Director, klang eigentlich ganz unschuldig dabei. Aber ich kannte ihn besser. Hier in der Agentur war er mein bester Freund. Besser gesagt, mein einziger Freund, denn im Vergleich zu dieser Agentur war sogar eine Sadistenmesse ein kuscheliger Ort.
»Danke, ich komm schon dran«, hatte Cheryl tapfer geantwortet, das haselnussbraune Haar zurückgeworfen und sich weiter geräkelt, während Matt mir einen kurzen Blick zuwarf. Man könnte meinen, sie hätte nach ein paar Hundert Meetings an diesem Tisch schon einen einfacheren Weg gefunden, etwas zu trinken zu bekommen, als sich wie ein Hooters Girl auf der Jagd nach Trinkgeld aufzuführen.
Aber rein zufällig wurde sie immer gerade dann durstig, wenn sie eine Frage hatte, und so konnte sie sich der Aufmerksamkeit aller sicher sein.
»Die letzte Kampagne von Cover Girl, die mit Queen Latifah, hatte eine Trefferquote von dreißig, die aktuelle von Gloss nur zwölf«, sagte Mason, ohne irgendwelche Notizen zu Rate zu ziehen. Er hatte ein fotografisches Gedächtnis wahrscheinlich ein Grund, warum ihm seine Kunden die roten Turnschuhe nachsahen. Jetzt verstand ich auch, warum sich die Leute von Gloss nach einer anderen Agentur umsehen wollten.
Zwölf war gar nicht gut. Die sogenannte Trefferquote war einer der wichtigsten Maßstäbe, den die Werbebranche auf Lager hatte. Im Grunde sagte sie aus, wie viel Prozent der Leute, die eine Anzeige gesehen hatten, sich auch daran erinnern konnten. Cheryl, die wie ich Creative Director war, hatte mit ihrem Team einmal eine Hundefutterwerbung gemacht, die eine Trefferquote von einundvierzig hatte. Daraufhin hatte sie Dutzende von Luftballons mit dem Aufdruck »Einundvierzig« geordert und sie in der ganzen Agentur verteilt.
Bescheidenheit gehörte genauso wenig zu ihrem Repertoire wie Rollkragenpullover. Ich schwöre, ich sage das nicht nur, weil ich noch nie eine höhere Trefferquote als vierzig erreicht habe (und nur, um das einmal festzuhalten, das ist mir schon dreimal gelungen. Agenturrekord).
»Ich will, dass sich fünf Teams darum kümmern«, hatte Mason gesagt.
»In genau drei Wochen will ich die fertigen Vorschläge auf meinem Tisch sehen. Nur die zwei besten werden auch Gloss präsentiert.«
Als alle aufstanden, um das Büro zu verlassen, sprach Mason mich an, während Cheryl sich viel Zeit ließ, ihre Unterlagen zusammenzuräumen, und so tat, als würde sie nicht lauschen.
»Ich brauche diesen Etat«, sagte er und seine hellblauen Augen bohrten sich in meine.
»Haben die wirklich ein so hohes Budget?«
»Nein, das sind miese Knauser«, hatte er fröhlich geantwortet. »Aber nenn' mir unsere drei letzten Kampagnen.«
»Häusliche Gesundheitsfürsorge, orthopädische Matratzen und Hygieneeinlagen für Erwachsene«, hatte ich aufgezählt.
»Windeln!«, hatte er empört gerufen. »Ganz hässlicher Trend. Wenn das so weitergeht, sind wir bald als Agentur für inkontinente alte Säcke verschrien. Wir brauchen die Achtzehn- bis Fünfunddreißigjährigen. Zieh mir diesen Etat an Land, Lindsey.«
Seine Stimme war ganz leise geworden und Cheryl hatte aufgehört, mit ihren Papieren zu rascheln. Sie und ich hatten die Ohren gespitzt.
»Was das für dich bedeuten würde, brauche ich dir ja nicht extra zu sagen. Das ist die Gelegenheit. Die Präsentation für Gloss findet ungefähr zur selben Zeit statt wie die Abstimmung. Also mach das zur besten Kampagne, die du je hattest ...«
Ich wusste, worauf Mason hinauswollte. Es war kein Geheimnis, dass in der Agentur bald über einen neuen Vizechefposten entschieden wurde. Der Titel Vice President Creative Director bedeutete eine saftige Gehaltserhöhung und viele andere Vorteile, die damit einhergingen: sechsstellige Bonuszahlungen, einen Altersvorsorgeplan, nur noch Business-Class-Flüge, einen Fahrerservice und ein fast schon unanständig hohes Spesenkonto.
Er bedeutete außerdem, dass ich mir wirklich das kleine, sonnige Appartement an der Upper West Side kaufen konnte, von dem ich schon so lange träumte.
Kurz und gut, er bedeutete, es geschafft zu haben.
Übersetzung: Carolin Müller
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Sarah Pekkanen
Sarah Pekkanen arbeitet als Journalistin für Print und Radio. Ihre Artikel und Kolumnen erschienen unter anderem in People, The Washington Post, USA Today, The New Republic und Reader's Digest. Sie ist die Preisträgerin eines Dateline Awards und des Paul Miller Reporting Fellowship. Für ihren Artikel über den Amoklauf an der Columbine Highschool war sie nominiert für den Pulitzer Prize for Feature Writing.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sarah Pekkanen
- 2010, 462 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Carolin Müller
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453407458
- ISBN-13: 9783453407459
- Erscheinungsdatum: 08.03.2010
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