Friede Springer
Ihre Geschichte liest sich wie ein Märchen, ein Wirtschaftskrimi und eine Liebesgeschichte zugleich: Friede Riewerts kam 1965 als Kindermädchen in das Haus von Axel Springer, dem mächtigsten deutschen Zeitungsverleger. Zwei Jahre später wurde sie seine...
Ihre Geschichte liest sich wie ein Märchen, ein Wirtschaftskrimi und eine Liebesgeschichte zugleich: Friede Riewerts kam 1965 als Kindermädchen in das Haus von Axel Springer, dem mächtigsten deutschen Zeitungsverleger. Zwei Jahre später wurde sie seine Frau.
Zwanzig Jahre nach seinem Tod erzählt sie ihr bewegtes Leben.
'Villenhaushalt sucht Kindermädchen': Im Sommer 1965 führt eine Anzeige die 23-jährige Friede Riewerts von der Nordseeinsel Föhr ins Haus von Axel Springer, dem mächtigsten deutschen Zeitungsverleger. Zwei Jahre später wird sie zur Frau an seiner Seite, lebt zwanzig Jahre nur für ihn. Als er 1985 stirbt, droht sein Lebenswerk zu zerfallen - demontiert durch Machtkämpfe zwischen Großaktionären, Konzernvorständen und Miterben. Der jungen Witwe gelingt, was niemand erwartet hat: Sie setzt sich gegen alle Widersacher durch und steht heute an der Spitze eines wieder florierenden Konzerns. Inge Kloepfer rollt ein halbes Jahrhundert deutscher Mediengeschichte auf - ein packender Wirtschaftskrimi und eine außergewöhnliche Liebesgeschichte.
FriedeSpringer von Inge Kloepfer
LESEPROBE
Plötzlicher Abschied
Sie blieb, saß eine ganze Weile noch bei ihm. Allein.Eine Stunde vielleicht oder länger, oder nur zwanzig Minuten. Sie hatte sichvornübergebeugt und ihre Stirn auf seinen merkwürdig gewölbten Brustkorbsinken lassen, den Kopf zwischen den ausgestreckten Armen, die Hände ineinanderverschränkt. Sie hörte nichts, sie sah nichts und dachte nichts. Sie spürte nurdie Stille um sich herum und eine tiefe Müdigkeit, die andere und auch sieselbst später als Schockzustand beschreiben sollten.
Irgendwann stand sie auf, verließ den Raum derIntensivstation. Mit langsamen, kleinen Schritten zog sie sich zurück, ganzleise, unhörbar fast, als wollte sie ihn nicht stören, sondern weiterschlafenlassen. Sie ging den kahlen Gang des Krankenhauses entlang, bat irgendwo um einTelefon und wählte die Nummer des Pfarrers. Mechanisch sprach sie ihren Namenin den Hörer und dann noch zwei Sätze, bevor sie wieder auflegte: »Hier istFriede Springer. Mein Mann ist gestorben. Sie sollten das wissen, ehe Sie esaus den Abendnachrichten erfahren.«
Jobst Schöne, Pfarrer der altlutherischen Kirche in Berlin,der der Zeitungsverleger Axel Springer angehörte, war dessen Seelsorger gewesen.Er hatte ihm die Stellen der Bibel erklärt, die der sich nicht erklärenkonnte, und die Offenbarung des Johannes. Er hatte dem Verleger viel bedeutetund ihm geholfen in den dunkelsten Tagen seines Lebens. Er hatte Friede undAxel Springer in seiner Kirche getraut, und er würde ihn beerdigen. Doch FriedeSpringer dachte nicht an die Beerdigung, sondern überlegte nur, wer noch alleswissen sollte, daß ihr Mann gerade gestorben war.
Den Kindern ihres Mannes und seinen Enkeln hatte siebereits am Vormittag angedeutet, daß es dem Vater und Großvater nicht gutgehe.Barbara, Tochter aus erster Ehe und ältestes Kind Springers, hatte sie zuerstangerufen. Danach die anderen: Raimund Nicolaus, Sohn aus Springers vierter Ehemit Helga, und die beiden Enkel Axel Sven und Ariane, die Kinder seines SohnesAxel junior, der sich vor fünfeinhalb Jahren das Leben genommen hatte. AuchErnst Cramer hatte sie Bescheid gesagt, dem engsten Mitarbeiter und FreundSpringers, der längst auch ihr ans Herz gewachsen war. »Ernst«, hatte sie insTelefon geflüstert, »Axel geht es sehr, sehr schlecht.« Sie hatte einen Momentgestockt, geweint und dann nur noch hervorgebracht: »Er stirbt.« - »Ich bingleich bei euch«, hatte der Freund versprochen, den Hörer auf die Gabelgeworfen und war ins Krankenhaus geeilt, ihr Beistand zu leisten. Aber imGrunde war er hilflos - wie jeder, der zusehen muß, wie eine Frau ihren Mannverliert. »Axel wird das schon schaffen«, hatte er ihr immer wieder zugeredet,als Springer schon auf die Intensivstation gebracht worden war und dort im Komalag. Doch er glaubte selbst nicht mehr an seine Worte, zu offensichtlich deutetesich das nahe Ende seines Verlegers an. Dann hatte er Friede zurückgelassen undwar nach Hause gefahren. Er wußte, daß er ihr nicht helfen konnte, daß sieallein fertig werden mußte mit der Sorge um ihren Mann. Wahrgenommen hatte sieihn kaum. Von zu Hause aus hatte Cramer nur noch ein paar enge Mitarbeiter desVerlegers angerufen, wohl keine Handvoll an der Zahl, um ihnen zu sagen, wie schlechtes um Springer stünde und daß das Schlimmste zu befürchten sei. Schnell hattesich herumgesprochen, daß es mit Axel Springer wohl zu Ende ginge.
Ob sie nach Hause gefahren werden wolle, hörte FriedeSpringer plötzlich eine Stimme hinter sich. Es war Volker Regensburger, der Hausarzt,mit dem sie ihren Mann am Tag zuvor ins Martin-LutherKrankenhaus nachBerlin-Grunewald gebracht hatte. »Ja, nach Hause«, wiederholte sie tonlos,folgte ihm zum Auto und stieg ein. Es war warm draußen, vom bevorstehendenHerbst keine Spur, immer noch Spätsommer, so, wie es den ganzen Septembergewesen war.
Sie fuhren schweigend über die Argentinische Allee nachWesten, hinaus aus dem Villenviertel. Der Wagen rollte weiter in Richtung Wannseeund steuerte durch den Wald auf die Halbinsel Schwanenwerder zu, auf der AxelSpringer sich und seiner Frau seine Berliner Villa hatte bauen lassen.
Niemand hatte Springers nahen Tod vorhergesehen oder gar erwartet,am wenigsten die, die ihm am nächsten standen. In der letzten Woche seinesLebens hatte er nur noch seine fünfte und letzte Ehefrau Friede zu sichgelassen. Und selbst sie, die Tag und Nacht bei ihm war, hatte nicht damit gerechnet,daß er sie so bald zurücklassen würde. Sie war zwar nicht mehr von seiner Seitegewichen und hatte natürlich gemerkt, daß sein Körper ihn zunehmend im Stichließ. Aber daß es so schnell zu Ende gehen würde?
Springer hatte in den vergangenen Monaten und Jahren immer wiederüber sein Testament gesprochen und über eine Zukunft des Verlages ohne ihn - Friedehatte, wie bei allem, was Axel Springer bewegte und beschäftigte, mitgedacht.Sie hatte ihn verstanden oder ihm zumindest das Gefühl gegeben. Aber sie hattenicht ernsthaft geglaubt, daß es schon in kürzester Zeit soweit sein könnte.Und auch Springer selbst hatte zwar im Sommer des Jahres 1985 seinen Nachlaßneu geordnet, allerdings nicht in der Annahme, damit die letzten Entscheidungenseines Lebens zu treffen. Er hatte sich mit dem Tod befaßt - und das nicht erstseit kurzem, sondern über Jahre. Er hatte unerschütterlich an ein Weiterlebenim Jenseits geglaubt und allein das Sterben gefürchtet. Dreiundsiebzig, das warkein Alter, um abzutreten. Schneller, als er es sich selbst vorstellen konnte,hatte er die Welt und seine junge Frau verlassen. Und irgendwie war sie nachall den Jahren an seiner Seite immer noch still und unauffällig und ein bißchenunbedarft. (...)
© 2005 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg
Interview mit Inge Kloepfer
„Duwirst das schon machen, Friede“ – mit diesen Worten übertrugAxel Springer seiner Ehefrau kurz bevor er starb die Geschäfte. Seitherleitet Friede Springer den mächtigsten Zeitungsverlag Deutschlands (u.a.„Bild“, „Welt“). Der FAZ-Journalistin Inge Kloepfergewährte die medienscheue Geschäftsfrau erstmals Einblick in ihrLeben.
Was war derAnlass für Sie, eine Biographie über Friede Springer zu verfassen?
Es war ihre Geschichte, dieser schierunglaubliche Aufstieg vom Kindermädchen zu einer der einflussreichstenFrauen Deutschlands. Ich glaube, Friede Springers Geschichte ist die (!)Frauengeschichte der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts.Ähnliche Geschichten mit einer gleichermaßen perfekten Dramaturgiewird es in Deutschland kaum geben.
Sie habenFriede Springer ganz persönlich kennen gelernt. Wie würden Sie sie inwenigen Worten beschreiben?
Friede Springerist sehr freundlich, außerordentlich verbindlich und sehr sachorientiert.Sie ist wenig auf sich selbst bezogen.
Alsfünfte und letzte Ehefrau des Zeitungsverlegers Axel Springer hat FriedeSpringer ihr eigenes Leben hinter dem ihres Ehemannes zurückgestellt.Empfinden Sie ein solches Verhalten aus heutiger Sicht als unemanzipiert?
Natürlichentspricht das nicht gerade dem Paradebeispiel an Emanzipation. IhreEmanzipation, oder besser Ihr Erwachsenwerden, kam erst viel später.
Als AxelSpringer 1985 starb, war Friede 43 Jahre alt. Wie gelang es der jungen Witwe,ihr Leben nach dem Tod ihres Ehemannes neu zu ordnen?
Letztlich hat ihrihre geradlinige Art geholfen, Ordnung in das Wirrwarr der verschiedenenInteressengruppen zu bringen. In ihrer offenen Art hat sie die Menschen um sieherum, die sie alle nicht richtig ernst genommen haben, in ganz entscheidendenMomenten entwaffnet.
VomKindermädchen zu einer der mächtigsten Frauen der deutschenMedienlandschaft: Welchen Einfluss kann Friede Springer als stellvertretendeVorstandsvorsitzende auf den Springer-Konzern nehmen?
Sie kannbestimmen. Denn sie vereinigt auf sich die absolute Mehrheit an demZeitungskonzern. Wenn sie etwas nicht möchte, wird es nicht geschehen. Siekönnte ganz direkt auf Ihre Blätter Einfluss nehmen oder auch auf dasManagement. Sie tut das aber nicht. Denn sie weiß, dass sich Kreativitätnur entfalten kann, wenn sie den Vorständen und Journalisten ihre Freiheitlässt.
FriedeSpringer ist eine der wenigen weiblichen Führungskräfte Deutschlands.Wie findet sie sich in der von Männern dominierten Medienlandschaftzurecht? Was macht Friede Springer zu einem Vorbild für erfolgreicheFrauen?
Mit ihrem Mut,immer wieder die eigene Angst zu überwinden, ist sie sicher vorbildhaft.Vielleicht auch in ihrer Art, sich selbst zurückzunehmen. Die meisten Fehler werden aus Eitelkeitgemacht. Aufgrund fehlender Eitelkeit ist sie vor solchen Gefahren relativgefeit. Vorbildhaft ist sicher auch, dass sie zu sich, ihrer Herkunft und ihrerVergangenheit steht. Sie hadert nicht mit dem Schicksal, sondern macht dasbeste daraus. Sie blickt nach vorn und nie im Zorn zurück.
Die Fragen stellte Natalie Stowasser / lorenzspringermedien
- Autor: Inge Kloepfer
- 2005, 1, 319 Seiten, mit farbigen Abbildungen, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 14 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Hoffmann und Campe
- ISBN-10: 3455094899
- ISBN-13: 9783455094893
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