Ganz oder gar nicht - meine Geschichte
Dann das Comeback 2003 mit dem spektakulären Zweikampf mit Lance Armstrong.
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Dann das Comeback 2003 mit dem spektakulären Zweikampf mit Lance Armstrong.
Ganz oder gar nicht von Jan Ullrich
LESEPROBE
Dieser erste Sieg verschaffte mir endgültig die Gewissheit,dass ich den idealen Sport gefunden hatte. Wenn ich auf meinem Rennrad saß,blieb nichts mehr übrig vom schüchternen Jan. Da war ich selbstbewusst,kämpferisch und ehrgeizig. Alle meine Wünsche hatten nun mit dem Radsport zutun, meine Freizeit war vollständig damit ausgefüllt. Ich ließ keine Trainingsstundebei Peter Sager mehr aus, zumindest nicht freiwillig.Sager war nicht besonders streng, aber wir legten unsins Zeug, als wäre er es gewesen. Eigentlich erstaunlich, denn Jungs in diesemAlter zusammenzuhalten und halbwegs zu disziplinieren ist keine leichte Sache.Peter Sager setzte auf die Schubkraft vonaufmunternden Worten und von Schokolade. Bei mir funktionierte das, denn ichliebte Schokolade. Mein - heute leider etwas belastetes - Verhältnis zurSchokolade begann schon außergewöhnlich früh in meinem Leben. Ich war geradezarte fünf Tage alt, und meine Mutter kam eben mit mir aus dem Krankenhaus, alsmir mein Bruder Stefan, sozusagen als Willkommensgruß, einenSchokoladenweihnachtsmann in den Mund stopfte. Stefan war erst zwei Jahre altund wollte einfach nur nett sein, aber es sieht ganz so aus, als wäre nun derSchuldige gefunden. Er hat mir meine Leidenschaft für Süßes regelrecht in dieWiege gelegt.
Peter Sager kam mir also sehrgelegen mit seiner Methode »Schokolade für Siege«. Ich gewann oft. DieMöglichkeiten für andere Prämierungen waren im Übrigen auch sehr begrenzt.Geld? Neue Handschuhe? Eine coole Brille? Gab es nicht. Aber ich strengte michauch so an. Vielleicht sogar deshalb, weil ich meinen Trainer nicht enttäuschenwollte. Ich mochte ihn einfach wegen seiner ruhigen, väterlichen Art. Nie wurdeer ausfallend oder laut. Mein nächster Trainer, Peter Becker, sollte da voneinem ganz anderen Kaliber sein. Aber das war Jahre später.
In der fünften Klasse trainierten wir dreimal in der Woche,in der sechsten viermal und in der siebten Klasse fünfmal. Dazu kamen amWochenende die Rennen und in den Schulferien die Trainingslager. Mit elfJahren bin ich 2.500 Kilometer in einer Saison gefahren, mit 13 schon dasDoppelte'. Da war es nicht verwunderlich, dass ich Probleme in der Schulebekam. Der Unterricht wurde immer mehr zur Nebensache, was meine Mutternatürlich nicht akzeptieren konnte. Als ich wieder einmal keine Hausaufgabengemacht hatte und mit einer Mahnung aus der Schule nach Hause kam, gab esÄrger. »Du darfst dir ein paar Nachmittage lang überlegen, wie das in derSchule weitergehen soll«, schimpfte sie. »Dein Training kannst du erst einmalvergessen'.« Ärgerlich schmiss ich die Tür zu. Während die anderen draußentrainierten, saß ich alleine in der Wohnung. Vor lauter Wut zog ich StefansSpikes an und lief unseren Flur auf und ab. Die Nägel in der Sohle, mit denenman sich auf der Laufbahn besser abstoßen kann, hinterließen auf unseremweichen Linoleum-Belag ein tolles Lochmuster. Meine Mutter war außer sich, alssie das am Abend sah. Und natürlich verlängerte sie die Trainingssperre um einpaar Tage. Ich tat so, als würde mir das nicht das Geringste ausmachen. Wennich wollte, konnte ich unglaublich bockig sein. »Mir doch egal'.« Peter Sager war mein Retter. Als ich zwei Tage beim Traininggefehlt hatte, besuchte er meine Mutter und versuchte zu schlichten: »Daskannst du nicht machen, Marianne, mit dieser Strafe triffst du den Jungen ander falschen Stelle. Sei doch froh, dass er so gerne zu mir kommt.« MeineMutter konnte diesen trotzigen Bengel ohnehin nicht mehr ertragen. »Haut bloßab«, sagte sie lachend.
Sie hat mir danach nie wieder das Training verboten. Eigentlichfand sie es doch gut, dass wir so sportbesessenwaren.
© Ullstein Buchverlage GmbH
Autoren-Porträt von Jan Ullrich
Jan Ullrich ist der erfolgreichste deutsche Radsportleraller Zeiten. 1973 in Rostock geboren, wuchs er zusammen mit zwei Brüdern beiseiner Mutter in Papendorf auf. Sein Talent wurde früh erkannt und gefördert.Mit 23 Jahren gewann er als erster und einziger Deutscher die Tour de France.Es folgten Siege bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und derSpanien-Rundfahrt. Ullrich wurde aber auch wegen Tablettenmissbrauchs gesperrt,erlebte eine große persönliche Krise und kehrte nach einem Jahr sportlicherAbstinenz erst 2003 wieder auf die internationale Bühne zurück. Zusammen mitseiner Lebenspartnerin und seiner kleinen Tochter lebt Jan Ullrich in Scherzingen am Schweizer Ufer des Bodensees.
Interview mit Hagen Boßdorf
Als Sportjournalist begleiten SieJan Ullrichs Karriere bereits seit Jahren. Darüber hinaus kennen Sie ihn auchpersönlich. Kam die Idee zu "Ganz oder gar nicht - meine Geschichte"von Ihnen oder von Jan Ullrich selbst?
Die Idee kam von Jan Ullrich. Er sprach mich im Herbst desvergangenen Jahres an, ob ich bereit wäre, mit ihm ein solches Projektumzusetzen.
Wie war die Zusammenarbeit mit JanUllrich? Er gilt ja als eher introvertiert, hat Ihnen aber dennoch intimeDetails aus seinem Leben geschildert, beispielsweise, dass er ohne Vateraufgewachsen ist.
Wir haben im Winter mehrere Wochen zusammen verbracht. Daswar zum einen in seinem Wohnort, in Scherzingen inder Schweiz. Zum anderen habe ich ihn im Trainingslager in der Toskana besucht.Bei diesen Treffen hat er sehr offen mit mir gesprochen - auch über ganzprivate Dinge. Zum Beispiel erzählte Jan Ullrich von seinem Vater, der dieFamilie früh verlassen hat und dem er in späteren Jahren nur noch einmalbegegnet ist.
Jan Ullrich ist nicht nur einAusnahmesportler. Er erfüllt alle Bedingungen, um ein wirklicher Star zu sein.Ullrich ist eine Ikone des Sports, ein Held, der ganz oben stand, gestraucheltist und sich wieder aufgerappelt hat. Wie würden Sie seine persönlicheEntwicklung seit dem Tour-Sieg 1997 beschreiben?
Er ist natürlich sehr gereift in dieser Zeit, nicht nurdurch die sportlichen Erfolge, sondern auch durch die sportlichen Misserfolge.Andererseits ist er sehr gereift, als er 2002 seine Krise durchlebt hat. Undnatürlich war auch das Jahr 2003 sehr wichtig für ihn, als er sein Comebackfeierte und Vater wurde.
Es kann gar keinen Zweifel geben, dass Jan Ullrich zu dengroßen Favoriten der diesjährigen Tour zählt. Seit seinem Sieg in der Schweizweiß er, dass er zu einem ernsthaften Herausforderer von LanceArmstrong werden kann. Dabei kommt ihm entgegen, dass die Entscheidungen in denBergetappen und im Einzelzeitfahren erst in der letzten Woche fallen. Zu diesemZeitpunkt hat er mit Sicherheit sein Idealgewicht.
Werden Sie in diesem Jahr auchwieder live kommentieren? Und wie bereiten Sie sich auf so ein Großereignis wiedie Tour de France vor?
Ja, ich werde auch in diesem Jahr wieder bei der Tourdabei sein. Als Live-Reporter der ARD hat man natürlich sein Archiv mit allensportlichen Informationen, aber auch mit dem kulturellen und historischenHintergrund. In den Wochen vor der Tour bemühe ich mich, alle Informationenüber Fahrer und Mannschaften auf den neuesten Stand zu bringen. Und währendeiner langen Etappe hat man verschiedenste Quellen: das Rennen selbst, dasArchiv und das eigene Erinnerungsvermögen.
Die Fragen stellteMathias Voigt, literaturtest.de.
- Autor: Jan Ullrich
- 2004, 299 Seiten, mit farbigen Abbildungen, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Mit Hagen Boßdorf
- Verlag: ECON
- ISBN-10: 3430192315
- ISBN-13: 9783430192316
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