Ganz schön mutig!
Für Katrin ist der Mittwoch der schlimmste Tag in der Woche, denn da steht Sport auf dem Stundenplan und sie fürchtet sich so sehr vor dem Bockspringen. Alle nennen sie schon Feigling, ist sie denn wirklich einer? Durch Zufall...
Für Katrin ist der Mittwoch der schlimmste Tag in der Woche, denn da steht Sport auf dem Stundenplan und sie fürchtet sich so sehr vor dem Bockspringen. Alle nennen sie schon Feigling, ist sie denn wirklich einer? Durch Zufall erfährt sie, daß einer ihrer Schulkameraden das gleiche Problem hat. Jetzt üben sie immer gemeinsam. Und sogar ihre beste Freundin, die sie für so stark gehalten hatte, fürchtet sich vor etwas, nämlich vor der Dunkelheit. Was für eine Erleichterung, daß alles nur halb so schlimm ist, wenn man mit jemandem darüber spricht.
Das allerbeste Apfelmus
Betsy hat noch nie etwas selbstständig gemacht. Doch dann entdeckt sie, was mit Tatkraft und Fantasie alles zu ereichen ist. An ihrem zehnten Geburtstag vollbringt Betsy eine solche Heldentat, dass sogar die strenge Kusine Ann überrascht ist!
Ganz schön mutig! von Dorothy CanfieldFisher und Liz Bente L. Dæhli
LESEPROBE
Tante Harriet hat Husten
Am Anfang unserer Geschichte warElizabeth
Ann, die Hauptperson, ein kleinesMädchen von
neun Jahren, das bei seinerGroßtante Harriet in einer
mittelgroßen Stadt in einemmittelgroßen Staat in
Nordamerika lebte; mehr braucht ihrüber den Ort
nicht zu wissen, er ist weiter nichtwichtig für die Geschichte,
und außerdem könnt ihr ihn euchsicher
ganz gut vorstellen, denn er sahwahrscheinlich eurer
eigenen Stadt sehr ähnlich.
Großtante Harriet war Witwe, nichtsehr reich, aber
auch nicht sehr arm, und sie hatteeine Tochter, Frances,
die kleinen Mädchen Klavierstunden gab. Zur Familie
gehörte noch ein »Mädchen«, dasGrace hieß
und schrecklich unter Asthma littund überhaupt gar
kein richtiges »Mädchen« war, dennsie war eher fünfzig
als vierzig. Tante Harriet, die einsehr zart fühlendes
Herz besaß, mochte ihr nichtkündigen, weil sie
wusste, dass Grace wegen ihrer Husterei keine andere
Stellung finden würde; ihr Keuchenhörte man im
ganzen Haus. Jetzt kennt ihr alsodie Namen der Familienmitglieder.
Und so sahen sie aus: Tante Harriet
war sehr schmächtig und dünn undalt, Grace war
sehr schmächtig und dünn und mittelalt, Tante Frances
(Elizabeth Ann nannte sie »Tante«,dabei war sie
in Wirklichkeit natürlich eineKusine um die Ecke)
war schmächtig und dünn und nochjung, jedenfalls
bei nicht zu heller Beleuchtung, undElizabeth Ann
war sehr schmächtig, dünn und rechtklein für ihr
Alter. Und doch hatten alle genug zuessen. Was war
bloß los mit ihnen?
Keinesfalls könnte man behaupten,dass sie es nicht
gut meinten, denn nirgendwo auf derWelt gab es so
herzensgute Frauen wie sie. Ihr habtgehört, dass
Tante Harriet Grace bei sich behielt(obwohl Grace
ihr sehr auf die Nerven fiel), weilsie Asthma hatte;
und als Elizabeth Anns Vater undMutter starben, als
sie ein Baby war, da stürzten sichdiese beiden Frauen
sozusagen auf die kleine Waise -obgleich genug
andere Verwandte da waren -, nahmensie mit nach
Hause und umgaben sie fortan mit derwärmsten Fürsorge.
Sie sagten sich, es sei ihre Pflichtund Schuldigkeit,
das arme kleine Ding vor den anderenKusinen
und Tanten und Onkel zu schützen,die keine Ahnung
hatten, wie man ein zartes,empfindliches Kind aufziehen
müsse. Denn sie waren sicher, so wieElizabeth
Ann mit sechs Monaten aussah, dasssie ein zartes,
empfindliches Kind werden würde. Esist auch möglich,
dass ihr Leben etwas leer war unddass sie sich in
ihrem kleinen Backsteinhaus ziemlichlangweilten.
Aber sie glaubten, dass siehauptsächlich das Kind des
lieben Edward vor der anderenVerwandtschaft bewahren
wollten, vor allem vor den Putneys, die von
ihrer Farm in Vermont ausgeschrieben hatten, dass
sie gern das kleine Mädchen in ihreFamilie aufnehmen
würden. Tante Harriet mochte dieVermont-Verwandten
nicht. Sie pflegte zu sagen: »Alles,nur nicht
die Putneys!«Sie hatte sich eine feste Meinung über
sie gebildet: Stur waren sie,kaltherzig, nüchtern, ein
harter Schlag von Neuengländern.»Ich habe mal
einen Sommer dort in der Näheverbracht, als du noch
ein Baby warst,Frances, und ich werde nie vergessen,
wie sie Kinder behandelten, die dortzu Besuch kamen!
O nein, sie wurden nicht gerademisshandelt
oder geschlagen aber so wenigVerständnis, so eine
Missachtung des kindlichen Gemüts Nein, das vergesse
ich nie! Die Kinder mussten schuftenwie Tagelöhner!«
Tante Harriet hatte natürlich niedie Absicht, so
etwas vor Elizabeth Ann hören zulassen, aber die Ohren
des kleinen Mädchens waren soscharf, wie die
Ohren kleiner Mädchen immer sind,und längst bevor
sie neun Jahre alt war, kannte sieTante Harriets Meinung
über die Putneys.Sie wusste zwar nicht, was
»Tagelöhner« waren, aber sie entnahmder Stimme
Tante Harriets, dass das etwas sehrSchreckliches sein
musste.
Ganz sicher waren weder TanteHarriet noch Tante
Frances hart und kalt im Umgang mitder kleinen Elizabeth
Ann. Sie hatten sich ihrer neuen Verantwor-
tung mit Leib und Seele verschrieben,besonders
Tante Frances, die überausgewissenhaft war. Kaum
war das Baby im Haus, da hörte TanteFrances auf,
Romane und Zeitschriften zu lesen.Stattdessen studierte
sie ein Buch nach dem anderen überKindererziehung.
Sie trat einem Mütterverein bei, dersich
einmal in der Woche versammelte. Siebelegte einen
Briefkurs einer Schule in Chicago,die Kindererziehung
per Post lehrte. Ihr seht also, dassTante Frances
zu der Zeit, als Elizabeth Ann neunJahre alt war, eine
ganze Menge über Kindererziehung wissenmusste.
Und Elizabeth Ann hatte den Vorteildavon.
Tante Frances sagte immer, sie unddas kleine Mädchen
seien »einfach unzertrennlich«. Sienahm an
allem teil, was Elizabeth Ann tat.Auch an ihren Gedanken,
denn sie hatte sich vorgenommen,Elizabeth
Ann bis auf den Grund ihrer kleinenSeele völlig zu
verstehen. Tante Frances meintenämlich (tief auf dem
Grund ihrer eigenen Seele), ihreMutter habe sie nie
wirklich verstanden, und sie wollte es beiElizabeth
Ann besser machen. Außerdem liebtesie das kleine
Mädchen von ganzem Herzen undwünschte nichts
sehnlicher, als sie vor allem Übelzu beschützen und
sie glücklich und stark und gesundzu erhalten.
Dennoch war Elizabeth Ann weder sehrstark noch
sehr gesund. Und was dasGlücklichsein betraf, so
könnt ihr selbst urteilen, wenn ihrdiese Geschichte
gelesen habt. Sie war sehr zart fürihr Alter und hatte
ein ziemlich blasses Gesicht undgroße dunkle Augen,
in denen ein ängstlicher,sehnsüchtiger Ausdruck lag,
der Tante Frances ans Herz ging undsie veranlasste,
sich nur noch mehr um sie zu sorgen.Tante Frances
hatte selbst vor vielem Angst unddarum konnte sie
Elizabeth Anns Ängstlichkeitmitempfinden. Sie war
immer gleich da, um das kleineMädchen mit ganzer
Kraft zu beruhigen, wenn esirgendetwas zum Fürchten
gab. Wenn sie spazieren gingen(Tante Frances
ging jeden Tag mit ihr um den Block,ohne Rücksicht
auf ihre eigene Müdigkeit nach denKlavierstunden),
so waren die Augen der Tante stetsauf dem Sprung.
Kam etwa ein großer Hundherangetrottet, sagte Tante
Frances hastig: »Ruhig, ganz ruhig,Herzchen! Das ist
ein liebes Hundchen,bestimmt. Ich glaube nicht, dass
er kleine Mädchen beißt Himmel! ElizabethAnn,
geh nicht so nah heran! - Hier,Liebling, komm auf
Tante Frances andere Seite, wenn dubange bist« (zu
diesem Zeitpunkt war sie schonhübsch bange), »vielleicht
sollten wir lieber um die Ecke gehenund in die
andere Richtung.« Ging zufällig derHund auch in
diese Richtung, wurde Tante Francesein Wunder an
Tapferkeit und Beschützermut,versteckte das zitternde
kleine Mädchen hinter sich, drohte dem Untier
mit dem Schirm und sagte mitzitternder Stimme:
»Geh weg, du! Geh weg!« Oder wenn esdonnerte
und blitzte, dann ließ Tante Francessogleich alles stehen
und liegen, womit sie geradebeschäftigt war, und
nahm Elizabeth Ann fest in die Arme,bis das Unwetter
vorüber war. Und bei Nacht -Elizabeth Ann
schlief nicht sehr gut -, wenn daskleine Mädchen
schreiend aus einem Albtraumerwachte, dann war
immer Tante Frances zur Stelle,setzte sich, mit einem
warmen Morgenrock angetan, ans Bettund hielt das
schluchzende Kind fest an ihre magere Brustgedrückt.
»Komm, erzähl Tante Francesalles von deinem
bösen Traum, Liebling«, flüstertesie, »damit du
ihn von der Seele hast!«
Sie hatte in ihren Büchern gelesen,dass Träume eine
Menge über das Innenleben vonKindern verraten,
und sie fürchtete, dass dassensible, nervöse Geschöpfchen,
wenn es nicht alles ausspräche,»wach liegen
und darüber grübeln« würde. DiesenAusdruck pflegte
sie am nächsten Tag ihrer Muttergegenüber zu benutzen,
wenn Tante Harriet die Blässe unddie dunklen
Ringe unter Tante Frances Augenbeklagte. So
lauschte sie also geduldig, währenddas kleine Mädchen
alle Einzelheiten der schrecklichenTräume berichtete
- die großen Hunde mit riesigenroten Mäulern,
die sie verfolgten, die Indianer,die sie skalpierten,
das Schulhaus, das in Flammen stand Manchmal
geriet Elizabeth Ann so in Fahrt,dass sie gar nicht aufhören
konnte und noch schrecklichere Dingeerfand
als die geträumten. Diese Träume undFortsetzungen
von Träumen schrieb Tante Francesgleich am nächsten
Morgen auf und gab sich große Müheherauszufinden,
was in der Seele ihres Schützlingsvorging.
Um Viertel nach acht an jedemWerktag nahm Tante
Frances Elizabeth Anns kleine,magere Hand in die
ihre und geleitete sie durch diegeschäftigen Straßen
zur Schule. Es war ein großesBacksteingebäude, vier
Stockwerke hoch, und wenn alleKlassen anwesend
waren, gab es sechshundert Kinderunter diesem
einen Dach. Ihr könnt euchwahrscheinlich den
Krach auf dem Schulhof vorstellen!Elizabeth Ann
graute sich davor mit ganzer Seeleund klammerte sich
noch fester an Frances Hand,während sie durch die
kreischende Horde tobender Kindergeführt wurde.
Oh, wie froh war sie, dass sie TanteFrances hatte, die
sie beschützte! Freilich schienniemand von dem kleinen
Mädchen überhaupt Notiz zu nehmen.Ihre eigenen
Klassenkameraden hätten kaumgemerkt, ob sie
zur Schule kam oder nicht. TanteFrances führte sie
sicher durch die Hölle desSchulhofes, dann die
hohen, breiten Treppen hinauf undschob sie gewissenhaft
durch die Klassentür, wie eine Taubein den Taubenschlag.
Elizabeth Ann war in der drittenKlasse -
3A, das ist schon beinah die vierte,wisst ihr. ( )
© Omnibus Verlag
Übersetzung: Ilse Wiegand undGabriele Haefs
- Autoren: Liz B. L. Daehli , Dorothy Canfield Fisher
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2006, 253 Seiten, Maße: 13,5 x 19,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 3570216543
- ISBN-13: 9783570216545
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Ganz schön mutig!".
Kommentar verfassen