Gazprom
Gazprom: größter Erdgasproduzent der Welt. Deutschland: wichtigster Abnehmer für russisches Gas. Das schafft Abhängigkeiten. Ein brisanter Report über den Gazprom-Konzern, Putins Machenschaften und die Gefahren, die aus der Anbindung an Gazprom für uns entstehen.
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Gazprom: größter Erdgasproduzent der Welt. Deutschland: wichtigster Abnehmer für russisches Gas. Das schafft Abhängigkeiten. Ein brisanter Report über den Gazprom-Konzern, Putins Machenschaften und die Gefahren, die aus der Anbindung an Gazprom für uns entstehen.
Präzise zeichnen Panjuschkin und Sygar, die für ihre unbequemen Reportagen bekannt sind, die Anatomie des Konzerns und seiner Strukturen nach. Sie erzählen von mafiosen Machenschaften, vom Schmierstoff, den Gas im politischen Geschäft Russlands bildet, von Erpressungen und dem deutschen Netzwerk des Konzerns.
Und sie decken auf: Der Missbrauch von Gazprom zu machtpolitischen Zwecken droht eine Energiekrise ungekannten Ausmaßes heraufzubeschwören. Die Stabilität Russlands und damit die Sicherheit Deutschlands und Westeuropas stehen auf dem Spiel ...
Gazprom - Das Geschäft mit der Macht von Waleri Panjuschkin und MichailSygar
LESEPROBE
10. Kapitel
Auf in denWesten!
Gas-Husaren
Am 9.Dezember 2005 gab es in dem Städtchen Babajewo imGebiet Wologda ein Fest. Das feierten hohe Gäste, dievon fern angereist waren. Für die Bewohner war es eher eine Katastrophe. Andiesem Tag wurde hier an der Gasleitung Grjasowez-Wyborg,dem ersten Stück der Leitung Nord Stream, über dieunter Umgehung aller bisherigen Transitländer Gas aus Russland nach Deutschlandgepumpt werden soll, die erste Naht geschweißt. Korrespondenten der staatlichenrussischen Fernsehsender waren schon seit einer Woche vor Ort, hatten dienötigen Stand-ups vor dem Hintergrund der Rohrleitunggefilmt und dazu mit bewegter Stimme feierliche Texte in die Kamerasgesprochen. Am festgesetzten Tag wurden Gazprom-ChefAlexej Miller, der Ministerpräsident der Russischen Föderation, Michail Fradkow, der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik,Michael Glos, sowie die Chefs von Eonund BASF herantransportiert. Da die Temperatur schon auf 30 Grad unter Null gesunkenwar, erschienen die hohen Gäste in riesigen Fellmützen, den Schapkas,um sich nicht die Ohren abzufrieren. Der feierliche Schweißakt begann. DieGäste wurden in Reih und Glied aufgestellt; dann gab Alexej Miller das Zeichen:
»Los!«
»DasSchweißgerät sprang an und verstummte gleich wieder «, erinnert sich Sergej Below, der stellvertretende Direktor der Montagefirma, dieden Festakt zu vollziehen hatte. »Es dauerte 37 Sekunden, bis das Ersatzgerätfunktionierte. So lange setzte mein Herz aus. Dann wurde die Naht doch noch gelegt.«
Michail Fradkow, Alexej Miller und die übrigen hohen Herrensignierten das Rohr, dann begaben sich Bauleute und Gäste in ein vorgeheiztes Zelt, wo gedeckte Tische auf sie warteten. DasProjekt sollte begossen werden. Nur die Korrespondenten hatten anderes zu tun.Man führte sie zu Alexej Miller, der ihnen eine wichtige Nachricht servierte:»Den Vorsitz im Aktionärsrat der Firma, die die Gasleitung Nord Stream nach Deutschland baut, wird Altkanzler GerhardSchröder übernehmen.« Aufgeregt stürzten die Reporterdavon, um ihre vorgefertigten Berichte zu korrigieren.
Am nächstenTag, als die Gäste fort waren, wurde das Demonstrationsmuster der verschweißtenRohre in ein Lagerhaus geschafft, und die eigentliche Arbeit an der Gasleitung begann.Die Bauleute hatten Glück. Dieser Winter brachte ihnen strengen Frost. Ohne densind die Gegenden im Gebiet Wologda und imLeningrader Gebiet, wo die Trasse verlaufen soll, nichts als unwegsamer Sumpf.Schwere Technik kann dorthin nur gebracht werden, wenn der Boden tief gefrorenist.
»In derwarmen Jahreszeit kommen wir hier nur durch, wenn wir Knüppeldämme ausBaumstämmen in mehreren Schichten übereinanderlegen.Ein falscher Schritt nach links oder rechts, und man versinkt im Sumpf.« Sergej Below führt es uns vor.»Ich lege schon dreißig Jahre lang Rohrleitungen, aber so schwierigenUntergrund hatten wir noch nicht. Andererseits: Normal geht es bei unseigentlich nie zu. Wir haben die Wahl zwischen Sumpf oder steinhartemFrostboden, etwas anderes gibt es nicht.«
An seinem Bauabschnittzwischen Grjasowez und Tichwinliegt die Leitung bereits. Jetzt führt seine Firma mit Fachleuten vom TÜV ausDeutschland Wasserdruckproben durch. In die Leitung wird Wasser gepumpt unddann der Druck erhöht, um zu prüfen, ob sie dicht ist.
»Laut Planwaren zwei Jahre Bauzeit vorgesehen. Aber dann hat die Partei gesagt: DieLeitung muss in einem Jahr fertig sein! Da haben wir uns eben angestrengt unddas Ding in einem Jahr gebaut.«
»Die Partei- das ist Gazprom?«
»Na, werdenn sonst?«
Wir fahrendie Leitung entlang. Der Wald ringsum aus dünnen Kiefern ist so dicht, dasskein Durchkommen zu sein scheint. Hasen springen über den Weg. Im letztenMoment fliegen Bachstelzen auf. Wir erreichen den Fluss Kolp.
»Hiernehmen wir das Wasser für die Tests her. Unterqueren mussten wir den Flussnatürlich auch«, berichtet Below.
»Gibt esdenn da noch Fische drin?«, fragen wir mit einem wehmütigenLächeln.
»Fische?Unsere Leute angeln hier jede Menge - Äschen, Karpfen, Bleie, Welse « Below belebt sich sichtlich. »Hier ist die Tierwelt noch inOrdnung. Nachts kommen Elche und jagen den Wächtern einen Schrecken ein. DieseWoche hat uns sogar eine Bärin mit ihren Jungen besucht. Die haben sich schonfast an uns gewöhnt. Wir lassen sie in Ruhe, und sie tun uns nichts. Auch mitden Anwohnern kommen wir gut aus. In diesem Sommer haben wir schon dreiHochzeiten gefeiert: Unsere Jungs lernen Mädchen von hier kennen und gründeneine Familie.«
»Diereinsten Husaren!«
»Genau.Gas-Husaren!«
In derRegel wohnen die Bauleute in der Nähe der Gasleitung in Camps aus Wohnwagenoder »Fässern«, das sind Hütten in Form eines großen liegenden Fasses. Siehaben ihre Familien dabei und verbringen auf diese Weise oft mehrere Jahre,solange der Leitungsbau eben dauert. Die Kinder gehen in die nächsteDorfschule. Ist ein Bauabschnitt fertig, zieht das ganze Lager mit Fässern,Bauleuten und Familien um. Für die Kinder wird am neuen Standort wieder eineSchule gefunden.
Man nenntsie »Kinder der Trasse«. Viele werden an der Gasleitung groß und gehen spätermeist auch zu Gazprom.
»Ich binselber so ein Fall«, berichtet uns Leonti Wareza. »Mein Vater hat in Nadymgearbeitet. Bis zur neunten Klasse habe ich in einem Fass gewohnt. Manchemeiner Freunde haben zehn- bis fünfzehnmal die Schulegewechselt. Das galt damals als normal.« Heutearbeitet Leonti bei Lentransgas.Und damit auch beim Bau der Gasleitung Grjasowez-Wyborg.
Mit Leonti fahren wir die Trasse der künftigen Gasleitung ab.Im Leningrader Gebiet ist noch viel zu tun. Mit Entsetzen erinnert sich Leonti an den letzten Winter, der viel zu mild war. Wennjetzt nicht bald strenger Frost kommt, wird es schwer, die Leitung bis zumTermin durch die Sümpfe zu legen.
Einweiteres Problem für die Bauleute sind im Leningrader Gebiet Blindgänger ausder Kriegszeit. Andauernd stoßen sie längs der Trasse auf nicht explodierteGranaten. Vor sechzig Jahren war die Gegend heftig umkämpft. Von 1942 bis 1944 lagLeningrad unter deutscher Blockade. Die Bewohner hungerten. Nahrungsmittelkamen nur über die »Straße des Lebens« durch die Sümpfe im Osten in die Stadt.Heute wird fast genau entlang dieser legendären Lebenslinie eine Leitung gebaut,die Gas nach Deutschland transportieren soll.
Über Landwird die Leitung bis zur Portowaja-Bucht bei Wyborggeführt, drei Autostunden von St. Petersburg entfernt. Dort stößt man schon aufdie ersten Wegweiser nach Helsinki. Kurz hinter Wyborg ist die finnischeGrenze. Die Stadt selbst gehörte bis zum »Winterkrieg« von 1940 zu Finnland undhieß damals Viipuri.
Wir lassenWyborg hinter uns und biegen wenige Kilometer vor der Grenze in den Wald ab. Indieser Gegend soll in Kürze eine der größten Kompressorstationen Europas entstehen.Sie wird das Gas aus der Überlandleitung Grjasowez-Wyborg,die hier endet, in die Unterwasserleitung Nord Streampumpen, die hier ihren Anfang nimmt. Im Moment ist von Bauarbeiten weit undbreit noch nichts zu sehen. Wir kurven im Wald umher und schauen auch in diehübschen Dörfchen. Kein Mensch weiß hier, wo die Portowaja-Buchtliegt und was dort gebaut werden soll. Längs der Waldwege stößt man andauerndauf überwachsene Schützengräben und Unterstände aus der Kriegszeit. Ob sieRussen, Finnen oder Deutsche hinterlassen haben, ist nach sechzig Jahren nicht mehrzu unterscheiden.
Endlicherreichen wir die Küste des Finnischen Meerbusens.
»Das istdie Portowaja-Bucht!« Leonti ist sich sicher. »Hier werden wir bauen. Von hier fließtdas Gas nach Europa. Machen Sie Fotos, so herrliche Natur wird es bald nichtmehr geben. Als Erstes werden wir sprengen müssen, denn der Untergrund istfelsig. Anders bekommen wir die Steine nicht weg. Und dann fangen wir an zubauen.«
Während wirreden, malt der Fotograf von Gazprom den Schriftzugder Firma mit Farbe auf die umliegenden Felsbrocken, die bald gesprengt werden.Dann ziert auch den Strand das Firmenlogo. Erst jetzt beginnt er zu fotografieren.Die Wellen spülen den Schriftzug bald wieder fort.
© VerlagsgruppeDroemer Knaur
- Autoren: Waleri Panjuschkin , Michail Sygar
- 2008, 304 Seiten, Maße: 12,5 x 20,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Unter Mitarb. v. Irina Mesnik
- Übersetzer: Helmut Ettinger
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426274523
- ISBN-13: 9783426274521
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