Gefährliche Fundsache
Ausgezeichnet mit dem Edgar Allan Poe Award, 2004
Ein Verrückter plant einen Mord. Das ist alles, was Duncan weiß, denn er hat dessen Notizbuch gefunden. Der Name des Täters: Unbekannt. Das Opfer: Unbekannt. Klar ist: Die Zeit läuft gegen Duncan...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Gefährliche Fundsache “
Ein Verrückter plant einen Mord. Das ist alles, was Duncan weiß, denn er hat dessen Notizbuch gefunden. Der Name des Täters: Unbekannt. Das Opfer: Unbekannt. Klar ist: Die Zeit läuft gegen Duncan...
Klappentext zu „Gefährliche Fundsache “
Ein Verrückter plant einen Mord. Das ist alles, was Duncan weiß, denn er hat dessen Notizbuch gefunden. Der Name des Täters: Unbekannt. Das Opfer: Unbekannt. Klar ist: Die Zeit läuft gegen Duncan ...
Lese-Probe zu „Gefährliche Fundsache “
Ein echter Albtraum.Ich maloche im Fundbüro der Toronter Verkehrsbetriebe.
Von neun bis fünf.
Von Montag bis Freitag.
Jeden Tag rückt der Tod scheibchenweise etwas näher.
Meine Strafe dauert zwei Monate lang, von Juli bis Ende August. Ich hätte ja gern bis September zu Hause abgehangen, aber Dad hat sich den Arsch aufgerissen - seine Worte! -, um mich hier unterzubringen. Wenigstens muss ich keine Uniform tragen wie mein Kumpel Wayne drüben im Burger-Land. Wayne will das Teil am Labor Day, am ersten Montag im September, verbrennen - die Uniform, nicht den Schuppen -, bevor wir unser letztes Jahr an der Highschool absitzen.
Ich bin also gegen meinen Willen hier, ein politischer Gefangener von einem kapitalistischen Unterdrücker, alias Dad.
Als Erstes eine genaue Ortsbeschreibung.
Um hierher zu kommen, muss man zum U-Bahnhof Bay gehen und den Fahrstuhl bis zur untersten Etage nehmen. Am Ende des Korridors links erreicht man die Tür mit dem Schild "Fundbüro".
Vorn am Tresen sitzt mein Aufseher Jacob und trägt all den verlorenen Krempel, der in Bussen und U-Bahnen aufgesammelt wird, in Listen ein. Stellt euch einen abgeschlafften Fußball vor und daran die zwei behaartesten Ohren, die ihr je gesehen habt: Dann habt ihr ein Bild von Jacob. Hinter dem Tresen gibt es einen Irrgarten von Regalen, eine Reihe hinter der anderen, wo sich auf lauter verstaubten Borden das verlorene Zeug stapelt.
Ich probiere gerade eine schwarze Lederjacke an, als die Klingel vorn am Tresen bimmelt. In einer Woche erlischt die Aufbewahrungsfrist für die Jacke und danach wird sie in meinem Kleiderschrank als Teil der Duncan-Garderobe auftauchen.
Einmal Bimmeln bedeutet, Jacob braucht mich, damit ich etwas für ihn suche. Zweimal Bimmeln bedeutet Beeilung. Dreimal - irgendwas sehr Unangenehmes.
Als ich hinkomme, fragt Jacob eine alte Frau, wie das Wetter oben ist. Wenn man jeden Tag acht Stunden in dieser Gruft verbringt, vergisst man leicht, dass draußen noch
... mehr
die Sonne scheint.
"Sie sagen, es soll heute noch 40 Grad werden", erzählt die Frau. "Keine Wolke am Himmel."
Jetzt hat es schon seit sechs Wochen nicht mehr geregnet. Eine richtige Hitzewelle. Aber hier unten kriegst du nichts davon mit. Die Stadt könnte total zerbombt werden und wir würden immer noch den alten Krempel sortieren.
"Duncan, wir suchen eine Brille", sagt Jacob zu mir. "Silbernes Gestell. Gleitsichtgläser." Ich seufze.
"Geht klar. Aber es kann etwas dauern."
Brillen stehen unter den ersten vier auf der Liste der meistverlorenen Gegenstände, zusammen mit Schirmen, Handys und Büchern.
Ich bin der Springer, der die Sachen suchen muss. Jacob ist der, der sitzen bleibt.
Ich weiß nicht, wer vor mir diesen Job hatte - keine Ahnung, ob es überhaupt jemanden gab -, aber dieser Raum ist ein einziges Chaos. Die Vorschrift besagt, dass die Sachen drei Monate lang aufbewahrt werden müssen. Auf jedem Gegenstand klebt ein Zettel mit dem Verfallsdatum der Frist. Alles, was nicht abgeholt wird, kommt in Kisten und wird vierteljährlich auf dem Flohmarkt des CVJM verhökert. Aber wenn man genauer hinschaut, findet man Zeug, das seit zwei Jahren oder noch länger hier liegt. Neulich erst hab ich einen Pullover von einem der oberen Regalbretter gezogen und der Staub wirbelte rum wie Schneeflocken.
Verlorene Gegenstände werden in Kategorien eingeteilt. Alle Jacken sind zusammen, auch mein schwarzes Lederschmuckstück ist dabei. Dutzende von Schirmen liegen auf einem Haufen, genug Regenschutz auch noch für den letzten Floh auf Noahs Arche. Es gibt eine ganze Bibliothek vergessener Bücher, die kaum noch Platz auf den Regalen hat. Und es gibt zwei Kartons mit Brillen, einen für Sonnenbrillen und einen für normale. Ich wühle.
Die vielen verschiedenen Sorten faszinieren mich: von geschliffenen Schwimmbrillen auf Krankenkassenrezept über die dicken schwarzen Gestelle für Klugscheißer bis hin zu den Sonderanfertigungen für alte Damen mit Kettchen an den Bügeln zum Um-den-Hals-hängen. Ich finde eine Brille wie die, die sie beschrieben hat: Gleitsichtgläser und silberfarbenes Gestell. Ich halte sie hoch und schaue durch die Gläser: Sie vergrößern so stark, dass man die Haare auf einem Fliegenpopo zählen könnte.
"Das ist sie", sagt die alte Frau, nachdem sie sie aufprobiert hat.
Jacob lässt sie in seinem Buch ihre Fundsache bestätigen, als ob die Brille kostbarer wäre als der Dollar, den sie auf dem Flohmarkt einbringen würde.
"Ich bin ohne die Brille völlig verloren", sagt sie. "So blind bin ich, dass ich erst auf halbem Weg hierher gemerkt habe, dass ich mein Gesicht mit Handcreme statt mit Sonnencreme eingecremt hatte. Ich spüre schon den Sonnenbrand."
Jacob nickt. "Genau. Mit dem Ozonloch und der Erderwärmung ist die Sonne nicht mehr so freundlich wie früher."
Die Frau erschauert und zieht ihre Jacke enger zusammen. "Na, hier unten ist es ja richtig frisch."
"Wir sind ungefähr 15 Meter unter der Erdoberfläche - tiefer als die U-Bahn-Tunnel -, deshalb ist die Temperatur das ganze Jahr über gleich bleibend kühl. So muss es sich anfühlen, wenn man lebendig begraben wird."
Das ist Jacobs Sinn für Humor. Ich glaube, er ist schon zu lange hier unten.
Die Frau mustert ihn mit einem irritierten Blick und murmelt ein Dankeschön, während sie zur Tür geht.
"Sie haben echt eine tolle Art, mit Damen umzugehen", sage ich, als sie verschwunden ist.
Keine Reaktion.
Ich hol mir beim Wasserspender in einem Pappbecher was zu trinken, und während ich mich auf den Behälter stütze und warte, wie es in den Becher reingurgelt, schaue ich zur Uhr, wo die Zeiger in Richtung Ewigkeit kriechen. Jacob wendet sich wieder seiner Zeitung zu.
Hinter ihm an der Wand hängt ein Glaskasten, in dem sich früher mal eine Rettungsaxt befand, aber jetzt steht eine Beinprothese drin. Die Prothese ist das offizielle Maskottchen für all den vergessenen Krempel im Fundbüro. Der Fuß steckt in einem ausgelatschten blauen Puma-Männerjoggingschuh und wurde offensichtlich mal sehr häufig benutzt. Bei seinem Anblick gerate ich jedes Mal ins Grübeln: Wie kann man so was verlieren? Hat der Typ denn nicht gemerkt, dass ihm was fehlte, als er aus der U-Bahn hüpfte, zum Beispiel dass die Welt um ihn herum heftiger als sonst hoch und runter hopste?
Was ist passiert, dass er nie hierher kam, um sich sein Bein zurückzuholen? Jacob sagt, das Ding wäre schon seit drei Jahren hier.
Er klopft mit seinem Kuli auf den Tresen, während er über das Rätsel in der heutigen Zeitung nachdenkt. Er klopft die Sekunden weg, klopft, bis die Sekunden zu Stunden und zu Tagen werden. Jacob hat lebenslänglich. Er hört nicht mal mehr die Uhr.
Ich werde hier unten noch total verrückt. Man muss sich nur mal Jacob mit seinen haarigen grauen Ohren ansehen, und wie sich alle Runzeln in seinem Gesicht zu einem Muster vereinigen, das aussieht, als hätte er auf einer Fliegengittertür geschlafen. Außerdem macht er noch so ein feuchtes Schnalzgeräusch, wenn er an seinem oberen Gebissteil herumlutscht.
Noch zwei Monate hier unten und ich werde genauso aussehen.
"Sie sagen, es soll heute noch 40 Grad werden", erzählt die Frau. "Keine Wolke am Himmel."
Jetzt hat es schon seit sechs Wochen nicht mehr geregnet. Eine richtige Hitzewelle. Aber hier unten kriegst du nichts davon mit. Die Stadt könnte total zerbombt werden und wir würden immer noch den alten Krempel sortieren.
"Duncan, wir suchen eine Brille", sagt Jacob zu mir. "Silbernes Gestell. Gleitsichtgläser." Ich seufze.
"Geht klar. Aber es kann etwas dauern."
Brillen stehen unter den ersten vier auf der Liste der meistverlorenen Gegenstände, zusammen mit Schirmen, Handys und Büchern.
Ich bin der Springer, der die Sachen suchen muss. Jacob ist der, der sitzen bleibt.
Ich weiß nicht, wer vor mir diesen Job hatte - keine Ahnung, ob es überhaupt jemanden gab -, aber dieser Raum ist ein einziges Chaos. Die Vorschrift besagt, dass die Sachen drei Monate lang aufbewahrt werden müssen. Auf jedem Gegenstand klebt ein Zettel mit dem Verfallsdatum der Frist. Alles, was nicht abgeholt wird, kommt in Kisten und wird vierteljährlich auf dem Flohmarkt des CVJM verhökert. Aber wenn man genauer hinschaut, findet man Zeug, das seit zwei Jahren oder noch länger hier liegt. Neulich erst hab ich einen Pullover von einem der oberen Regalbretter gezogen und der Staub wirbelte rum wie Schneeflocken.
Verlorene Gegenstände werden in Kategorien eingeteilt. Alle Jacken sind zusammen, auch mein schwarzes Lederschmuckstück ist dabei. Dutzende von Schirmen liegen auf einem Haufen, genug Regenschutz auch noch für den letzten Floh auf Noahs Arche. Es gibt eine ganze Bibliothek vergessener Bücher, die kaum noch Platz auf den Regalen hat. Und es gibt zwei Kartons mit Brillen, einen für Sonnenbrillen und einen für normale. Ich wühle.
Die vielen verschiedenen Sorten faszinieren mich: von geschliffenen Schwimmbrillen auf Krankenkassenrezept über die dicken schwarzen Gestelle für Klugscheißer bis hin zu den Sonderanfertigungen für alte Damen mit Kettchen an den Bügeln zum Um-den-Hals-hängen. Ich finde eine Brille wie die, die sie beschrieben hat: Gleitsichtgläser und silberfarbenes Gestell. Ich halte sie hoch und schaue durch die Gläser: Sie vergrößern so stark, dass man die Haare auf einem Fliegenpopo zählen könnte.
"Das ist sie", sagt die alte Frau, nachdem sie sie aufprobiert hat.
Jacob lässt sie in seinem Buch ihre Fundsache bestätigen, als ob die Brille kostbarer wäre als der Dollar, den sie auf dem Flohmarkt einbringen würde.
"Ich bin ohne die Brille völlig verloren", sagt sie. "So blind bin ich, dass ich erst auf halbem Weg hierher gemerkt habe, dass ich mein Gesicht mit Handcreme statt mit Sonnencreme eingecremt hatte. Ich spüre schon den Sonnenbrand."
Jacob nickt. "Genau. Mit dem Ozonloch und der Erderwärmung ist die Sonne nicht mehr so freundlich wie früher."
Die Frau erschauert und zieht ihre Jacke enger zusammen. "Na, hier unten ist es ja richtig frisch."
"Wir sind ungefähr 15 Meter unter der Erdoberfläche - tiefer als die U-Bahn-Tunnel -, deshalb ist die Temperatur das ganze Jahr über gleich bleibend kühl. So muss es sich anfühlen, wenn man lebendig begraben wird."
Das ist Jacobs Sinn für Humor. Ich glaube, er ist schon zu lange hier unten.
Die Frau mustert ihn mit einem irritierten Blick und murmelt ein Dankeschön, während sie zur Tür geht.
"Sie haben echt eine tolle Art, mit Damen umzugehen", sage ich, als sie verschwunden ist.
Keine Reaktion.
Ich hol mir beim Wasserspender in einem Pappbecher was zu trinken, und während ich mich auf den Behälter stütze und warte, wie es in den Becher reingurgelt, schaue ich zur Uhr, wo die Zeiger in Richtung Ewigkeit kriechen. Jacob wendet sich wieder seiner Zeitung zu.
Hinter ihm an der Wand hängt ein Glaskasten, in dem sich früher mal eine Rettungsaxt befand, aber jetzt steht eine Beinprothese drin. Die Prothese ist das offizielle Maskottchen für all den vergessenen Krempel im Fundbüro. Der Fuß steckt in einem ausgelatschten blauen Puma-Männerjoggingschuh und wurde offensichtlich mal sehr häufig benutzt. Bei seinem Anblick gerate ich jedes Mal ins Grübeln: Wie kann man so was verlieren? Hat der Typ denn nicht gemerkt, dass ihm was fehlte, als er aus der U-Bahn hüpfte, zum Beispiel dass die Welt um ihn herum heftiger als sonst hoch und runter hopste?
Was ist passiert, dass er nie hierher kam, um sich sein Bein zurückzuholen? Jacob sagt, das Ding wäre schon seit drei Jahren hier.
Er klopft mit seinem Kuli auf den Tresen, während er über das Rätsel in der heutigen Zeitung nachdenkt. Er klopft die Sekunden weg, klopft, bis die Sekunden zu Stunden und zu Tagen werden. Jacob hat lebenslänglich. Er hört nicht mal mehr die Uhr.
Ich werde hier unten noch total verrückt. Man muss sich nur mal Jacob mit seinen haarigen grauen Ohren ansehen, und wie sich alle Runzeln in seinem Gesicht zu einem Muster vereinigen, das aussieht, als hätte er auf einer Fliegengittertür geschlafen. Außerdem macht er noch so ein feuchtes Schnalzgeräusch, wenn er an seinem oberen Gebissteil herumlutscht.
Noch zwei Monate hier unten und ich werde genauso aussehen.
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Autoren-Porträt von Graham McNamee
Graham McNamee, 1967 in Toronto geboren, lebt in Vancouver, wo er als Bibliothekar arbeitet. Er hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, die mehrfach ausgezeichnet wurden.
Bibliographische Angaben
- Autor: Graham McNamee
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2009, Sonderausg., 255 Seiten, Maße: 12,6 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Nina Schindler
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570305244
- ISBN-13: 9783570305249
Rezension zu „Gefährliche Fundsache “
»Atemberaubend spannend!«
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