Geheime Liste

Zwei kurze Leseproben: Die Wirklichkeit sieht so aus: Die Kerle, die dreist und unverfroren mit dem Allerheiligsten durch die Straßen ziehen, sind dabei, uns aus dem Weg zu räumen", erklärte Andrés. "Aber da muss man doch was tun!" "Versuch es, und du wirst sehen. Du wirst im Handumdrehen verschwunden sein und nicht, weil sie dich einfach abführen, sondern weil sie dich ins Jenseits befördern, Lucas. Am besten machst du das, was alle machen: den Mund halten, wie ich dir schon gesagt habe. Und nur ja nicht auffallen. Denk daran: So wie du einen Finger nur krümmst, erledigen sie dich und die mit dir Kontakt hatten ebenso. Daher solltest du keine weiteren Leben in Gefahr bringen." Lucas war entsetzt. Er schwitzte. Im Gedanken an die Liste brannte ihm der Boden unter den Füßen. Zweifellos hatte ihm Rosa Pastrana den Beweis für schreckliche Verbrechen geliefert. "Was würde passieren, wenn man entdeckte, wer dahintersteckt?", fragte er. "Das wird nicht vorkommen. Und sollte es tatsächlich passieren, würde nichts geschehen. Lucas, sie sind der Staat ... *** Der General schritt kerzengerade einher, fast nach hinten geneigt. Im Laufe der Jahre hatte er einige Kilo zugelegt, und er wusste nicht mehr, wie er den Umfang seines Hinterteils kaschieren sollte. Lieber zeigte er Bauch, zog den Hintern ein und krümmte den Rücken. Carmencita ging an der Hand seiner Gattin, die sich wahrscheinlich mit einigem Bedauern vorstellte, was gewesen wäre, wenn statt der Tochter ein Sohn zur Welt gekommen wäre ... Sie setzten ihren Weg fort bis zum Haus von Leonardo Lechado. Hier wartete schon die Aristokratie von La Orotava, um dem hohen Gast zu huldigen. Begrüßungen, Händeschütteln, Verbeugungen, künstlich aufgesetztes Lächeln und wiederum von Seiten des Personals übertriebene Zeichen der Ehrerbietung. Der General verzog bei den Schmeicheleien keine Miene. Rita, eines der Küchenmädchen, hatte sich geweigert, an der Ehrung zusammen mit dem Personal teilzunehmen. "Doña Crisanta, ich bleibe

Neuroth, GertaGerta Neuroth studierte Romanistik (Spanisch und Französisch). Nach Lehrtätigkeit an staatlichem Gymnasium intensive Beschäftigung mit kanarischer Literatur in enger Zusammenarbeit mit der Universität von La Laguna, Teneriffa. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, kanarische Literatur (einer Literatur zwischen Europa, Südamerika und Afrika) bekannt zu machen (kein leichtes Unterfangen, nicht alle schätzen die ausufernde manchmal blumige Erzählweise romanischer Literatur). Mitarbeit am Projekt der kanarischen Regierung SEPTENIO. Jetzt Mitarbeit im Internetforum der Kanarischen Sprachakademie. Übersetzungen von Romanen und Lyrik namhafter kanarischer Autoren, u.a. von Rafael Arozarena, Mararía (Konkursbuch Verlag 2009, der bekannteste Roman der Inseln). Außerdem Übersetzung und Zusammenstellung zweisprachiger Anthologien ("Caprichos de mar - Meereslaunen" (Konkursbuch), "Kanarische Inseln. Eine literarische Einladung" (Wagenbach, SALTO)