Geheimsache Jessica, Supergirl in Not
Supergirl in Not
Supergirl in Not!<br /><br />Jessica Mastriani wäre gern wieder ein ganz normaler Teenager. Also behauptet sie, sie hätte die Gabe, vermisste Kinder aufzuspüren, verloren. Ihr Leben ist auch so schon kompliziert genug: Ihr...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Geheimsache Jessica, Supergirl in Not “
Supergirl in Not!<br />
<br />Jessica Mastriani wäre gern wieder ein ganz normaler Teenager. Also behauptet sie, sie hätte die Gabe, vermisste Kinder aufzuspüren, verloren. Ihr Leben ist auch so schon kompliziert genug: Ihr Hätte-Gern-Boyfriend Rob bleibt weiterhin auf Tauchstation, und im Feriencamp muss sie sich um die wildesten Rabauken kümmern. Doch dann kreuzt eines Tages ein verzweifelter Vater auf und bittet sie, seine Tochter aus den Fängen ihres Stiefvaters zu befreien ...<br />
<br />Witzig, temporeich mit einer Prise Romantik<br />
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Klappentext zu „Geheimsache Jessica, Supergirl in Not “
SupergirI in Not!Jessica Mastriani wäre gern wieder ein ganz normaler Teenager. Also behauptet sie, sie hätte die Gabe, vermisste Kinder aufzuspüren, verloren. Ihr Leben ist auch so schon kompliziert genug: Ihr Hätte-Gern-Boyfriend Rob bleibt weiterhin auf Tauchstation, und im Feriencamp muss sie sich um die wildesten Rabauken kümmern. Doch dann kreuzt eines Tages ein verzweifelter Vater auf und bittet sie, seine Tochter aus den Fängen ihres Stiefvaters zu befreien ...
SupergirI in Not!
Jessica Mastriani wäre gern wieder ein ganz normaler Teenager. Also behauptet sie, sie hätte die Gabe, vermisste Kinder aufzuspüren, verloren. Ihr Leben ist auch so schon kompliziert genug: Ihr Hätte-Gern-Boyfriend Rob bleibt weiterhin auf Tauchstation, und im Feriencamp muss sie sich um die wildesten Rabauken kümmern. Doch dann kreuzt eines Tages ein verzweifelter Vater auf und bittet sie, seine Tochter aus den Fängen ihres Stiefvaters zu befreien ...
Witzig, temporeich mit einer Prise Romantik
Zur spannenden Ich-Erzählung kommen die extrem witzigen Teenie-Beobachtungen ... Bunte Charaktere, vielfältige Konflikte und der beißende Witz lassen "Geheimsache Jessica" schnell auf Hochgeschwindigkeit touren.
Booklist
Ein wahrer pageturner! KLIATT
Jessica Mastriani wäre gern wieder ein ganz normaler Teenager. Also behauptet sie, sie hätte die Gabe, vermisste Kinder aufzuspüren, verloren. Ihr Leben ist auch so schon kompliziert genug: Ihr Hätte-Gern-Boyfriend Rob bleibt weiterhin auf Tauchstation, und im Feriencamp muss sie sich um die wildesten Rabauken kümmern. Doch dann kreuzt eines Tages ein verzweifelter Vater auf und bittet sie, seine Tochter aus den Fängen ihres Stiefvaters zu befreien ...
Witzig, temporeich mit einer Prise Romantik
Zur spannenden Ich-Erzählung kommen die extrem witzigen Teenie-Beobachtungen ... Bunte Charaktere, vielfältige Konflikte und der beißende Witz lassen "Geheimsache Jessica" schnell auf Hochgeschwindigkeit touren.
Booklist
Ein wahrer pageturner! KLIATT
Lese-Probe zu „Geheimsache Jessica, Supergirl in Not “
Keine Ahnung, warum ich das eigentlich mache.Das hier aufschreiben, meine ich. Zwingt mich schließlich keiner dazu.
Diesmal nicht.
Aber ich glaube, dass sich jemand um die Sache kümmern sollte. Und zwar jemand, der weiß, was wirklich passiert ist.
Dem FBI kann man da echt nicht trauen. Klar, die schreiben's natürlich auf.
Aber bestimmt nicht so, wie's war.
Und ich bin der Meinung, es sollte einen wahren Bericht geben. Einen Tatsachenbericht.
Also schreibe ich den. Ist ja keine große Sache. Ich hoffe bloß, dass ihn auch mal jemand liest, damit es nicht nur Zeitverschwendung ist... wie die meisten meiner Aktivitäten.
Man nehme zum Beispiel dieses Transparent. Es ist geradezu ein Paradebeispiel für sinnlose Aktivitäten.
Wenn man's genau betrachtet, fing damit eigentlich alles an. Mit dem Transparent.
Willkommen in Camp Wawasee, wo begabte Kinder gemeinsam musizieren
Das stand auf dem Transparent.
Schon klar, es ist schwer zu glauben, dass es in der Geschichte je ein Transparent gegeben hat, auf dem etwas derartig Dämliches gestanden hat.
Aber ich schwöre, dass es stimmt. Und ich sollte es wissen, denn schließlich habe ich es gemalt.
Nicht dass ihr das jetzt falsch versteht. Ich wollte das nicht. Ich meine, sie haben mich voll gezwungen. Sie haben mir die Farbe und das riesige Baumwolltuch in die Hand gedrückt und mir gesagt, was ich schreiben soll. Das letzte Transparent hatte nämlich einen echt tragischen Unfall: Jemand hat es zusammengefaltet und in den Schuppen beim Swimmingpool geworfen und ein paar ätzende Chemikalien haben Löcher in den Stoff gefressen.
Also sollte ich ein neues malen.
Nicht nur das Transparent war dämlich. Ich meine, wenn man sich die Kids ansah, die jetzt darunter standen, war einem gleich klar, dass es quasi eine Art Verleumdung war, denn wenn diese Kinder begabt waren, dann hieß ich Jean-Pierre Rampal.
Der ist übrigens ein weltberühmter Flötist, falls das jemand nicht wissen sollte.
Auf
... mehr
jeden Fall habe ich in meinem ganzen Leben noch nie so einen Haufen von Waschlappen und Heulsusen gesehen. Und dank meiner einzigartigen Gabe habe ich es schon mit einer Menge Kinder zu tun gehabt.
Aber die hier... Ich kann euch sagen, das war etwas völlig anderes. Da war keines, das nicht jammerte: "Aber ich will doch gar nicht ins Musikferienlager", oder: "Warum kann ich nicht einfach zu Hause bleiben?" Als ob es so entsetzlich wäre, wenn man mal sechs Wochen von seinen Eltern getrennt ist. Hätte man mir mit zehn mal angeboten, sechs Wochen irgendwo ohne meine Eltern zu verbringen, hätte ich sofort gesagt: "Los, melde mich an, Alter."
Aber diese Kids hier? Vielleicht lag es ja auch gerade daran, dass sie begabt waren. Vielleicht mögen hochbegabte Kinder ihre Eltern ja wirklich. Keine Ahnung.
Auf jeden Fall habe ich versucht, an das Transparent zu glauben. Immerhin hatte ich es schließlich gemalt. Na ja, mithilfe von Ruth. Falls man das als Hilfe bezeichnen kann. Denn eigentlich hat sie mir nur gesagt, meine Buchstaben seien krumm und schief. Wenn ich mir das Transparent jetzt so ansehe, muss ich ihr leider Recht geben. Die Buchstaben sind echt krumm und schief. Aber ich bezweifle, dass das außer Ruth und mir jemand gemerkt hat.
"Sind sie nicht süß?"
Das war Ruth, die sich neben mich stellte. Sie sah zu den Kindern hinüber, die allesamt ziemlich verheult aussahen. Wahrscheinlich hatte sie das Geschrei und Geschluchze und das "Aber ich will nach Hause"-Gejammer gar nicht mitgekriegt.
Aber ich schon. Und deshalb wollte ich am liebsten auch wieder nach Hause.
Nur, wenn ich nach Hause fuhr, würde ich am warmen Buffet arbeiten müssen. So verbringt man eben seine Sommerferien, wenn die Eltern ein Restaurant besitzen: am warmen Buffet. Und für mich standen die Chancen auf Flucht sogar besonders schlecht, da meinen Eltern gleich drei Restaurants gehören. Und im Joe Junior's, dem schlichtesten dieser Restaurants, gab es ein warmes Buffet mit verschiedenen Pastagerichten, die mithilfe von Speisewärmern warm gehalten wurden.
Und dreimal dürft ihr raten, welches der Kinder aus Tradition am Dampftisch arbeiten darf. Jawohl. Das jüngste, also ich. Entweder das oder die Salatbar. Und ihr könnt mir glauben, dass ich's echt satt habe, im Farmerdressing Tieftauchen nach verloren gegangenen Kirschtomaten zu spielen.
Außerdem war der Dampftisch nicht das Einzige, dem ich zu Hause zu entgehen versuchte.
"Ich hoffe, ich kriege die da", wünschte sich Ruth und zeigte auf eine kleine Blonde mit einem Engelsgesichtchen, die unter meinem Transparent stand und ein kleines Cello an ihre Brust presste. "Ist die nicht goldig?"
"Klar", gab ich widerwillig zu. "Und was ist, wenn du den da kriegst?"
Ich zeigte auf einen kleinen Jungen, der bei dem Gedanken daran, eineinhalb Monate von Daddy und Mummy getrennt zu werden, so laut geschrien hatte, dass er einen ausgewachsenen Asthmaanfall bekam. Seine leicht panischen Eltern versuchten gleichzeitig, ihm Inhalatoren in den Hals zu stopfen.
"Oh", machte Ruth mitleidig. "Als ich als Kind das erste Mal hierher kam, war ich genauso. Mittags hat er sich bestimmt wieder gefangen."
Na, das musste ich ihr wohl glauben. Ruths Eltern hatten sie zum ersten Mal im zarten Alter von sieben Jahren ins Camp Wawasee verfrachtet, deshalb konnte sie von etwa neun Jahren Erfahrung zehren. Ich hingegen hatte meine Sommerferien bis jetzt immer am Dampftisch verbracht und mich zu Tode gelangweilt, weil meine beste (und so ziemlich einzige) Freundin nicht da war. Obwohl meinen Eltern drei Restaurants gehören, in denen ich mit meinen Freunden jederzeit essen gehen kann, war ich eigentlich nie wirklich beliebt. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich, wie mein Vertrauenslehrer sich ausdrückt, Probleme habe.
Deshalb war ich auch nicht so sicher, ob Ruths Vorschlag, mich um einen Posten als Campbetreuerin zu bewerben, wirklich so gut war. Denn zum einen ist Kinderbetreuung trotz meiner besonderen Gabe nicht unbedingt meine Stärke. Und zum anderen habe ich, wie gesagt, diese Probleme.
Doch anscheinend entging meine etwas schwierige Art den Leuten, denen ich mich vorstellen musste, denn ich bekam den Ferienjob.
"Lass mich das mal gerade rekapitulieren", sagte ich zu Ruth, die immer noch sehnsüchtig zu der Cellistin hinübersah. "Das hier ist Camp Wawasee, Postfach 40, State Road One, Wawasee, Indiana?"
"Zum letzten Mal, ja", antwortete Ruth leicht gereizt.
"Na ja", sagte ich achselzuckend, "ich wollte nur sicher sein, dass ich Rosemary die richtige Adresse gegeben habe. Ich habe zum letzten Mal vorige Woche etwas von ihr bekommen und mache mir Sorgen."
"Mein Gott." Ruth war jetzt mehr als nur leicht angenervt. Sie hatte die Nase voll. Eindeutig. "Hörst du jetzt wohl auf damit?"
Ich reckte das Kinn. "Womit?"
"Mit Arbeiten", verlangte Ruth. "Auch du darfst mal Urlaub machen. Meine Güte."
Ich sagte: "Ich weiß gar nicht, wovon du redest", obwohl ich es ganz genau wusste, und Ruth wusste das auch.
"Schau her", sagte sie. "Es wird alles gut gehen, klar? Ich weiß, was wir tun müssen."
Ich gab auf, so zu tun, als wüsste ich nicht, wovon sie sprach, und antwortete:
"Ich will es nur nicht vermasseln. Das mit unserem System, meine ich."
Ruth rollte mit den Augen.
"Hallo!", sagte sie. "Was soll die Aufregung? Rosemary schickt mir das Zeug und ich gebe es dir weiter. Meinst du, ich habe das nach drei Monaten immer noch nicht kapiert?"
Die Lautstärke, in der sie das verkündete, beunruhigte mich, deshalb fasste ich sie am Arm.
"Um Himmels willen, Ruth!", zischte ich. "Lass das, ja? Nur weil wir hier irgendwo am Arsch der Welt sind, heißt das nicht, dass hier nicht irgendwelche Du-weißt-schon-wer da sind. Jeder dieser netten Mütter und Väter könnte vom FBI sein."
Ruth rollte noch mal mit den Augen. "Oh bitte", sagte sie nur.
Klar, sie hatte Recht: Ich reagierte zu heftig. Allerdings ließ es sich auch nicht leugnen, dass es Ruth mit der Geheimhaltung nicht mehr so genau nahm. Seit die ganze Sache mit dem Camp klar war, hatte sie nichts mehr anderes im Kopf. Schon Wochen bevor wir zu unserer Betreuerausbildung fuhren, blubberte sie ständig: "Bist du nicht aufgeregt? Flippst du nicht total aus?" Als ob wir mit dem Französischklub nach Paris fahren würden und nicht ins hinterste Indiana, um sechs Wochen als Kinderbetreuerinnen zu schuften. Am liebsten hätte ich ihr gesagt:"Mensch, das hier ist zwar nicht das warme Buffet, aber trotzdem nur ein Job."
Ist ja schließlich nicht so, dass ich mich nicht auch noch um meine inoffizielle Teilzeitkarriere kümmern müsste.
Das Problem war nur, dass Ruths Begeisterung total ansteckend war, wenn sie zum Beispiel davon schwärmte, wie wir jeden Nachmittag auf alten Autoreifen auf dem Lake Wawasee herumplätschern und uns bräunen würden. Oder dass einige der männlichen Campbetreuer bestimmt echt geile Jungs wären, die sich total in uns verlieben würden und uns in ihren Kabrios zu Spritztouren in die Dünen von Michigan einladen würden.
Echt.
Ich weiß nicht genau, warum, aber nach einer Weile begann ich, das auch zu glauben.
Und das war mein zweiter Fehler. Ich meine, der erste war, dass ich mich überhaupt für dieses Ferienlager beworben hatte.
Nehmen wir zum Beispiel mal Ruths Beschreibung von den Teilnehmern im Camp. Wunderkinder nannte sie sie. Tatsächlich musste man erst vorspielen, bevor man überhaupt einen Platz im Camp bekommen konnte, und das galt sowohl für die Teilnehmer als auch für die Betreuer. Ruths Schilderung der Kinder, um die sie sich im vorigen Jahr gekümmert hatte - lauter sensible, kreative, hochintelligente kleine Mädchen, die ihr noch ein Jahr später niedliche, lustige Briefe schrieben -, hatte mich total beeindruckt. Ich habe keine Schwestern, deshalb dachte ich, als Ruth mir von mitternächtlichen Tratsch-und-Haareflecht-Orgien erzählte, dass das etwas für mich sein könnte.
Echt, meine Haltung änderte sich von: "Es ist nur ein Job", zu: "Ich will tolle kleine Violinistinnen und Flötistinnen jeden Morgen zum Eisbärenschwimmen bringen. Ich werde dafür sorgen, dass keine von ihnen magersüchtig wird, indem ich aufpasse, dass sie bei den Mahlzeiten genügend Kalorien zu sich nehmen. Und ich berate sie, wenn sie nicht wissen, was sie am Abend des großen Ferienlager-Konzerts anziehen sollen."
Es war, als wäre ich verrückt geworden. Ich konnte es gar nicht abwarten, die Leitung über die Hütte anzutreten, die mir zugeteilt war: die Frangipani-Hütte. Acht kleine Betten und mein eigenes kleines Zimmer in einem winzigen Haus (glücklicherweise mit Klimaanlage), mit einer Miniküche für Zwischenmahlzeiten und einem Badezimmer mit mehreren Duschen und Toiletten. Ich war sogar so weit gegangen, dass ich über den kleinen moskitonetzbehangenen Eingang ein Transparent gehängt hatte, auf dem (mit schiefen Buchstaben) stand: Herzlich Willkommen, Frangipanis!
Ja, ich weiß, wie sich das anhört. Aber Ruth hatte mich zu so einer Art Kinderbetreuermanie aufgestachelt.
Als ich jetzt allerdings so dastand und mir die Kinder anschaute, für die ich den ganzen Juli und den halben August lang verantwortlich sein sollte, sah ich die Sache plötzlich in einem anderen Licht. Ich meine, niemand steht gerne hinter Speisewärmern, wenn draußen dreißig Grad herrschen, aber zumindest steckt ein Speisewärmer nicht den Finger in die Nase und will dann mit ebendiesem Finger deine Hand halten.
Während ich so dastand und beobachtete, wie sich die ganzen Kids von ihren Eltern verabschiedeten, und ich mich fragte, ob ich nicht gerade den schlimmsten Fehler meines Lebens machte, kam Pamela, die Assistentin des Leiters, mit einer Kladde in der Hand auf mich zu und flüsterte mir ins Ohr: "Können wir uns mal unterhalten?"
Ich geb's zu: Mein Herz schlug unwillkürlich schneller. Ich schätzte, ich war geliefert...
Denn in meiner Bewerbung um den Ferienjob hatte ich natürlich eine Kleinigkeit ausgelassen. Ich war nur nicht drauf gefasst gewesen, dass sie mir so schnell draufgekommen waren.
"Hm, klar", sagte ich. Schließlich war Pamela meine Chefin, da konnte ich schlecht sagen: "Hau ab!"
Wir entfernten uns ein Stück von Ruth, die immer noch hingerissen zu den ziemlich unglücklich dreinsehenden Ferienlagerkindern hinübersah. Meiner Meinung nach kriegte sie gar nicht mit, dass viele der Kinder heulten.
Aber dann merkte ich, dass Ruth gar nicht zu den Kindern hinsah. Stattdessen starrte sie einen der Betreuer an, einen besonders gut aussehenden Geigenspieler namens Todd, der mit irgendwelchen Eltern redete. Da wurde mir schlagartig klar, dass Ruth gar nicht wirklich Anteil an dem Schauspiel nahm, bei dem lauter Kinder kreischten: "Mummy, lass mich nicht allein!" Nein, nicht im Geringsten. In ihrer Fantasie saß sie gerade in Todds Kabrio auf dem Weg zu den Dünen zu einer Portion Grillbarsch mit etwas Remouladensoße und ein bisschen Gefummel über der Gürtellinie.
Die Glückliche. Sie hatte Todd - zumindest in ihrer Vorstellung -, während ich hier mit Pamela herumstand, einer sehr ernsten, in Kaki gekleideten Frau Ende dreißig, die mich wahrscheinlich gleich feuern würde... was erklärte, warum sie mir mitleidig den Arm um die Schultern gelegt hatte, während wir davongingen.
Arme Pamela. Sie wusste offensichtlich nicht, dass eines meiner Probleme - zumindest nach Meinung von Mr Goodhart, meinem Vertrauenslehrer an der Ernest-Pyle-Highschool - darin besteht, dass ich es absolut nicht leiden kann, angefasst zu werden. Nach Mr Gs Meinung bin ich total empfindlich, was mein persönliches Distanzempfinden angeht, und hab's nicht gerne, wenn jemand mir zu nahe kommt.
Was genau genommen nicht stimmt. Es gibt da jemanden, bei dem ich nichts dagegen hätte, wenn er mir nahe käme.
Was er leider nie tut.
"Jess", sprach Pamela mich im Gehen an. Ihr war nicht aufgefallen, dass ich vor lauter Nervosität, weil ich gleich gefeuert werden sollte, angefangen hatte zu schwitzen - ganz zu schweigen davon, dass ich gegen den Wunsch ankämpfte, ihren Arm von meiner Schulter zu schubsen. "Leider müssen wir umdisponieren."
Umdisponieren? Das hörte sich für mich nicht nach der Einleitung zu einer Entlassung an. War es möglich, dass mein Geheimnis, das im Grunde gar kein Geheimnis mehr war, von dem Pamela aber offenbar noch nichts gehört hatte, immer noch sicher war?
Pamela fuhr fort: "Anscheinend ist einer unser Betreuer, Andrew Shippinger, am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt."
Obwohl ich erleichtert war, dass unser Gespräch definitiv nicht auf ein "Tut mir Leid, aber wir müssen dich leider entlassen" hinauslief, muss ich zugeben, dass mir schleierhaft war, was ich mit dieser Information anfangen sollte. Mit der über Andrew meine ich. Ich kannte Andrew von der Einführungswoche für die Betreuer her. Er spielte Waldhorn und war geradezu besessen von Tomb Raider. Er war einer der Betreuer, die Ruth und ich als "nicht okay" klassifiziert hatten. Wir hatten die Jungs nämlich in drei Kategorien eingeteilt: Es gab die, die "nicht okay" waren, wie zum Beispiel Andrew; die, die "okay" waren, aber die einem nicht gerade das Herz höher schlagen ließen.
Und dann gab's noch die ganz heißen, sexy Typen. Zu denen gehörten Typen wie Todd, der - wie Joshua Bell, der berühmte Violinist - einfach alles hatte: Aussehen, Geld, Talent... und vor allem ein Auto.
Was eigentlich ziemlich beknackt war. Ich meine, dass ein Auto die Voraussetzung war, jemanden als sexy einzustufen. Vor allem weil Ruth selber ein Auto hat, und sogar ein Kabrio.
Aber Ruth zufolge - und schließlich war sie diejenige, die die ganzen Regeln aufgestellt hatte - zählte es einfach nicht, wenn man mit seinem eigenen Wagen in die Dünen fuhr.
Die Sache ist nur die, dass die Chancen, dass einer der sexy Typen zweimal in Ruths oder meine Richtung sieht, gen null tendieren. Wir sind zwar keine Aussätzigen, aber wir sind auch nicht gerade der Typ Gwyneth Paltrow.
Und die Sache mit dem "okay" und "nicht okay"? Also, ich sollte wohl drauf hinweisen, dass weder Ruth noch ich da aus Erfahrung sprachen.
Und so, wie die Dinge liegen, werden wir das auch nicht so schnell.
Aber Andrew Shippinger? Er war echt "nicht okay".Warum sprach Pamela mit mir über ihn? Glaubte sie, dass ich ihn mit Drüsenfieber angesteckt hatte? Warum kriege ich immer die Schuld an allem? Die einzige Möglichkeit, dass meine Lippen jemals die von Andrew Shippinger berührten, wäre, dass er zu viel Wasser geschluckt hätte und eine Mund-zu-Mund-Beatmung brauchte.
Und wann nahm Pamela endlich ihren Arm da weg?
"Deshalb", fuhr sie fort, "haben wir jetzt zu wenig männliche Betreuer. Auf meiner Warteliste stehen zwar eine Menge Mädchen, aber keine Jungen mehr."
Wieder wunderte ich mich, was das mit mir zu tun hatte. Es stimmt zwar, dass ich zwei ältere Brüder habe, aber wenn Pamela glaubte, einer von beiden gäbe einen guten Betreuer ab, dann hatte sie wohl etwas zu viel frische Luft geschnappt.
"Ich habe überlegt, ob's dir viel ausmachen würde, wenn wir dir die Hütte zuteilen, die eigentlich Andrew haben sollte", fuhr Pamela fort.
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich wahrscheinlich auch Ja gesagt, wenn sie mich gebeten hätte, ihre Mutter umzubringen. Ich war erleichtert, dass ich nicht rausgeworfen wurde, und hätte alles getan, echt absolut alles, um diesen Arm loszuwerden. Es war nicht nur so, dass ich's nicht leiden kann, wenn man mich anfasst. Ich kann's schier nicht ertragen. Wenn man mich nicht kennt, sollte man die Pfoten gefälligst bei sich behalten, ist das so schwer zu kapieren?
Aber diese Betreuer sind in dieser Hinsicht echt überempfindlich. Bei denen geht's immer gleich um Vertrauensbruch und zwischenmenschliche Verknotungen.
Aber das war nicht das einzige Problem, das ich mit Pamela hatte. Zusätzlich zu meinen anderen "Problemen" habe ich es nicht so mit Autoritätspersonen. Hat möglicherweise was damit zu tun, dass mich im letzten Frühjahr eine davon erschießen wollte.
Da stand ich also, schwitzte heftig und hatte die Worte "Ja, klar, lass mich los" schon auf den Lippen.
Aber Pamela musste gemerkt haben, wie unwohl ich mich mit ihrem Arm fühlte, bevor ich etwas sagen konnte. Entweder das, oder sie merkte, dass ich sie total voll geschwitzt hatte. Auf jeden Fall ließ sie ihren Arm fallen und ganz plötzlich konnte ich wieder besser atmen.
Ich sah mich um und fragte mich, wo wir waren. In meiner Panik wegen Pamelas Berührung hatte ich total die Orientierung verloren. Unter uns verlief der Kiesweg, der zu den verschiedenen Nebengebäuden von Camp Wawasee führte. Ganz in der Nähe stand der neue Speisesaal, erst kürzlich mit einem neuen, sieben Meter hohen Dach ausgestattet. Daneben lagen die Büros der Ferienlagerverwaltung. Dann kam die Krankenstation. Daneben befand sich das Musikgebäude, ein Modulbau, der sich zum größten Teil unterirdisch erstreckte, damit die Waldidylle nicht gestört wurde. Ein riesiges Oberlicht erhellte ein bepflanztes Atrium, von dem Gänge zu den einzelnen schalldichten Klassen- und Übungsräumen abgingen.
Was ich von hier aus nicht sehen konnte, waren ein Schwimmbad von geradezu olympischen Ausmaßen und ein halbes Dutzend Tennisplätze. Nicht dass die Kinder hier viel Zeit zum Schwimmen und Tennisspielen gehabt hätten, weil sie ständig für das Abschlusskonzert üben mussten, das im Amphitheater mit neunhundert Sitzplätzen unter freiem Himmel stattfand. Aber für die kleinen angehenden Genies war nichts zu gut. Nicht weit vom Amphitheater befand sich der Versammlungsplatz, eine Art Kuhle, in der sich die Kinder jeden Abend trafen, um sich unterzuhaken und zu singen, während sie an einem Lagerfeuer Marshmellows rösteten.
Von dort aus schlängelte sich der Pfad zwischen den verschiedenen Hütten durch - ein Dutzend für die Mädchen auf der einen Seite des Lagers und ein Dutzend für die Jungen auf der anderen Seite -, bis er schließlich zum campeigenen See hinunterführte, an dessen Ufer Bäume standen und dessen spiegelnde Oberfläche in der Sonne glänzte. Die Fenster der Frangipani-Hütte gingen genau auf den See hinaus, und vom Bett meines eigenen kleinen Zimmers konnte ich aufs Wasser sehen, ohne den Kopf heben zu müssen.
Nur dass es offenbar gar nicht mehr mein Zimmer war. Ich konnte spüren, wie mir die Frangipani-Hütte mit dem Seeblick, den engelsgleichen Flötistinnen und den mitternächtlichen Quassel-und-Flecht-Sitzungen entglitt wie das Wasser in einem... na ja, einem Dampftisch.
"Es ist nämlich so", erläuterte Pamela, "dass von allen diesjährigen Betreuerinnen du mir am besten geeignet erscheinst, dich um eine Gruppe kleiner Jungen zu kümmern.
Außerdem hast du in den Kursen zur ersten Hilfe und zu lebensrettenden Maßnahmen so gut abgeschnitten..."
Na klasse, jetzt werde ich schon wegen meiner Fähigkeiten in Bezug auf den Heimlich-Griff verfolgt, den ich mir natürlich durch jahrelange Arbeit in der Gastronomie angeeignet habe.
"Deshalb weiß ich, dass ich dir die Kinder anvertrauen kann und mir um sie weiter keine Sorgen machen muss."
Pamela trug wirklich dick auf. Keine Ahnung, warum. Ich meine, sie war meine Chefin. Sie hatte das Recht, mir jede beliebige Hütte zuzuweisen, wenn ihr danach war. Schließlich war sie diejenige, die die Gehaltsschecks ausstellte.
Vielleicht hatte sie schon mal einem Mädchen eine Jungenhütte anvertraut und war dafür unter Beschuss geraten. Vielleicht hatte dieses Mädchen gekündigt oder so. Ich bin aber nicht von der Sorte, die so leicht kündigt. Alles in allem bedeuteten Jungen zwar mehr Arbeit und weniger Spaß, aber was sollte ich schon tun?
"In Ordnung", sagte ich. Mein Nacken fühlte sich immer noch feucht an, dort, wo ihr Arm gelegen hatte. "Von mir aus."
Pamela fasste mich am Ellbogen und sah mir direkt ins Gesicht. Am Ellbogen angefasst zu werden ist nicht ganz so schlimm, wie wenn einem ein Arm um die Schultern gelegt wird, daher konnte ich ruhig bleiben.
"Ist das dein Ernst, Jess?", fragte sie. "Würdest du das wirklich tun?"
Sollte ich etwa jetzt Nein sagen? Und damit riskieren, nach Hause geschickt zu werden, wo ich den Rest des Sommers im Joe Junior's über Tabletts mit Fleischklößchen und Nudeln schwitzen dürfte? Und wenn ich nicht im Restaurant war, dann waren die einzigen Menschen, mit denen ich zusammen sein konnte, meine Eltern (herzlichen Dank), mein Bruder Mike, der sich auf sein erstes Jahr in Harvard vorbereitete und pausenlos vor dem Computer saß, um E-Mails an seine neuen Zimmergenossen zu schicken in der Frage, wer den Minikühlschrank und wer den Scanner mitbringen würde, und mein anderer Bruder Douglas, der den ganzen Tag Comics las und nur zu den Mahlzeiten und zu South Park aus seinem Zimmer kam.
Ganz abgesehen davon, dass seit mittlerweile mehreren Wochen gegenüber von unserem Haus ein weißer Lieferwagen parkte, der offensichtlich niemandem aus der Nachbarschaft gehörte.
Nee, danke. Wenn's recht war, dann würde ich lieber hier bleiben.
"Na ja", sagte ich. "Von mir aus. Sagen Sie mir nur, welche Hütte ich übernehmen soll, dann bringe ich mein Zeug rüber."
Pamela umarmte mich doch tatsächlich. Von ihren Fähigkeiten als Managerin halte ich ja nicht allzu viel. Meinen Vater würde man nie dabei überraschen, dass er eine Angestellte umarmt, nur weil sie sich bereit erklärt, zu tun, was man ihr sagt. Er hätte ihr eher kurz und knapp "Auf Wiedersehen" gesagt, falls sie etwas anderes als "Ja, Mr Mastriani" geantwortet hätte.
"Toll!", rief Pamela. "Echt toll. Du bist ein Schatz, Jess."
Klar, bin ich. Eine richtige Barbie.
Pamela sah auf ihren Schreibblock. "Du bist jetzt in der Birkenhütte."
Birkenhütte. Ich musste Frangipani, den tollen Tempelbaum, für Birke aufgeben.
Tja, mein Schicksal.
"Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass der Ersatz heute Abend hier ist."
Pamela starrte immer noch auf ihre Liste. "Ich glaube, sie kommt aus deiner Heimatstadt. Und ich glaube, sie spielt auch Querflöte. Vielleicht kennst du sie? Karen Sue Hanky?"
Ich musste ein Lachen unterdrücken. Karen Sue Hanky? Na, wenn Karen Sue festgestellt hätte, dass sie einer Jungenhütte zugeteilt worden wäre, hätte sie mit Sicherheit geheult.
"Ja, ich kenne sie", gab ich gleichgültig zu. Mann, da macht ihr aber einen großen Fehler, dachte ich bei mir. Aber das sagte ich natürlich nicht laut.
"Sie hat im Bewerbungsgespräch ganz gut abgeschnitten", sagte Pamela, die Augen immer noch auf ihren Ordner geheftet, "aber beim Vorspielen hat sie nur fünf Punkte bekommen."
Ich zog die Augenbrauen hoch. Es war mir zwar nicht neu, dass Karen Sue nicht besonders gut spielte. Aber ich fand's trotzdem nicht fair von Pamela, dass sie mir das sagte. Wahrscheinlich dachte sie, wir seien jetzt Freunde oder so, weil ich nicht losgeheult hatte, als sie mir sagte, dass sie mich in einer Jungenhütte unterbringen will.
Allerdings habe ich schon genug Freunde.
"Und sie ist nur auf dem vierten Orchesterplatz", murmelte Pamela mit einem Blick auf ihre Liste. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus. "Sei's drum", meinte sie. "Was bleibt uns anderes übrig?"
Pamela lächelte mich an und wandte sich dann den Verwaltungsbüros zu. Offenbar hatte sie vergessen, dass ich im Orchester auch nur auf dem dritten Platz spielte, einen höher als Karen Sue.Bei meinem Vorspielen für den Ferienjob als Kinderbetreuerin hatte ich allerdings zehn Punkte bekommen. Von zehn.
Aber die hier... Ich kann euch sagen, das war etwas völlig anderes. Da war keines, das nicht jammerte: "Aber ich will doch gar nicht ins Musikferienlager", oder: "Warum kann ich nicht einfach zu Hause bleiben?" Als ob es so entsetzlich wäre, wenn man mal sechs Wochen von seinen Eltern getrennt ist. Hätte man mir mit zehn mal angeboten, sechs Wochen irgendwo ohne meine Eltern zu verbringen, hätte ich sofort gesagt: "Los, melde mich an, Alter."
Aber diese Kids hier? Vielleicht lag es ja auch gerade daran, dass sie begabt waren. Vielleicht mögen hochbegabte Kinder ihre Eltern ja wirklich. Keine Ahnung.
Auf jeden Fall habe ich versucht, an das Transparent zu glauben. Immerhin hatte ich es schließlich gemalt. Na ja, mithilfe von Ruth. Falls man das als Hilfe bezeichnen kann. Denn eigentlich hat sie mir nur gesagt, meine Buchstaben seien krumm und schief. Wenn ich mir das Transparent jetzt so ansehe, muss ich ihr leider Recht geben. Die Buchstaben sind echt krumm und schief. Aber ich bezweifle, dass das außer Ruth und mir jemand gemerkt hat.
"Sind sie nicht süß?"
Das war Ruth, die sich neben mich stellte. Sie sah zu den Kindern hinüber, die allesamt ziemlich verheult aussahen. Wahrscheinlich hatte sie das Geschrei und Geschluchze und das "Aber ich will nach Hause"-Gejammer gar nicht mitgekriegt.
Aber ich schon. Und deshalb wollte ich am liebsten auch wieder nach Hause.
Nur, wenn ich nach Hause fuhr, würde ich am warmen Buffet arbeiten müssen. So verbringt man eben seine Sommerferien, wenn die Eltern ein Restaurant besitzen: am warmen Buffet. Und für mich standen die Chancen auf Flucht sogar besonders schlecht, da meinen Eltern gleich drei Restaurants gehören. Und im Joe Junior's, dem schlichtesten dieser Restaurants, gab es ein warmes Buffet mit verschiedenen Pastagerichten, die mithilfe von Speisewärmern warm gehalten wurden.
Und dreimal dürft ihr raten, welches der Kinder aus Tradition am Dampftisch arbeiten darf. Jawohl. Das jüngste, also ich. Entweder das oder die Salatbar. Und ihr könnt mir glauben, dass ich's echt satt habe, im Farmerdressing Tieftauchen nach verloren gegangenen Kirschtomaten zu spielen.
Außerdem war der Dampftisch nicht das Einzige, dem ich zu Hause zu entgehen versuchte.
"Ich hoffe, ich kriege die da", wünschte sich Ruth und zeigte auf eine kleine Blonde mit einem Engelsgesichtchen, die unter meinem Transparent stand und ein kleines Cello an ihre Brust presste. "Ist die nicht goldig?"
"Klar", gab ich widerwillig zu. "Und was ist, wenn du den da kriegst?"
Ich zeigte auf einen kleinen Jungen, der bei dem Gedanken daran, eineinhalb Monate von Daddy und Mummy getrennt zu werden, so laut geschrien hatte, dass er einen ausgewachsenen Asthmaanfall bekam. Seine leicht panischen Eltern versuchten gleichzeitig, ihm Inhalatoren in den Hals zu stopfen.
"Oh", machte Ruth mitleidig. "Als ich als Kind das erste Mal hierher kam, war ich genauso. Mittags hat er sich bestimmt wieder gefangen."
Na, das musste ich ihr wohl glauben. Ruths Eltern hatten sie zum ersten Mal im zarten Alter von sieben Jahren ins Camp Wawasee verfrachtet, deshalb konnte sie von etwa neun Jahren Erfahrung zehren. Ich hingegen hatte meine Sommerferien bis jetzt immer am Dampftisch verbracht und mich zu Tode gelangweilt, weil meine beste (und so ziemlich einzige) Freundin nicht da war. Obwohl meinen Eltern drei Restaurants gehören, in denen ich mit meinen Freunden jederzeit essen gehen kann, war ich eigentlich nie wirklich beliebt. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich, wie mein Vertrauenslehrer sich ausdrückt, Probleme habe.
Deshalb war ich auch nicht so sicher, ob Ruths Vorschlag, mich um einen Posten als Campbetreuerin zu bewerben, wirklich so gut war. Denn zum einen ist Kinderbetreuung trotz meiner besonderen Gabe nicht unbedingt meine Stärke. Und zum anderen habe ich, wie gesagt, diese Probleme.
Doch anscheinend entging meine etwas schwierige Art den Leuten, denen ich mich vorstellen musste, denn ich bekam den Ferienjob.
"Lass mich das mal gerade rekapitulieren", sagte ich zu Ruth, die immer noch sehnsüchtig zu der Cellistin hinübersah. "Das hier ist Camp Wawasee, Postfach 40, State Road One, Wawasee, Indiana?"
"Zum letzten Mal, ja", antwortete Ruth leicht gereizt.
"Na ja", sagte ich achselzuckend, "ich wollte nur sicher sein, dass ich Rosemary die richtige Adresse gegeben habe. Ich habe zum letzten Mal vorige Woche etwas von ihr bekommen und mache mir Sorgen."
"Mein Gott." Ruth war jetzt mehr als nur leicht angenervt. Sie hatte die Nase voll. Eindeutig. "Hörst du jetzt wohl auf damit?"
Ich reckte das Kinn. "Womit?"
"Mit Arbeiten", verlangte Ruth. "Auch du darfst mal Urlaub machen. Meine Güte."
Ich sagte: "Ich weiß gar nicht, wovon du redest", obwohl ich es ganz genau wusste, und Ruth wusste das auch.
"Schau her", sagte sie. "Es wird alles gut gehen, klar? Ich weiß, was wir tun müssen."
Ich gab auf, so zu tun, als wüsste ich nicht, wovon sie sprach, und antwortete:
"Ich will es nur nicht vermasseln. Das mit unserem System, meine ich."
Ruth rollte mit den Augen.
"Hallo!", sagte sie. "Was soll die Aufregung? Rosemary schickt mir das Zeug und ich gebe es dir weiter. Meinst du, ich habe das nach drei Monaten immer noch nicht kapiert?"
Die Lautstärke, in der sie das verkündete, beunruhigte mich, deshalb fasste ich sie am Arm.
"Um Himmels willen, Ruth!", zischte ich. "Lass das, ja? Nur weil wir hier irgendwo am Arsch der Welt sind, heißt das nicht, dass hier nicht irgendwelche Du-weißt-schon-wer da sind. Jeder dieser netten Mütter und Väter könnte vom FBI sein."
Ruth rollte noch mal mit den Augen. "Oh bitte", sagte sie nur.
Klar, sie hatte Recht: Ich reagierte zu heftig. Allerdings ließ es sich auch nicht leugnen, dass es Ruth mit der Geheimhaltung nicht mehr so genau nahm. Seit die ganze Sache mit dem Camp klar war, hatte sie nichts mehr anderes im Kopf. Schon Wochen bevor wir zu unserer Betreuerausbildung fuhren, blubberte sie ständig: "Bist du nicht aufgeregt? Flippst du nicht total aus?" Als ob wir mit dem Französischklub nach Paris fahren würden und nicht ins hinterste Indiana, um sechs Wochen als Kinderbetreuerinnen zu schuften. Am liebsten hätte ich ihr gesagt:"Mensch, das hier ist zwar nicht das warme Buffet, aber trotzdem nur ein Job."
Ist ja schließlich nicht so, dass ich mich nicht auch noch um meine inoffizielle Teilzeitkarriere kümmern müsste.
Das Problem war nur, dass Ruths Begeisterung total ansteckend war, wenn sie zum Beispiel davon schwärmte, wie wir jeden Nachmittag auf alten Autoreifen auf dem Lake Wawasee herumplätschern und uns bräunen würden. Oder dass einige der männlichen Campbetreuer bestimmt echt geile Jungs wären, die sich total in uns verlieben würden und uns in ihren Kabrios zu Spritztouren in die Dünen von Michigan einladen würden.
Echt.
Ich weiß nicht genau, warum, aber nach einer Weile begann ich, das auch zu glauben.
Und das war mein zweiter Fehler. Ich meine, der erste war, dass ich mich überhaupt für dieses Ferienlager beworben hatte.
Nehmen wir zum Beispiel mal Ruths Beschreibung von den Teilnehmern im Camp. Wunderkinder nannte sie sie. Tatsächlich musste man erst vorspielen, bevor man überhaupt einen Platz im Camp bekommen konnte, und das galt sowohl für die Teilnehmer als auch für die Betreuer. Ruths Schilderung der Kinder, um die sie sich im vorigen Jahr gekümmert hatte - lauter sensible, kreative, hochintelligente kleine Mädchen, die ihr noch ein Jahr später niedliche, lustige Briefe schrieben -, hatte mich total beeindruckt. Ich habe keine Schwestern, deshalb dachte ich, als Ruth mir von mitternächtlichen Tratsch-und-Haareflecht-Orgien erzählte, dass das etwas für mich sein könnte.
Echt, meine Haltung änderte sich von: "Es ist nur ein Job", zu: "Ich will tolle kleine Violinistinnen und Flötistinnen jeden Morgen zum Eisbärenschwimmen bringen. Ich werde dafür sorgen, dass keine von ihnen magersüchtig wird, indem ich aufpasse, dass sie bei den Mahlzeiten genügend Kalorien zu sich nehmen. Und ich berate sie, wenn sie nicht wissen, was sie am Abend des großen Ferienlager-Konzerts anziehen sollen."
Es war, als wäre ich verrückt geworden. Ich konnte es gar nicht abwarten, die Leitung über die Hütte anzutreten, die mir zugeteilt war: die Frangipani-Hütte. Acht kleine Betten und mein eigenes kleines Zimmer in einem winzigen Haus (glücklicherweise mit Klimaanlage), mit einer Miniküche für Zwischenmahlzeiten und einem Badezimmer mit mehreren Duschen und Toiletten. Ich war sogar so weit gegangen, dass ich über den kleinen moskitonetzbehangenen Eingang ein Transparent gehängt hatte, auf dem (mit schiefen Buchstaben) stand: Herzlich Willkommen, Frangipanis!
Ja, ich weiß, wie sich das anhört. Aber Ruth hatte mich zu so einer Art Kinderbetreuermanie aufgestachelt.
Als ich jetzt allerdings so dastand und mir die Kinder anschaute, für die ich den ganzen Juli und den halben August lang verantwortlich sein sollte, sah ich die Sache plötzlich in einem anderen Licht. Ich meine, niemand steht gerne hinter Speisewärmern, wenn draußen dreißig Grad herrschen, aber zumindest steckt ein Speisewärmer nicht den Finger in die Nase und will dann mit ebendiesem Finger deine Hand halten.
Während ich so dastand und beobachtete, wie sich die ganzen Kids von ihren Eltern verabschiedeten, und ich mich fragte, ob ich nicht gerade den schlimmsten Fehler meines Lebens machte, kam Pamela, die Assistentin des Leiters, mit einer Kladde in der Hand auf mich zu und flüsterte mir ins Ohr: "Können wir uns mal unterhalten?"
Ich geb's zu: Mein Herz schlug unwillkürlich schneller. Ich schätzte, ich war geliefert...
Denn in meiner Bewerbung um den Ferienjob hatte ich natürlich eine Kleinigkeit ausgelassen. Ich war nur nicht drauf gefasst gewesen, dass sie mir so schnell draufgekommen waren.
"Hm, klar", sagte ich. Schließlich war Pamela meine Chefin, da konnte ich schlecht sagen: "Hau ab!"
Wir entfernten uns ein Stück von Ruth, die immer noch hingerissen zu den ziemlich unglücklich dreinsehenden Ferienlagerkindern hinübersah. Meiner Meinung nach kriegte sie gar nicht mit, dass viele der Kinder heulten.
Aber dann merkte ich, dass Ruth gar nicht zu den Kindern hinsah. Stattdessen starrte sie einen der Betreuer an, einen besonders gut aussehenden Geigenspieler namens Todd, der mit irgendwelchen Eltern redete. Da wurde mir schlagartig klar, dass Ruth gar nicht wirklich Anteil an dem Schauspiel nahm, bei dem lauter Kinder kreischten: "Mummy, lass mich nicht allein!" Nein, nicht im Geringsten. In ihrer Fantasie saß sie gerade in Todds Kabrio auf dem Weg zu den Dünen zu einer Portion Grillbarsch mit etwas Remouladensoße und ein bisschen Gefummel über der Gürtellinie.
Die Glückliche. Sie hatte Todd - zumindest in ihrer Vorstellung -, während ich hier mit Pamela herumstand, einer sehr ernsten, in Kaki gekleideten Frau Ende dreißig, die mich wahrscheinlich gleich feuern würde... was erklärte, warum sie mir mitleidig den Arm um die Schultern gelegt hatte, während wir davongingen.
Arme Pamela. Sie wusste offensichtlich nicht, dass eines meiner Probleme - zumindest nach Meinung von Mr Goodhart, meinem Vertrauenslehrer an der Ernest-Pyle-Highschool - darin besteht, dass ich es absolut nicht leiden kann, angefasst zu werden. Nach Mr Gs Meinung bin ich total empfindlich, was mein persönliches Distanzempfinden angeht, und hab's nicht gerne, wenn jemand mir zu nahe kommt.
Was genau genommen nicht stimmt. Es gibt da jemanden, bei dem ich nichts dagegen hätte, wenn er mir nahe käme.
Was er leider nie tut.
"Jess", sprach Pamela mich im Gehen an. Ihr war nicht aufgefallen, dass ich vor lauter Nervosität, weil ich gleich gefeuert werden sollte, angefangen hatte zu schwitzen - ganz zu schweigen davon, dass ich gegen den Wunsch ankämpfte, ihren Arm von meiner Schulter zu schubsen. "Leider müssen wir umdisponieren."
Umdisponieren? Das hörte sich für mich nicht nach der Einleitung zu einer Entlassung an. War es möglich, dass mein Geheimnis, das im Grunde gar kein Geheimnis mehr war, von dem Pamela aber offenbar noch nichts gehört hatte, immer noch sicher war?
Pamela fuhr fort: "Anscheinend ist einer unser Betreuer, Andrew Shippinger, am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt."
Obwohl ich erleichtert war, dass unser Gespräch definitiv nicht auf ein "Tut mir Leid, aber wir müssen dich leider entlassen" hinauslief, muss ich zugeben, dass mir schleierhaft war, was ich mit dieser Information anfangen sollte. Mit der über Andrew meine ich. Ich kannte Andrew von der Einführungswoche für die Betreuer her. Er spielte Waldhorn und war geradezu besessen von Tomb Raider. Er war einer der Betreuer, die Ruth und ich als "nicht okay" klassifiziert hatten. Wir hatten die Jungs nämlich in drei Kategorien eingeteilt: Es gab die, die "nicht okay" waren, wie zum Beispiel Andrew; die, die "okay" waren, aber die einem nicht gerade das Herz höher schlagen ließen.
Und dann gab's noch die ganz heißen, sexy Typen. Zu denen gehörten Typen wie Todd, der - wie Joshua Bell, der berühmte Violinist - einfach alles hatte: Aussehen, Geld, Talent... und vor allem ein Auto.
Was eigentlich ziemlich beknackt war. Ich meine, dass ein Auto die Voraussetzung war, jemanden als sexy einzustufen. Vor allem weil Ruth selber ein Auto hat, und sogar ein Kabrio.
Aber Ruth zufolge - und schließlich war sie diejenige, die die ganzen Regeln aufgestellt hatte - zählte es einfach nicht, wenn man mit seinem eigenen Wagen in die Dünen fuhr.
Die Sache ist nur die, dass die Chancen, dass einer der sexy Typen zweimal in Ruths oder meine Richtung sieht, gen null tendieren. Wir sind zwar keine Aussätzigen, aber wir sind auch nicht gerade der Typ Gwyneth Paltrow.
Und die Sache mit dem "okay" und "nicht okay"? Also, ich sollte wohl drauf hinweisen, dass weder Ruth noch ich da aus Erfahrung sprachen.
Und so, wie die Dinge liegen, werden wir das auch nicht so schnell.
Aber Andrew Shippinger? Er war echt "nicht okay".Warum sprach Pamela mit mir über ihn? Glaubte sie, dass ich ihn mit Drüsenfieber angesteckt hatte? Warum kriege ich immer die Schuld an allem? Die einzige Möglichkeit, dass meine Lippen jemals die von Andrew Shippinger berührten, wäre, dass er zu viel Wasser geschluckt hätte und eine Mund-zu-Mund-Beatmung brauchte.
Und wann nahm Pamela endlich ihren Arm da weg?
"Deshalb", fuhr sie fort, "haben wir jetzt zu wenig männliche Betreuer. Auf meiner Warteliste stehen zwar eine Menge Mädchen, aber keine Jungen mehr."
Wieder wunderte ich mich, was das mit mir zu tun hatte. Es stimmt zwar, dass ich zwei ältere Brüder habe, aber wenn Pamela glaubte, einer von beiden gäbe einen guten Betreuer ab, dann hatte sie wohl etwas zu viel frische Luft geschnappt.
"Ich habe überlegt, ob's dir viel ausmachen würde, wenn wir dir die Hütte zuteilen, die eigentlich Andrew haben sollte", fuhr Pamela fort.
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich wahrscheinlich auch Ja gesagt, wenn sie mich gebeten hätte, ihre Mutter umzubringen. Ich war erleichtert, dass ich nicht rausgeworfen wurde, und hätte alles getan, echt absolut alles, um diesen Arm loszuwerden. Es war nicht nur so, dass ich's nicht leiden kann, wenn man mich anfasst. Ich kann's schier nicht ertragen. Wenn man mich nicht kennt, sollte man die Pfoten gefälligst bei sich behalten, ist das so schwer zu kapieren?
Aber diese Betreuer sind in dieser Hinsicht echt überempfindlich. Bei denen geht's immer gleich um Vertrauensbruch und zwischenmenschliche Verknotungen.
Aber das war nicht das einzige Problem, das ich mit Pamela hatte. Zusätzlich zu meinen anderen "Problemen" habe ich es nicht so mit Autoritätspersonen. Hat möglicherweise was damit zu tun, dass mich im letzten Frühjahr eine davon erschießen wollte.
Da stand ich also, schwitzte heftig und hatte die Worte "Ja, klar, lass mich los" schon auf den Lippen.
Aber Pamela musste gemerkt haben, wie unwohl ich mich mit ihrem Arm fühlte, bevor ich etwas sagen konnte. Entweder das, oder sie merkte, dass ich sie total voll geschwitzt hatte. Auf jeden Fall ließ sie ihren Arm fallen und ganz plötzlich konnte ich wieder besser atmen.
Ich sah mich um und fragte mich, wo wir waren. In meiner Panik wegen Pamelas Berührung hatte ich total die Orientierung verloren. Unter uns verlief der Kiesweg, der zu den verschiedenen Nebengebäuden von Camp Wawasee führte. Ganz in der Nähe stand der neue Speisesaal, erst kürzlich mit einem neuen, sieben Meter hohen Dach ausgestattet. Daneben lagen die Büros der Ferienlagerverwaltung. Dann kam die Krankenstation. Daneben befand sich das Musikgebäude, ein Modulbau, der sich zum größten Teil unterirdisch erstreckte, damit die Waldidylle nicht gestört wurde. Ein riesiges Oberlicht erhellte ein bepflanztes Atrium, von dem Gänge zu den einzelnen schalldichten Klassen- und Übungsräumen abgingen.
Was ich von hier aus nicht sehen konnte, waren ein Schwimmbad von geradezu olympischen Ausmaßen und ein halbes Dutzend Tennisplätze. Nicht dass die Kinder hier viel Zeit zum Schwimmen und Tennisspielen gehabt hätten, weil sie ständig für das Abschlusskonzert üben mussten, das im Amphitheater mit neunhundert Sitzplätzen unter freiem Himmel stattfand. Aber für die kleinen angehenden Genies war nichts zu gut. Nicht weit vom Amphitheater befand sich der Versammlungsplatz, eine Art Kuhle, in der sich die Kinder jeden Abend trafen, um sich unterzuhaken und zu singen, während sie an einem Lagerfeuer Marshmellows rösteten.
Von dort aus schlängelte sich der Pfad zwischen den verschiedenen Hütten durch - ein Dutzend für die Mädchen auf der einen Seite des Lagers und ein Dutzend für die Jungen auf der anderen Seite -, bis er schließlich zum campeigenen See hinunterführte, an dessen Ufer Bäume standen und dessen spiegelnde Oberfläche in der Sonne glänzte. Die Fenster der Frangipani-Hütte gingen genau auf den See hinaus, und vom Bett meines eigenen kleinen Zimmers konnte ich aufs Wasser sehen, ohne den Kopf heben zu müssen.
Nur dass es offenbar gar nicht mehr mein Zimmer war. Ich konnte spüren, wie mir die Frangipani-Hütte mit dem Seeblick, den engelsgleichen Flötistinnen und den mitternächtlichen Quassel-und-Flecht-Sitzungen entglitt wie das Wasser in einem... na ja, einem Dampftisch.
"Es ist nämlich so", erläuterte Pamela, "dass von allen diesjährigen Betreuerinnen du mir am besten geeignet erscheinst, dich um eine Gruppe kleiner Jungen zu kümmern.
Außerdem hast du in den Kursen zur ersten Hilfe und zu lebensrettenden Maßnahmen so gut abgeschnitten..."
Na klasse, jetzt werde ich schon wegen meiner Fähigkeiten in Bezug auf den Heimlich-Griff verfolgt, den ich mir natürlich durch jahrelange Arbeit in der Gastronomie angeeignet habe.
"Deshalb weiß ich, dass ich dir die Kinder anvertrauen kann und mir um sie weiter keine Sorgen machen muss."
Pamela trug wirklich dick auf. Keine Ahnung, warum. Ich meine, sie war meine Chefin. Sie hatte das Recht, mir jede beliebige Hütte zuzuweisen, wenn ihr danach war. Schließlich war sie diejenige, die die Gehaltsschecks ausstellte.
Vielleicht hatte sie schon mal einem Mädchen eine Jungenhütte anvertraut und war dafür unter Beschuss geraten. Vielleicht hatte dieses Mädchen gekündigt oder so. Ich bin aber nicht von der Sorte, die so leicht kündigt. Alles in allem bedeuteten Jungen zwar mehr Arbeit und weniger Spaß, aber was sollte ich schon tun?
"In Ordnung", sagte ich. Mein Nacken fühlte sich immer noch feucht an, dort, wo ihr Arm gelegen hatte. "Von mir aus."
Pamela fasste mich am Ellbogen und sah mir direkt ins Gesicht. Am Ellbogen angefasst zu werden ist nicht ganz so schlimm, wie wenn einem ein Arm um die Schultern gelegt wird, daher konnte ich ruhig bleiben.
"Ist das dein Ernst, Jess?", fragte sie. "Würdest du das wirklich tun?"
Sollte ich etwa jetzt Nein sagen? Und damit riskieren, nach Hause geschickt zu werden, wo ich den Rest des Sommers im Joe Junior's über Tabletts mit Fleischklößchen und Nudeln schwitzen dürfte? Und wenn ich nicht im Restaurant war, dann waren die einzigen Menschen, mit denen ich zusammen sein konnte, meine Eltern (herzlichen Dank), mein Bruder Mike, der sich auf sein erstes Jahr in Harvard vorbereitete und pausenlos vor dem Computer saß, um E-Mails an seine neuen Zimmergenossen zu schicken in der Frage, wer den Minikühlschrank und wer den Scanner mitbringen würde, und mein anderer Bruder Douglas, der den ganzen Tag Comics las und nur zu den Mahlzeiten und zu South Park aus seinem Zimmer kam.
Ganz abgesehen davon, dass seit mittlerweile mehreren Wochen gegenüber von unserem Haus ein weißer Lieferwagen parkte, der offensichtlich niemandem aus der Nachbarschaft gehörte.
Nee, danke. Wenn's recht war, dann würde ich lieber hier bleiben.
"Na ja", sagte ich. "Von mir aus. Sagen Sie mir nur, welche Hütte ich übernehmen soll, dann bringe ich mein Zeug rüber."
Pamela umarmte mich doch tatsächlich. Von ihren Fähigkeiten als Managerin halte ich ja nicht allzu viel. Meinen Vater würde man nie dabei überraschen, dass er eine Angestellte umarmt, nur weil sie sich bereit erklärt, zu tun, was man ihr sagt. Er hätte ihr eher kurz und knapp "Auf Wiedersehen" gesagt, falls sie etwas anderes als "Ja, Mr Mastriani" geantwortet hätte.
"Toll!", rief Pamela. "Echt toll. Du bist ein Schatz, Jess."
Klar, bin ich. Eine richtige Barbie.
Pamela sah auf ihren Schreibblock. "Du bist jetzt in der Birkenhütte."
Birkenhütte. Ich musste Frangipani, den tollen Tempelbaum, für Birke aufgeben.
Tja, mein Schicksal.
"Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass der Ersatz heute Abend hier ist."
Pamela starrte immer noch auf ihre Liste. "Ich glaube, sie kommt aus deiner Heimatstadt. Und ich glaube, sie spielt auch Querflöte. Vielleicht kennst du sie? Karen Sue Hanky?"
Ich musste ein Lachen unterdrücken. Karen Sue Hanky? Na, wenn Karen Sue festgestellt hätte, dass sie einer Jungenhütte zugeteilt worden wäre, hätte sie mit Sicherheit geheult.
"Ja, ich kenne sie", gab ich gleichgültig zu. Mann, da macht ihr aber einen großen Fehler, dachte ich bei mir. Aber das sagte ich natürlich nicht laut.
"Sie hat im Bewerbungsgespräch ganz gut abgeschnitten", sagte Pamela, die Augen immer noch auf ihren Ordner geheftet, "aber beim Vorspielen hat sie nur fünf Punkte bekommen."
Ich zog die Augenbrauen hoch. Es war mir zwar nicht neu, dass Karen Sue nicht besonders gut spielte. Aber ich fand's trotzdem nicht fair von Pamela, dass sie mir das sagte. Wahrscheinlich dachte sie, wir seien jetzt Freunde oder so, weil ich nicht losgeheult hatte, als sie mir sagte, dass sie mich in einer Jungenhütte unterbringen will.
Allerdings habe ich schon genug Freunde.
"Und sie ist nur auf dem vierten Orchesterplatz", murmelte Pamela mit einem Blick auf ihre Liste. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus. "Sei's drum", meinte sie. "Was bleibt uns anderes übrig?"
Pamela lächelte mich an und wandte sich dann den Verwaltungsbüros zu. Offenbar hatte sie vergessen, dass ich im Orchester auch nur auf dem dritten Platz spielte, einen höher als Karen Sue.Bei meinem Vorspielen für den Ferienjob als Kinderbetreuerin hatte ich allerdings zehn Punkte bekommen. Von zehn.
... weniger
Autoren-Porträt von Meg Cabot
Meggin Cabot, geb. in Bloomington, Indiana, war schon früh eine Leseratte. Ihre Lieblingsautoren waren Jane Austen, Judy Blume und Barbara Cartland. Nach dem Studium zog sie nach New York City, wo sie zunächst auch als Illustratorin arbeitete, bevor sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. Meggin Cabot lebt mit ihrem Mann und ihrer einäugigen Katze Henrietta in New York City.
Bibliographische Angaben
- Autor: Meg Cabot
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2006, 254 Seiten, Maße: 12,6 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Tanja Ohlsen
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570302024
- ISBN-13: 9783570302026
Rezension zu „Geheimsache Jessica, Supergirl in Not “
"Ein wahrer pageturner!"
Kommentar zu "Geheimsache Jessica, Supergirl in Not"
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