Succubus Dreams - Verlangen ist ihre schärfste Waffe / Georgina Kincaid Bd.3
Mit Georginas Beziehung zu dem Bestsellerautor Seth Mortensen steht es nicht zum Besten. Körperlich dürfen sie sich nicht zu nahe kommen, weil Georgie als Sukkubus Männern die Lebensenergie aussaugt. Und in jüngster Zeit scheint Seth völlig in die Arbeit an...
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Produktinformationen zu „Succubus Dreams - Verlangen ist ihre schärfste Waffe / Georgina Kincaid Bd.3 “
Klappentext zu „Succubus Dreams - Verlangen ist ihre schärfste Waffe / Georgina Kincaid Bd.3 “
Mit Georginas Beziehung zu dem Bestsellerautor Seth Mortensen steht es nicht zum Besten. Körperlich dürfen sie sich nicht zu nahe kommen, weil Georgie als Sukkubus Männern die Lebensenergie aussaugt. Und in jüngster Zeit scheint Seth völlig in die Arbeit an seinem neuesten Roman vertieft. Hinzu kommt, dass Georgie seit einer Weile von merkwürdigen Träumen heimgesucht wird, die ihr düstere Visionen ihrer Zukunft zeigen und ihr sämtliche Kraft rauben. Ein unbekanntes magisches Geschöpf scheint in ihre Träume einzudringen, und Georgie muss ihm das Handwerk legen, bevor es zu einer Bedrohung für die Menschheit wird.
Lese-Probe zu „Succubus Dreams - Verlangen ist ihre schärfste Waffe / Georgina Kincaid Bd.3 “
Succubus Dreams von Richelle Mead1
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Ich wünschte, der Typ auf mir drauf würde mal etwas Gas geben, denn allmählich wurde mir die Sache langweilig. Leider sah es jedoch nicht danach aus, als würde er in nächster Zeit kommen. Brad oder Brian, oder wie auch immer er heißen mochte, stieß weiter mit geschlossenen Augen in mich hinein und wirkte hochkonzentriert, als wäre Sex so schwierig wie Gehirnchirurgie oder das Anheben von Stahlträgern. »Brett«, stöhnte ich. Es war an der Zeit, schwerere Geschütze aufzufahren. Er öffnete ein Auge. »Bryce.«
»Bryce.« Ich setzte mein leidenschaftlichstes Orgasmusgesicht auf. »Bitte ... bitte ... nicht aufhören!« Nun hob sich auch sein anderes Lid, und beide Augen wurden groß. Eine Minute später war alles vorüber. »Tut mir leid«, keuchte er und wälzte sich verschämt von mir herunter. »Ich weiß nicht ... Ich wollte nicht ...« »Schon okay, Süßer.« Ich hatte kein sonderlich schlechtes Gewissen, weil ich die alte »Mach weiter«-Masche abgezogen hatte. Sie funktionierte nicht immer, aber bei einigen Typen führte sie schnell zum Ziel. »Es war ganz toll.« Was nicht völlig gelogen war. Der Sex an sich war bloß mittelprächtig gewesen, aber der anschließende Kick ... das Gefühl, wie sein Leben und seine Seele in mich hineinströmten ... ja. Das war ziemlich toll. Genau dafür lebte ein Sukkubus wie ich. Er lächelte mich schwach an. Seine Energie zirkulierte jetzt in meinem Körper. Der Verlust hatte ihn erschöpft, ausgebrannt. Bald würde er einschlafen, und auch in den nächsten Tagen würde er wahrscheinlich viel Schlaf benötigen. Seine Seele war eine gute gewesen, und ich hatte ihm einen recht großen Teil davon genommen - ebenso von seiner Lebenszeit. Er würde nun ein paar Jahre früher sterben, und das wegen mir.
Mit aller Kraft unterdrückte ich diese Gedanken, als ich mich eilig anzog, und konzentrierte mich stattdessen darauf, dass ich lediglich getan hatte, was zu meinem eigenen Überleben nö tig war. Außerdem verlangten meine höllischen Vorgesetzten von mir, regelmäßig auch gute Seelen zu verführen und zu verderben. Schlechte Männer hinterließen zwar einen weniger bitteren Nachgeschmack, erfüllten jedoch nicht die Anforderungen der Hölle.
Bryce schien überrascht zu sein von meinem abrupten Aufbruch, war jedoch zu erschöpft, um etwas dagegen unternehmen zu können. Ich versprach, ihn anzurufen - woran ich allerdings nicht mal im Traum dachte -, und schlüpfte aus dem Zimmer, während er in Ohnmacht fiel. Kaum hatte ich die Haustür hinter mir geschlossen, da wechselte ich auch schon meine Gestalt. Ich war als große, schwarzhaarige Frau zu ihm gekommen, aber jetzt trug ich wieder meinen Lieblingskörper: zierlich, haselnussgrüne Augen und hellbraunes Haar mit einem goldenen Schimmer. Die meiste Zeit meines Lebens wechselte ich immer wieder meine äußere Gestalt, ohne mich je ganz auf eine festzulegen.
Ich verdrängte Bryce sofort aus meinen Gedanken, so wie die meisten Männer, mit denen ich schlief, und fuhr quer durch die Stadt zu der Wohnung, die mir rasch zur zweiten Heimat geworden war: ein hellbraun gestrichenes Apartment mit schönem Stuck an den Wänden und Decken inmitten eines Viertels mit vielen anderen Neubauten, die auf Teufel komm raus »hip« sein wollten - soweit das in Seattle überhaupt möglich war. Ich stellte den Passat vor dem Haus ab, fischte den Schlüssel aus der Handtasche und steckte ihn ins Schloss.
In der Wohnung war es still und dunkel. Eine Uhr in der Nähe zeigte an, dass es drei Uhr morgens war. Ich ging zum Schlafzimmer, währenddessen gestaltwandelte ich und ersetzte meine Straßenkleidung durch ein rotes Nachthemd.
In der Tür blieb ich wie angewurzelt stehen und war überrascht, weil es mir den Atem verschlug. Eigentlich hätte ich mich nach all dieser Zeit doch an ihn gewöhnen müssen, sodass mich sein Anblick nicht mehr dermaßen treffen sollte. Aber er tat es. Jedes Mal.
Seth lag auf dem Bett, einen Arm über dem Kopf. Sein Atem ging tief und unruhig, und die Bettdecken lagen in wildem Durcheinander um seinen langen, schlanken Körper. Das Mondlicht dämpfte die Farbe seines Haars, aber im Sonnenschein hätte das Hellbraun einen Stich ins Rostrot gehabt. Wie ich ihn so betrachtete, ihn musterte, schlug mein Herz in der Brust unwillkürlich schneller. Niemals hätte ich erwartet, noch einmal so etwas zu empfinden, nicht nach all den Jahrhunderten, in denen ich mich so ... leer gefühlt hatte. Bryce hatte mir nichts bedeutet, aber dieser Mann hier bedeutete mir alles.
Ich schlüpfte neben ihm ins Bett, und er legte sofort seine Arme um mich, ganz instinktiv. Die Verbindung zwischen uns war so tief, dass wir selbst unbewusst nicht voneinander lassen konnten. Ich schmiegte meine Wange an Seths Brust, und seine Haut wärm te mich, als ich einschlief. Das Schuldgefühl wegen Bryce verblasste, und bald gab es bloß noch Seth und meine Liebe zu ihm.
Fast augenblicklich begann ich zu träumen. Nur dass ich, nun ja, eigentlich nicht in dem Traum war, oder zumindest nicht im aktiven Sinn. Ich beobachtete mich, sah die Geschehnisse vor mir ablaufen wie in einem Film. Anders als im Film konnte ich jedoch alle Einzelheiten spüren ... Es war fast lebendiger als im wirklichen Leben. Die andere Georgina stand in einer Küche, die mir völlig unbekannt war. Hell und modern, weitaus größer als alles, was eine Nicht-Köchin wie ich jemals bräuchte. Mein Traumselbst stand am Spülbecken, die Arme bis zu den Ellbogen in Schaumwasser, das nach Apfelsinen roch. Sie wusch Geschirr ab - was mein echtes Selbst überraschte - und stellte sich dabei ziemlich ungeschickt an, was mich wiederum nicht überraschte. Eine kaputte Geschirrspülmaschine stand offen, was die Notwendigkeit der manuellen Tätigkeit erklärte.
Aus einem anderen Zimmer drangen die Klänge von »Sweet Home Alabama« an mein Ohr. Mein Traumselbst summte beim Abwaschen, und auf diese surreale, träumerische Weise spürte ich ihr Glücksgefühl. Sie war zufrieden, erfüllt von einer Freude, die so absolut vollkommen war, dass ich sie kaum fassen konnte. Selbst mit Seth war ich selten so glücklich gewesen - und ich war verdammt glücklich mit ihm. Ich konnte mir nicht vorstellen, weswegen mein Traumselbst so glücklich war, insbesondere bei etwas so Alltäglichem wie dem Abwasch.
Ich erwachte. Zu meiner Überraschung war es bereits heller, sonniger Morgen. Es kam mir nicht so vor, als ob viel Zeit vergangen wäre. Der Traum war scheinbar nur kurz gewesen, dennoch behauptete der Wecker neben mir, dass ich sechs Stunden geschlafen hatte. Der Verlust des Glücksgefühls, das mein Traumselbst erfahren hatte, schmerzte. Noch seltsamer war, dass ich mich ... nicht richtig fühlte. Es dauerte einen Augenblick, bis ich das Problem erkannte: Ich war absolut leer. Die Energie, die ich zum Überleben benötigte, die Energie, die ich Bryce gestohlen hatte, war nahezu erschöpft. Tatsächlich hatte ich jetzt sogar weniger als vorher, bevor ich mit ihm ins Bett gestiegen war. Das konnte nicht sein! Ein derartiger Schub an Lebensenergie müsste mindestens ein paar Wochen reichen, und trotzdem war ich fast ebenso leer wie mein Opfer. Noch war der Vorrat nicht so weit erschöpft, dass ich meine Fähigkeit zum Gestaltwandeln verloren hätte, aber ich würde binnen weniger Tage einen neuen Kick benötigen.
»Stimmt was nicht?«, sagte Seths verschlafene Stimme neben mir. Ich wälzte mich herum und sah, dass er mich, auf einen Ellbogen gestützt, mit einem kleinen, süßen Lächeln beobachtete. Ich wollte nicht erklären, was geschehen war. Dazu müsste ich genauer auf das eingehen, was ich mit Bryce getan hatte, und während Seth rein theoretisch wusste, was ich zum Überleben brauchte, war Unwissenheit in diesem speziellen Fall ein Segen.
»Nichts«, log ich. Ich bin eine gute Lügnerin. Er streichelte meine Wange. »Ich habe dich gestern Nacht vermisst.« »Nein, hast du nicht. Du warst mit Cady und O'Neill beschäftigt.«
Aus dem süßen Lächeln wurde ein sarkastisches, aber trotzdem lag in seinen Augen dieser träumerische, nach innen gekehrte Ausdruck, wie immer, wenn er an die Protagonisten seiner Romane dachte. Während meines langen Lebens hatten Könige und Generäle um meine Liebe gebettelt, dennoch konnten meine Verführungskünste an manchen Tagen nichts ausrichten gegen die Figuren, die in Seths Kopf lebten.
Zum Glück war heute keiner dieser Tage, und er konzentrierte sich wieder auf mich.
»Die beiden sehen in einem Nachthemd lange nicht so gut aus. Das da ist übrigens genau wie in Anne Sextons Gedicht ›Lied für ein rotes Nachthemd‹: ›Jene Zimtherzen aus dem Süßwarenladen.‹« Nur Seth würde eine manisch-depressive Dichterin für ein
Kompliment zitieren. Ich warf einen Blick auf mein Nachthemd und strich abwesend mit der Hand über die rote Seide. »Ist ziemlich hübsch«, gab ich zu. »Vielleicht sehe ich darin sogar besser aus, als wenn ich nackt wäre.«
Er schnaubte höhnisch. »Nein, Thetis. Das tust du nicht.« Ich lächelte, wie stets, wenn er den Kosenamen benutzte, den er für mich ausgesucht hatte. In der griechischen Mythologie war Thetis die Mutter des Achilles, eine gestaltverändernde Göttin, die ein entschlossener Sterblicher für sich gewinnen konnte. Und dann warf Seth mich in erstaunlich draufgängerischer Art - zumindest für seine Verhältnisse - auf den Rücken und küsste meinen Hals. »He«, sagte ich und kämpfte etwas halbherzig dagegen an. »Dafür haben wir keine Zeit. Ich muss zur Arbeit. Und ich möchte ein Frühstück.«
»Kein Problem«, murmelte er und widmete sich meinem Mund. Ich stellte mein Gejammer ein. Seth küsste ganz wunderbar. Er küsste so, dass die Küsse im Mund zerschmolzen und ihn mit Süße erfüllten. Ein Geschmack wie Zuckerwatte. Aber ein echtes Dahin schmelzen gab es nicht, nicht für uns. Mit einem gut geübten Sinn fürs Timing, nach dem man die Uhr hätte stellen können, löste er sich von meinem Mund und setzte sich auf. Die Hände zog er ebenfalls zurück. Immer noch lächelnd sah er auf mich in meiner würdelosen Haltung herab.
Ich erwiderte das Lächeln und unterdrückte den leichten Stich des Bedauerns, den ich stets in diesen Augenblicken des Rückzugs verspürte.
Aber so war das eben mit uns, und ehrlich gesagt funktionierten wir mittlerweile ziemlich gut, wenn man sämtliche Komplikationen unserer Beziehung berücksichtigte. Mein Freund Hugh hatte einmal gescherzt, dass alle Frauen den Männern die Seele stehlen würden, wenn das Paar nur lange genug zusammen wäre. In meinem Fall waren dazu keine jahrelangen Auseinandersetzungen nötig. Ein allzu langer Kuss reichte aus. So war das Leben eines Sukkubus eben. Ich hatte die Regeln nicht aufgestellt, und ich konnte den unausweichlichen Energiediebstahl nicht verhindern, den intimer Körperkontakt mit mir nach sich zog. Ich konnte ihn jedoch von vornherein vermeiden, und das tat ich auch. Zwar sehnte ich mich schmerzlich nach Seth, aber ich würde ihm nicht wie Bryce das Leben stehlen. Ich setzte mich gleichfalls auf und wollte das Bett verlassen, aber Seth war anscheinend an diesem Morgen besonders wagemutig gestimmt. Er schlang mir die Arme um die Taille und zog mich auf seinen Schoß, drückte sich an meinen Rücken und vergrub sein leicht stoppeliges Gesicht in meinem Haar. Ich spürte das Beben seines Körpers, als er tief einatmete. Dann atmete er schwer und langsam wieder aus, als ob er nicht die Beherrschung verlieren wollte, und packte mich noch fester.
»Georgina«, hauchte er an meinem Hals. Ich schloss die Augen. Das spielerische Element war verschwunden. Eine dunkle Intensität hüllte uns ein, sowohl voller Verlangen als auch voll Furcht vor dem, was da kommen mochte. »Georgina«, wiederholte er. Seine Stimme war tief und heiser. Erneut hatte ich das Gefühl zu zerschmelzen. »Weißt du, weshalb man sagt, dass Sukkuben Männer im Schlaf heimsuchen?« »Weshalb?« Meine Stimme war zittrig.
»Weil ich jede Nacht von dir träume.« Unter den meisten Umständen hätte das banal geklungen, aber bei ihm hörte es sich kraftvoll und hungrig an. Ich drückte die Augen fester zusammen, und eine Unzahl von Gefühlen wirbelte in mir umher. Ich wollte weinen. Ich wollte ihn lieben. Ich wollte schreien. Manchmal war es einfach viel. Zu viel Gefühl. Zu viel Gefahr. Zu viel, zu viel.
Dann öffnete ich die Augen und drehte mich um, sodass ich sein Gesicht vor mir hatte. Wir sahen einander an, wir wollten beide mehr und waren außerstande, es zu geben oder zu nehmen. Ich brach den Blickkontakt zuerst ab und löste mich voller Bedauern aus seiner Umarmung. »Komm schon. Gehen wir Frühstücken.«
Seth lebte im Universitätsviertel von Seattle und somit fußläufig zu Lebensmittelläden und Restaurants, die gleich neben dem Campus der University of Washington lagen. Wir frühstückten in einem kleinen Café, und Omeletts und gute Gespräche drängten die zwiespältigen Gefühle von eben rasch in den Hintergrund. Anschließend wanderten wir gemütlich und Händchen haltend den University Way hinauf. Ich hatte ein paar Besorgungen zu erledigen, und er musste sich seinem Roman widmen, dennoch wollten wir uns einfach nicht trennen. Auf einmal blieb Seth stehen. »Georgina.«
»Hmm?« Er zog die Brauen hoch und starrte zur anderen Straßenseite hinüber. »Da drüben steht John Cusack.« Ich folgte seinem ungläubigen Blick zu einem Mann, der John Cusack wirklich sehr ähnlich sah. Er hatte sich an eine Hauswand gelehnt und rauchte. Ich seufzte.
»Das ist nicht John Cusack. Das ist Jerome.« »Wirklich?«
»Ja. Ich hab dir doch erzählt, dass er wie John Cusack aussieht.« »Schlüsselwort: aussieht. Der Typ da drüben sieht nicht wie er aus. Dieser Typ ist er.« »Glaub mir, er ist es nicht.« Angesichts von Jeromes ungeduldigem Ausdruck ließ ich Seths Hand los. »Bin gleich wieder da.« Ich überquerte die Straße, und als ich meinem Boss näher kam, überschwemmte mich Jeromes Aura. Sämtliche Unsterblichen besitzen eine einzigartige Signatur, und ein Dämon wie Jerome hat eine besonders ausgeprägte. Sie fühlte sich an wie Hitzewellen, die unentwegt heranbrandeten - als würde man einen Ofen öffnen und nicht weit genug zurückweichen. »Fass dich kurz!«, sagte ich zu ihm. »Du verdirbst mir mein romantisches Intermezzo. Wie üblich.« Jerome ließ die Zigarette fallen, drückte sie unter dem Absatz seiner schwarzen Kenneth-Cole-Oxford-Schuhe aus und sah sich verächtlich um. »Was, hier? Komm schon, Georgie. Das ist nicht romantisch. Das ist nicht mal ein Boxenstopp auf der Straße zur Romantik.« Wütend stemmte ich eine Hand in die Hüfte. Immer wenn sich Jerome in mein Privatleben einmischte, folgte gewöhnlich eine Reihe von Katastrophen, auf die ich gut und gern verzichten könnte. Irgendetwas sagte mir, dass das jetzt keine Ausnahme war. »Was willst du?« »Dich.«
Ich war verblüfft. »Was?« »Heute Abend findet eine Versammlung statt. Vom gesamten Personal.« »Wenn du ›gesamtes Personal‹ sagst, meinst du dann wirklich das gesamte Personal?« Beim letzten Mal hatte Seattles Chef-Erzdämon uns alle aus dieser Gegend versammelt, um uns darüber zu informieren, dass unser örtlicher Kobold »den Erwartungen nicht entsprach«. Jerome ließ uns alle Abschied nehmen und verbannte den armen Kerl daraufhin in die feurigen Abgründe der Hölle. Das war zwar traurig gewesen, aber mein Freund Hugh hatte seinen Job übernommen, und deshalb war ich gut darüber hinweg gekommen. Ich hoffte, dass diese Versammlung nicht einem ähnlichen Zweck diente.
Er warf mir einen verärgerten Blick zu, der ausdrückte, dass ich seine Zeit verschwendete. »Das ist die Definition von ›gesamtes Personal‹, nicht wahr?« »Wann denn?« »Um sieben. Bei Peter und Cody. Komm nicht zu spät! Deine Anwesenheit ist unbedingt erforderlich.«
Scheißdreck! Ich hoffte dringend, dass das nicht meine Abschiedsparty werden würde. Immerhin hatte ich mich in letzter Zeit ziemlich gut benommen. »Worum geht's?« »Find's raus, wenn du da bist. Komm nicht zu spät!«, wiederholte er. Der Dämon wich in den Schatten eines Gebäudes zurück und verschwand. Ein Gefühl der Bedrohung machte sich in mir breit. Dämonen konnte man niemals über den Weg trauen, insbesondere dann nicht, wenn sie wie schrullige Filmstars aussahen und rätselhafte Einladungen aussprachen.
»Alles in Ordnung?«, fragte mich Seth, als ich zu ihm zurückkehrte. Ich überlegte. »Na ja, mehr oder weniger jedenfalls.« Er entschied sich klugerweise, das Thema nicht weiter zu verfolgen, und wir trennten uns schließlich und widmeten uns unseren jeweiligen Aufgaben. Zwar hätte ich unheimlich gern gewusst, worum es bei dieser Versammlung gehen sollte, aber nicht annähernd so sehr, wie ich den Grund dafür erfahren wollte, warum ich über Nacht meine gesamte Energie verloren hatte. Und während ich alles Notwendige erledigte - Lebensmittel einkaufen, Ölwechsel machen lassen -, spulte sich der seltsame kurze Traum immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Wie konnte ein so kurzer Traum so lebendig sein? Und warum musste ich unaufhörlich daran denken? Das Rätsel lenkte mich so sehr ab, dass es sieben Uhr wurde, bevor ich bemerkte, wie spät es war. Ich stöhnte auf und begab mich im Eiltempo zur Wohnung meines Freundes Peter. Großartig. Ich würde zu spät kommen. Selbst wenn diese Versammlung nicht mich und meine unmittelbar bevorstehende Entlassung betraf, könnte ich letztlich doch einen Vorgeschmack auf Jeromes Zorn zu spüren bekommen. Ein paar Meter von der Wohnungstür entfernt spürte ich unsterbliche Signaturen. Viele Signaturen. Die Auren meiner Freunde, vertraut und geliebt, summten und sangen. Bei einigen anderen musste ich kurz überlegen, wem sie wohl gehören mochten. Im größeren Umkreis des Puget Sound lebte eine Schar höllischer Angestellter, mit denen ich fast nie etwas zu tun hatte. Eine Signatur kannte ich überhaupt nicht. Und eine ... eine schien mir entfernt vertraut zu sein, obwohl ich nicht so ganz den Finger darauf legen konnte, wem sie gehörte. Ich wollte schon klopfen, aber da kam mir der Gedanke, dass eine Versammlung des gesamten Personals etwas mehr als Jeans und T-Shirt verdiente. Daher gestaltwandelte ich mein Outfit zu einem braunen Kleid mit tiefem Ausschnitt und meine Haare zu einem ordentlichen Knoten. Ich hob die Hand. Eine genervte Vampirin, an die ich mich kaum erinnerte, ließ mich ein. Sie hob das Kinn zum Gruß und setzte daraufhin ihr Gespräch mit einem anderen Vampir fort, dem ich zuvor nur einmal begegnet war. Ich glaube, sie arbeiteten beide in Tacoma, das in meinen Augen ebenso gut eine Filiale der Hölle selbst sein konnte. Mein Freund Hugh, dunkelhaarig und hochgewachsen, ging umher und sprach dabei lebhaft in sein Handy. Jerome saß lässig und entspannt in einem Sessel, einen Martini neben sich. Seine selten zu sehenden Lieutenant-Dämoninnen standen in einer Ecke und blieben unter sich, wie üblich. Die Vampire Peter und Cody - meine guten Freunde, die hier wohnten - lachten in der Küche zusammen mit einigen anderen höllischen Angestellten, die ich nur entfernt kannte. Es hätte eine gewöhnliche Cocktailparty sein können, vielleicht sogar eine Feier. Ich hoffte, dass dementsprechend am heutigen Abend niemand erschlagen werden würde, da das der Atmosphäre einen beträchtlichen Dämpfer verpasst hätte. Niemand außer Jerome hatte mein Eintreffen bemerkt. »Zehn Minuten zu spät«, knurrte er. »He, das ist gerade in ...«
Eine groß gewachsene, amazonenhafte Blondine rannte mich fast über den Haufen. »Oh! Du musst Georgina sein! Ich wollte dich unbedingt kennenlernen.« Mein Blick glitt an elasthanumhüllten Körbchengröße-F Brüsten hinauf zu großen blauen Augen mit unglaublich langen Wimpern. Prächtige weiße Zähne lächelten auf mich herab. Die Zeiten, in denen es mir die Sprache verschlug, hatten Seltenheitswert, aber hin und wieder kam es doch vor. Diese wandelnde Barbiepuppe war ein Sukkubus, und zwar ein ganz, ganz frischer. Ich erkannte ihr Alter sowohl an ihrer Signatur als auch an ihrem Erscheinungsbild. Kein Sukkubus mit etwas Grips im Kopf hätte solch eine äußere Gestalt für sich gewählt. Sie übertrieb gewaltig, indem sie die Körperteile so hervorhob und zusammenwürfelte, wie Männer sie sich angeblich immerzu erträumten. Alles in allem ergab das eine Kreation, bei der einem, wie bei Frankenstein, einerseits die Spucke wegblieb, die jedoch andererseits anatomisch absolut unmöglich war. Ungeachtet meines Erstaunens und meiner Geringschätzung schüttelte sie mir mit enormer Kraft die Hand und hätte sie mir dabei fast gebrochen. »Ich bin wahnsinnig scharf darauf, mit dir zusammenzuarbeiten«, fuhr sie fort. »Ich bin mehr als bereit, alle Männer leiden zu lassen!« Schließlich fand ich meine Stimme wieder. »Wer ... wer bist du?« »Sie ist deine neue beste Freundin«, sagte eine Stimme neben mir. »Meine Güte, jetzt sieh dich mal an! Da wird sich Tawny aber mächtig ins Zeug legen müssen, um mit dir mitzuhalten.« Ein Mann kämpfte sich durch die Menge zu uns, und bei seinem Anblick zerstreute sich meine Neugier auf den anderen Sukkubus wie Asche im Wind. Ich vergaß sogar ihre Anwesenheit. Mir drehte sich der Magen um, als ich der rätselhaften Signatur nun eine Identität zuordnen konnte. Der kalte Schweiß brach mir im Nacken aus und rann in den zarten Stoff meines Kleids. Der Typ, der auf uns zukam, hatte in etwa meine Größe - war also nicht sonderlich groß -, und seine Haut besaß einen dunklen Olivton. Auf dem Kopf hatte er mehr Pomade als schwarzes Haar. Sein Anzug war gediegen und ganz eindeutig nicht von der Stange. Angesichts meiner sprachlosen Verblüffung und Verlegenheit breitete sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Kleine Letha! Bist inzwischen groß geworden und darfst endlich bei den Erwachsenen mitspielen, hm?« Er sprach so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte. Nun, im Großen und Ganzen haben Unsterbliche wie ich auf dieser Welt nur wenig zu fürchten. Vor drei Wesen hatte ich jedoch gewaltigen Respekt: Das eine war Lilith, Königin der Sukkuben, ein Wesen von derart beeindruckender Macht und Schönheit, dass ich für nur einen Kuss - wieder - meine Seele verkauft hätte. Ein anderes Wesen, das mir eine Heidenangst einjagte, war ein Nephilim namens Roman. Er war Jeromes halb menschlicher Sohn und hatte einen guten Grund, mich eines Tages zu jagen und zu vernichten. Die dritte Person war dieser Mann, der jetzt vor mir stand. Seine Name war Niphon, und er war ein Kobold, genau wie mein Freund Hugh. Und wie alle Kobolde hatte Niphon nur zwei Aufgaben. Zum einen erledigten sie verwaltungstechnische Dinge für Dämonen. Die andere Aufgabe, seine vorrangige, bestand darin, Verträge mit Sterblichen zu schließen und Seelen für die Hölle zu vermitteln und einzukaufen. Und er war der Kobold, der meine gekauft hatte.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Ich wünschte, der Typ auf mir drauf würde mal etwas Gas geben, denn allmählich wurde mir die Sache langweilig. Leider sah es jedoch nicht danach aus, als würde er in nächster Zeit kommen. Brad oder Brian, oder wie auch immer er heißen mochte, stieß weiter mit geschlossenen Augen in mich hinein und wirkte hochkonzentriert, als wäre Sex so schwierig wie Gehirnchirurgie oder das Anheben von Stahlträgern. »Brett«, stöhnte ich. Es war an der Zeit, schwerere Geschütze aufzufahren. Er öffnete ein Auge. »Bryce.«
»Bryce.« Ich setzte mein leidenschaftlichstes Orgasmusgesicht auf. »Bitte ... bitte ... nicht aufhören!« Nun hob sich auch sein anderes Lid, und beide Augen wurden groß. Eine Minute später war alles vorüber. »Tut mir leid«, keuchte er und wälzte sich verschämt von mir herunter. »Ich weiß nicht ... Ich wollte nicht ...« »Schon okay, Süßer.« Ich hatte kein sonderlich schlechtes Gewissen, weil ich die alte »Mach weiter«-Masche abgezogen hatte. Sie funktionierte nicht immer, aber bei einigen Typen führte sie schnell zum Ziel. »Es war ganz toll.« Was nicht völlig gelogen war. Der Sex an sich war bloß mittelprächtig gewesen, aber der anschließende Kick ... das Gefühl, wie sein Leben und seine Seele in mich hineinströmten ... ja. Das war ziemlich toll. Genau dafür lebte ein Sukkubus wie ich. Er lächelte mich schwach an. Seine Energie zirkulierte jetzt in meinem Körper. Der Verlust hatte ihn erschöpft, ausgebrannt. Bald würde er einschlafen, und auch in den nächsten Tagen würde er wahrscheinlich viel Schlaf benötigen. Seine Seele war eine gute gewesen, und ich hatte ihm einen recht großen Teil davon genommen - ebenso von seiner Lebenszeit. Er würde nun ein paar Jahre früher sterben, und das wegen mir.
Mit aller Kraft unterdrückte ich diese Gedanken, als ich mich eilig anzog, und konzentrierte mich stattdessen darauf, dass ich lediglich getan hatte, was zu meinem eigenen Überleben nö tig war. Außerdem verlangten meine höllischen Vorgesetzten von mir, regelmäßig auch gute Seelen zu verführen und zu verderben. Schlechte Männer hinterließen zwar einen weniger bitteren Nachgeschmack, erfüllten jedoch nicht die Anforderungen der Hölle.
Bryce schien überrascht zu sein von meinem abrupten Aufbruch, war jedoch zu erschöpft, um etwas dagegen unternehmen zu können. Ich versprach, ihn anzurufen - woran ich allerdings nicht mal im Traum dachte -, und schlüpfte aus dem Zimmer, während er in Ohnmacht fiel. Kaum hatte ich die Haustür hinter mir geschlossen, da wechselte ich auch schon meine Gestalt. Ich war als große, schwarzhaarige Frau zu ihm gekommen, aber jetzt trug ich wieder meinen Lieblingskörper: zierlich, haselnussgrüne Augen und hellbraunes Haar mit einem goldenen Schimmer. Die meiste Zeit meines Lebens wechselte ich immer wieder meine äußere Gestalt, ohne mich je ganz auf eine festzulegen.
Ich verdrängte Bryce sofort aus meinen Gedanken, so wie die meisten Männer, mit denen ich schlief, und fuhr quer durch die Stadt zu der Wohnung, die mir rasch zur zweiten Heimat geworden war: ein hellbraun gestrichenes Apartment mit schönem Stuck an den Wänden und Decken inmitten eines Viertels mit vielen anderen Neubauten, die auf Teufel komm raus »hip« sein wollten - soweit das in Seattle überhaupt möglich war. Ich stellte den Passat vor dem Haus ab, fischte den Schlüssel aus der Handtasche und steckte ihn ins Schloss.
In der Wohnung war es still und dunkel. Eine Uhr in der Nähe zeigte an, dass es drei Uhr morgens war. Ich ging zum Schlafzimmer, währenddessen gestaltwandelte ich und ersetzte meine Straßenkleidung durch ein rotes Nachthemd.
In der Tür blieb ich wie angewurzelt stehen und war überrascht, weil es mir den Atem verschlug. Eigentlich hätte ich mich nach all dieser Zeit doch an ihn gewöhnen müssen, sodass mich sein Anblick nicht mehr dermaßen treffen sollte. Aber er tat es. Jedes Mal.
Seth lag auf dem Bett, einen Arm über dem Kopf. Sein Atem ging tief und unruhig, und die Bettdecken lagen in wildem Durcheinander um seinen langen, schlanken Körper. Das Mondlicht dämpfte die Farbe seines Haars, aber im Sonnenschein hätte das Hellbraun einen Stich ins Rostrot gehabt. Wie ich ihn so betrachtete, ihn musterte, schlug mein Herz in der Brust unwillkürlich schneller. Niemals hätte ich erwartet, noch einmal so etwas zu empfinden, nicht nach all den Jahrhunderten, in denen ich mich so ... leer gefühlt hatte. Bryce hatte mir nichts bedeutet, aber dieser Mann hier bedeutete mir alles.
Ich schlüpfte neben ihm ins Bett, und er legte sofort seine Arme um mich, ganz instinktiv. Die Verbindung zwischen uns war so tief, dass wir selbst unbewusst nicht voneinander lassen konnten. Ich schmiegte meine Wange an Seths Brust, und seine Haut wärm te mich, als ich einschlief. Das Schuldgefühl wegen Bryce verblasste, und bald gab es bloß noch Seth und meine Liebe zu ihm.
Fast augenblicklich begann ich zu träumen. Nur dass ich, nun ja, eigentlich nicht in dem Traum war, oder zumindest nicht im aktiven Sinn. Ich beobachtete mich, sah die Geschehnisse vor mir ablaufen wie in einem Film. Anders als im Film konnte ich jedoch alle Einzelheiten spüren ... Es war fast lebendiger als im wirklichen Leben. Die andere Georgina stand in einer Küche, die mir völlig unbekannt war. Hell und modern, weitaus größer als alles, was eine Nicht-Köchin wie ich jemals bräuchte. Mein Traumselbst stand am Spülbecken, die Arme bis zu den Ellbogen in Schaumwasser, das nach Apfelsinen roch. Sie wusch Geschirr ab - was mein echtes Selbst überraschte - und stellte sich dabei ziemlich ungeschickt an, was mich wiederum nicht überraschte. Eine kaputte Geschirrspülmaschine stand offen, was die Notwendigkeit der manuellen Tätigkeit erklärte.
Aus einem anderen Zimmer drangen die Klänge von »Sweet Home Alabama« an mein Ohr. Mein Traumselbst summte beim Abwaschen, und auf diese surreale, träumerische Weise spürte ich ihr Glücksgefühl. Sie war zufrieden, erfüllt von einer Freude, die so absolut vollkommen war, dass ich sie kaum fassen konnte. Selbst mit Seth war ich selten so glücklich gewesen - und ich war verdammt glücklich mit ihm. Ich konnte mir nicht vorstellen, weswegen mein Traumselbst so glücklich war, insbesondere bei etwas so Alltäglichem wie dem Abwasch.
Ich erwachte. Zu meiner Überraschung war es bereits heller, sonniger Morgen. Es kam mir nicht so vor, als ob viel Zeit vergangen wäre. Der Traum war scheinbar nur kurz gewesen, dennoch behauptete der Wecker neben mir, dass ich sechs Stunden geschlafen hatte. Der Verlust des Glücksgefühls, das mein Traumselbst erfahren hatte, schmerzte. Noch seltsamer war, dass ich mich ... nicht richtig fühlte. Es dauerte einen Augenblick, bis ich das Problem erkannte: Ich war absolut leer. Die Energie, die ich zum Überleben benötigte, die Energie, die ich Bryce gestohlen hatte, war nahezu erschöpft. Tatsächlich hatte ich jetzt sogar weniger als vorher, bevor ich mit ihm ins Bett gestiegen war. Das konnte nicht sein! Ein derartiger Schub an Lebensenergie müsste mindestens ein paar Wochen reichen, und trotzdem war ich fast ebenso leer wie mein Opfer. Noch war der Vorrat nicht so weit erschöpft, dass ich meine Fähigkeit zum Gestaltwandeln verloren hätte, aber ich würde binnen weniger Tage einen neuen Kick benötigen.
»Stimmt was nicht?«, sagte Seths verschlafene Stimme neben mir. Ich wälzte mich herum und sah, dass er mich, auf einen Ellbogen gestützt, mit einem kleinen, süßen Lächeln beobachtete. Ich wollte nicht erklären, was geschehen war. Dazu müsste ich genauer auf das eingehen, was ich mit Bryce getan hatte, und während Seth rein theoretisch wusste, was ich zum Überleben brauchte, war Unwissenheit in diesem speziellen Fall ein Segen.
»Nichts«, log ich. Ich bin eine gute Lügnerin. Er streichelte meine Wange. »Ich habe dich gestern Nacht vermisst.« »Nein, hast du nicht. Du warst mit Cady und O'Neill beschäftigt.«
Aus dem süßen Lächeln wurde ein sarkastisches, aber trotzdem lag in seinen Augen dieser träumerische, nach innen gekehrte Ausdruck, wie immer, wenn er an die Protagonisten seiner Romane dachte. Während meines langen Lebens hatten Könige und Generäle um meine Liebe gebettelt, dennoch konnten meine Verführungskünste an manchen Tagen nichts ausrichten gegen die Figuren, die in Seths Kopf lebten.
Zum Glück war heute keiner dieser Tage, und er konzentrierte sich wieder auf mich.
»Die beiden sehen in einem Nachthemd lange nicht so gut aus. Das da ist übrigens genau wie in Anne Sextons Gedicht ›Lied für ein rotes Nachthemd‹: ›Jene Zimtherzen aus dem Süßwarenladen.‹« Nur Seth würde eine manisch-depressive Dichterin für ein
Kompliment zitieren. Ich warf einen Blick auf mein Nachthemd und strich abwesend mit der Hand über die rote Seide. »Ist ziemlich hübsch«, gab ich zu. »Vielleicht sehe ich darin sogar besser aus, als wenn ich nackt wäre.«
Er schnaubte höhnisch. »Nein, Thetis. Das tust du nicht.« Ich lächelte, wie stets, wenn er den Kosenamen benutzte, den er für mich ausgesucht hatte. In der griechischen Mythologie war Thetis die Mutter des Achilles, eine gestaltverändernde Göttin, die ein entschlossener Sterblicher für sich gewinnen konnte. Und dann warf Seth mich in erstaunlich draufgängerischer Art - zumindest für seine Verhältnisse - auf den Rücken und küsste meinen Hals. »He«, sagte ich und kämpfte etwas halbherzig dagegen an. »Dafür haben wir keine Zeit. Ich muss zur Arbeit. Und ich möchte ein Frühstück.«
»Kein Problem«, murmelte er und widmete sich meinem Mund. Ich stellte mein Gejammer ein. Seth küsste ganz wunderbar. Er küsste so, dass die Küsse im Mund zerschmolzen und ihn mit Süße erfüllten. Ein Geschmack wie Zuckerwatte. Aber ein echtes Dahin schmelzen gab es nicht, nicht für uns. Mit einem gut geübten Sinn fürs Timing, nach dem man die Uhr hätte stellen können, löste er sich von meinem Mund und setzte sich auf. Die Hände zog er ebenfalls zurück. Immer noch lächelnd sah er auf mich in meiner würdelosen Haltung herab.
Ich erwiderte das Lächeln und unterdrückte den leichten Stich des Bedauerns, den ich stets in diesen Augenblicken des Rückzugs verspürte.
Aber so war das eben mit uns, und ehrlich gesagt funktionierten wir mittlerweile ziemlich gut, wenn man sämtliche Komplikationen unserer Beziehung berücksichtigte. Mein Freund Hugh hatte einmal gescherzt, dass alle Frauen den Männern die Seele stehlen würden, wenn das Paar nur lange genug zusammen wäre. In meinem Fall waren dazu keine jahrelangen Auseinandersetzungen nötig. Ein allzu langer Kuss reichte aus. So war das Leben eines Sukkubus eben. Ich hatte die Regeln nicht aufgestellt, und ich konnte den unausweichlichen Energiediebstahl nicht verhindern, den intimer Körperkontakt mit mir nach sich zog. Ich konnte ihn jedoch von vornherein vermeiden, und das tat ich auch. Zwar sehnte ich mich schmerzlich nach Seth, aber ich würde ihm nicht wie Bryce das Leben stehlen. Ich setzte mich gleichfalls auf und wollte das Bett verlassen, aber Seth war anscheinend an diesem Morgen besonders wagemutig gestimmt. Er schlang mir die Arme um die Taille und zog mich auf seinen Schoß, drückte sich an meinen Rücken und vergrub sein leicht stoppeliges Gesicht in meinem Haar. Ich spürte das Beben seines Körpers, als er tief einatmete. Dann atmete er schwer und langsam wieder aus, als ob er nicht die Beherrschung verlieren wollte, und packte mich noch fester.
»Georgina«, hauchte er an meinem Hals. Ich schloss die Augen. Das spielerische Element war verschwunden. Eine dunkle Intensität hüllte uns ein, sowohl voller Verlangen als auch voll Furcht vor dem, was da kommen mochte. »Georgina«, wiederholte er. Seine Stimme war tief und heiser. Erneut hatte ich das Gefühl zu zerschmelzen. »Weißt du, weshalb man sagt, dass Sukkuben Männer im Schlaf heimsuchen?« »Weshalb?« Meine Stimme war zittrig.
»Weil ich jede Nacht von dir träume.« Unter den meisten Umständen hätte das banal geklungen, aber bei ihm hörte es sich kraftvoll und hungrig an. Ich drückte die Augen fester zusammen, und eine Unzahl von Gefühlen wirbelte in mir umher. Ich wollte weinen. Ich wollte ihn lieben. Ich wollte schreien. Manchmal war es einfach viel. Zu viel Gefühl. Zu viel Gefahr. Zu viel, zu viel.
Dann öffnete ich die Augen und drehte mich um, sodass ich sein Gesicht vor mir hatte. Wir sahen einander an, wir wollten beide mehr und waren außerstande, es zu geben oder zu nehmen. Ich brach den Blickkontakt zuerst ab und löste mich voller Bedauern aus seiner Umarmung. »Komm schon. Gehen wir Frühstücken.«
Seth lebte im Universitätsviertel von Seattle und somit fußläufig zu Lebensmittelläden und Restaurants, die gleich neben dem Campus der University of Washington lagen. Wir frühstückten in einem kleinen Café, und Omeletts und gute Gespräche drängten die zwiespältigen Gefühle von eben rasch in den Hintergrund. Anschließend wanderten wir gemütlich und Händchen haltend den University Way hinauf. Ich hatte ein paar Besorgungen zu erledigen, und er musste sich seinem Roman widmen, dennoch wollten wir uns einfach nicht trennen. Auf einmal blieb Seth stehen. »Georgina.«
»Hmm?« Er zog die Brauen hoch und starrte zur anderen Straßenseite hinüber. »Da drüben steht John Cusack.« Ich folgte seinem ungläubigen Blick zu einem Mann, der John Cusack wirklich sehr ähnlich sah. Er hatte sich an eine Hauswand gelehnt und rauchte. Ich seufzte.
»Das ist nicht John Cusack. Das ist Jerome.« »Wirklich?«
»Ja. Ich hab dir doch erzählt, dass er wie John Cusack aussieht.« »Schlüsselwort: aussieht. Der Typ da drüben sieht nicht wie er aus. Dieser Typ ist er.« »Glaub mir, er ist es nicht.« Angesichts von Jeromes ungeduldigem Ausdruck ließ ich Seths Hand los. »Bin gleich wieder da.« Ich überquerte die Straße, und als ich meinem Boss näher kam, überschwemmte mich Jeromes Aura. Sämtliche Unsterblichen besitzen eine einzigartige Signatur, und ein Dämon wie Jerome hat eine besonders ausgeprägte. Sie fühlte sich an wie Hitzewellen, die unentwegt heranbrandeten - als würde man einen Ofen öffnen und nicht weit genug zurückweichen. »Fass dich kurz!«, sagte ich zu ihm. »Du verdirbst mir mein romantisches Intermezzo. Wie üblich.« Jerome ließ die Zigarette fallen, drückte sie unter dem Absatz seiner schwarzen Kenneth-Cole-Oxford-Schuhe aus und sah sich verächtlich um. »Was, hier? Komm schon, Georgie. Das ist nicht romantisch. Das ist nicht mal ein Boxenstopp auf der Straße zur Romantik.« Wütend stemmte ich eine Hand in die Hüfte. Immer wenn sich Jerome in mein Privatleben einmischte, folgte gewöhnlich eine Reihe von Katastrophen, auf die ich gut und gern verzichten könnte. Irgendetwas sagte mir, dass das jetzt keine Ausnahme war. »Was willst du?« »Dich.«
Ich war verblüfft. »Was?« »Heute Abend findet eine Versammlung statt. Vom gesamten Personal.« »Wenn du ›gesamtes Personal‹ sagst, meinst du dann wirklich das gesamte Personal?« Beim letzten Mal hatte Seattles Chef-Erzdämon uns alle aus dieser Gegend versammelt, um uns darüber zu informieren, dass unser örtlicher Kobold »den Erwartungen nicht entsprach«. Jerome ließ uns alle Abschied nehmen und verbannte den armen Kerl daraufhin in die feurigen Abgründe der Hölle. Das war zwar traurig gewesen, aber mein Freund Hugh hatte seinen Job übernommen, und deshalb war ich gut darüber hinweg gekommen. Ich hoffte, dass diese Versammlung nicht einem ähnlichen Zweck diente.
Er warf mir einen verärgerten Blick zu, der ausdrückte, dass ich seine Zeit verschwendete. »Das ist die Definition von ›gesamtes Personal‹, nicht wahr?« »Wann denn?« »Um sieben. Bei Peter und Cody. Komm nicht zu spät! Deine Anwesenheit ist unbedingt erforderlich.«
Scheißdreck! Ich hoffte dringend, dass das nicht meine Abschiedsparty werden würde. Immerhin hatte ich mich in letzter Zeit ziemlich gut benommen. »Worum geht's?« »Find's raus, wenn du da bist. Komm nicht zu spät!«, wiederholte er. Der Dämon wich in den Schatten eines Gebäudes zurück und verschwand. Ein Gefühl der Bedrohung machte sich in mir breit. Dämonen konnte man niemals über den Weg trauen, insbesondere dann nicht, wenn sie wie schrullige Filmstars aussahen und rätselhafte Einladungen aussprachen.
»Alles in Ordnung?«, fragte mich Seth, als ich zu ihm zurückkehrte. Ich überlegte. »Na ja, mehr oder weniger jedenfalls.« Er entschied sich klugerweise, das Thema nicht weiter zu verfolgen, und wir trennten uns schließlich und widmeten uns unseren jeweiligen Aufgaben. Zwar hätte ich unheimlich gern gewusst, worum es bei dieser Versammlung gehen sollte, aber nicht annähernd so sehr, wie ich den Grund dafür erfahren wollte, warum ich über Nacht meine gesamte Energie verloren hatte. Und während ich alles Notwendige erledigte - Lebensmittel einkaufen, Ölwechsel machen lassen -, spulte sich der seltsame kurze Traum immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Wie konnte ein so kurzer Traum so lebendig sein? Und warum musste ich unaufhörlich daran denken? Das Rätsel lenkte mich so sehr ab, dass es sieben Uhr wurde, bevor ich bemerkte, wie spät es war. Ich stöhnte auf und begab mich im Eiltempo zur Wohnung meines Freundes Peter. Großartig. Ich würde zu spät kommen. Selbst wenn diese Versammlung nicht mich und meine unmittelbar bevorstehende Entlassung betraf, könnte ich letztlich doch einen Vorgeschmack auf Jeromes Zorn zu spüren bekommen. Ein paar Meter von der Wohnungstür entfernt spürte ich unsterbliche Signaturen. Viele Signaturen. Die Auren meiner Freunde, vertraut und geliebt, summten und sangen. Bei einigen anderen musste ich kurz überlegen, wem sie wohl gehören mochten. Im größeren Umkreis des Puget Sound lebte eine Schar höllischer Angestellter, mit denen ich fast nie etwas zu tun hatte. Eine Signatur kannte ich überhaupt nicht. Und eine ... eine schien mir entfernt vertraut zu sein, obwohl ich nicht so ganz den Finger darauf legen konnte, wem sie gehörte. Ich wollte schon klopfen, aber da kam mir der Gedanke, dass eine Versammlung des gesamten Personals etwas mehr als Jeans und T-Shirt verdiente. Daher gestaltwandelte ich mein Outfit zu einem braunen Kleid mit tiefem Ausschnitt und meine Haare zu einem ordentlichen Knoten. Ich hob die Hand. Eine genervte Vampirin, an die ich mich kaum erinnerte, ließ mich ein. Sie hob das Kinn zum Gruß und setzte daraufhin ihr Gespräch mit einem anderen Vampir fort, dem ich zuvor nur einmal begegnet war. Ich glaube, sie arbeiteten beide in Tacoma, das in meinen Augen ebenso gut eine Filiale der Hölle selbst sein konnte. Mein Freund Hugh, dunkelhaarig und hochgewachsen, ging umher und sprach dabei lebhaft in sein Handy. Jerome saß lässig und entspannt in einem Sessel, einen Martini neben sich. Seine selten zu sehenden Lieutenant-Dämoninnen standen in einer Ecke und blieben unter sich, wie üblich. Die Vampire Peter und Cody - meine guten Freunde, die hier wohnten - lachten in der Küche zusammen mit einigen anderen höllischen Angestellten, die ich nur entfernt kannte. Es hätte eine gewöhnliche Cocktailparty sein können, vielleicht sogar eine Feier. Ich hoffte, dass dementsprechend am heutigen Abend niemand erschlagen werden würde, da das der Atmosphäre einen beträchtlichen Dämpfer verpasst hätte. Niemand außer Jerome hatte mein Eintreffen bemerkt. »Zehn Minuten zu spät«, knurrte er. »He, das ist gerade in ...«
Eine groß gewachsene, amazonenhafte Blondine rannte mich fast über den Haufen. »Oh! Du musst Georgina sein! Ich wollte dich unbedingt kennenlernen.« Mein Blick glitt an elasthanumhüllten Körbchengröße-F Brüsten hinauf zu großen blauen Augen mit unglaublich langen Wimpern. Prächtige weiße Zähne lächelten auf mich herab. Die Zeiten, in denen es mir die Sprache verschlug, hatten Seltenheitswert, aber hin und wieder kam es doch vor. Diese wandelnde Barbiepuppe war ein Sukkubus, und zwar ein ganz, ganz frischer. Ich erkannte ihr Alter sowohl an ihrer Signatur als auch an ihrem Erscheinungsbild. Kein Sukkubus mit etwas Grips im Kopf hätte solch eine äußere Gestalt für sich gewählt. Sie übertrieb gewaltig, indem sie die Körperteile so hervorhob und zusammenwürfelte, wie Männer sie sich angeblich immerzu erträumten. Alles in allem ergab das eine Kreation, bei der einem, wie bei Frankenstein, einerseits die Spucke wegblieb, die jedoch andererseits anatomisch absolut unmöglich war. Ungeachtet meines Erstaunens und meiner Geringschätzung schüttelte sie mir mit enormer Kraft die Hand und hätte sie mir dabei fast gebrochen. »Ich bin wahnsinnig scharf darauf, mit dir zusammenzuarbeiten«, fuhr sie fort. »Ich bin mehr als bereit, alle Männer leiden zu lassen!« Schließlich fand ich meine Stimme wieder. »Wer ... wer bist du?« »Sie ist deine neue beste Freundin«, sagte eine Stimme neben mir. »Meine Güte, jetzt sieh dich mal an! Da wird sich Tawny aber mächtig ins Zeug legen müssen, um mit dir mitzuhalten.« Ein Mann kämpfte sich durch die Menge zu uns, und bei seinem Anblick zerstreute sich meine Neugier auf den anderen Sukkubus wie Asche im Wind. Ich vergaß sogar ihre Anwesenheit. Mir drehte sich der Magen um, als ich der rätselhaften Signatur nun eine Identität zuordnen konnte. Der kalte Schweiß brach mir im Nacken aus und rann in den zarten Stoff meines Kleids. Der Typ, der auf uns zukam, hatte in etwa meine Größe - war also nicht sonderlich groß -, und seine Haut besaß einen dunklen Olivton. Auf dem Kopf hatte er mehr Pomade als schwarzes Haar. Sein Anzug war gediegen und ganz eindeutig nicht von der Stange. Angesichts meiner sprachlosen Verblüffung und Verlegenheit breitete sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Kleine Letha! Bist inzwischen groß geworden und darfst endlich bei den Erwachsenen mitspielen, hm?« Er sprach so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte. Nun, im Großen und Ganzen haben Unsterbliche wie ich auf dieser Welt nur wenig zu fürchten. Vor drei Wesen hatte ich jedoch gewaltigen Respekt: Das eine war Lilith, Königin der Sukkuben, ein Wesen von derart beeindruckender Macht und Schönheit, dass ich für nur einen Kuss - wieder - meine Seele verkauft hätte. Ein anderes Wesen, das mir eine Heidenangst einjagte, war ein Nephilim namens Roman. Er war Jeromes halb menschlicher Sohn und hatte einen guten Grund, mich eines Tages zu jagen und zu vernichten. Die dritte Person war dieser Mann, der jetzt vor mir stand. Seine Name war Niphon, und er war ein Kobold, genau wie mein Freund Hugh. Und wie alle Kobolde hatte Niphon nur zwei Aufgaben. Zum einen erledigten sie verwaltungstechnische Dinge für Dämonen. Die andere Aufgabe, seine vorrangige, bestand darin, Verträge mit Sterblichen zu schließen und Seelen für die Hölle zu vermitteln und einzukaufen. Und er war der Kobold, der meine gekauft hatte.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Richelle Mead
Richelle Mead, geb. in Michigan, studierte Kunst, Religion und Englisch. Mit ihrer Jugendbuchserie Vampire Academy gelang ihr auf Anhieb der Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Richelle Mead
- 2012, 360 Seiten, Maße: 12,6 x 18,9 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung v. Alfons Winkelmann
- Übersetzer: Alfons Winkelmann
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586751
- ISBN-13: 9783802586750
Kommentar zu "Succubus Dreams - Verlangen ist ihre schärfste Waffe / Georgina Kincaid Bd.3"
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