Wolfsfeuer / Geschöpfe der Nacht Bd.9
Roman. Deutsche Erstausgabe
Seit Alexandra Trevalyns Eltern von Werwölfen getötet wurden, macht sie Jagd auf die Gestaltwandler. Doch als sie die Frau des Alphawolfs Julian Barlow umbringt, rächt sich dieser, indem er Alexandra selbst in eine Werwölfin verwandelt. Nun steht sie auf...
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Produktinformationen zu „Wolfsfeuer / Geschöpfe der Nacht Bd.9 “
Klappentext zu „Wolfsfeuer / Geschöpfe der Nacht Bd.9 “
Seit Alexandra Trevalyns Eltern von Werwölfen getötet wurden, macht sie Jagd auf die Gestaltwandler. Doch als sie die Frau des Alphawolfs Julian Barlow umbringt, rächt sich dieser, indem er Alexandra selbst in eine Werwölfin verwandelt. Nun steht sie auf der Seite der Geschöpfe, die sie einst so gnadenlos verfolgt hat. Und muss feststellen, dass der gut aussehende Julian verwirrende Gefühle in ihr weckt
Lese-Probe zu „Wolfsfeuer / Geschöpfe der Nacht Bd.9 “
Wolfsfeuer von Lori Handeland1
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Sie folgte dem Mann seit einer Woche. An den Kragen wollte sie ihm seit einem Monat. Werwölfe waren nicht leicht zu fassen.
Werwölfe waren auch nicht leicht zu töten, trotzdem schlug sie sich nicht schlecht. Einst hatte Alexandra Trevalyn den Jägersuchern angehört, einer Monster jagenden Elite-Spezialeinheit. Dann hatten diese ihren Biss verloren, und seither operierte Alex allein und ohne Skrupel.
Die Nacht war schon vor Stunden über L. A. hereingebrochen. Früher hätte sie vielleicht den Himmel betrachtet und Fantasien gesponnen über ... Hm, sie erinnerte sich nicht, welche Fantasien sie damals gesponnen hatte. Mit fünfzehn Jahren ihren Vater sterben zu sehen, hatte jeden ihrer Träume in einen Albtraum verwandelt. Heute Abend war sie einfach nur froh, dass der Mond voll war und der Mann sich bald verwandeln würde. Anschließend würde sie ihn erschießen. Aber wie üblich lief nichts nach Plan.
Plötzlich stand der Kerl direkt vor ihr. Ihr Herz machte einen schnellen, schmerzhaften Satz, bevor sie ihre Panik unter Kontrolle bekam. Werwölfe tranken den Geruch von Angst, wie Vampire Blut tranken; er war ihnen Stärkung und Genuss zugleich.
»He, Jorge«, sagte sie. »Que pasa?«
Seine Augen wurden schmal. »Warum folgst du mir, puta? Bist du ein Bulle?«
»Das würde dir so gefallen.«
Verwirrung flackerte über seine Züge. »Wieso sollte mir das gefallen?«
»Weil ein Bulle nicht wüsste, wie man einen Werwolf zur Strecke bringt.«
Er knurrte, das Geräusch nicht mehr ganz menschlich. Doch anstatt sich in einen Wolf zu verwandeln, griff er nach ihr, zu begierig darauf, ihre Brüste zu betatschen, um auf ihre Hände zu achten.
»Kleine Mädchen, die den großen bösen Wolf suchen, finden ihn meistens«, grunzte er mit einer Stimme, die zwischen Tier und Mensch schwankte.
»Ich finde ihn immer«, sagte Alex und drückte den Abzug der Pistole, die sie aus dem hinteren Hosenbund gezogen hatte, während Jorge die Melonen betastete.
Feuer explodierte aus der Wunde - die typische Reaktion, wenn ein Werwolf mit Silber in Berührung kam. Alex wand sich aus Jorges noch immer zupackenden Fingern und schlug die Flammenspratzer auf ihrer schwarzen Bluse aus. Anschließend entlud sie, nur um auf Nummer sicher zu gehen, ihr restliches Magazin in seinen Körper und sah zu, wie er verbrannte. Das war ihr Lieblingsteil.
Zum Glück befanden sie sich in einem Viertel von L. A., in dem Schüsse keine Aufmerksamkeit erregten. Jorge hatte sie hierher gelockt, und sie war ihm nur allzu gern gefolgt.
Trotzdem hätte sie besser warten sollen, bis er sich verwandelte, ehe sie ihn abknallte. Die Gesetzeshüter legten ein gegrilltes Tier bedeutend schneller ad acta als einen gegrillten Mann. Nur dass Jorge ihr nicht wirklich eine Wahl gelassen hatte. Sie hätte sich ganz sicher nicht von ihm umbringen lassen. Oder Schlimmeres.
»Glaubst du, auf eine Leiche zu schießen, würde sie noch toter machen?«
Alex wirbelte zu der Stimme herum, in der sie das vertraute, unterschwellige Vibrieren eines nicht menschlichen Knurrens hörte. Ein Mann lehnte so lässig an dem leer stehenden Nebengebäude, als wäre er schon seit Stunden hier.
Nur dass er vor ein paar Minuten noch nicht da gewesen war. Und auch sonst niemand.
Er war groß - circa einen Meter neunzig -, um die hundertzehn Kilo schwer, trug lässig sitzende schwarze Hosen, ein langärmliges schwarzes Hemd und eine schwarze Strickmütze, die sein Haar verdeckte. Seine Aufmachung wirkte ein bisschen zu warm für diesen lauen kalifornischen Abend, aber das Gleiche traf auf Alex' Kleidung zu. Je geschickter man Schusswaffen, Messer und andere glänzende Gegenstände verbarg, desto einfacher war es, mit der Dunkelheit zu verschmelzen oder ganz in ihr zu verschwinden.
Alex konnte die Farbe seiner Augen im fahlen Mondschein und den vom Smog durchzogenen Schatten nicht erkennen, aber sie ahnte, dass sie so hell waren wie die ihren, wenn vielleicht auch blau statt grün.
Sie hatte ihn nie zuvor gesehen - sie würde sich erinnern -, aber das musste nichts heißen. In dieser Stadt wimmelte es nur so von Werwölfen.
Er kam auf sie zugeschlendert, als hätte er alle Zeit der Welt, als fürchtete er sich nicht vor ihrer Pistole, und das machte Alex nervöser als die Tatsache, dass er überhaupt hier war.
Welcher Mensch schreckte nicht vor einer Schusswaffe zurück, welches Tier nicht vor dem Silber darin?
Mit der Wucht eines Faustschlags, der ihr den Magen umdrehte und den Kopf vernebelte, durchzuckte Alex plötzlich die Erinnerung ...
Sie hatte jede einzelne Kugel in Jorge gejagt.
Sie tastete nach einem Ladeclip, als sein Arm mit schwindelerregendem Tempo auf sie zuschnellte. Alex wappnete sich gegen den Schlag, der sie zehn Meter durch die Luft katapultieren konnte. Anstelle dessen berührte er sie mit einem Metallobjekt. Sie hatte einen einzigen Gedanken - Elektroschocker -, bevor sie zu Boden ging.
Der Mann beugte sich über sie, und da wusste sie, dass sie geliefert war. Sie wartete auf die Brutalität, den Schmerz, das Blut. Stattdessen spürte sie einen scharfen Stich; dann wurde alles schwarz.
Alex erwachte in einem kleinen, von einer einzelnen Glühbirne beleuchteten Zimmer. Ihr tat jeder Knochen weh, und ihr Mund war trocken wie ein Wüstenwind. Sie war immer noch vollständig bekleidet, aber sie spürte nirgendwo das Gewicht ihrer Waffen - keine Pistole, keine Munition, kein Silberstilett. Ohne sie fühlte Alex sich trotzdem nackt.
Ihr schulterlanges, hellbraunes Haar hatte sich aus dem festen Knoten gelöst, den sie vorzugsweise bei der Arbeit trug, und fiel ihr nun übers Gesicht. Sie bewegte nur die Augen, während sie ihre Umgebung scannte - vier Wände, eine Tür und der Mann, der ihr das angetan hatte, nicht weit von ihr an einem klapprigen Holztisch.
Alex war an eine Pritsche fixiert, und obwohl es sie drängte, an den Fesseln zu zerren, um festzustellen, wie robust sie waren, blieb sie still liegen und atmete langsam und gleichmäßig ein und aus. Sie durfte nicht verraten, dass sie wach war, bevor sie so viel wie möglich über ihren Aufenthaltsort herausgefunden hatte.
Sie studierte ihren Kidnapper durch den Vorhang ihrer Haare, während er, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, auf irgendeinen Punkt zwischen ihnen starrte. Seine hängenden Schultern gaben ihm ein kummervolles, beinahe gramgebeugtes Aussehen. Allerdings hatte sie noch nie von einem Werwolf gehört, der wegen irgendetwas Kummer empfand, es sei denn, wegen einer entkommenen Beute.
Er hatte die Strickmütze abgesetzt, und sein goldblondes Haar schimmerte in dem wenigen Licht. Es war mit einem Gummiband zusammengefasst und ließ eine markante Wangen- und Kieferpartie sowie einen Bartschatten an seinem Kinn erkennen.
Er wandte ihr den Kopf zu. Seine Augen hatten die Farbe des Himmels direkt nach Sonnenuntergang - kühl und blau, dämmrig vor entschwundener Wärme. Für den Bruchteil einer Sekunde hätte Alex schwören können, einen Funken von Rostrot in den Iriden zu sehen, was sie an die Flammen der Hölle erinnerte, die auf ihn warteten, sobald sie sich ihre Waffe zurückgeholt hätte.
Zu träumen musste schließlich erlaubt sein.
»Alexandra Trevalyn«, murmelte er und stand langsam auf. »Ich warte hierauf schon eine sehr lange Zeit.«
Mit langen Schritten durchmaß er die wenigen Meter, die sie trennten; er schob ihr das Haar aus dem Gesicht, dann umfasste er ihr Kinn und hielt es erbarmungslos fest, als sie sich wehrte.
»Sieh sie an«, verlangte er in einem Tonfall, der sie trotz des Feuers in seinen Augen frösteln ließ.
Er hielt das, worauf er zuvor gestarrt hatte, vor ihr Gesicht. Ein einziger Blick auf das Foto - eine Frau, hübsch und jung, blond und lachend - genügte, und Alex schloss die Augen.
Oh, verflucht.
»Kennst du sie?« Seine Finger drückten fest genug zu, um einen blauen Fleck zu hinterlassen.
Und ob Alex sie kannte. Sie hatte sie getötet.
Julian Barlow war hin- und hergerissen zwischen dem überwältigenden Bedürfnis, sie loszulassen, und dem ebenso übermächtigen Verlangen, ihr Gesicht zwischen seinen Fingern zu zerquetschen, zu hören, wie die Knochen brachen, wie sie schrie. Doch das wäre zu einfach.
Für sie.
Er hatte etwas viel Raffinierteres im Sinn.
Sie versuchte, sich aus seinem Klammergriff zu befreien, aber er war zu kräftig, sodass sie schließlich ein scharfes, schmerzgepeinigtes Keuchen ausstieß, als er noch fester zudrückte. »Ihr Name war Alana«, sagte er. »Sie war meine Frau.« Alex rümpfte angewidert die Nase. »Sie war ein Werwolf.« »Sie war ein Mensch.«
»Nein.« Als sich ihre Blicke trafen, erkannte er in ihren Augen die Endgültigkeit ihrer Meinung. »Das war sie nicht.«
So, wie nicht alle Menschen gleich waren, waren auch nicht alle Werwölfe gleich. Einige waren abgrundtief böse, dämonisch, außer Kontrolle geratene wilde Tiere. Aber seine Alana ...
Julian wurde die Kehle eng, und er hatte Mühe, die Verzweiflung, die sein ständiger Wegbegleiter war, niederzuringen. Er würde tun, wofür er gekommen war, und vielleicht, nur vielleicht, würde er dann endlich schlafen können.
Er holte tief Luft, dann runzelte er verwirrt die Stirn. Er roch keine Angst. Er kniff die Augen zusammen, aber das Einzige, was er in Alexandras Gesicht entdecken konnte, war stoische Resignation.
»Bringen wir es hinter uns«, sagte sie.
»Was denkst du, warum ich dich hierher gebracht habe?« »Um mich sterben zu sehen.«
»Das würde dir so gefallen.«
Alexandra knirschte mit den Zähnen, als er dieselben Worte benutzte, mit denen sie Jorge verhöhnt hatte. Mit einem verachtungsvollen Rucken seines Handgelenks ließ er sie los. Sie sollten es hinter sich bringen, genau wie sie gesagt hatte.
Julian öffnete einen nach dem anderen die Knöpfe seines Hemds, dann zog er es aus und ließ es zu Boden fallen. Mit geweiteten Augen ließ sie den Blick über ihn gleiten. Wo immer dieser Blick ihn traf, bewirkte er eine Gänsehaut. Er wollte nicht, dass sie ihn ansah, aber es ließ sich nicht umgehen.
Julian senkte die Hände zu seiner Hose; Alex folgte der Bewegung mit den Augen. Doch kaum dass der einzelne Knopf aufsprang, zuckten sie zu seinem Gesicht. Das Ratschen des Reißverschlusses sprengte die bleierne, angespannte Stille.
Alex wurde blass und zuckte zurück, und nun endlich roch er ihre Furcht.
»Der Tod ängstigt dich nicht«, murmelte er, als er den Daumen in den Bund seiner schwarzen Hose hakte und sie über seine Hüften schob. »Mal sehen, wie es hiermit steht.«
»Du wirst einige Mühe haben, mich damit zu vergewaltigen«, zischte sie und nickte mit dem Kinn zu seinem schlaffen Glied.
»Vergewaltigen?« Er zog den Gummi aus seinem Pferdeschwanz und ließ die Haare auf seine Schultern fallen. »Das ist nicht mein Stil.«
Verwirrung flackerte über ihr Gesicht. »Wozu dann der Striptease?«
Anstelle einer Antwort warf er den Kopf zurück und ließ ein Heulen erklingen.
Der Geruch ihrer Angst lockte das Tier in ihm hervor. Er hatte hiervon, von ihr, geträumt, es geplant, dafür gelebt. Er wollte, dass Alexandra Trevalyn verstand, was sie getan hatte, dass sie lange Zeit dafür büßte, und dafür gab es nur einen Weg.
Julians Körper verbog sich, als seine Wirbelsäule sich verformte. Knochen knackten, Gelenke knirschten; Nase und Mund verlängerten sich zu einer Schnauze; Hände und Füße wurden zu Pfoten, Krallen traten hervor, wo eben noch Finger- und Zehennägel gewesen waren. Während er sich auf alle viere sinken ließ, sprossen ihm goldene Haare aus allen Poren. Als Letztes bildeten sich ein Schweif und spitze Ohren, um seine Metamorphose in einen Wolf zu vervollkommnen - wenn man von zwei winzigen Details absah: die menschlichen Augen in einem nicht menschlichen Gesicht und die menschliche Intelligenz hinter dem Antlitz eines Tiers.
»Niemand kann sich derart schnell verwandeln.« Julian schwenkte den Kopf zu der Frau, die ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte.
Aber Julian konnte es.
Seine Geburt lag Jahrhunderte zurück, und mit dem Alter erlangte man nicht nur Weisheit, sondern auch besondere Fähigkeiten - zumindest galt das für einen Werwolf. Je älter Julian wurde, desto schneller konnte er sich transformieren.
Mit aufgestellten Nackenhaaren und gebleckter Oberlippe stakste er steifbeinig auf Alex zu. Sie verkrampfte den Kiefer vor lauter Anstrengung, nicht vor ihm zurückzuschrecken, aber ihr Körper gehorchte den Befehlen ihres Gehirns nicht. Sein heißer Atem strich in Wellen über ihren Arm, ihren Hals, ihr Gesicht. Sie war ihm komplett ausgeliefert. Er konnte mit ihr tun, was er wollte. Sie wusste es, und ihre Angst hüllte Julian ein wie ein hochsommerlicher Nebel.
War es das, was Alana in den Sekunden vor ihrem Tod gefühlt hatte? Oder hatte sie nicht die Chance bekommen, irgendetwas zu fühlen, bevor dieses Kind sie mit einer Silberkugel erschossen und anschließend zugesehen hatte, wie sie verbrannte? Ein Knurren entrang sich Julians Kehle.
Alex spannte jeden Muskel an, dann schrie sie: »Tu es!« Gehorsam schlug Julian die Zähne in ihre Schulter.
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Sie folgte dem Mann seit einer Woche. An den Kragen wollte sie ihm seit einem Monat. Werwölfe waren nicht leicht zu fassen.
Werwölfe waren auch nicht leicht zu töten, trotzdem schlug sie sich nicht schlecht. Einst hatte Alexandra Trevalyn den Jägersuchern angehört, einer Monster jagenden Elite-Spezialeinheit. Dann hatten diese ihren Biss verloren, und seither operierte Alex allein und ohne Skrupel.
Die Nacht war schon vor Stunden über L. A. hereingebrochen. Früher hätte sie vielleicht den Himmel betrachtet und Fantasien gesponnen über ... Hm, sie erinnerte sich nicht, welche Fantasien sie damals gesponnen hatte. Mit fünfzehn Jahren ihren Vater sterben zu sehen, hatte jeden ihrer Träume in einen Albtraum verwandelt. Heute Abend war sie einfach nur froh, dass der Mond voll war und der Mann sich bald verwandeln würde. Anschließend würde sie ihn erschießen. Aber wie üblich lief nichts nach Plan.
Plötzlich stand der Kerl direkt vor ihr. Ihr Herz machte einen schnellen, schmerzhaften Satz, bevor sie ihre Panik unter Kontrolle bekam. Werwölfe tranken den Geruch von Angst, wie Vampire Blut tranken; er war ihnen Stärkung und Genuss zugleich.
»He, Jorge«, sagte sie. »Que pasa?«
Seine Augen wurden schmal. »Warum folgst du mir, puta? Bist du ein Bulle?«
»Das würde dir so gefallen.«
Verwirrung flackerte über seine Züge. »Wieso sollte mir das gefallen?«
»Weil ein Bulle nicht wüsste, wie man einen Werwolf zur Strecke bringt.«
Er knurrte, das Geräusch nicht mehr ganz menschlich. Doch anstatt sich in einen Wolf zu verwandeln, griff er nach ihr, zu begierig darauf, ihre Brüste zu betatschen, um auf ihre Hände zu achten.
»Kleine Mädchen, die den großen bösen Wolf suchen, finden ihn meistens«, grunzte er mit einer Stimme, die zwischen Tier und Mensch schwankte.
»Ich finde ihn immer«, sagte Alex und drückte den Abzug der Pistole, die sie aus dem hinteren Hosenbund gezogen hatte, während Jorge die Melonen betastete.
Feuer explodierte aus der Wunde - die typische Reaktion, wenn ein Werwolf mit Silber in Berührung kam. Alex wand sich aus Jorges noch immer zupackenden Fingern und schlug die Flammenspratzer auf ihrer schwarzen Bluse aus. Anschließend entlud sie, nur um auf Nummer sicher zu gehen, ihr restliches Magazin in seinen Körper und sah zu, wie er verbrannte. Das war ihr Lieblingsteil.
Zum Glück befanden sie sich in einem Viertel von L. A., in dem Schüsse keine Aufmerksamkeit erregten. Jorge hatte sie hierher gelockt, und sie war ihm nur allzu gern gefolgt.
Trotzdem hätte sie besser warten sollen, bis er sich verwandelte, ehe sie ihn abknallte. Die Gesetzeshüter legten ein gegrilltes Tier bedeutend schneller ad acta als einen gegrillten Mann. Nur dass Jorge ihr nicht wirklich eine Wahl gelassen hatte. Sie hätte sich ganz sicher nicht von ihm umbringen lassen. Oder Schlimmeres.
»Glaubst du, auf eine Leiche zu schießen, würde sie noch toter machen?«
Alex wirbelte zu der Stimme herum, in der sie das vertraute, unterschwellige Vibrieren eines nicht menschlichen Knurrens hörte. Ein Mann lehnte so lässig an dem leer stehenden Nebengebäude, als wäre er schon seit Stunden hier.
Nur dass er vor ein paar Minuten noch nicht da gewesen war. Und auch sonst niemand.
Er war groß - circa einen Meter neunzig -, um die hundertzehn Kilo schwer, trug lässig sitzende schwarze Hosen, ein langärmliges schwarzes Hemd und eine schwarze Strickmütze, die sein Haar verdeckte. Seine Aufmachung wirkte ein bisschen zu warm für diesen lauen kalifornischen Abend, aber das Gleiche traf auf Alex' Kleidung zu. Je geschickter man Schusswaffen, Messer und andere glänzende Gegenstände verbarg, desto einfacher war es, mit der Dunkelheit zu verschmelzen oder ganz in ihr zu verschwinden.
Alex konnte die Farbe seiner Augen im fahlen Mondschein und den vom Smog durchzogenen Schatten nicht erkennen, aber sie ahnte, dass sie so hell waren wie die ihren, wenn vielleicht auch blau statt grün.
Sie hatte ihn nie zuvor gesehen - sie würde sich erinnern -, aber das musste nichts heißen. In dieser Stadt wimmelte es nur so von Werwölfen.
Er kam auf sie zugeschlendert, als hätte er alle Zeit der Welt, als fürchtete er sich nicht vor ihrer Pistole, und das machte Alex nervöser als die Tatsache, dass er überhaupt hier war.
Welcher Mensch schreckte nicht vor einer Schusswaffe zurück, welches Tier nicht vor dem Silber darin?
Mit der Wucht eines Faustschlags, der ihr den Magen umdrehte und den Kopf vernebelte, durchzuckte Alex plötzlich die Erinnerung ...
Sie hatte jede einzelne Kugel in Jorge gejagt.
Sie tastete nach einem Ladeclip, als sein Arm mit schwindelerregendem Tempo auf sie zuschnellte. Alex wappnete sich gegen den Schlag, der sie zehn Meter durch die Luft katapultieren konnte. Anstelle dessen berührte er sie mit einem Metallobjekt. Sie hatte einen einzigen Gedanken - Elektroschocker -, bevor sie zu Boden ging.
Der Mann beugte sich über sie, und da wusste sie, dass sie geliefert war. Sie wartete auf die Brutalität, den Schmerz, das Blut. Stattdessen spürte sie einen scharfen Stich; dann wurde alles schwarz.
Alex erwachte in einem kleinen, von einer einzelnen Glühbirne beleuchteten Zimmer. Ihr tat jeder Knochen weh, und ihr Mund war trocken wie ein Wüstenwind. Sie war immer noch vollständig bekleidet, aber sie spürte nirgendwo das Gewicht ihrer Waffen - keine Pistole, keine Munition, kein Silberstilett. Ohne sie fühlte Alex sich trotzdem nackt.
Ihr schulterlanges, hellbraunes Haar hatte sich aus dem festen Knoten gelöst, den sie vorzugsweise bei der Arbeit trug, und fiel ihr nun übers Gesicht. Sie bewegte nur die Augen, während sie ihre Umgebung scannte - vier Wände, eine Tür und der Mann, der ihr das angetan hatte, nicht weit von ihr an einem klapprigen Holztisch.
Alex war an eine Pritsche fixiert, und obwohl es sie drängte, an den Fesseln zu zerren, um festzustellen, wie robust sie waren, blieb sie still liegen und atmete langsam und gleichmäßig ein und aus. Sie durfte nicht verraten, dass sie wach war, bevor sie so viel wie möglich über ihren Aufenthaltsort herausgefunden hatte.
Sie studierte ihren Kidnapper durch den Vorhang ihrer Haare, während er, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, auf irgendeinen Punkt zwischen ihnen starrte. Seine hängenden Schultern gaben ihm ein kummervolles, beinahe gramgebeugtes Aussehen. Allerdings hatte sie noch nie von einem Werwolf gehört, der wegen irgendetwas Kummer empfand, es sei denn, wegen einer entkommenen Beute.
Er hatte die Strickmütze abgesetzt, und sein goldblondes Haar schimmerte in dem wenigen Licht. Es war mit einem Gummiband zusammengefasst und ließ eine markante Wangen- und Kieferpartie sowie einen Bartschatten an seinem Kinn erkennen.
Er wandte ihr den Kopf zu. Seine Augen hatten die Farbe des Himmels direkt nach Sonnenuntergang - kühl und blau, dämmrig vor entschwundener Wärme. Für den Bruchteil einer Sekunde hätte Alex schwören können, einen Funken von Rostrot in den Iriden zu sehen, was sie an die Flammen der Hölle erinnerte, die auf ihn warteten, sobald sie sich ihre Waffe zurückgeholt hätte.
Zu träumen musste schließlich erlaubt sein.
»Alexandra Trevalyn«, murmelte er und stand langsam auf. »Ich warte hierauf schon eine sehr lange Zeit.«
Mit langen Schritten durchmaß er die wenigen Meter, die sie trennten; er schob ihr das Haar aus dem Gesicht, dann umfasste er ihr Kinn und hielt es erbarmungslos fest, als sie sich wehrte.
»Sieh sie an«, verlangte er in einem Tonfall, der sie trotz des Feuers in seinen Augen frösteln ließ.
Er hielt das, worauf er zuvor gestarrt hatte, vor ihr Gesicht. Ein einziger Blick auf das Foto - eine Frau, hübsch und jung, blond und lachend - genügte, und Alex schloss die Augen.
Oh, verflucht.
»Kennst du sie?« Seine Finger drückten fest genug zu, um einen blauen Fleck zu hinterlassen.
Und ob Alex sie kannte. Sie hatte sie getötet.
Julian Barlow war hin- und hergerissen zwischen dem überwältigenden Bedürfnis, sie loszulassen, und dem ebenso übermächtigen Verlangen, ihr Gesicht zwischen seinen Fingern zu zerquetschen, zu hören, wie die Knochen brachen, wie sie schrie. Doch das wäre zu einfach.
Für sie.
Er hatte etwas viel Raffinierteres im Sinn.
Sie versuchte, sich aus seinem Klammergriff zu befreien, aber er war zu kräftig, sodass sie schließlich ein scharfes, schmerzgepeinigtes Keuchen ausstieß, als er noch fester zudrückte. »Ihr Name war Alana«, sagte er. »Sie war meine Frau.« Alex rümpfte angewidert die Nase. »Sie war ein Werwolf.« »Sie war ein Mensch.«
»Nein.« Als sich ihre Blicke trafen, erkannte er in ihren Augen die Endgültigkeit ihrer Meinung. »Das war sie nicht.«
So, wie nicht alle Menschen gleich waren, waren auch nicht alle Werwölfe gleich. Einige waren abgrundtief böse, dämonisch, außer Kontrolle geratene wilde Tiere. Aber seine Alana ...
Julian wurde die Kehle eng, und er hatte Mühe, die Verzweiflung, die sein ständiger Wegbegleiter war, niederzuringen. Er würde tun, wofür er gekommen war, und vielleicht, nur vielleicht, würde er dann endlich schlafen können.
Er holte tief Luft, dann runzelte er verwirrt die Stirn. Er roch keine Angst. Er kniff die Augen zusammen, aber das Einzige, was er in Alexandras Gesicht entdecken konnte, war stoische Resignation.
»Bringen wir es hinter uns«, sagte sie.
»Was denkst du, warum ich dich hierher gebracht habe?« »Um mich sterben zu sehen.«
»Das würde dir so gefallen.«
Alexandra knirschte mit den Zähnen, als er dieselben Worte benutzte, mit denen sie Jorge verhöhnt hatte. Mit einem verachtungsvollen Rucken seines Handgelenks ließ er sie los. Sie sollten es hinter sich bringen, genau wie sie gesagt hatte.
Julian öffnete einen nach dem anderen die Knöpfe seines Hemds, dann zog er es aus und ließ es zu Boden fallen. Mit geweiteten Augen ließ sie den Blick über ihn gleiten. Wo immer dieser Blick ihn traf, bewirkte er eine Gänsehaut. Er wollte nicht, dass sie ihn ansah, aber es ließ sich nicht umgehen.
Julian senkte die Hände zu seiner Hose; Alex folgte der Bewegung mit den Augen. Doch kaum dass der einzelne Knopf aufsprang, zuckten sie zu seinem Gesicht. Das Ratschen des Reißverschlusses sprengte die bleierne, angespannte Stille.
Alex wurde blass und zuckte zurück, und nun endlich roch er ihre Furcht.
»Der Tod ängstigt dich nicht«, murmelte er, als er den Daumen in den Bund seiner schwarzen Hose hakte und sie über seine Hüften schob. »Mal sehen, wie es hiermit steht.«
»Du wirst einige Mühe haben, mich damit zu vergewaltigen«, zischte sie und nickte mit dem Kinn zu seinem schlaffen Glied.
»Vergewaltigen?« Er zog den Gummi aus seinem Pferdeschwanz und ließ die Haare auf seine Schultern fallen. »Das ist nicht mein Stil.«
Verwirrung flackerte über ihr Gesicht. »Wozu dann der Striptease?«
Anstelle einer Antwort warf er den Kopf zurück und ließ ein Heulen erklingen.
Der Geruch ihrer Angst lockte das Tier in ihm hervor. Er hatte hiervon, von ihr, geträumt, es geplant, dafür gelebt. Er wollte, dass Alexandra Trevalyn verstand, was sie getan hatte, dass sie lange Zeit dafür büßte, und dafür gab es nur einen Weg.
Julians Körper verbog sich, als seine Wirbelsäule sich verformte. Knochen knackten, Gelenke knirschten; Nase und Mund verlängerten sich zu einer Schnauze; Hände und Füße wurden zu Pfoten, Krallen traten hervor, wo eben noch Finger- und Zehennägel gewesen waren. Während er sich auf alle viere sinken ließ, sprossen ihm goldene Haare aus allen Poren. Als Letztes bildeten sich ein Schweif und spitze Ohren, um seine Metamorphose in einen Wolf zu vervollkommnen - wenn man von zwei winzigen Details absah: die menschlichen Augen in einem nicht menschlichen Gesicht und die menschliche Intelligenz hinter dem Antlitz eines Tiers.
»Niemand kann sich derart schnell verwandeln.« Julian schwenkte den Kopf zu der Frau, die ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte.
Aber Julian konnte es.
Seine Geburt lag Jahrhunderte zurück, und mit dem Alter erlangte man nicht nur Weisheit, sondern auch besondere Fähigkeiten - zumindest galt das für einen Werwolf. Je älter Julian wurde, desto schneller konnte er sich transformieren.
Mit aufgestellten Nackenhaaren und gebleckter Oberlippe stakste er steifbeinig auf Alex zu. Sie verkrampfte den Kiefer vor lauter Anstrengung, nicht vor ihm zurückzuschrecken, aber ihr Körper gehorchte den Befehlen ihres Gehirns nicht. Sein heißer Atem strich in Wellen über ihren Arm, ihren Hals, ihr Gesicht. Sie war ihm komplett ausgeliefert. Er konnte mit ihr tun, was er wollte. Sie wusste es, und ihre Angst hüllte Julian ein wie ein hochsommerlicher Nebel.
War es das, was Alana in den Sekunden vor ihrem Tod gefühlt hatte? Oder hatte sie nicht die Chance bekommen, irgendetwas zu fühlen, bevor dieses Kind sie mit einer Silberkugel erschossen und anschließend zugesehen hatte, wie sie verbrannte? Ein Knurren entrang sich Julians Kehle.
Alex spannte jeden Muskel an, dann schrie sie: »Tu es!« Gehorsam schlug Julian die Zähne in ihre Schulter.
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© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Lori Handeland
Lori Handeland schreibt mit großem Erfolg fantastische Liebesromane und Urban Fantasy. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Southern Wisconsin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lori Handeland
- 2012, 368 Seiten, Maße: 12,6 x 18,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Patricia Woitynek
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 380258788X
- ISBN-13: 9783802587887
- Erscheinungsdatum: 05.06.2012
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