Die Herrscherin / Godspeak Bd.1
Roman
Die Sklavin Hekat will um jeden Preis ihre Freiheit zurückerlangen. Also entscheidet sie sich zur Flucht. Als sie das Haus ihres Gottes betritt, geschieht ein Wunder. Er spricht zu ihr und weist ihr den Weg. Sie lernt den Herrscher der mächtigsten Stadt und mit ihm die Macht kennen.
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Buch (Kartoniert)
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Produktinformationen zu „Die Herrscherin / Godspeak Bd.1 “
Die Sklavin Hekat will um jeden Preis ihre Freiheit zurückerlangen. Also entscheidet sie sich zur Flucht. Als sie das Haus ihres Gottes betritt, geschieht ein Wunder. Er spricht zu ihr und weist ihr den Weg. Sie lernt den Herrscher der mächtigsten Stadt und mit ihm die Macht kennen.
Klappentext zu „Die Herrscherin / Godspeak Bd.1 “
Als Sklavin geboren - zur Herrscherin bestimmtDas fantastische Epos über die Sklavin Hekat, die man "die Kostbare" und "die Schöne" nannte. Doch diese außergewöhnliche Frau musste einen unermesslich hohen Preis für ihren Aufstieg zur Herrscherin bezahlen - Hekat ist eine Sklavin. Ihre eigenen Eltern haben sie an einen Mann verkauft, der sie glauben macht, er liebe sie. Doch in Wahrheit betrachtet er sie lediglich als Ware. Als Hekat das endlich erkennt, beschließt sie, um jeden Preis die Freiheit zu erlangen. Damit sich ihr wahres Schicksal erfüllen kann, entscheidet sie sich zur Flucht. Noch weiß sie nicht, wohin ihr Weg sie führen wird. Nur eines ist sicher: Sie wird den Schmutz, den Schmerz und die Armut hinter sich lassen. Da betritt sie das Haus ihres Gottes, und ein Wunder geschieht. Er spricht zu ihr und weist ihr den Weg. Und so lernt Hekat den Herrscher der mächtigsten Stadt des Reiches kennen- und schreitet an seiner Seite unaufhaltsam weiter zur Macht.
Lese-Probe zu „Die Herrscherin / Godspeak Bd.1 “
Die Herrscherin von Karen MillerERSTES KAPITEL
Trotz der beiden brennenden Talglampen war es dunkel in der Küche, die Luft erstickt vom Gestank ranziger Ziegenbutter und verdorbenen Ziegenfleisches. Spinnen hatten die Ecken mit widerwärtigen Netzen überzogen, in denen sie die Hülsen von Fliegen und Blutsaugern horteten. Ein Ofen aus Lehmziegeln nahm die Hälfte des Raums zwischen der Tür und dem einzigen Fenster ein. Drei Holzregale standen in der Küche, ein klappriger hölzerner Hocker und ein verschrammter Holztisch – beinahe unerhört in diesem Land, dessen Bäume schon vor Ewigkeiten versteinert waren. In der Dunkelheit unter dem Tisch hockte das Kind ohne Namen und lauschte auf den Streit zwischen dem Mann und der Frau.
»Aber du hast es versprochen«, jammerte die Frau. »Du hast gesagt, dieses dürfte ich behalten.«
Die harte Faust des Mannes krachte auf das Holz über dem Kopf des Kindes.
»Das war vor einer weiteren schlechten Ernte, Schlampe, bevor zwei weitere Dorfbrunnen vertrocknet
sind! All die Münzen, die es kostet, es zu füttern – bin ich aus Geld gemacht? Wage es nicht, dich zu beklagen –, als es gebo ren wurde, hätte ich es auf die Felsen werfen können, ich hätte es auf dem Amboss aussetzen können!«
»Aber es kann arbeiten, es …«
»Nicht wie ein Sohn!« Seine Stimme knisterte wie Blitz, grollte wie Donner durch den kleinen, verqualmten Raum.
»Wenn du mir mehr Söhne geworfen hättest…«
»Ich habe es versucht!«
»Nicht genug! « Ein weiteres Donnern der Faust auf Holz.
»Das Weibbalg geht. Allein der Gott weiß, wann hier wieder Händler vorbeikommen werden.«
Die Frau schluchzte, raue kleine Laute wie von einer sterbenden Ziege.
»Aber es ist noch so
... mehr
klein.«
»Klein? Seine Blutzeit ist gekommen. Es kann zurückzahlen, was es mich gekostet hat, genau wie die anderen Weibbälger, die du geworfen hast. Das ist mein letztes Wort. Noch ein Ton und ich schlage dir die Zähne heraus und die Augen blau.«
Als die Frau es wagte, ihm den Gehorsam zu verweigern, war das Kind so überrascht, dass es sich in die Finger biss. Es spürte den kleinen Schmerz kaum; sein ganzes Leben war Schmerz, gewaltig wie die unfruchtbaren Ödländer jenseits des Gottespfahls des Dorfes.
So war es schon seit seinem ersten jämmerlichen Schrei gewesen. Jetzt war es beinahe taub dagegen.
»Bitte«, flüsterte die Frau. »Erlaub mir, sie zu behalten. Ich habe dir sechs Söhne geboren.«
»Es hätten elf sein sollen! « Jetzt klang der Mann wie einer seiner knochendürren Hunde, geifernde Bestien, die in dem steinigen Garten hinter ihrer Hütte um Abfälle kämpften.
Das Kind zuckte zusammen. Es hasste diese Hunde beinahe so sehr, wie es den Mann hasste. Sein Hass war eine lodernde Flamme, tief und sicher verborgen vor den Blicken des Mannes.
Er würde es töten, wenn er ihn sah, würde es an einem mageren, verschorften Knöchel packen und mit dem Kopf gegen den nächstbesten ockerroten Felsen schmettern. Das hatte er einmal mit einem Hund gemacht, der es gewagt hatte, ihn anzuknurren. Die anderen Hunde hatten das Gehirn des toten Tieres aufgeleckt und dann während der ganzen langen, kalten Nacht um den blutigen Kadaver gekämpft. Auf seiner fadenscheinigen Decke unterm Küchentisch war das Kind beim Knirschen ihrer Zähne eingeschlafen und hatte geträumt, die Knochen, an denen sie nagten, seien seine eigenen. Aber ob gefährlich oder nicht, es weigerte sich, von seinem Hass abzulassen, dem Einzigen, was ihm gehörte. Er tröstete und nährte es, füllte seinen schmerzhaft leeren Magen in den Nächten, in denen es nichts zu essen bekam, weil die Beine der Frau gespreizt waren, weil sie in den Wehen lag oder weil der Mann von Kaktusblut betrunken war und sie schlug.
Er schlug sie jetzt, Schläge mit der offenen Hand ins Gesicht, während er fluchte und schwitzte und sich in Raserei hineinsteigerte. Die Frau war klug genug, nicht aufzuschreien. Das Kind lauschte auf das Klatschen seiner Hand auf den eingefallenen Wangen der Frau, auf seine lüsternen Atemstöße und ihr unterdrücktes Stöhnen, und es stellte sich vor, ihm ein Messer in die Kehle zu rammen. Wenn es die Augen schloss, konnte es das Blut scharlachrot herausspritzen sehen, konnte es auf den Boden plätschern hören, während er stöhnte und röchelte und starb.
Das Kind war sich sicher, dazu fähig zu sein. Hatte es nicht die Männer mit ihren stolzen Messern Ziegen die Kehlen durchschneiden sehen – und sogar einmal einem Pferd, das sich die Beine gebrochen hatte und zu nichts mehr taugte, als Fleisch, Haut und gebleichte, ausgekochte Knochen zu liefern? Im untersten Regal der Küche lagen in einem Kasten Messer. Das Kind spürte, wie seine Finger sich hoben und verkrampften, als hielte es einen geschnitzten, beinernen Griff, spürte, wie ihm das Herz unter den Rippen pochte. Die geheime Flamme flackerte, loderte… und erstarb. Es hatte keinen Sinn. Er würde das Kind einfangen, bevor es ihn töten konnte. Es würde den Mann heute nicht besiegen, auch nicht morgen oder auch nur im nächsten Gottesmond. Es war zu klein und er war zu stark. Aber eines Tages, in vielen Gottesmonden von heute an, würde es groß sein, er dagegen alt und in sich zusammengesunken. Dann würde das Kind es tun und seinen Körper danach den Hunden vorwerfen und lachen und lachen, während sie seinen Hintern verschlangen und ihre fragenden Zungen durch die leeren Augenhöhlen seines Schädels schoben.
Eines Tages. Der Mann schlug die Frau abermals, so heftig, dass sie auf den Boden aus festgetretener Erde fiel. »Fünf Mal hast du meinen Samen vergiftet und Hündinnen geworfen:
Drei Söhne, die du geworfen hast, lebten nicht einmal einen Gottesmond lang. Ich sollte dich verfluchen! Sollte dich hinauswerfen, damit der Gottessprecher sich um dich kümmert! « Die Frau schluchzte wieder, die vernarbten Arme vor dem Gesicht gekreuzt.
»Es tut mir leid – es tut mir leid …«
In dem Kind, das lauschte, stieg Verachtung auf. Wo war die Flamme der Frau? Hatte sie überhaupt eine? Weinen. Betteln. Wusste sie nicht, dass das genau das war, was der Mann wollte, sie gebrochen und blökend im Schmutz sehen? Die Frau sollte zuerst sterben. Aber das würde sie nicht. Sie war schwach. Alle Frauen waren schwach. Überall im Dorf sah das Kind es. Selbst die Frauen, die nur Söhne geworfen hatten und auf jene hinabblickten, die auch Weibbälger geworfen hatten, die Frauen, die dem Gottessprecher halfen, die verfluchten Hexen zu steinigen, deren Körper nichts hervorspien als weibliches Fleisch … Selbst diese Frauen waren schwach. Ich bin nicht schwach, sagte sich das Kind voller Ingrimm, während der Mann die Frau mit Gift und Gehässigkeit durchtränkte und die Frau weinte und ihm glaubte. Ich bettele niemals. Jetzt drückte der Mann die Ferse zwischen die Zitzen der Frau und stieß sie flach auf den Rücken.
»Du solltest dem Gott danken. Ein anderer Mann hätte dir schon vor Sommern die Beine gebrochen und dich hinausgeworfen. Ein anderer Mann hätte in einer besseren Hündin als dir zwei Hände voll lebender Söhne gepflügt! «
»Ja! Ja! Ich habe großes Glück! Ich bin gesegnet! «, brabbelte die Frau, während sie sich die geschundene Stelle an ihrer Brust rieb. Der Mann warf seine Hosen ab.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Spreiz dich, Hündin. Du gibst mir in neun fetten Gottesmonden von jetzt an einen lebenden Sohn oder ich schwöre beim Gottespfahl des Dorfes, dass ich dich auf dem Amboss zurücklassen werde! «
Würgend, gehorsam zog die Frau ihr zerrissenes Hemd hoch und ließ die dünnen Schenkel auseinanderfallen. Das Kind schaute ungerührt zu, während der Mann die Furche der Frau pflügte, grunzend und schwitzend vor Anstrengung. Er hatte eine winzige Pflugschar und die Erde der Frau war alt und staubig. Sie trug ihr Hundszahnamulett um den Hals, aber dessen Macht war lange tot. Das Kind glaubte nicht, dass aus dieser Saat ein Sohn kommen würde.
In neun fetten Gottesmonden von heute an oder früher würde die Frau sterben. Endlich vertröpfelte sein Samen; der Mann stand auf und zog sich die Hosen hoch. »Morgen bei Hochsonne werden Händler ins Dorf kommen. Es könnten mehrere Sommer vergehen, bevor weitere kommen. Ich habe den Gottessprecher dafür bezahlt, uns als Verkäufer aufzulisten, und einen Ziegenschädel ans Tor gehängt. Das Geld kommt nicht wieder, daher wird das Weibbalg gehen. Benutze deine Wasserration, um es zu säubern. Benutze einen Tropfen von meiner, und ich werde dich auspeitschen. Ich werde dich an einem Seil aufhängen, das ich aus deiner eigenen Haut gedreht habe. Verstanden?«
»Ja«, flüsterte die Frau. Sie klang müde und geschlagen. Zwischen ihren Beinen war Blut.
»Wo ist das Weibbalg jetzt?«
»Draußen. «
Der Mann spuckte. Er spuckte immer.
Vergeudete Wasser.
»Finde es. Wenn es sauber ist, kette es an die Mauer, damit es nicht wegläuft wie das letzte. «
Die Frau nickte. Er hatte ihr damals mit seinem Ziegenstock die Nase gebrochen. Das Kind, drei Sommer jünger zu jener Zeit, hatte den Knochen der Frau splittern hören, hatte das Blut spritzen sehen. Als es sich daran erinnerte, erinnerte es sich auch an das, was der Mann dem anderen Weibbalg angetan hatte, damit es ihm leidtat, weggelaufen zu sein. Dinge, bei denen das Weibbalg geschrien hatte, die jedoch keine Spuren hinterlassen hatten, weil Händler für beschädigte Waren weniger zahlten. Dieses Weibbalg war eine Närrin gewesen.
Ganz gleich, wohin die Händler einen brachten, es musste besser sein als das Dorf und der Mann. Händler waren die einzige Flucht für Weibbälger.
Händler … oder der Tod. Und das Kind wollte nicht sterben. Wenn sie es morgen bei Hochsonne holen kamen, würde es bereitwillig mit ihnen gehen.
»Ich werde es anketten «, versprach die Frau. »Es wird nicht weglaufen. «
»Das will ich dir auch geraten haben «, knurrte der Mann, dann erklang das Klatschen von Ziegenhaut auf Holz, als er die Küchentür aufstieß und ging.
Die Frau drehte den Kopf, bis ihre rotgeränderten Augen unter dem Küchentisch fanden, wonach sie suchten. »Ich habe es versucht. Es tut mir leid.«
Das Kind kroch aus der Dunkelheit und zuckte die Achseln.
Der Frau tat es immer leid. Aber das änderte nichts, was spielte es also für eine Rolle?
»Händler kommen«, sagte das Kind.
»Jetzt waschen.« Die Frau zuckte zusammen und der Atem fing sich rau in ihrer Kehle.
Sie klammerte sich an das Tischbein und zog sich auf die Knie hoch, dann hielt sie sich an der Tischkante fest, keuchend, wimmernd, bis sie aufrecht stand. Es war Wasser in ihren Augen.
Sie streckte eine von Arbeit knotige Hand aus und berührte die Wange des Kindes mit rauen Fingerspitzen.
Das Wasser zitterte, aber es fiel nicht. Dann wandte die Frau sich auf dem Absatz um und ging hinaus in den glutheißen Tag. Das Kind ohne Namen, das nicht verstand, das keinen Anteil nahm, folgte ihr.
Übersetzung: Michaela Link
© der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Penhaligon Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Randomhouse GmbH
»Klein? Seine Blutzeit ist gekommen. Es kann zurückzahlen, was es mich gekostet hat, genau wie die anderen Weibbälger, die du geworfen hast. Das ist mein letztes Wort. Noch ein Ton und ich schlage dir die Zähne heraus und die Augen blau.«
Als die Frau es wagte, ihm den Gehorsam zu verweigern, war das Kind so überrascht, dass es sich in die Finger biss. Es spürte den kleinen Schmerz kaum; sein ganzes Leben war Schmerz, gewaltig wie die unfruchtbaren Ödländer jenseits des Gottespfahls des Dorfes.
So war es schon seit seinem ersten jämmerlichen Schrei gewesen. Jetzt war es beinahe taub dagegen.
»Bitte«, flüsterte die Frau. »Erlaub mir, sie zu behalten. Ich habe dir sechs Söhne geboren.«
»Es hätten elf sein sollen! « Jetzt klang der Mann wie einer seiner knochendürren Hunde, geifernde Bestien, die in dem steinigen Garten hinter ihrer Hütte um Abfälle kämpften.
Das Kind zuckte zusammen. Es hasste diese Hunde beinahe so sehr, wie es den Mann hasste. Sein Hass war eine lodernde Flamme, tief und sicher verborgen vor den Blicken des Mannes.
Er würde es töten, wenn er ihn sah, würde es an einem mageren, verschorften Knöchel packen und mit dem Kopf gegen den nächstbesten ockerroten Felsen schmettern. Das hatte er einmal mit einem Hund gemacht, der es gewagt hatte, ihn anzuknurren. Die anderen Hunde hatten das Gehirn des toten Tieres aufgeleckt und dann während der ganzen langen, kalten Nacht um den blutigen Kadaver gekämpft. Auf seiner fadenscheinigen Decke unterm Küchentisch war das Kind beim Knirschen ihrer Zähne eingeschlafen und hatte geträumt, die Knochen, an denen sie nagten, seien seine eigenen. Aber ob gefährlich oder nicht, es weigerte sich, von seinem Hass abzulassen, dem Einzigen, was ihm gehörte. Er tröstete und nährte es, füllte seinen schmerzhaft leeren Magen in den Nächten, in denen es nichts zu essen bekam, weil die Beine der Frau gespreizt waren, weil sie in den Wehen lag oder weil der Mann von Kaktusblut betrunken war und sie schlug.
Er schlug sie jetzt, Schläge mit der offenen Hand ins Gesicht, während er fluchte und schwitzte und sich in Raserei hineinsteigerte. Die Frau war klug genug, nicht aufzuschreien. Das Kind lauschte auf das Klatschen seiner Hand auf den eingefallenen Wangen der Frau, auf seine lüsternen Atemstöße und ihr unterdrücktes Stöhnen, und es stellte sich vor, ihm ein Messer in die Kehle zu rammen. Wenn es die Augen schloss, konnte es das Blut scharlachrot herausspritzen sehen, konnte es auf den Boden plätschern hören, während er stöhnte und röchelte und starb.
Das Kind war sich sicher, dazu fähig zu sein. Hatte es nicht die Männer mit ihren stolzen Messern Ziegen die Kehlen durchschneiden sehen – und sogar einmal einem Pferd, das sich die Beine gebrochen hatte und zu nichts mehr taugte, als Fleisch, Haut und gebleichte, ausgekochte Knochen zu liefern? Im untersten Regal der Küche lagen in einem Kasten Messer. Das Kind spürte, wie seine Finger sich hoben und verkrampften, als hielte es einen geschnitzten, beinernen Griff, spürte, wie ihm das Herz unter den Rippen pochte. Die geheime Flamme flackerte, loderte… und erstarb. Es hatte keinen Sinn. Er würde das Kind einfangen, bevor es ihn töten konnte. Es würde den Mann heute nicht besiegen, auch nicht morgen oder auch nur im nächsten Gottesmond. Es war zu klein und er war zu stark. Aber eines Tages, in vielen Gottesmonden von heute an, würde es groß sein, er dagegen alt und in sich zusammengesunken. Dann würde das Kind es tun und seinen Körper danach den Hunden vorwerfen und lachen und lachen, während sie seinen Hintern verschlangen und ihre fragenden Zungen durch die leeren Augenhöhlen seines Schädels schoben.
Eines Tages. Der Mann schlug die Frau abermals, so heftig, dass sie auf den Boden aus festgetretener Erde fiel. »Fünf Mal hast du meinen Samen vergiftet und Hündinnen geworfen:
Drei Söhne, die du geworfen hast, lebten nicht einmal einen Gottesmond lang. Ich sollte dich verfluchen! Sollte dich hinauswerfen, damit der Gottessprecher sich um dich kümmert! « Die Frau schluchzte wieder, die vernarbten Arme vor dem Gesicht gekreuzt.
»Es tut mir leid – es tut mir leid …«
In dem Kind, das lauschte, stieg Verachtung auf. Wo war die Flamme der Frau? Hatte sie überhaupt eine? Weinen. Betteln. Wusste sie nicht, dass das genau das war, was der Mann wollte, sie gebrochen und blökend im Schmutz sehen? Die Frau sollte zuerst sterben. Aber das würde sie nicht. Sie war schwach. Alle Frauen waren schwach. Überall im Dorf sah das Kind es. Selbst die Frauen, die nur Söhne geworfen hatten und auf jene hinabblickten, die auch Weibbälger geworfen hatten, die Frauen, die dem Gottessprecher halfen, die verfluchten Hexen zu steinigen, deren Körper nichts hervorspien als weibliches Fleisch … Selbst diese Frauen waren schwach. Ich bin nicht schwach, sagte sich das Kind voller Ingrimm, während der Mann die Frau mit Gift und Gehässigkeit durchtränkte und die Frau weinte und ihm glaubte. Ich bettele niemals. Jetzt drückte der Mann die Ferse zwischen die Zitzen der Frau und stieß sie flach auf den Rücken.
»Du solltest dem Gott danken. Ein anderer Mann hätte dir schon vor Sommern die Beine gebrochen und dich hinausgeworfen. Ein anderer Mann hätte in einer besseren Hündin als dir zwei Hände voll lebender Söhne gepflügt! «
»Ja! Ja! Ich habe großes Glück! Ich bin gesegnet! «, brabbelte die Frau, während sie sich die geschundene Stelle an ihrer Brust rieb. Der Mann warf seine Hosen ab.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Spreiz dich, Hündin. Du gibst mir in neun fetten Gottesmonden von jetzt an einen lebenden Sohn oder ich schwöre beim Gottespfahl des Dorfes, dass ich dich auf dem Amboss zurücklassen werde! «
Würgend, gehorsam zog die Frau ihr zerrissenes Hemd hoch und ließ die dünnen Schenkel auseinanderfallen. Das Kind schaute ungerührt zu, während der Mann die Furche der Frau pflügte, grunzend und schwitzend vor Anstrengung. Er hatte eine winzige Pflugschar und die Erde der Frau war alt und staubig. Sie trug ihr Hundszahnamulett um den Hals, aber dessen Macht war lange tot. Das Kind glaubte nicht, dass aus dieser Saat ein Sohn kommen würde.
In neun fetten Gottesmonden von heute an oder früher würde die Frau sterben. Endlich vertröpfelte sein Samen; der Mann stand auf und zog sich die Hosen hoch. »Morgen bei Hochsonne werden Händler ins Dorf kommen. Es könnten mehrere Sommer vergehen, bevor weitere kommen. Ich habe den Gottessprecher dafür bezahlt, uns als Verkäufer aufzulisten, und einen Ziegenschädel ans Tor gehängt. Das Geld kommt nicht wieder, daher wird das Weibbalg gehen. Benutze deine Wasserration, um es zu säubern. Benutze einen Tropfen von meiner, und ich werde dich auspeitschen. Ich werde dich an einem Seil aufhängen, das ich aus deiner eigenen Haut gedreht habe. Verstanden?«
»Ja«, flüsterte die Frau. Sie klang müde und geschlagen. Zwischen ihren Beinen war Blut.
»Wo ist das Weibbalg jetzt?«
»Draußen. «
Der Mann spuckte. Er spuckte immer.
Vergeudete Wasser.
»Finde es. Wenn es sauber ist, kette es an die Mauer, damit es nicht wegläuft wie das letzte. «
Die Frau nickte. Er hatte ihr damals mit seinem Ziegenstock die Nase gebrochen. Das Kind, drei Sommer jünger zu jener Zeit, hatte den Knochen der Frau splittern hören, hatte das Blut spritzen sehen. Als es sich daran erinnerte, erinnerte es sich auch an das, was der Mann dem anderen Weibbalg angetan hatte, damit es ihm leidtat, weggelaufen zu sein. Dinge, bei denen das Weibbalg geschrien hatte, die jedoch keine Spuren hinterlassen hatten, weil Händler für beschädigte Waren weniger zahlten. Dieses Weibbalg war eine Närrin gewesen.
Ganz gleich, wohin die Händler einen brachten, es musste besser sein als das Dorf und der Mann. Händler waren die einzige Flucht für Weibbälger.
Händler … oder der Tod. Und das Kind wollte nicht sterben. Wenn sie es morgen bei Hochsonne holen kamen, würde es bereitwillig mit ihnen gehen.
»Ich werde es anketten «, versprach die Frau. »Es wird nicht weglaufen. «
»Das will ich dir auch geraten haben «, knurrte der Mann, dann erklang das Klatschen von Ziegenhaut auf Holz, als er die Küchentür aufstieß und ging.
Die Frau drehte den Kopf, bis ihre rotgeränderten Augen unter dem Küchentisch fanden, wonach sie suchten. »Ich habe es versucht. Es tut mir leid.«
Das Kind kroch aus der Dunkelheit und zuckte die Achseln.
Der Frau tat es immer leid. Aber das änderte nichts, was spielte es also für eine Rolle?
»Händler kommen«, sagte das Kind.
»Jetzt waschen.« Die Frau zuckte zusammen und der Atem fing sich rau in ihrer Kehle.
Sie klammerte sich an das Tischbein und zog sich auf die Knie hoch, dann hielt sie sich an der Tischkante fest, keuchend, wimmernd, bis sie aufrecht stand. Es war Wasser in ihren Augen.
Sie streckte eine von Arbeit knotige Hand aus und berührte die Wange des Kindes mit rauen Fingerspitzen.
Das Wasser zitterte, aber es fiel nicht. Dann wandte die Frau sich auf dem Absatz um und ging hinaus in den glutheißen Tag. Das Kind ohne Namen, das nicht verstand, das keinen Anteil nahm, folgte ihr.
Übersetzung: Michaela Link
© der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Penhaligon Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Randomhouse GmbH
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Bibliographische Angaben
- Autor: Karen Miller
- 2009, 799 Seiten, Maße: 13,5 x 20,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Link, Michaela
- Übersetzer: Michaela Link
- Verlag: Penhaligon
- ISBN-10: 3764530189
- ISBN-13: 9783764530181
Rezension zu „Die Herrscherin / Godspeak Bd.1 “
"Diese Frau schreibt mit der Wucht eines Dampfhammers und mit einer Fantasie, die den Lesern den Atem raubt."
Kommentar zu "Die Herrscherin / Godspeak Bd.1"
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