Grab des weißen Mannes
Randall Killigan ist ein mächtiger US-Wirtschaftsboss. Er glaubt, mit Geld sei alles regelbar. Doch dann verschwindet sein Sohn Michael in Sierra Leone. Killigan beauftragt Michaels Freund Boone mit der Suche. Dieser fröhliche, naive Glücksritter stolpert...
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Randall Killigan ist ein mächtiger US-Wirtschaftsboss. Er glaubt, mit Geld sei alles regelbar. Doch dann verschwindet sein Sohn Michael in Sierra Leone. Killigan beauftragt Michaels Freund Boone mit der Suche. Dieser fröhliche, naive Glücksritter stolpert in einen Dschungel von schwarzer Magie und Korruption. Am Ende muss sich der große weiße Mann selbst nach Afrika bemühen.
''Eine rasant und mit trockenem Witz erzählte Abenteuerstory.''
Weltwoche
Grab des weißen Mannes von Richard Dooling
LESEPROBE
Drei Wochenbevor Randall das Paket aus Afrika erhalten hatte, war Boone Westfall vonIndianapolis aufgebrochen. In seinem Rucksack hatte er einen SatzWinterkleidung, einen Satz Sommerkleidung, ein Extra-T-Shirt, einenRegenmantel, einen Schlafsack, Waschzeug, Vitaminpillen und Malariatabletten.Unter seiner Hose trug er einen Nylongürtel, in dessen Reißverschlußfach seinPaß und fünftausend Dollar in Reiseschecks steckten. Er hatte eineninternationalen Impfausweis, aus dem hervorging, daß er gegen Cholera, Typhusund Gelbfieber geimpft war, und in seinen Paß waren Visa für Indien, China, Griechenlandund drei afrikanische Länder gestempelt. Er hatte keine Ahnung, wo erschließlich landen würde - er wußte nur, es würde nicht Indiana sein. Er hattedas Leben im Land des Fernsehens und in der Heimat der Satellitenschüsselnsatt und war bereit, sich auf alles wenigstens ein einziges Mal einzulassen - Krankheit,Ekstase, Unglück, ein romantisches Abenteuer -, solange es nicht imVideoformat daherkam. In drei Wochen würde er sich in Paris mit seinem bestenFreund Michael Killigan treffen, und was danach geschehen würde, war für ihnein offenes Buch mit leeren Seiten.
SeinKunststudium an der University of Indiana hatte ihm einen Job in demVersicherungsbüro seines Vaters eingebracht, wo er an einem mit Stellwändenabgeteilten Schreibtisch saß, in Papieren wühlte und telefonierte. Er wohnte ineinem Einzimmerapartment und hatte einen ganzen Stapel Strafmandate gesammelt.Die Frauen, deren Wohnungen er frequentierte, sahen alle gleich aus, sagtenalle die gleichen Dinge und unterschieden sich nur durch ihre Hauptfächer, dieNamen ihrer früheren Freunde und ihre Haarfarbe. Seine Arbeit alsSachbearbeiter in der Schadensabteilung hatte ihm eine Vorstellung davon gegeben,wie es sein mußte, jeden Tag mit der Gewißheit zu erwachen, daß man einetödliche Krankheit hatte, die sich noch nicht in unerträglichen Schmerzen,sondern nur in einer heimtückischen Schwäche äußerte. Die einzigenVoraussetzungen für seine Arbeit waren Pünktlichkeit, gute Umgangsformen undein Geist, der nie über die gerade anstehende Aufgabe hinausblickte.
Auf derUniversität hatte er sich mit Kunst und Literatur befaßt. Dann hatte er denAbschluß gemacht und besaß das Rüstzeug, ein Maler, ein Bildhauer, ein Dichterzu werden - aber wo sollte er sich bewerben? Sein Vater, ein recht bekannterVersicherungsmakler, und seine drei Brüder (die allesamt ohne irgendwelcheUmwege in das Familienunternehmen eingestiegen waren) hatten sich angewöhnt,Boone mit anzüglich gespitzten Lippen als »Künstler« zu bezeichnen. Sein Vaterhatte ihm auch bohrende Fragen über die Möglichkeiten gestellt, die seinAbschluß ihm eröffnete, und wissen wollen, wo er nun, da erUniversitätsabsolvent sei, zu leben und arbeiten gedenke. Während desGrundstudiums hatte Boone einen Bogen um alles gemacht, was mitBetriebswirtschaft und ähnlichen Schlafmitteln zu tun hatte, und daher war ernicht einmal für die einfachsten administrativen Arbeiten qualifiziert. Es warihm gelungen, sich vier Jahre lang mit Geisteswissenschaften zu beschäftigen,ohne eine einzige verwertbare Fähigkeit zu erwerben, und damit war er damalsauch ganz einverstanden gewesen, denn er hatte nicht die Absicht gehabt, sichverwerten zu lassen. Als er begann, sich mit der Frage zu befassen, wovon erleben sollte, war es zu spät.
Sononchalant wie möglich schaffte er sein Zeug aus dem Studentenheim in denKeller des elterlichen Hauses, wo er sich für eine Übergangszeit ein Ateliereinrichten und mit den großen Fragen der visuellen Form im Zeitalter derPostmoderne beschäftigen wollte. Er hoffte, seine Technik innerhalb von einoder zwei Jahren zu vervollkommnen und dann die größeren Galerien gegeneinanderauszuspielen, wenn sie anriefen und darum baten, seine Werke ausstellen zudürfen.
Sein Vaterhatte ihn bei der Einrichtung seines Kellerateliers unterbrochen.
»Hast duschon mal den Satz >Es führt kein Weg zurück< gehört?« hatte er Boonegefragt.
»Ja, habich«, hatte der zugeben müssen. »Das ist sinnbildlich gemeint. Thomas Wolfe,stimmt's?«
»KeineAhnung«, hatte sein Vater gesagt. »Ich meine es eher wörtlich. SinnbildlicheAusdrücke sind mir zu abstrakt und verschwommen. Man kann sich die ganze Nachtdarüber streiten, ob ein sinnbildlicher Weg zurückführt oder nicht. Und darumgefällt mir das, was ich schon zu deinen älteren Brüdern gesagt habe, auchbesser. Hast du schon mal den Satz >Du darfst nicht mehr umsonst bei deinenEltern wohnen< gehört? Den finde ich viel einfacher und konkreter. Wenn dunicht weißt, wovon du die Miete bezahlen sollst, kannst du dich um einen Job inder Firma bewerben.«
»Aber ichbin Künstler«, hatte Boone eingewandt.
»Ich hasseKunst«, hatte sein Vater, zum zwanzigstenmal in vier Jahren, gesagt. »Undselbst wenn du Michael Angelo wärst, wäre ich noch lange nicht Lorenzo de'Medici oder Cosimo d'Arrivederci oder wie sie hießen, und mein Geld kriegtimmer noch eher die National Rifle Association.«
Wenig später arbeitete Boones großer Bruder Pete denKünstler in seine neue Tätigkeit als Sachbearbeiter in der Schadensabteilungein.
Pete führteihn in einen riesigen Raum, der mit beigen, einen Meter zwanzig hohenStellwänden in Dutzende von Kästchen unterteilt war. In jedem Kästchen wareine Stellwand mit einem Stück Stoff ausgestattet, an dem die AngestelltenFotos von ihrer Familie, ihren Lieblingscartoon oder einen besonders witzigen
Sloganbefestigen konnten, irgend etwas, was ihren Arbeitsplatz deutlich von denanderen in dieser ansonsten monotonen Ansammlung von beigen Kästchenunterschied, etwa das schon allzuoft fotokopierte Schild »Man muß nichtverrückt sein, um hier zu arbeiten, aber es hilft«. Da dieses Schild in wenigerals einem Drittel der Kästchen hing, hob es seinen Besitzer deutlich aus derMasse heraus.
Sein Bruderblieb vor einem leeren Kästchen stehen und zeigte Boone seinen neuen, einenQuadratmeter großen, ergonomisch gestalteten Arbeitsplatz, der über ein Telefonund einen Computer verfügte.
»Das sindSchadensansprüche«, sagte Pete und nahm einen Stoß zusammengehefteter Papiereund Formulare aus einem Korb mit der Aufschrift »EIN«, der vor dem Kästchenstand. »Deine Aufgabe ist es, sie abzulehnen.«
»Ichverstehe«, sagte Boone. »Du meinst, ich soll diese Schadensansprüchedurchgehen und die ungerechtfertigten aussortieren.«
Sein Bruderverdrehte die Augen und bat den Himmel um Geduld. Dann seufzte er mit kühlerVerachtung. »Die ungerechtfertigten Ansprüche sind schon vor drei Monatenunten von den High-School-Absolventen aussortiert und abgelehnt worden. Daskann jeder Idiot. Aber du warst auf der Uni. Dein Job ist es, einen Weg zufinden, die gerechtfertigten Ansprüche abzulehnen.«
»Aber ... «
»Paß auf«,sagte Pete. »Ich weiß, was du über diese Arbeit denkst. Ich hab mich selbstdurch die Werke von Nietzsche gelesen und wollte danach mit Wittgensteinweitermachen. Aber damit kann man nicht die Miete bezahlen.« (...)
© CarlHanser Verlag München Wien 1996
Übersetzung:Dirk van Gunsteren
Vor zehn Jahren erschienen, ist "Grab des weißen Mannes"schnell zum Kultbuch avanciert. Ein junger Amerikaner verschwindet imafrikanischen Busch, sein Vater und sein Freund machen sich auf dieabenteuerliche Suche nach ihm. Das Buch wurde u.a. skurril, witzig, ironisch,sarkastisch oder zynisch genannt. Welches Adjektiv gefällt Ihnen am besten?
Natürlichkomisch und ironisch. Einige Charaktere sind auch sarkastisch oder zynisch,aber auf die Atmosphäre des Romans insgesamt trifft das nicht zu. In meinemWörterbuch findet sich unter anderem folgende Definition von Ironie: Ironischwirken "Zustände oder Ereignisse, die das Gegenteil dessen darstellen, wastatsächlich war oder erwartet wurde: ein Resultat, das zum eigentlich angemessenenErgebnis im Gegensatz steht und wie dessen Karikatur wirkt." Ich denke, diemeisten Menschen der westlichen Hemisphäre erwarten, dass Afrikaner anderssind, und zwar komplett ANDERS - "Wilde", wie man sie etwa in Joseph Conrads"Herz der Finsternis" findet. Mir ging es in meinem Roman aber gerade darum zuzeigen, wie ÄHNLICH wir einander sind; wie sehr z.B. schlechte Medizinmänner,die Hexerei betreiben, dem Verhalten bestimmter Anwälte vor Gericht ähneln. Dasist vor allem deshalb witzig, weil man solche Gemeinsamkeiten einfach nichterwartet.
Der "American Way of Life" trifft hier in Form der beidenAmerikaner auf eine afrikanische Stammesgesellschaft - ein wahrer "Clash ofCivilizations". Woran scheitert hier die amerikanische Überlegenheit?
Das hat viel mit derSituation zu tun. In einem afrikanischen Dorf ist der "American Way of Life"einfach nicht wettbewerbsfähig: Hexerei und Malaria gewinnen immer. Wenn ichmich recht entsinne, wird in "Grab des weißen Mannes" ein Sprichwort aus SierraLeone zitiert: "Wir haben unseren Befreiungskrieg gegen den weißen Mann miteiner Waffe gewonnen: dem Moskito." Stimmt.
Die Fälle vonpolitischem Versagen, die ich beschreibe, sind uns relativ vertraut und lassensich am besten unter den Begriff "kultureller Chauvinismus" subsumieren. WieSie sich vielleicht erinnern, kommen die Deutschen genau so schlecht weg(denken Sie nur an Otto und seine Brücke). Das Know-how des Westens und seinangebliches Wissen davon, was das Beste für die anderen sei, stoßen in Afrikaziemlich oft an ihre Grenzen.
Könnten die USA möglicherweise etwas aus Ihrem Buch lernen,beispielsweise hinsichtlich ihres Engagements für die "Demokratisierung derWelt"?
Sicher - aber lesen diese Leuteüberhaupt Romane?
Waren die Reaktionen auf Ihr Buch immer einhellig positiv,oder mussten Sie von irgendeiner Seite auch Kritik einstecken?
Gelegentlichmeint ein (Exil-)Afrikaner, ich sei zu hart zu den Afrikanern, oder einAmerikaner denkt, die Amerikaner kämen bei mir zu schlecht weg. Aber die meistenLeser nehmen das wahr, was umzusetzen ich mir vorgenommen hatte: einenunparteiischen Vergleich der beiden Kulturen, inklusive aller Fehler undSchwächen.
Sie selbst verbrachten einige Zeit in Sierra Leone. Wie sindSie dort aufgenommen worden? Und wie viel von Ihren Reiseerfahrungen steckt indem Buch?
Manhat mich sehr gut aufgenommen, was ja auch aus meiner Danksagung am Ende desRomans hervorgeht. Die Menschen in Sierra Leone hießen mich in ihren Dörfernund Häusern willkommen. Die meiste Zeit verbrachte ich mit Michael O'Neill,einem Freund, der damals als freiwilliger Entwicklungshelfer tätig war undheute für die Organisation "Save the Children" arbeitet. Sierra Leone ist einphantastisches Land, in dem großzügige und geistreiche Menschen leben. Ichbesuchte das Land etwa zehn Jahre, bevor sich die Dunkelheit des Bürgerkriegsüber das Land legte.
Waskonkrete Erfahrungen angeht, die sich in meinem Buch wieder finden: Es sind zuviele, um sie aufzuzählen, aber einige Beispiele kann ich geben. DasStreitgespräch zwischen den amerikanischen Entwicklungshelferinnen, die dieafrikanische Praxis der Beschneidung von Frauen schockiert und aufbringt, undden Afrikanerinnen, die wiederum die amerikanische Abtreibungspraxis schockiertund aufbringt, ist real und wird wahrscheinlich immer noch überall in Afrika geführt.Aus der Perspektive der jeweils anderen Kultur wirken beide Praktiken"barbarisch und monströs", und es scheint hier keine Möglichkeit derVermittlung zu geben. Viele der von mir beschriebenen Fehler westlicherHilfsorganisationen gehen auf tatsächliche Begebenheiten zurück. Und jederkennt die Szenen, in denen Reis aus Säcken verkauft wird, auf denen steht:"Dieser Reis ist ein Geschenk des Volkes der Vereinigten Staaten von Amerikaund darf nicht verkauft, eingetauscht, blah, blah." Auf jedem Markt in Afrikawird er angeboten. Und natürlich haben auch meine Erfahrungen mit Malaria undRuhr Eingang in das Buch gefunden - ich habe mich in beidem zum Expertenentwickelt!
VielenDank für Ihr Interesse an "Grab des weißen Mannes". Erist mein Lieblingsroman. Ich freue mich, dass er Ihnen gefällt.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
- Autor: Richard Dooling
- 2005, 479 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Gunsteren, Dirk van
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423208295
- ISBN-13: 9783423208291
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