Grazie / Archie Sheridan Bd.2
Thriller
Wer tot sein will, muss leiden - und manchmal ist der Tod ein Geschenk. Sie ist eine eiskalte Serienmörderin, böse und gnadenlos. Und jetzt ist Gretchen Lowell aus der Haft entkommen. Sofort setzt sie sich auf die Spur von Archie Sheridan. Jenes...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Grazie / Archie Sheridan Bd.2 “
Wer tot sein will, muss leiden - und manchmal ist der Tod ein Geschenk. Sie ist eine eiskalte Serienmörderin, böse und gnadenlos. Und jetzt ist Gretchen Lowell aus der Haft entkommen. Sofort setzt sie sich auf die Spur von Archie Sheridan. Jenes Polizisten, der sie zehn Jahre lang verfolgte, der vom Jäger zum Gejagten wurde, den sie zu Tode quälte - und den sie rettete. Doch beileibe nicht aus Mitgefühl.
"Für mich ist die "Furie" einfach der perfekte Thriller - er macht süchtig nach mehr!"
Tess Gerritsen
Klappentext zu „Grazie / Archie Sheridan Bd.2 “
Zehn Jahre lang verfolgte er sie, jetzt sitzt sie im Gefängnis. Doch frei ist er deshalb noch lange nicht. Regelmäßig besucht Detective Archie Sheridan die Serienmörderin Gretchen Lowell in der Haft, um von ihr weitere Namen ihrer Opfer zu erfahren. Obwohl er selbst unvorstellbar unter ihrer grausamen Folter gelitten hat und sein Leben nur ihrer Willkür verdankt, kann er sich ihrem Einfluss nicht entziehen. Selbst nachts, an der Seite seiner Ehefrau, träumt er von der eiskalten Killerin. Bis Gretchen spürt, dass Archie sich ihrem Einfluss entziehen will. Als er erneut den Fall eines Serienmörders untersucht, setzt sie ihr lange geplantes Vorhaben in die Tat um. Sie flieht aus der Haft und lockt Archie Sheridan trickreich in die Berge. Dort entbrennt zwischen den beiden ein ebenso perfider wie tödlicher Zweikampf aus Verführung, Obsession und gegenseitiger Manipulation ...
Die Furie kehrt zurück ...
Zehn Jahre lang verfolgte er sie, jetzt sitzt sie im Gefängnis. Doch frei ist er deshalb noch lange nicht. Regelmäßig besucht Detective Archie Sheridan die Serienmörderin Gretchen Lowell in der Haft, um von ihr weitere Namen ihrer Opfer zu erfahren. Obwohl er selbst unvorstellbar unter ihrer grausamen Folter gelitten hat und sein Leben nur ihrer Willkür verdankt, kann er sich ihrem Einfluss nicht entziehen. Selbst nachts, an der Seite seiner Ehefrau, träumt er von der eiskalten Killerin. Bis Gretchen spürt, dass Archie sich ihrem Einfluss entziehen will. Als er erneut den Fall eines Serienmörders untersucht, setzt sie ihr lange geplantes Vorhaben in die Tat um. Sie flieht aus der Haft - und lockt Archie Sheridan trickreich in die Berge. Dort entbrennt zwischen den beiden ein ebenso perfider wie tödlicher Zweikampf aus Verführung, Obsession und gegenseitiger Manipulation ...
Zehn Jahre lang verfolgte er sie, jetzt sitzt sie im Gefängnis. Doch frei ist er deshalb noch lange nicht. Regelmäßig besucht Detective Archie Sheridan die Serienmörderin Gretchen Lowell in der Haft, um von ihr weitere Namen ihrer Opfer zu erfahren. Obwohl er selbst unvorstellbar unter ihrer grausamen Folter gelitten hat und sein Leben nur ihrer Willkür verdankt, kann er sich ihrem Einfluss nicht entziehen. Selbst nachts, an der Seite seiner Ehefrau, träumt er von der eiskalten Killerin. Bis Gretchen spürt, dass Archie sich ihrem Einfluss entziehen will. Als er erneut den Fall eines Serienmörders untersucht, setzt sie ihr lange geplantes Vorhaben in die Tat um. Sie flieht aus der Haft - und lockt Archie Sheridan trickreich in die Berge. Dort entbrennt zwischen den beiden ein ebenso perfider wie tödlicher Zweikampf aus Verführung, Obsession und gegenseitiger Manipulation ...
Lese-Probe zu „Grazie / Archie Sheridan Bd.2 “
Grazie von Chelsea Cain LESEPROBE 1 Der Forest Park war hübsch im Sommer. Portlands aschgrauer Himmel verschwand beinahe ganz hinter dem Baldachin aus Espen, Zedern und Ahornbäumen, der das Licht filterte und hellgrün schimmern ließ. Eine leichte Brise kitzelte die Blätter. Winden und Efeu krochen an den moosbewachsenen Baumstämmen empor und schienen die Brombeerbüsche und Farne zu strangulieren, ein Gewirr von Ranken, das hüfthoch zu beiden Seiten des ungeteerten Fußwegs aufragte. Der Bach murmelte und mahlte, Vögel zwitscherten. Wirklich alles sehr hübsch, sehr idyllisch, bis auf die Leiche.
Die Frau war bereits eine Weile tot gewesen. Ihr Schädelknochen lag frei, die Kopfhaut war zurückgezogen, ein roter Haarschopf um mehrere Zentimeter vom eigentlichen Haaransatz getrennt. Tiere hatten ihr Gesicht weggefressen, Augen und Hirn den Kräften der Verwesung ausgesetzt. Die Nase war verschwunden, man sah die dreieckige Aussparung im Knochen darunter; die Augenhöhlen sahen aus wie kleine Schüsseln voll schmierigem, seifenartigem Fett. Die von Blasen und geronnenem Blut bedeckte Haut an Hals und Ohren hatte sich in Streifen abgeschält, um dieses entsetzliche Totenschädelgesicht mit dem offen stehenden Mund zu umrahmen.
»Bist du noch da?«
Archie wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Handy zu, das er an sein Ohr hielt. »Ja.«
»Soll ich mit dem Abendessen auf dich warten?«
... mehr
Er sah auf die tote Frau hinunter und war in Gedanken bereits mit dem Fall beschäftigt. Sie konnte das Opfer einer Überdosis sein. Oder eines Mordes. Sie konnte aus dem Radschacht eines Jumbo Jets gefallen sein. Letzteres hatte Archie in einer Folge von Law & Order gesehen. »Ich glaube nicht«, sagte er ins Handy.
Er hörte die vertraute Sorge in Debbies Stimme. Es war ihm gut gegangen zuletzt. Er hatte die Schmerztabletten eingeschränkt, ein wenig zugenommen. Aber sowohl er als auch Debbie wussten, dass dies alles noch nicht reichte. Hauptsächlich tat er nur so als ob. Er tat, als lebte er, als atmete er, als arbeitete er; er tat, als würde alles wieder gut werden. Es schien den Leuten, die er liebte, zu helfen. Und das war schon etwas. Das wenigstens konnte er für sie tun. »Denk dran, etwas zu essen«, sagte sie und seufzte.
»Ich hol mir mit Henry später etwas.« Archie klappte das Handy zu und ließ es in seine Tasche gleiten. Seine Finger berührten die Pillendose aus Messing, die sich ebenfalls in der Tasche befand, und verweilten einen Moment bei ihr. Zweieinhalb Jahre waren seit seinem Martyrium vergangen. Er war erst seit einigen Monaten wieder gesundgeschrieben. Lange genug, um seinen zweiten Serienmörder zu fassen. Er überlegte schon, ob er sich eigene Visitenkarten machen lassen sollte: Spezialist für die Ergreifung von Serienmördern. Vielleicht in Prägeschrift. Sein Kopf schmerzte, und er begann reflexartig, den Deckel der Pillendose zu öffnen, doch dann ließ er von ihr ab, zog die Hand aus der Tasche und fuhr sich durchs Haar. Nein. Nicht jetzt.
Er kauerte sich zu Lorenzo Robbins, der neben der Leiche hockte, die Dreadlocks unter der Kapuze eines weißen Kunststoffoveralls versteckt. Die glatten Steine des Bachbetts waren glitschig vor Moos.
»Ihre Frau?«, fragte Robbins.
Archie zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus seiner anderen Tasche. Hinter ihnen blitzte es, als ein Fotograf der Spurensicherung ein Bild machte. »Exfrau.«
»Sie sind sich noch nahe?«
Archie zeichnete einen Umriss der Frau in sein Notizbuch. Trug die Lage der umgebenden Bäume ein, den Bach unterhalb. »Wir wohnen zusammen.«»Oh.«
Das Blitzlicht ging wieder los. »Ist eine lange Geschichte«, sagte Archie und rieb sich mit einer Hand über die Augen.
Robbins hob mit einer Pinzette die lose Kopfhaut der Frau an, damit er darunterspähen konnte. Dutzende schwarzer Ameisen krabbelten heraus und liefen über den Schädel zu dem verwesenden Gewebe innerhalb der Nasenöffnung. »Da waren Hunde dran.«
»Wilde?«, fragte Archie und schaute in den umliegenden Wald. Der Forest Park war zwanzig Quadratkilometer groß, der größte Stadtwald in den Vereinigten Staaten. Teile davon waren sehr abgelegen, andere überlaufen. Das Gebiet, in dem man die Leiche gefunden hatte, lag im tiefer gelegenen Teil des Parks, der von einem steten Strom von Joggern, Wanderern und Mountainbikern frequentiert wurde. Oben am Hang waren sogar mehrere Häuser zu sehen.
»Nein, wahrscheinlich Haushunde«, sagte Robbins. Er drehte sich um und stieß den Daumen im Latexhandschuh in Richtung Hang. »So wie die Leiche hinter den Büschen liegt, sieht man sie vom Weg aus nicht. Leute kommen mit Hunden vorbei, die nicht angeleint sind. Fiffy klettert hier runter und reißt ein Stück Wange aus der Leiche.« Er sah auf die Tote hinunter und zuckte die Achseln. »Der Besitzer glaubt, er hat einen toten Vogel oder so etwas gefunden. Er lässt ihn eine Weile herumschnüffeln. Dann laufen sie weiter.«
»Sie meinen, sie wurde von Möpsen gefressen?«
»Allmählich. Über einige Wochen hinweg.«
Archie schüttelte den Kopf. »Nett.«
Robbins runzelte die Stirn und blickte zum Weg empor. »Komisch, dass niemand etwas gerochen hat.«
»Es gab ein Leck in einem Abwasserkanal«, sagte Archie. »Bei einem der Häuser oben am Hang.«
Das Stirnrunzeln verstärkte sich. »Zwei Wochen lang?«
Archie trug den Wanderweg in seine Skizze ein. Der nächstgelegene Punkt des Wegs befand sich vielleicht zwölf, dreizehn Meter oberhalb von ihnen. Dann machte er eine Kurve und verlief noch weiter hinauf, tiefer in den Wald hinein. »Die Leute sparen.«
»Glauben Sie, sie war eine Prostituierte?«
»Wegen der Schuhe?« Einen trug sie immer noch – einen bernsteinfarbenen Pumps. Den anderen hatte man ein paar Meter entfernt im Moos unter einem Farn gefunden. »Vielleicht. Vielleicht war sie auch eine modebewusste Dreizehnjährige. Schwer zu sagen.« Archie blickte auf den entstellten Mund, die Zähne hoben sich weiß und ebenmäßig von all dem Blut und Knorpel ab. »Sie hatte schöne Zähne.«
»Ja«, stimmte Robbins leise zu. »Sie hatte schöne Zähne.«
Wenig später beobachtete Archie, wie sein Partner Henry Sobol langsam und zögerlich den Hang herunterkam. Er trug eine schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt und trotz der Hitze eine schwarze Lederjacke. Henry hielt den Blick gesenkt, die Lippen vor Konzentration geschürzt, die Arme seitlich ausgestreckt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Mit den ausgestreckten Armen und dem kahl rasierten Schädel sah er aus wie ein Kraftmensch im Zirkus. Er versuchte, in Archies Fußstapfen zu treten, aber seine Füße waren größer als Archies und jeder Schritt ließ Erde und Kiesel die Böschung herunterrieseln. Oberhalb von ihnen sah Archie, wie alle Leute stehen geblieben waren und mit bangen Mienen zuschauten. Ein Obdachloser, der nach einem Lagerplatz suchte, hatte die Leiche gefunden und die Polizei von einem kleinen Lebensmittelladen am Rand des Parks angerufen. Er hatte sich mit dem ersten Beamten getroffen, der auf den Anruf reagierte, und war mit ihm zur Fundstelle gefahren, wo der Beamte prompt den Halt in der lockeren Erde verlor und den Hang zum Bach hinunterrutschte, wobei er den Fundort kontaminierte und sich fast das Bein brach. Sie würden auf die Autopsieergebnisse warten müssen, um sagen zu können, ob sie es überhaupt mit einem Mordfall zu tun hatten.
Unten angekommen, blinzelte Henry Archie zu, dann drehte er sich um und winkte fröhlich nach oben. Die Beamten oben auf dem Hügel fuhren fort, Absperrband zu ziehen und die wachsende Zahl sportlich gekleideter Schaulustiger in Schach zu halten.
Henry strich sich mit Daumen und Zeigefinger nachdenklich über den schwarz-weiß gesprenkelten Schnauzbart und beugte sich vor, um die Leiche in Augenschein zu nehmen, wobei er sich eine Grimasse erlaubte, die dem Totengesicht sehr ähnlich war. Dann kam er zur Sache. »Was hat sie getötet? «, fragte er.
Robbins legte eine Tüte über eine der aufgedunsenen, fleckigen Hände und befestigte sie mit einem Gummiband. Er tat es vorsichtig, als sei die Frau eingeschlafen, und er wollte sie nicht wecken. Ihre Finger waren gekrümmt, von Blasen bedeckt und geschwollen, und die Nagelbette waren schwarz, aber die Hand war noch erkennbar, wenngleich es für Fingerabdrücke wahrscheinlich zu spät war. Auf der anderen Hand, die halb in Erde und Moos begraben lag, wimmelte es dagegen vor Käfern. »Keine Ahnung«, sagte Robbins.
»Ist sie hier gestorben?«, fragte Henry.
»Schwer zu sagen, solange wir nicht wissen, was sie umgebracht hat«, antwortete Robbins. Er blickte zu Henry hinauf. »Polieren Sie sich die Glatze oder glänzt sie von Natur aus so?«
Archie lächelte. Henry hatte Robbins beim Softballspiel der Polizei in diesem Frühjahr ins Aus befördert. Seitdem war es immer so zwischen den beiden.
»Ich frag ja nur«, sagte Henry.
»Fragen Sie mich nach der Autopsie«, murmelte Robbins. Er holte eine weitere Tüte hervor, ließ sie in der Luft schnalzen und hob vorsichtig die andere Hand an, damit er die Tüte darüberstreifen konnte. Die Käfer stoben auseinander, und Henry trat einen kleinen Schritt zurück.
Archie schrieb etwas in sein Notizbuch. Es war zwölf Jahre her, dass er in diesem Park über einem anderen toten Mädchen gestanden hatte. Das hatte sie auf die Spur des Beauty Killers gebracht. Damals hatten sie nicht gewusst, dass sich eine Lebensaufgabe daraus entwickeln würde. Oder dass Archie eins seiner Opfer werden sollte.
Von oben rief jemand: »Hey!«
Henry sah zum Weg hinauf, wo Claire Masland ihnen Zeichen machte, dass sie wieder nach oben kommen sollten. Er stemmte die Hände in die Hüften. »Das darf doch wohl nicht wahr sein«, sagte er zu Archie.
Claire winkte wieder, diesmal mit dem ganzen Arm.
© Limes Verlag
Übersetzung: Fred Kinzel
Er hörte die vertraute Sorge in Debbies Stimme. Es war ihm gut gegangen zuletzt. Er hatte die Schmerztabletten eingeschränkt, ein wenig zugenommen. Aber sowohl er als auch Debbie wussten, dass dies alles noch nicht reichte. Hauptsächlich tat er nur so als ob. Er tat, als lebte er, als atmete er, als arbeitete er; er tat, als würde alles wieder gut werden. Es schien den Leuten, die er liebte, zu helfen. Und das war schon etwas. Das wenigstens konnte er für sie tun. »Denk dran, etwas zu essen«, sagte sie und seufzte.
»Ich hol mir mit Henry später etwas.« Archie klappte das Handy zu und ließ es in seine Tasche gleiten. Seine Finger berührten die Pillendose aus Messing, die sich ebenfalls in der Tasche befand, und verweilten einen Moment bei ihr. Zweieinhalb Jahre waren seit seinem Martyrium vergangen. Er war erst seit einigen Monaten wieder gesundgeschrieben. Lange genug, um seinen zweiten Serienmörder zu fassen. Er überlegte schon, ob er sich eigene Visitenkarten machen lassen sollte: Spezialist für die Ergreifung von Serienmördern. Vielleicht in Prägeschrift. Sein Kopf schmerzte, und er begann reflexartig, den Deckel der Pillendose zu öffnen, doch dann ließ er von ihr ab, zog die Hand aus der Tasche und fuhr sich durchs Haar. Nein. Nicht jetzt.
Er kauerte sich zu Lorenzo Robbins, der neben der Leiche hockte, die Dreadlocks unter der Kapuze eines weißen Kunststoffoveralls versteckt. Die glatten Steine des Bachbetts waren glitschig vor Moos.
»Ihre Frau?«, fragte Robbins.
Archie zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus seiner anderen Tasche. Hinter ihnen blitzte es, als ein Fotograf der Spurensicherung ein Bild machte. »Exfrau.«
»Sie sind sich noch nahe?«
Archie zeichnete einen Umriss der Frau in sein Notizbuch. Trug die Lage der umgebenden Bäume ein, den Bach unterhalb. »Wir wohnen zusammen.«»Oh.«
Das Blitzlicht ging wieder los. »Ist eine lange Geschichte«, sagte Archie und rieb sich mit einer Hand über die Augen.
Robbins hob mit einer Pinzette die lose Kopfhaut der Frau an, damit er darunterspähen konnte. Dutzende schwarzer Ameisen krabbelten heraus und liefen über den Schädel zu dem verwesenden Gewebe innerhalb der Nasenöffnung. »Da waren Hunde dran.«
»Wilde?«, fragte Archie und schaute in den umliegenden Wald. Der Forest Park war zwanzig Quadratkilometer groß, der größte Stadtwald in den Vereinigten Staaten. Teile davon waren sehr abgelegen, andere überlaufen. Das Gebiet, in dem man die Leiche gefunden hatte, lag im tiefer gelegenen Teil des Parks, der von einem steten Strom von Joggern, Wanderern und Mountainbikern frequentiert wurde. Oben am Hang waren sogar mehrere Häuser zu sehen.
»Nein, wahrscheinlich Haushunde«, sagte Robbins. Er drehte sich um und stieß den Daumen im Latexhandschuh in Richtung Hang. »So wie die Leiche hinter den Büschen liegt, sieht man sie vom Weg aus nicht. Leute kommen mit Hunden vorbei, die nicht angeleint sind. Fiffy klettert hier runter und reißt ein Stück Wange aus der Leiche.« Er sah auf die Tote hinunter und zuckte die Achseln. »Der Besitzer glaubt, er hat einen toten Vogel oder so etwas gefunden. Er lässt ihn eine Weile herumschnüffeln. Dann laufen sie weiter.«
»Sie meinen, sie wurde von Möpsen gefressen?«
»Allmählich. Über einige Wochen hinweg.«
Archie schüttelte den Kopf. »Nett.«
Robbins runzelte die Stirn und blickte zum Weg empor. »Komisch, dass niemand etwas gerochen hat.«
»Es gab ein Leck in einem Abwasserkanal«, sagte Archie. »Bei einem der Häuser oben am Hang.«
Das Stirnrunzeln verstärkte sich. »Zwei Wochen lang?«
Archie trug den Wanderweg in seine Skizze ein. Der nächstgelegene Punkt des Wegs befand sich vielleicht zwölf, dreizehn Meter oberhalb von ihnen. Dann machte er eine Kurve und verlief noch weiter hinauf, tiefer in den Wald hinein. »Die Leute sparen.«
»Glauben Sie, sie war eine Prostituierte?«
»Wegen der Schuhe?« Einen trug sie immer noch – einen bernsteinfarbenen Pumps. Den anderen hatte man ein paar Meter entfernt im Moos unter einem Farn gefunden. »Vielleicht. Vielleicht war sie auch eine modebewusste Dreizehnjährige. Schwer zu sagen.« Archie blickte auf den entstellten Mund, die Zähne hoben sich weiß und ebenmäßig von all dem Blut und Knorpel ab. »Sie hatte schöne Zähne.«
»Ja«, stimmte Robbins leise zu. »Sie hatte schöne Zähne.«
Wenig später beobachtete Archie, wie sein Partner Henry Sobol langsam und zögerlich den Hang herunterkam. Er trug eine schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt und trotz der Hitze eine schwarze Lederjacke. Henry hielt den Blick gesenkt, die Lippen vor Konzentration geschürzt, die Arme seitlich ausgestreckt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Mit den ausgestreckten Armen und dem kahl rasierten Schädel sah er aus wie ein Kraftmensch im Zirkus. Er versuchte, in Archies Fußstapfen zu treten, aber seine Füße waren größer als Archies und jeder Schritt ließ Erde und Kiesel die Böschung herunterrieseln. Oberhalb von ihnen sah Archie, wie alle Leute stehen geblieben waren und mit bangen Mienen zuschauten. Ein Obdachloser, der nach einem Lagerplatz suchte, hatte die Leiche gefunden und die Polizei von einem kleinen Lebensmittelladen am Rand des Parks angerufen. Er hatte sich mit dem ersten Beamten getroffen, der auf den Anruf reagierte, und war mit ihm zur Fundstelle gefahren, wo der Beamte prompt den Halt in der lockeren Erde verlor und den Hang zum Bach hinunterrutschte, wobei er den Fundort kontaminierte und sich fast das Bein brach. Sie würden auf die Autopsieergebnisse warten müssen, um sagen zu können, ob sie es überhaupt mit einem Mordfall zu tun hatten.
Unten angekommen, blinzelte Henry Archie zu, dann drehte er sich um und winkte fröhlich nach oben. Die Beamten oben auf dem Hügel fuhren fort, Absperrband zu ziehen und die wachsende Zahl sportlich gekleideter Schaulustiger in Schach zu halten.
Henry strich sich mit Daumen und Zeigefinger nachdenklich über den schwarz-weiß gesprenkelten Schnauzbart und beugte sich vor, um die Leiche in Augenschein zu nehmen, wobei er sich eine Grimasse erlaubte, die dem Totengesicht sehr ähnlich war. Dann kam er zur Sache. »Was hat sie getötet? «, fragte er.
Robbins legte eine Tüte über eine der aufgedunsenen, fleckigen Hände und befestigte sie mit einem Gummiband. Er tat es vorsichtig, als sei die Frau eingeschlafen, und er wollte sie nicht wecken. Ihre Finger waren gekrümmt, von Blasen bedeckt und geschwollen, und die Nagelbette waren schwarz, aber die Hand war noch erkennbar, wenngleich es für Fingerabdrücke wahrscheinlich zu spät war. Auf der anderen Hand, die halb in Erde und Moos begraben lag, wimmelte es dagegen vor Käfern. »Keine Ahnung«, sagte Robbins.
»Ist sie hier gestorben?«, fragte Henry.
»Schwer zu sagen, solange wir nicht wissen, was sie umgebracht hat«, antwortete Robbins. Er blickte zu Henry hinauf. »Polieren Sie sich die Glatze oder glänzt sie von Natur aus so?«
Archie lächelte. Henry hatte Robbins beim Softballspiel der Polizei in diesem Frühjahr ins Aus befördert. Seitdem war es immer so zwischen den beiden.
»Ich frag ja nur«, sagte Henry.
»Fragen Sie mich nach der Autopsie«, murmelte Robbins. Er holte eine weitere Tüte hervor, ließ sie in der Luft schnalzen und hob vorsichtig die andere Hand an, damit er die Tüte darüberstreifen konnte. Die Käfer stoben auseinander, und Henry trat einen kleinen Schritt zurück.
Archie schrieb etwas in sein Notizbuch. Es war zwölf Jahre her, dass er in diesem Park über einem anderen toten Mädchen gestanden hatte. Das hatte sie auf die Spur des Beauty Killers gebracht. Damals hatten sie nicht gewusst, dass sich eine Lebensaufgabe daraus entwickeln würde. Oder dass Archie eins seiner Opfer werden sollte.
Von oben rief jemand: »Hey!«
Henry sah zum Weg hinauf, wo Claire Masland ihnen Zeichen machte, dass sie wieder nach oben kommen sollten. Er stemmte die Hände in die Hüften. »Das darf doch wohl nicht wahr sein«, sagte er zu Archie.
Claire winkte wieder, diesmal mit dem ganzen Arm.
© Limes Verlag
Übersetzung: Fred Kinzel
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Autoren-Porträt von Chelsea Cain
Chelsea Cain, geboren 1972, verbrachte ihre Kindheit als Tochter von Hippie-Eltern auf einer Farm in Iowa. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalismus und arbeitet als freie Autorin. Nach einigen preisgekrönten Jugendbüchern ist "Furie" ihr Debüt im Thriller-Genre. Chelsea Cain lebt mit ihrer Familie in Portland, Oregon.
Bibliographische Angaben
- Autor: Chelsea Cain
- 2008, 1, 380 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Fred Kinzel
- Verlag: Limes
- ISBN-10: 3809025348
- ISBN-13: 9783809025344
Rezension zu „Grazie / Archie Sheridan Bd.2 “
"Ein Psychoduell zwischen Massenmörderin und Polizist vom Feinsten."
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