HandWerk
Sennetts Hauptthemen sind die Vereinzelung, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht moderner Individuen, die Oberflächlichkeit und Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen sowie die Ausübung von Herrschaft. Vor allem in seinen Frühwerken bleibt er der Stadt seiner Kindheit und den in ihr gemachten Erfahrungen stark verhaftet. Die hohe Aktualität seiner Themen und sein eingängiger, essayistischer Stil ließen seine Bücher zu Bestsellern avancieren.
Richard Sennett lebt in London und New York.
2011 wurde er mit dem Jeanette Schocken Preis, dem Bremerhavener Bürgerpreis für Literatur ausgezeichnet.
Interview mit Richard Sennett
Was verstehen Sie unterHandwerk?
Wenn ich von Handwerk oderhandwerklichem Kšnnen und handwerklicher Orientierung spreche, meine ich damitdas Streben nach QualitŠt und die FŠhigkeit, QualitŠt zu liefern. EineKrankenschwester oder ein Programmierer kšnnen ihre TŠtigkeit als ein Handwerkbegreifen, dem sie sich voll und ganz widmen, Šhnlich einem Tšpfer. In meinemBuch versuche ich vor allem zu zeigen, was wir aus dem traditionellen, aufHandarbeit ausgerichteten Handwerk Ÿber handwerkliches Kšnnen und Wollen indiesem umfassenden Sinne lernen kšnnen.
Welche Bedeutung habenhandwerkliches Denken und Kšnnen heute?
Die meisten Menschen,Unternehmen und Organisationen dŸrften von sich behaupten, sie wolltenqualitativ hochwertige Arbeit leisten, doch da ist Skepsis angebracht. Inmeinem Buch zeige ich, dass und warum viele moderne Institutionen nurmittelmŠ§ige Leistungen erbringen. So vermittelt das Bildungssystem denSchŸlern nur oberflŠchliche FŠhigkeiten und nur wenig Sinn fŸr engagierteArbeit. Handwerkliches Kšnnen steht eher fŸr einen Wunsch als fŸr eineWirklichkeit, von der wir wŸssten, wie wir sie erstehen lassen kšnnten.
Welches VerhŠltnisbesteht zwischen Handwerk und Kunst?
Es gibt keine Kunst ohneHandwerk, keinen Ausdruck ohne Technik. Darum konzentriere ich mich in meinemBuch auf den Musiker, der Tonleitern Ÿbt; den Architekten, der auf derBaustelle Probleme zu lšsen versucht; den Autor, der jeden Absatz durchgeht, umŸberflŸssige Wšrter zu streichen. Mit Inspiration befasse ich mich dagegen nicht.
ÈHandWerkÇist der erste von insgesamt drei BŠnden. Worum geht es in dieser Trilogie?
Ich mšchte mich mit denFragen nach den materiellen Dingen und der materiellen Kultur in anderer Weiseauseinandersetzen als die marxistischen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts.Ich mšchte den kulturellen Materialismus in der Weise erweitern, dass er auchdie von materiellen Dingen ausgelšsten Empfindungen und die von ihnenaufgegebenen RŠtsel umfasst; die Ausbildung theoretischen Denkens und Glaubensdurch Praxis und praktische TŠtigkeit; die Formen sozialen Verhaltens, die ausgemeinsamer kšrperlicher Erfahrung erwachsen. Die Trilogie erkundet dieHerstellung von Objekten, Ritualen und Religionen wie auch das VerhŠltnis derGesellschaft zu den natŸrlichen Ressourcen. Ich bin aus berzeugungPragmatiker, und diese BŸcher sind mein Beitrag zur pragmatischen Tradition inAmerika.
Welche Auswirkungen hatder technologische Fortschritt ganz allgemein auf unsere Einstellung und unserVerhŠltnis zur Arbeit?
Wir denken oft, Hightechbilde den Gegenpol zur Arbeit des Handwerkers, aber das ist falsch. Wirerliegen diesem Irrtum, weil wir meinen, die DomŠne des Handwerkers liegeallein in qualifizierten manuellen TŠtigkeiten. In Wirklichkeit mŸssen aberauch Programmierer, Wissenschaftler im Labor und €rzte in der modernenApparatemedizin Èwie HandwerkerÇ arbeiten. Das hei§t, sie mŸssen sich jeweilsauf die konkreten Schritte und Verfahren konzentrieren, die qualitativhochwertige Arbeit ausmachen. Handwerkliches Denken und Kšnnen ist daher allesandere als eine Idealisierung, sondern besteht in einem ganz unmittelbarenStreben nach QualitŠt, wobei die modernen Maschinen und Apparate Instrumentedieser Unmittelbarkeit darstellen.
Ihre Beschreibung unseresVerhŠltnisses zur materiellen Welt erinnert ein wenig an die von Marx sogenannte ÈEntfremdungÇ. Ist das nicht ein utopischer oder idealistischer Ansatzbei der Suche nach neuen Formen des Umgangs mit der materiellen Welt?
Marx war im Blick auf dasHandwerk ein gro§er Romantiker. Er idealisierte es als eine Form desWiderstands gegen die kapitalistisch-industrielle Produktion. Ich bin dagegenkein Romantiker, wenn es um das Streben nach qualitativ hochwertiger Arbeitgeht. So zeige ich in meinem Buch, dass der versessene Handwerker auch blindfŸr die ethischen Implikationen seiner Arbeit werden kann.
- Autor: Richard Sennett
- 2008, 431 Seiten, Maße: 13,8 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Michael Bischoff
- Verlag: BERLIN VERLAG
- ISBN-10: 3827000335
- ISBN-13: 9783827000330
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