Heiß wie der Steppenwind
Die Liebe zwischen Igor und Dunja ist grenzenlos. Doch was, wenn eine Intrige das zarte Glück gefährdet?
Bei der Eroberung Königsbergs 1945 findet ein russischer Offizier einen kleinen Jungen. Er nimmt ihn auf und nennt ihn Igor. Jahre später ist Igor...
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Die Liebe zwischen Igor und Dunja ist grenzenlos. Doch was, wenn eine Intrige das zarte Glück gefährdet?
Bei der Eroberung Königsbergs 1945 findet ein russischer Offizier einen kleinen Jungen. Er nimmt ihn auf und nennt ihn Igor. Jahre später ist Igor Arzt in Sibirien. Doch als er seine geliebte Dunja heiraten will, wird das Glück der beiden plötzlich überschattet.
Heiß wie der Steppenwind von Konsalik
LESEPROBE
Er lag hinter einem Grabstein, auf dem ingoldener Schrift stand: »Gott liebt dich«, preßtesich in den weichen, nassen, klebrigen Boden, der unter ihm zitterte, als lägeer auf einem Tier, grub das Gesicht ins Gras, verfaulte Blumenreste undstachelige Ligusterzweige und heulte wie ein Wolf. Um ihn herum zerbarstkrachend, mit feurigen Fontänen die Welt. Die Gräber öffneten sich untertobenden Riesenfäusten, Särge schwebten sekundenlang durch die Luft, ehe sieauseinanderplatzten und die Leichen verstreuten; aus der Tiefe der Erde quollenflammende Geiser, der Himmel regnete Steine und Erde, Köpfe und Glieder, Rümpfeund steinere Platten, auf denen einmal Menschenhatten meißeln lassen: »Ruhe in Frieden«. Er lag da, bißvor Angst in den stinkenden Boden, roch Schwefeldunst und Brand, umklammertevor sich einen Stein, der plötzlich zu ihm rollte, als wolle er sich schützendvor ihn legen, aber er wagte nicht, die Augen zu öffnen, er hatte panischeAngst, zu sehen, was er hörte und fühlte, und er dachte bei allem Toben undKrachen um sich herum immer nur: Mutter... mein Gott, mein lieber, lieber Gott,wo ist Mutter? Laß sie leben, lieber Gott... Mutter,Mutter... hast du dich rechtzeitig verkrochen.., inein Granatloch, in den Erdbunker am Eingang des Friedhofs, im Keller bei Frau Paneikes, da mußt du doch vorbei,Mutter, wenn du zum Milchladen gehst... o Gott, o lieber Gott... hilf meinerMutter.
Durch die Luft orgelten neue Salven heran,Hunderte von Granaten und Minen heulten wie die Welt zerstampfende Riesen, dieErde zuckte und schwankte, und zwischen die erdgetränkteLuft und den Dunst der Explosionen mischte sich plötzlich ein neuer, ekeligöliger, heißer, stickiger und beißender Geruch. Er hob schnell den Kopf undstarrte über die sich öffnenden Gräber. Er sah graubraune Gestaltenherumhuschen, die blecherne Höcker auf dem Rücken trugen und aus ihren HändenFeuer spien, und er dachte an seinen Vater, dereinmal erzählt hatte, daß das Grauenhafteste im Krieg die Flammenwerfer seien.Da kroch er noch näher an seinen Grabstein heran, schloßwieder die Augen und war leer vor Entsetzen. Es war der 7. April 1945. ÜberKönigsberg hing seit vierundzwanzig Stunden eine Glocke aus Feuer und Eisen. Esregnete Vernichtung aus Hunderten sowjetischer Batterien und TausendenGranatwerfern, aus den Schächten der Bombenflugzeuge und vom Himmel stürzenderTiefflieger. Nach monatelanger Belagerung waren die russischen Truppen zurEroberung der Stadt angetreten dreißig frische Divisionen, Eliteregimenter undsibirische Truppen, Panzerbrigaden, Sturmtrupps und Spezialformationen für denStraßenkampf, an den Tod gewöhnt, seitdem sie in Stalingrad die Hölle überlebthatten.
Von allen Seiten rückten die Sowjets mit ihrerFeuerwalze in die Stadt. Die Ruinen von Königsberg brannten. Der Himmel wareine einzige schwarze Wolke, als plötzlich das Krachen erstarb und sich Stilleüber den Friedhof legte. Langsam, ganz langsam hob er den Kopf und blinzelte umseinen schützenden Grabstein herum. Die erdbraunen Gestalten, die durch dieGräberreihen gehuscht waren, sammelten sich am Eingang des Friedhofes. An den rußschwarzen Dachsparren der zerborstenen Leichenhalleflatterten zwei große weiße Betttücher im Wind. Alte Männer und Frauen inzerrissenen Kleidern, um die schmalen, schmutzigen Gesichter Kopftüchergewickelt, standen zusammengerollt an der Mauer. Drei sowjetische Soldaten mitfeuerbereiten Maschinenpistolen bewachten sie, als seien sie trotz ihrer Armseligkeitnoch eine Gefahr. Vereinzelte Trupps durchkämmten die Grabreihen, vor allemdrüben, im alten Teil, wo die großen Grüfte der reichen Familien lagen, ausgemauerteunterirdische Gewölbe, besser als jeder Erdbunker. Hier holten dieRussen noch deutsche Soldaten heraus, armselige Gestalten, die sich zu denToten verkrochen hatten, um zu überleben. Hans Kramer setzte sich auf die Erdeund starrte auf den Stein, den er vorhin in seiner Not umklammert hatte. Es warein Totenschädel, erdverkrustet,merkwürdig klein, wie von einem Kind. Er behielt ihn in den Händen undbeobachtete mit großen Augen deutsche Soldaten, die jetzt zur Leichenhallegetrieben wurden, sich dort an der Mauer niederhockenmußten, graue Vögel ohne Hügel. Er schrak erst auf,als hinter ihm eine Stimme erklang. Erschreckt fuhr er herum und drückte den Totenschädel an sich, als sei er etwas ungeheuerWertvolles. »Wie alt bis du?« fragte der Mann, derplötzlich hinter ihm stand. Er erschien Hans Kramer riesengroß. Ein Russe,dachte er. Das ist ein Russe. Mein Gott, hilf mirdoch! Er steht da und bewegt die Hände, sein Gesicht ist voll Dreck undSchweiß, und an der Stirn blutet er... jetzt wird er mich umbringen, bestimmtwird er das alle haben es erzählt, und Vater hat es aus den Zeitungenvorgelesen, wie die Russen Frauen und Kinder ermorden, wie sie die Kinder anden Beinen packten und mit dem Kopf gegen die Wände schleuderten. Er umfaßte mit beiden Händen seinen Kopf und kroch in sichzusammen.
»Sieben Jahre...«, sagte er und begann aus Angstzu weinen. »Ich.., ich bin sieben Jahre... Der Russesah sich um und setzte sich dann auf den Grabstein. Er schien ein besondererRusse zu sein; er trug hohe, weiche Stiefel, und auf den Schultern klebtenbreite Schulterstücke mit Sternen. Als er in die Tasche seiner Uniform griff,zog Hans Kramer die Knie an und steckte den umklammerten Kopf dazwischen.
»Ich will nicht sterben ... «, weinte er. Seinkleiner Körper zuckte unentwegt wie unter elektrischen Stößen. »Ich willnicht.., bitte
bitte...« »Warum hast du Angst?«fragte der Russe. Er sprach ein hartes, aber klares Deutsch. Seine Stimme wardunkel und gar nicht so, wie ein Kindesmörder sprechen sollte. Hans Kramerschob den Kopf aus den Knien hervor und schielte zu ihm hoch.
»Du willst mich an die Wand werfen ... «, sagteer zitternd.
»Wer sagt, daß ich das will?«
»Alle sagen es. Alle Leute. Vater hat es in derZeitung gelesen. Die wissen doch alles, die von der Zeitung...
»Ja, sie wissen alles.«Der Russe zog die Hand aus der Tasche. Ein Stück schwarzes, glitschiges Brotglänzte in seiner Handfläche. Er hielt es dem kleinen Jungen hin und nickte ihmzu. »Willst du?« »Brot?« »Ja. Sowjetisches Brot. Mehrhabe ich selbst nicht. Zum Teufel, wir hungern wie ihr. Uns knurrt der Magen,als hätten wir einen Hofhund verschluckt. Hast du auch Hunger?«
»Ja ... »Dann nimm es und iß.«
»Und wenn es vergiftet ist . Der Russe sah denJungen fast traurig an. Dann brach er etwas von dem glitschigen Brot ab undsteckte es in den Mund. Den Rest hielt er dem Kind hin. Hans Kramer nahm es mitbeiden Händen und stopfte es sich in die Manteltasche. Der Russe beugte sichvor. »Immer noch mißtrauisch, mojwolkoja?« (Mein Wölfchen) »Ich heb' es für meineMutter auf...«
»Ach so, du hast eine Mutter?«Der Russe setzte sich vor den jungen auf einen anderen zerborstenen Grabsteinund nahm ihm damit die Sicht zur Mauer der Leichenhalle. Dort hatten diesowjetischen Soldaten begonnen, die deutschen Gefangenen zu zählen. MitGewehrkolben trieben sie die Männer dann weg. Es war kein schönes Bild, und derRusse verdeckte es mit seinem Körper vor dem Blick des Kindes. »Wo ist deine Mamuschka?« fragte er. »Sie wollteMilchpulver holen, bei Normoth, das ist ein Händlerdrüben in der Steinbergstraße. Und dann habt ihr geschossen und seid gekommen.Aber sie lebt, ich weiß das... Mutter lebt.., siesitzt jetzt bestimmt bei Normoth im Keller
»Und dein Papuschka?« »Vaterist beim Volkssturm. Vor einer Woche marschierte er zum Haff.«Der Junge griff in die Manteltasche, brach sich ein Stückchen Brot ab und schobes verlegen in den Mund. Noch immer schluchzte er auf..,dann durchzuckte es seinen schmächtigen Körper, und seine großen blauen Augenwurden plötzlich dunkel und sehr alt. »Geht zum Friedhof, hat Vater nochgesagt. Sucht euch eine Gruft aus... da seid ihr sicher. Und das haben wirgemacht.« Hans Kramer zeigte in die Gegend. Der Russefolgte seiner Hand und blickte über die aufgewühlten Gräber. »Dort drübenwohnen wir... dort, wo der kaputte Engel liegt. Auf dem Stein stand >FamilieKranowski<. Wollen wir hingehen?«»Ja.« Der Russe stand auf und nahm den Jungen an der Hand. Wie Vater und Sohngingen sie hinüber zu dem zerborstenen Marmorengel und zur Gruft der Familie Kranowski. Es war eine bekannte Familie in Königsberg.Bankiers und Reeder, Oberstaatsanwälte und ein Kaufhaus... eine reiche Familiemit Tradition, die sich einen Marmorengel leisten konnte. »Sie wird gleichkommen...«, sagte der Junge. Der Russe schrak zusammen. »Wer?« »Meine Mutter. «Der Junge blieb stehen und sah zu dem Russen hoch. »Du..,wirst sie nicht erschießen, nicht wahr?« »Nein. Bestimmt nicht.« »Und die anderen Soldaten auch nicht? »Ich werde es ihnenbefehlen, mein Vögelchen. »Bist du so ein großer Mann?«»Ich bin Anton Wassiljewitsch Pjetkin,Kapitän des sowjetischen Garderegiments.
»Anton Wassiljewitsch.So hieß einmal ein Geselle, den Vater hatte. Ein gefangener Russe, weißt du.«
»Was ist dein Vater?«
»Schuhmacher.
»Und was ist aus dem anderen Anton Wassiljewitsch geworden?«
»Ich weiß es nicht. Sie haben ihn abgeholt.Männer mit so blanken Schildern auf der Brust. Anton ist nicht wiedergekommen.«
Kapitän Pjetkinnickte. Er setzte sich auf die Brust des zerbrochenen Marmorengels und hieltdie Hände Hans Kramers fest. »Auch dein Vater wird nicht wiederkommen...«,sagte er langsam. »Doch!« Der Junge blickte Pjetkintrotzig an. »Er hat's versprochen. »Und deine Mamuschkawird auch nicht wiederkommen.« »Woher weißt du das?« Sie sahen sich an... der kleine, schmächtige, dreckigedeutsche
© GKVges. mbH
- Autor: Heinz G. Konsalik
- 2006, 1, 460 Seiten, Maße: 13 x 19,5 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828979734
- ISBN-13: 9783828979734
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