Hurra, wir kapitulieren - Von der Lust am Einknicken
Der streitbare Publizist Henryk M. Broder widmet sich in seinem neuen Werk der europäischen Reaktion auf die Herausforderungen des Islamismus. Seine alarmierende Einsicht: Europa muss Flagge zeigen und aufpassen, nicht vor lauter Political Correctness...
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Der streitbare Publizist Henryk M. Broder widmet sich in seinem neuen Werk der europäischen Reaktion auf die Herausforderungen des Islamismus. Seine alarmierende Einsicht: Europa muss Flagge zeigen und aufpassen, nicht vor lauter Political Correctness alles in Kauf zu nehmen, was von islamistischer Seite gefordert wird.
Hurra, wirkapitulieren! von Henryk M. Broder
LESEPROBE
Um ein Haar wäre auch ich ein Terroristgeworden. Alle Voraussetzungen waren gegeben. Meine Eltern hatten beide unterabenteuerlichen Umständen den Krieg überlebt, fielen sich nach der Befreiung indie Arme und setzten mich in die Welt. Sie waren in höchstem Maße traumatisiertund ich diente ihnen als Beweis, dass es ein Leben nach dem Überleben gebenkonnte. Entsprechend waren ihre Erwartungen, die ich nicht erfüllen konnte.Wollte ich keinen Spinat essen, bekam ich zu hören: »Was hätten wir dafürgegeben, wenn es im Lager Gemüse gegeben hätte!«Weigerte ich mich, mir die Haare schneiden zu lassen, erzählten sie, wiewichtig die Hygiene im Lager war und dass eine einzige Kopflaus den Todbedeuten konnte. Kam ich nach Mitternacht nach Hause, war eine Geschichte überdie Sperrstunde im Ghetto fällig. Ging ich mit den falschen Bräuten aus -richtige gab es nicht, weil alle deutschen Väter in der SS gedient hatten -, schrien sie mich an: »Und dafür haben wir überlebt?«
Aber auch nachdem meine Eltern mich einigermaßenin Ruhe ließen, hörten die Demütigungen und Erniedrigungen nicht auf. BeimVölkerball blieb immer ich übrig; die Mannschaft, die mich abbekam, konntegleich einpacken. Bei den »Bundesjugendspielen« bekam ich nicht einmal einenTrostpreis fürs Mitmachen, und die ersten Erfahrungen mit den Mädels waren soverheerend, dass sie sogar den Liegesitzen in meinem Opel Kadett peinlichwaren.
Ich lief durch die Gegend, und das Gefühl, dasmich antrieb, war Wut: auf meine hysterischen Eltern, die blöden Pauker und aufmeine Freunde, die sich meine Armstrong-Platten ausliehen und dann die Mädchennach Hause brachten, mit denen ich zur Party gekommen war. Ich ärgerte michdermaßen, das ich eine Gastritis bekam, die mich erstverließ, als sich ersatzweise Asthma einstellte. Während andere noch den Umgangmit Kondomen lernten, wusste ich schon über psychosomatische KrankheitenBescheid. Warum ich trotz alledem nicht auf die Idee gekommen bin, Terrorist zuwerden, kann ich mir rückblickend schwer erklären. Ich las »Die Verdammtendieser Erde« von Frantz Fanon und »DieMassenpsychologie des Faschismus« von Wilhelm Reich, die Schriften von HorstEberhard Richter und Margarete Mitscherlich kannteich zum Glück nicht.
Ich wäre der idealtypische Amokläufer gewesen:Kind einer dysfunktionalen Familie, einsam,verzweifelt, frustriert und geladen wie ein Fass mit Dynamit auf der Bounty. Jeder Sozialarbeiter hätte seine Freude an mirgehabt, jeder Therapeut wäre glücklich gewesen, mich behandeln zu dürfen. Das»M« in meinem Namen stand nicht für »Modest«, sondernfür »mildernde Umstände«. Was mir freilich fehlte, war der Drang, mich an derWelt zu rächen. Es gab noch kein Internet und keine Videokameras, und ich wärenicht in der Lage gewesen, jemandem den Kopf abzuschlagen, weil mir schon imBiologieunterricht beim Sezieren eines Regenwurms schlecht wurde.
Da ich nicht Terrorist werden konnte, blieb mirnichts anderes übrig, als Journalist zu werden. Das ist kein sehr angesehenerBeruf, er rangiert sogar noch unter dem des Terroristen. Ein Terrorist kann mitVerständnis der Gesellschaft rechnen, damit, dass ihm bei einer Festnahme nichtnur seine Rechte vorgelesen, sondern auch umgehend Mutmaßungen über seineMotive angestellt werden: Warum er gar nicht anders handeln konnte und warumnicht er, sondern die Gesellschaft für seine Taten verantwortlich ist.
Ich gebe zu, ich bin ein wenig neidisch auf dieTerroristen. Nicht nur wegen der Aufmerksamkeit, die sie erfahren, sondernwegen der idealistischen Motive, die ihnen unterstellt beziehungsweisezugesprochen werden. Wer ein Auto klaut und damit einen Menschen an einerKreuzung totfährt, der ist ein Verbrecher. Wer sich mit einer Bombe im Rucksackin einem Bus in die Luft sprengt und andere Passagiere mitnimmt, der ist einMärtyrer, ein gedemütigter, erniedrigter, verzweifelter Mensch, der sich nichtanders zu helfen wusste. Worum ich die Terroristen am meisten beneide, ist derRespekt, der ihnen gezollt wird. Haben sie einmal bewiesen, wozu sie imstandesind, betreten Experten den Tatort und erklären, man dürfe sie nicht noch mehrprovozieren, man müsse mit ihnen reden, verhandeln, sich auf Kompromisseeinlassen und ihnen helfen, das Gesicht zu wahren. Nur so känneman sie zur Vernunft bringen und Schlimmeres verhüten.
Dieses Verhalten nennt man Appeasement.Davon handelt dieses Buch.
© wjs Verlag
- Autor: Henryk M. Broder
- 2006, 8. Aufl., 167 Seiten, Maße: 12,7 x 19,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: WJS
- ISBN-10: 393798920X
- ISBN-13: 9783937989204
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