"Ich möchte so lange leben, als ich Ihnen dankbar sein kann."
Alma-Mahler - Arnold Schönberg. Der Briefwechsel
Das berührende Zeugnis einer besonderen Beziehung. Alma Mahler-Werfel galt als schöpferische Muse und betörende femme fatale. Verheiratet mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius, dem Schriftsteller Franz Werfel und liiert mit dem...
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Produktinformationen zu „"Ich möchte so lange leben, als ich Ihnen dankbar sein kann." “
Klappentext zu „"Ich möchte so lange leben, als ich Ihnen dankbar sein kann." “
Das berührende Zeugnis einer besonderen Beziehung. Alma Mahler-Werfel galt als schöpferische Muse und betörende femme fatale. Verheiratet mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius, dem Schriftsteller Franz Werfel und liiert mit dem Maler Oskar Kokoschka, reichte ihre verführerische Wirkung auch weit in Politik und Kirche. Eine andere Seite dieser starken Persönlichkeit zeigt der nun erstmals erschlossene Briefwechsel mit Arnold Schönberg. Haide Tenner führt in ihrer Auswahl durch mehr als 40 Jahre einer besonderen Beziehung: Alma Mahler als Förderin, Mäzenin und Kämpferin für diejenigen, an die sie glaubte. Die Briefe zeugen von einer nicht immer problemfreien Freundschaft, von gekränktem Stolz auf beiden Seiten und von Einsamkeit und Wertschätzung im gemeinsamen Exil. Sie haben bekenntnishaften Charakter. Das beeindruckende Zeugnis eines halben Jahrhunderts.
Lese-Probe zu „"Ich möchte so lange leben, als ich Ihnen dankbar sein kann." “
"Ich möchte so lange leben, als ich Ihnen dankbar sein kann." von Alma Mahler-Werfel & Arnold Schönberg ZU DIESEM BUCH
Bei meiner Beschäftigung mit der Korrespondenz von Arnold Schönberg stieß ich auf einen ungehobenen Schatz: Briefe an und von Alma Mahler. Schon die Lektüre einiger dieser Briefe zeigte mir, dass zwischen diesen beiden Persönlichkeiten eine besondere Beziehung bestanden hatte, die in ihrer Intensität noch nicht erfasst worden ist, denn ich fand in diesen Briefen Bekenntnishaftes auf beiden Seiten. Vereinzelt waren Briefe in der Fachliteratur aufgetaucht, niemals aber hat sich jemand die Mühe gemacht, die schwer leserlichen, undatierten Briefe von Alma Mahler in eine chronologische Reihenfolge zu bringen und sie in Bezug zu setzen zu den Briefen von Arnold Schönberg. Mein Bild von beiden Persönlichkeiten hat sich bei der Aufarbeitung des vollständigen Briefwechsels verändert, ganz besonders das von Alma Mahler. Was ist das Besondere an diesem Briefwechsel?
Ein halbes Jahrhundert umfasst die von gegenseitigerAchtung geprägte Beziehung zwischen Arnold Schönberg und Alma Mahler: gemeinsames Studium, Interesse an der Musik der Gegenwart, gesellschaftlicher Kontakt, Mäzenatentum – und schließlich eine tiefe Freundschaft, die im Exil bis zum Tod von Arnold Schönberg 1951 dauert. Dazwischen liegen zwei Weltkriege, der Tod von geliebten Menschen auf beiden Seiten, persönliche Triumphe und Katastrophen. Die 139 Briefe von Arnold Schönberg und die 132 Briefe von Alma Mahler, die diese Beziehung dokumentieren, sind biographische Momentaufnahmen und Zeugnisse psychischer Verfassung. Sie zeigen einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit, der in den bisher erschienenen Biographien beider Persönlichkeiten gerne vernachlässigt wurde.
Über den Charakter und das Verhalten von Alma
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Mahler gibt es viele Behauptungen, Spekulationen und Theorien. Im Mittelpunkt des Interesses liegen zumeist ihre Beziehungen zu einigen der berühmtesten Männer des 20. Jahrhunderts: Alexander von Zemlinsky, Gustav Mahler, Walter Gropius, Oskar Kokoschka und Franz Werfel. Fast unbeachtet hingegen ist ihre rege Tätigkeit als Mäzenin, die sich mit großer Mühe junger, begabter Künstler annimmt – ein Aspekt, der in der Beziehung zu Schönberg eine ausschlaggebende Rolle spielt. Schon Friedrich Torberg meint in einem Nachruf auf Alma Mahler-Werfel: »Erfolg betörte sie, aber Erfolglosigkeit beirrte sie nicht. Ihre Einsatzfreude, ihre Hingabe, ihre Aufopferungsfähigkeit kannte keine Grenze.« Wer ist diese »Femme fatale« der Jahrhundertwende und des beginnenden 20. Jahrhunderts?
Alma Margaretha Maria Schindler ist ein Sonntagskind, geboren am 31. August 1879 als Tochter der Operettensängerin Anna von Bergen und des Malers Emil Jakob Schindler. Der geliebte Vater stirbt, als Alma 13 Jahre alt ist, den Stiefvater Carl Moll akzeptiert sie nicht. Oft bedauert sie, ein Mädchen zu sein. »Man kann über seine eigenen Grenzen nicht hinaus.« Mit 23 Jahren heiratet sie den um 20 Jahre älteren Hofoperndirektor Gustav Mahler und verzichtet auf seinen Wunsch hin auf ihre eigene Kompositionstätigkeit. Vieles wird Alma Mahler, später Alma Gropius, später Alma Mahler-Werfel im Laufe ihres Lebens tun, was Neid, Unverständnis oder sogar Verachtung hervorruft; zu ungewöhnlich sind für die Zeit ihre Selbstständigkeit und ihre Missachtung von Konventionen.
Der Biograph Oliver Hilmes kommt zu dem Schluss, dass es sich bei Alma Mahler um eine Hysterikerin im Sinne von Sigmund Freud und Josef Breuer handelt, mit den Stichworten Selbstwertkonflikt, Herrschsucht, Eifersucht, theatralische Auftritte, infantiles Bedürfnis nach Anerkennung, und er führt die Störung auf die enge Vaterbindung zurück.2 Die Tatsache, dass Alma Mahler die größte Katastrophe einer Mutter erleiden muss, den Tod von drei ihrer vier Kinder, findet jedoch selten Erwähnung im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Entwicklung.
Immer wieder ist in der Literatur auch von ihrem Antisemitismus die Rede und von ihrer Lust auf Intrigen. Nuria Schoenberg Nono, die Tochter von Arnold Schönberg, die mit Alma Mahler bis 1954 in regem, freundschaftlichem Kontakt stand, berichtet auf meine Frage, ob Schönberg Schwierigkeiten mit Almas Antisemitismus hatte, von einem gänzlich anderen Eindruck3: »Ich weiß gar nicht, ob er von ihrem Antisemitismus wusste, denn ich habe bis jetzt, wo das herausgekommen ist, auch nichts davon gewusst. Man hat damals solche Sachen leichter gesagt, das war damals so. Das hat etwas anderes bedeutet. Natürlich kann man das heute nicht mehr sagen. Das ist schwer für uns zu verstehen nach der Nazizeit.« Und Alma Zsolnay, die Enkelin von Alma Mahler, sagte, dass vieles auch ironisch gemeint gewesen sei. Immerhin waren zwei ihrer drei Ehemänner Juden, und mit Franz Werfel ging sie auf eine lebensgefährliche Flucht und ins Exil. 28 Jahre verbrachte das Paar zusammen. Als Alma Mahler den Komponisten Arnold Schönberg warnt, eine Einladung von Wassily Kandinsky als Professor an das Weimarer Bauhaus anzunehmen, weil es dort antisemitische Tendenzen gäbe, wird ihr das als Intrige ausgelegt. Aber fraglos kann das auch anders gesehen werden. Nuria Schoenberg Nono: «Alle sagen, die intrigante Alma hat diese zwei großen Männer auseinandergebracht. Aber es ist gar nicht wahr. Kandinsky hat sie auseinandergebracht. Denn man weiß, dass nicht nur Kandinsky, sondern auch andere damals im Bauhaus antisemitisch waren. Das war eben so ein Nest. Wenn ich Sie vor etwas warne, bin ich dann eine Intrigantin oder eine treue Freundin? […] Aber die Leute wollen, dass Alma schlecht ist.«
Der vorliegende Briefwechsel zeigt eine emotionelle, an allem Neuen interessierte, sprunghafte, oft kranke und sich einsam fühlende Frau, die für ihren persönlichen Einsatz Dankbarkeit erwartet. Nicht immer fühlt sie sich von Schönberg genügend beachtet, geliebt und respektiert. Denn dieser ist zwar ein grenzenloser Verehrer ihrer Person, aber streitbar und oft verbittert wegen seiner andauernd schlechten finanziellen Situation. Er weiß um seinen Wert als Künstler und sieht es als gerecht und selbstverständlich an, dass er unterstützt wird. Dieser Konflikt begleitet vor allem die ersten Jahre des Briefwechsels, in denen das wichtigste Thema neben der Kunst das ständig fehlende Geld ist.
Die psychologische Erklärung für die Haltung Schönbergs sieht die Tochter in der frühen Jugend des Komponisten: »Weil sein Vater früh gestorben war und er mit 17 schon angefangen hat, sich und die Familie durchzubringen, konnte er nicht auf die Universität oder die Akademie gehen. Er hat fast sein ganzes Leben lang zeigen wollen, dass er nicht weniger ist als die anderen, die studiert haben. Und er hat dieses große Gerechtigkeitsempfinden gehabt und sich deshalb immer über alles aufgeregt. Viele sagen, er hat sich mit so vielen verkracht und dann wieder versöhnt. Aber er hat auch für sich selbst eine so hohe Ethik gehabt und einen so hohen Maßstab angesetzt. Und wenn jemand etwas getan hat, von dem ihm schien, dass es nicht ganz gerecht war, dann war das sofort eine Katastrophe.«
Große Emotionalität findet sich auf beiden Seiten. Bis zu einem Jahr wird der Briefwechsel wegen eines Missverständnisses unterbrochen. Je größer die Erregung von Alma Mahler, desto größer wird ihre ohnehin schon äußerst plakative Schrift, desto länger werden die Gedankenstriche, desto häufiger die Rufzeichen. Viele haben sich über die Dialogunfähigkeit Almas beschwert, von Gustav Mahler bis zu einem Freund im hohen Alter, Friedrich Torberg. Auch in diesem Briefwechsel fehlen manchmal Antworten, aber oft gibt es auch erstaunliche Reaktionen – so zum Beispiel auf den Deutschnationalismus Schönbergs im Ersten Weltkrieg.
Biographisches über beide Persönlichkeiten wird in diesem Buch nur erzählt, wenn es für das Verständnis der Briefe notwendig ist. Das Leben von Arnold Schönberg ist durch mehrere Biographien und vor allem durch die Arbeit des Arnold Schönberg Centers in Wien sehr gut dokumentiert und aufgearbeitet. Im Fall von Alma Mahler dienen hier vor allem die Tagebuchaufzeichnungen zur Ergänzung der Fakten. Nur wenige dieser Aufzeichnungen sind allerdings im ursprünglichen Original im Druck erschienen. Vielfach hat Alma Mahler ihre Tagebücher selbst überarbeitet, zensiert, allzu Persönliches, Drastisches und persönlich Beleidigendes weggestrichen. Wahrheit und Erfindung liegen eng zusammen, vieles hat sie sicher verdrängt, sich falsch erinnert oder nicht mehr wahrhaben wollen. Die meisten Zitate in diesem Buch stammen aus der Fassung von 1960 mit dem Titel »Mein Leben«, einiges aus den 1950er Jahren, einer Fassung, die unter dem Titel »And the Bridge is Love« erschienen ist.
In den Ausschnitten aus dem Leben beider Persönlichkeiten, die in den Briefen dokumentiert sind, spielen wesentliche Größen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Rolle: Von Richard Strauss bis Maurice Ravel, von Thomas Mann bis Wassily Kandinsky. Begegnungen mit Dirigenten, Musikern, Autoren, Komponisten undMalern finden ihren Niederschlag im vorliegenden Briefverkehr. So entsteht das spannende Bild einer Zeit, die in der Kunst ebenso wie in der Politik entscheidende Brüche und Weichenstellungen gebracht hat.
Als Alma Mahler-Werfel mit Franz Werfel Österreich verlässt und ins Exil flüchtet, sichert ihre Vertraute, Ida Gebauer, die mit Unterbrechungen bis an Almas Lebensende in ihren Diensten stehen sollte, unter anderem alle Schriftstücke aus dem Wiener Haus. Über Umwege gelangen diese nach Kriegsende an Alma Mahler-Werfel zurück. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Briefe nicht mehr vorhanden sind. Oft wird ein Dank für ein Schreiben ausgesprochen, das nicht mehr auffindbar ist, oder wichtige Ereignisse finden keine Erwähnung. Ob diese Briefe absichtlich von Alma Mahler-Werfel entfernt wurden, weil sie zu Persönliches enthielten (eine Möglichkeit, die Nuria Schoenberg Nono nicht ausschließt), ob sie verloren gingen oder verkauft wurden, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Da die erste in diesem Briefwechsel abgedruckte Korrespondenzkarte in einem Versteigerungskatalog auftauchte, ist die Möglichkeit weiterer Verkäufe nicht auszuschließen. Alma Mahler-Werfel lebte in der Nachkriegszeit von geringen Tantiemen und hat wahrscheinlich für ihren Lebensunterhalt nicht nur Noten, sondern auch einzelne Briefe und Zeitdokumente verkauft.
Selbst als alte Frau muss Alma Mahler-Werfel noch eine starke Ausstrahlung gehabt haben. Ihre Enkelin Marina, die Tochter von Anna Mahler und dem russischen Dirigenten Anatole Grigorjewitsch Fistoulari, erzählt: »Ich habe sie selten gesehen, aber es war jedes Mal ein starker Eindruck. Wegen der Transparenz ihrer Haut und ihrer blauen Augen. Und sie hat etwas sehr Vulnerables gehabt, das mich faszinierte […] Sie hat sich selbst inszeniert, aber die Leute haben sie auch inszeniert.«6 Und Nuria Schoenberg Nono erinnert sich: »Sie war schön. Ihre wunderbaren Augen, ihr Dekolleté mit der wunderschönen Haut … Sie hatte eine so starke Präsenz – sogar für mich als Mädel. Und sie hatte so eine Haltung. Wir haben sie sehr gerne gehabt.Damals gab es mehrere Frauen, die Liebhaber hatten. Die Leute waren zum Teil viel emanzipierter als heute. Die negativen Urteile über die Alma kamen alle später. Früher hat man sich über anderes aufgeregt – was sie gesagt hat und so weiter, aber über die vielen Männer hat man sich erst später aufgeregt. Wenn Sie die Tagebücher lesen und alles unterstreichen, was die Leute interessant finden, und dann den Rest lesen – das ist die Alma, die ich gekannt habe.«
Und dieser Alma gilt es in den nachfolgenden 271 Briefen, Telegrammen, Post- und Korrespondenzkarten nachzuspüren. Und Arnold Schoenberg.
Wien, im Juli 2012
© 2012 Residenz Verlag
im Niederösterreichischen Pressehaus
Druck- und Verlagsgesellschaft mbH
St. Pölten – Salzburg – Wien
Alma Margaretha Maria Schindler ist ein Sonntagskind, geboren am 31. August 1879 als Tochter der Operettensängerin Anna von Bergen und des Malers Emil Jakob Schindler. Der geliebte Vater stirbt, als Alma 13 Jahre alt ist, den Stiefvater Carl Moll akzeptiert sie nicht. Oft bedauert sie, ein Mädchen zu sein. »Man kann über seine eigenen Grenzen nicht hinaus.« Mit 23 Jahren heiratet sie den um 20 Jahre älteren Hofoperndirektor Gustav Mahler und verzichtet auf seinen Wunsch hin auf ihre eigene Kompositionstätigkeit. Vieles wird Alma Mahler, später Alma Gropius, später Alma Mahler-Werfel im Laufe ihres Lebens tun, was Neid, Unverständnis oder sogar Verachtung hervorruft; zu ungewöhnlich sind für die Zeit ihre Selbstständigkeit und ihre Missachtung von Konventionen.
Der Biograph Oliver Hilmes kommt zu dem Schluss, dass es sich bei Alma Mahler um eine Hysterikerin im Sinne von Sigmund Freud und Josef Breuer handelt, mit den Stichworten Selbstwertkonflikt, Herrschsucht, Eifersucht, theatralische Auftritte, infantiles Bedürfnis nach Anerkennung, und er führt die Störung auf die enge Vaterbindung zurück.2 Die Tatsache, dass Alma Mahler die größte Katastrophe einer Mutter erleiden muss, den Tod von drei ihrer vier Kinder, findet jedoch selten Erwähnung im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Entwicklung.
Immer wieder ist in der Literatur auch von ihrem Antisemitismus die Rede und von ihrer Lust auf Intrigen. Nuria Schoenberg Nono, die Tochter von Arnold Schönberg, die mit Alma Mahler bis 1954 in regem, freundschaftlichem Kontakt stand, berichtet auf meine Frage, ob Schönberg Schwierigkeiten mit Almas Antisemitismus hatte, von einem gänzlich anderen Eindruck3: »Ich weiß gar nicht, ob er von ihrem Antisemitismus wusste, denn ich habe bis jetzt, wo das herausgekommen ist, auch nichts davon gewusst. Man hat damals solche Sachen leichter gesagt, das war damals so. Das hat etwas anderes bedeutet. Natürlich kann man das heute nicht mehr sagen. Das ist schwer für uns zu verstehen nach der Nazizeit.« Und Alma Zsolnay, die Enkelin von Alma Mahler, sagte, dass vieles auch ironisch gemeint gewesen sei. Immerhin waren zwei ihrer drei Ehemänner Juden, und mit Franz Werfel ging sie auf eine lebensgefährliche Flucht und ins Exil. 28 Jahre verbrachte das Paar zusammen. Als Alma Mahler den Komponisten Arnold Schönberg warnt, eine Einladung von Wassily Kandinsky als Professor an das Weimarer Bauhaus anzunehmen, weil es dort antisemitische Tendenzen gäbe, wird ihr das als Intrige ausgelegt. Aber fraglos kann das auch anders gesehen werden. Nuria Schoenberg Nono: «Alle sagen, die intrigante Alma hat diese zwei großen Männer auseinandergebracht. Aber es ist gar nicht wahr. Kandinsky hat sie auseinandergebracht. Denn man weiß, dass nicht nur Kandinsky, sondern auch andere damals im Bauhaus antisemitisch waren. Das war eben so ein Nest. Wenn ich Sie vor etwas warne, bin ich dann eine Intrigantin oder eine treue Freundin? […] Aber die Leute wollen, dass Alma schlecht ist.«
Der vorliegende Briefwechsel zeigt eine emotionelle, an allem Neuen interessierte, sprunghafte, oft kranke und sich einsam fühlende Frau, die für ihren persönlichen Einsatz Dankbarkeit erwartet. Nicht immer fühlt sie sich von Schönberg genügend beachtet, geliebt und respektiert. Denn dieser ist zwar ein grenzenloser Verehrer ihrer Person, aber streitbar und oft verbittert wegen seiner andauernd schlechten finanziellen Situation. Er weiß um seinen Wert als Künstler und sieht es als gerecht und selbstverständlich an, dass er unterstützt wird. Dieser Konflikt begleitet vor allem die ersten Jahre des Briefwechsels, in denen das wichtigste Thema neben der Kunst das ständig fehlende Geld ist.
Die psychologische Erklärung für die Haltung Schönbergs sieht die Tochter in der frühen Jugend des Komponisten: »Weil sein Vater früh gestorben war und er mit 17 schon angefangen hat, sich und die Familie durchzubringen, konnte er nicht auf die Universität oder die Akademie gehen. Er hat fast sein ganzes Leben lang zeigen wollen, dass er nicht weniger ist als die anderen, die studiert haben. Und er hat dieses große Gerechtigkeitsempfinden gehabt und sich deshalb immer über alles aufgeregt. Viele sagen, er hat sich mit so vielen verkracht und dann wieder versöhnt. Aber er hat auch für sich selbst eine so hohe Ethik gehabt und einen so hohen Maßstab angesetzt. Und wenn jemand etwas getan hat, von dem ihm schien, dass es nicht ganz gerecht war, dann war das sofort eine Katastrophe.«
Große Emotionalität findet sich auf beiden Seiten. Bis zu einem Jahr wird der Briefwechsel wegen eines Missverständnisses unterbrochen. Je größer die Erregung von Alma Mahler, desto größer wird ihre ohnehin schon äußerst plakative Schrift, desto länger werden die Gedankenstriche, desto häufiger die Rufzeichen. Viele haben sich über die Dialogunfähigkeit Almas beschwert, von Gustav Mahler bis zu einem Freund im hohen Alter, Friedrich Torberg. Auch in diesem Briefwechsel fehlen manchmal Antworten, aber oft gibt es auch erstaunliche Reaktionen – so zum Beispiel auf den Deutschnationalismus Schönbergs im Ersten Weltkrieg.
Biographisches über beide Persönlichkeiten wird in diesem Buch nur erzählt, wenn es für das Verständnis der Briefe notwendig ist. Das Leben von Arnold Schönberg ist durch mehrere Biographien und vor allem durch die Arbeit des Arnold Schönberg Centers in Wien sehr gut dokumentiert und aufgearbeitet. Im Fall von Alma Mahler dienen hier vor allem die Tagebuchaufzeichnungen zur Ergänzung der Fakten. Nur wenige dieser Aufzeichnungen sind allerdings im ursprünglichen Original im Druck erschienen. Vielfach hat Alma Mahler ihre Tagebücher selbst überarbeitet, zensiert, allzu Persönliches, Drastisches und persönlich Beleidigendes weggestrichen. Wahrheit und Erfindung liegen eng zusammen, vieles hat sie sicher verdrängt, sich falsch erinnert oder nicht mehr wahrhaben wollen. Die meisten Zitate in diesem Buch stammen aus der Fassung von 1960 mit dem Titel »Mein Leben«, einiges aus den 1950er Jahren, einer Fassung, die unter dem Titel »And the Bridge is Love« erschienen ist.
In den Ausschnitten aus dem Leben beider Persönlichkeiten, die in den Briefen dokumentiert sind, spielen wesentliche Größen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Rolle: Von Richard Strauss bis Maurice Ravel, von Thomas Mann bis Wassily Kandinsky. Begegnungen mit Dirigenten, Musikern, Autoren, Komponisten undMalern finden ihren Niederschlag im vorliegenden Briefverkehr. So entsteht das spannende Bild einer Zeit, die in der Kunst ebenso wie in der Politik entscheidende Brüche und Weichenstellungen gebracht hat.
Als Alma Mahler-Werfel mit Franz Werfel Österreich verlässt und ins Exil flüchtet, sichert ihre Vertraute, Ida Gebauer, die mit Unterbrechungen bis an Almas Lebensende in ihren Diensten stehen sollte, unter anderem alle Schriftstücke aus dem Wiener Haus. Über Umwege gelangen diese nach Kriegsende an Alma Mahler-Werfel zurück. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Briefe nicht mehr vorhanden sind. Oft wird ein Dank für ein Schreiben ausgesprochen, das nicht mehr auffindbar ist, oder wichtige Ereignisse finden keine Erwähnung. Ob diese Briefe absichtlich von Alma Mahler-Werfel entfernt wurden, weil sie zu Persönliches enthielten (eine Möglichkeit, die Nuria Schoenberg Nono nicht ausschließt), ob sie verloren gingen oder verkauft wurden, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Da die erste in diesem Briefwechsel abgedruckte Korrespondenzkarte in einem Versteigerungskatalog auftauchte, ist die Möglichkeit weiterer Verkäufe nicht auszuschließen. Alma Mahler-Werfel lebte in der Nachkriegszeit von geringen Tantiemen und hat wahrscheinlich für ihren Lebensunterhalt nicht nur Noten, sondern auch einzelne Briefe und Zeitdokumente verkauft.
Selbst als alte Frau muss Alma Mahler-Werfel noch eine starke Ausstrahlung gehabt haben. Ihre Enkelin Marina, die Tochter von Anna Mahler und dem russischen Dirigenten Anatole Grigorjewitsch Fistoulari, erzählt: »Ich habe sie selten gesehen, aber es war jedes Mal ein starker Eindruck. Wegen der Transparenz ihrer Haut und ihrer blauen Augen. Und sie hat etwas sehr Vulnerables gehabt, das mich faszinierte […] Sie hat sich selbst inszeniert, aber die Leute haben sie auch inszeniert.«6 Und Nuria Schoenberg Nono erinnert sich: »Sie war schön. Ihre wunderbaren Augen, ihr Dekolleté mit der wunderschönen Haut … Sie hatte eine so starke Präsenz – sogar für mich als Mädel. Und sie hatte so eine Haltung. Wir haben sie sehr gerne gehabt.Damals gab es mehrere Frauen, die Liebhaber hatten. Die Leute waren zum Teil viel emanzipierter als heute. Die negativen Urteile über die Alma kamen alle später. Früher hat man sich über anderes aufgeregt – was sie gesagt hat und so weiter, aber über die vielen Männer hat man sich erst später aufgeregt. Wenn Sie die Tagebücher lesen und alles unterstreichen, was die Leute interessant finden, und dann den Rest lesen – das ist die Alma, die ich gekannt habe.«
Und dieser Alma gilt es in den nachfolgenden 271 Briefen, Telegrammen, Post- und Korrespondenzkarten nachzuspüren. Und Arnold Schoenberg.
Wien, im Juli 2012
© 2012 Residenz Verlag
im Niederösterreichischen Pressehaus
Druck- und Verlagsgesellschaft mbH
St. Pölten – Salzburg – Wien
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Inhaltsverzeichnis zu „"Ich möchte so lange leben, als ich Ihnen dankbar sein kann." “
Zu diesem BuchDie Vorgeschichte
Europa. Die Briefe 1910–1931
Im Exil. Die Briefe 1934–1951
Anhang
Autoren-Porträt von Alma Mahler-Werfel, Arnold Schönberg
Haide Tenner studierte Musikwissenschaften, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte in Wien. Seit 1972 war sie beim ORF in Rundfunk und Fernsehen tätig, u.a. als Leiterin der TV-Kultur, Leiterin des Ressorts Musik in Ö1, Koordinatorin der klassischen Musik in allen Bereichen des ORF sowie ab 2003 als Leiterin des Radio Symphonieorchesters Wien. Seit 2008 ist sie als Kulturmanagerin und -journalistin tätig, seit 2011 leitet sie u.a. die Künstlergesprächeim Burgtheater.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Alma Mahler-Werfel , Arnold Schönberg
- 2012, 301 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben von Tenner, Haide
- Herausgegeben: Haide Tenner
- Verlag: Residenz
- ISBN-10: 3701732655
- ISBN-13: 9783701732654
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