Ich, Safiya
Safiyas Geschichte ist exemplarisch für die Rolle der islamischen Frau in Afrika - zwischen Tradition und Moderne - die fest zur ihrer Heimat und ihrem Glauben steht. Safiya schafft Verständigung, weil sie beschreibt, aber nicht verurteilt. Ihre Haltung...
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Safiyas Geschichte ist exemplarisch für die Rolle der islamischen Frau in Afrika - zwischen Tradition und Moderne - die fest zur ihrer Heimat und ihrem Glauben steht. Safiya schafft Verständigung, weil sie beschreibt, aber nicht verurteilt. Ihre Haltung ruft uneingeschränkte Bewunderung hervor.
Geboren in Tungar Tudu, einem Dorf in Nigeria, erlebt Safiya eine geborgene Kindheit, die sie liebevoll, aber unnachgiebig auf ihre Rolle als Frau in der islamischen Dorfgemeinschaft vorbereitet.
Nach drei glücklosen Ehen gelingt es einem Mann, noch einmal Safiyas Vertrauen zu erringen. Safiya wird schwanger - doch ihr Geliebter ist verheiratet.
Kurz darauf steht die Polizei vor ihrer Tür: Ihr eigener Bruder hat sie wegen Ehebruchs angezeigt. Darauf steht für Frauen die Todesstrafe - der Mann wird nicht belangt.
Safiya wird von der Scharia zum Tod durch Steinigung verurteilt.
Doch eine weltweite Protestkampagne rettet sie im letzten Moment vor der Vollstreckung.
Ich, Safiyavon Safiya Hussaini Tungar Tudu mit Raffaele Masto
LESEPROBE
PROLOG
Auf der Flucht
Der Busch. Und die flirrende Hitzeso weit das Auge
reicht. Der rötliche Ockerton des Gestrüpps, der Akazien
und Affenbrotbäume am Horizont. Hierbin ich geboren.
Unzählige Male bin ich barfuß hier umhergestreift, aber
an jenem Morgen kannte ich mich kaumaus. Ich hatte das
Gefühl, die Umgebung sei fremd,feindselig wie alles, das mir
einmal vertraut gewesen war. DieWelt, in der ich mich sicher
gefühlt hatte, die Menschen, die ichals meine Freunde angesehen
hatte. Jene Welt und jene Menschenhatten für mich
das schlimmste Schicksal vorgesehen.Ein schreckliches
Ende. Und in den letzten beidenTagen hatte ich versucht, ihm
zu entkommen.
Mein Schicksal Ich musste unablässigdaran denken.
Wie ein böser Schatten belauerte esmich, setzte sich in
meinen Gedanken fest, bereithervorzuspringen und mich
zu erschrecken, wenn mein Blick aufeinen Stein fiel, einen
der zahlreichen Steine auf demstaubigen Boden. Sie wollten
mich mit Steinen töten. MeinSchicksal war es, zu Tode gesteinigt
zu werden. Ich sah mich schon bis zuden Schultern
eingegraben, den Kopf mit Sackleinenbedeckt, und dann
spürte ich, wie die Steine aufmeinen Kopf niederprasselten,
mich trafen, bis ich den letztenAtemzug tat. Ich spürte den
Schmerz, spürte, wie mir das Blutübers Gesicht rann, und
fragte mich, wie lange die Qual wohldauern würde, bis der
Tod mich erlöste.
In gewissem Sinn bin ich bereitstot, dachte ich bei mir, während
ich mich durch die schwüle Hitzevorwärts kämpfte. Ich
hatte durch meine Flucht nicht nurmein Dorf, Tungar Tudu,
hinter mir gelassen, sondern auchmeine Wurzeln. Alles lag
hinter mir, und vor mir waren nurDunkelheit, Angst und Tod.
Und meine einzige Gewissheit, das Einzige,was mich am Leben
hielt, war Adama,mein Kind. Sie war bei mir, ich spürte
ihren warmen, weichen Körper aufmeinem Rücken. Adama,
die, ohne es zu wissen, die Ursachemeiner Tragödie war.
Ich hatte Angst noch nie in meinemganzen Leben hatte
ich solche Angst gehabt. Ich hatteAngst wie ein Tier, das in
der Falle sitzt, solche Angst, dassich ziellos durch den Busch
irrte. Meine Beine trugen mich kaumnoch. Wie lange würde
ich noch durchhalten? Und wie langewürde Adama es überleben,
sie war noch so zerbrechlich undklein. Die wenigen
Nahrungsmittel, die ich eiligzusammengerafft hatte, als ich
geflohen war, waren längstverbraucht. Ich hatte weder Dörrfleisch
noch Mehl oder Milch. Das bisschenWasser, was
noch übrig war, wollte ich aufheben,falls Adama aufwachte.
Jetzt stand die Sonne hoch amHimmel. Mein Kind und
ich, wir würden sterben, wenn ichweiterginge. Ich musste
einen Unterschlupf finden undwarten, bis die Sonne unterging.
Nicht weit von mir entfernt standein Baum. Ich wankte
darauf zu, aber gerade als ich meineMatte darunter ausbreiten
wollte, sah ich in der Ferne einenHirten mit seiner Kamelherde
Wenn ich zu ihm gelangen könnte,könnte ich
ihn um Essen und Wasser bitten! Ichnahm all meine Kraft zusammen,
um zu rufen und seine Aufmerksamkeitauf mich zu
lenken, aber etwas hielt michzurück. Nein! Ruf ihn nicht!
Versteck dich! Alle im Dorf wissendoch mittlerweile von dei-
ner Strafe, und wer dich sieht, mussdich bei der Polizei anzeigen.
Verzweifelt lehnte ich mich an denBaumstamm. Mit meinen
Blicken verfolgte ich den Hirten undseine Herde, bis sie
im gelblichen Dunst verschwundenwaren. Und dann brach
ich, zum ersten Mal, seit ich meinDorf verlassen hatte, in
Tränen aus, weil mir mit einemSchlag bewusst geworden
war, wie unendlich einsam ich war.Kein Mensch konnte mir
helfen. Was würde aus meinem Kindund mir werden? Ich
blickte auf Adama,die schlafend neben mir auf der Matte
lag. Ich jedoch blieb wach undwartete darauf, dass die Sonne
unterging. Diese Tageszeit hatte ichimmer besonders geliebt.
Sonst unterbrach ich dann immermeine Arbeit und ließ meinen
Träumen und meiner Fantasie freienLauf, während ich
beobachtete, wie sich die Farben verändertenund die Schatten
seltsame Figuren auf den Bodenwarfen.
Aber als an jenem Tag die Sonneendlich hinter dem Horizont
verschwand, freute ich michüberhaupt nicht darüber.
Es war mir egal, dass die Luftkühler wurde; und als ich mir
Adama erneut auf die Schultern hievte,war ich völlig erschöpft.
Der Hirte war bestimmt mit seinenKamelen auf dem
Weg zu einem Brunnen, und ich würdedie gleiche Richtung
einschlagen. Wenn ich überlebenwollte, war Wasser wichtiger
als Essen.
Ich ging los. Meine Kehle warausgedörrt, mein Mund trocken.
Um mich herum lag alles im Dunst,aber ich wusste
nicht genau, ob wegen der Hitze odermeiner Schwäche. Ich
schleppte mich vorwärts, und jederSchritt fiel mir unsäglich
schwer.
Adama begann zu wimmern. Sie hatte vorzwei Tagen das
letzte Mal feste Nahrung bekommen,das arme Kind. Ihr ging
es bestimmt noch viel schlechter alsmir. Ich blieb stehen, um
ihr die letzten Tropfen Wasser zugeben. Durstig trank sie,
und ich fragte mich voller Angst,was wohl geschehen würde,
wenn ich nicht bald den Brunnenfände. Mittlerweile sah ich
alles nur noch verschwommen; ichschwankte und stolperte
über meine eigenen Füße. Ich liefund lief, aber schließlich
wurde es finster, und ich mussteeinsehen, dass es keinen Sinn
hatte, in der Dunkelheitweiterzugehen. Den Brunnen hatte
ich noch nicht gefunden, vielleichtwar ich ja in die falsche
Richtung gegangen. Vielleicht wollteGott, dass ich gesteinigt
wurde, weil ich ein ernstes Unrechtbegangen hatte, das ich
in meiner Verwirrung nur nichtverstehen konnte.
Verzweifelt breitete ich meine Matteunter einen Baum aus.
Ich legte Adamadarauf und ließ mich dann neben sie sinken,
den Rücken an den Stamm gelehnt. DasKind wachte auf,
genau wie ich es befürchtet hatte.Mir tat das Herz weh bei
ihrem verzweifelten Schreien. Es warschrecklich, sie so hungrig
und durstig zu sehen und ihr nichtsaußer meiner Liebe geben
zu können. Ich nahm sie in die Arme,streichelte sie und
flüsterte ihr beruhigende Worte zu,und innerhalb weniger
Minuten war sie wiedereingeschlafen.
Dort, unter dem Baum in derDunkelheit überfiel mich
wieder der Gedanke an meinSchicksal. Die Steine, die
Schmerzen, das Blut. Mein Blut Tod Langsam glitt ich
in den Schlaf hinüber, der vonAlbträumen gequält wurde.
Als ich erwachte, ging bereits dieSonne auf. Der dritte Sonnenaufgang,
seit ich geflohen war. Adama schlief noch, aber
sie konnte jeden Moment wach werden.Und dann würde sie
wieder vor Hunger und Durst anfangenzu schreien, und ich
konnte ihr nicht helfen. Wach nichtauf, mein Kind, schlaf
weiter, dachte ich. Es ist besserso, dann fühlst du weder Hunger
noch Durst oder Schmerzen
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: ThedaKrohm-Linke
- Autor: Safiya Hussaini
- 2006, Maße: 11,6 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 344236485X
- ISBN-13: 9783442364855
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