Im Herzen des Tals
In diesem wundervollen Roman spielt ein kleiner Vogel die Hauptrolle: eine Heckenbraunelle. Es ist die dramatische Geschichte vom Kampf ums Überleben, vom täglichen Drama der Tiere, sich gegen Wetter, Frost, Hunger, Unfälle, gegen die Unvernunft des...
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In diesem wundervollen Roman spielt ein kleiner Vogel die Hauptrolle: eine Heckenbraunelle. Es ist die dramatische Geschichte vom Kampf ums Überleben, vom täglichen Drama der Tiere, sich gegen Wetter, Frost, Hunger, Unfälle, gegen die Unvernunft des Menschen zu behaupten. Der Vogel baut ein Nest, zieht Junge auf, darunter einen Kuckuck, dessen Aufzucht ihn völlig erschöpft.
Im Herzen des Tals vonNigel Hinton
LESEPROBE
Die Heckenbraunelle, eine in ganz Europa und Asien verbreitetenahe Verwandte der Finken und Sperlinge, ist eine der in England am häufigstenvorkommenden Singvogelarten. Sie ist scheu und unscheinbar, und beioberflächlicher Betrachtung könnte man sie, wenn man sie mit anderen, bunterenoder musikalischeren Vögeln vergleicht, für langweilig und uninteressanthalten.
Kapitel 1 Der Winter kommt ins Tal - Die Braunelle aufFuttersuche - Das Zusammentreffen mit dem Fuchs - Überleben und Tod
Das bitterkalte Wetter setzte in der dritten Januarwoche ein.Bis dahin war der erste Winter der Heckenbraunelle relativ angenehm verlaufen.Der lange, goldene Herbst hatte beinahe bis Ende November gedauert. Einigescharfe Nachtfröste hatten wohl die Insekten etwas dezimiert, aber während derstrahlenden Sonnentage hatte sie reichlich Samen gefunden. Es folgte einungewöhnlich milder und nicht allzu feuchter Dezember, der einige Insektenwieder hervorlockte, und sie konnte sich sattfressen. Zu Jahresbeginn war sierund und kräftig. Dann hatte Ostwind eingesetzt, und die Temperatur war unterden Nullpunkt gesunken.
Während der ersten drei Tage hatte sie fast die ganze Zeit im dichten Gestrüppihres Schlehdornbusches gehockt, um ihre Kräfte zu schonen. Am vierten Tag,kurz vor Morgengrauen, ließ der heulende, böige Wind nach, und es begann zuschneien. Quälender Hunger und plötzlich erwachte böse Vorahnungen trieben sieauf Futtersuche hinaus.
Im grauen Morgenlicht färbten die dichten Flocken bald alles weiß undveränderten die Formen der Dinge. Sie strich am Rand des Birkenwaldes entlangund suchte nach Samen, bevor sie unter der Schneedecke verschwanden. Der Schneeerfüllte sie mit Entsetzen. Die ständige, verschwommene Bewegung verwirrte sie,so daß sie oft grundlos zurückschreckte und in ein Versteck floh. Einmal warihr Gesichtskreis jedoch so eingeengt, daß sie sich noch auf dem Boden befand,als neben ihr plötzlich eine große Gestalt aus dem Flockenspiel hervorschoß. Eswar nur ein Kaninchen, das einen kurzen Ausflug aus seinem Bau unternahm, dochdieses Erlebnis machte sie noch ängstlicher, und sie saß oft lange im Gebüschversteckt und spähte mißtrauisch in das wirbelnde Weiß hinaus. Sie sehnte sichdanach, in die Sicherheit ihres Schlafplatzes zurückzukehren, aber zuerst mußtesie ihren Hunger stillen.
Wieder flog sie in die gefahrvolle offene Landschaft hinaus und flatterte eiligden Hang zu einem kleinen Bach hinunter. Gewöhnlich bescherte ihr die weicheErde an seinen Ufern Regenwürmer, und oft fand sie dort auch Samen, die derBach weiter oben in seinem Lauf mitgerissen hatte. Heute jedoch waren dieWürmer in dem zerklüfteten, hartgefrorenen Boden eingeschlossen, und daß derBach noch floß, war nur an den perlenden Luftblasen unterhalb derzentimeterdicken Eisschicht zu erkennen. Sie huschte den Bach entlang von Buschzu Busch, bis ein scharfes, warnendes tick-tick-tick sie innehalten ließ. EinRotkehlchen schoß aus dem Farndickicht und plusterte sein rotes Brustgefiederauf. Es hob den Kopf, stieß noch einmal seinen Warnruf aus und hüpfte dann überden Schnee angriffslustig auf sie zu. Sie senkte unterwürfig den Kopf und flohhangaufwärts aus seinem Revier.
Die vom Wind abgewandte Seite einer Birke bot etwas Schutz vor dem wirbelndenWeiß, und als sie dort landete, hämmerte ihr Herz vor Verstörung und Angst.Unruhig zuckte ihr Kopf hin und her, während sie versuchte, die entsetzlicheVeränderung zu begreifen, die über ihre Welt hereingebrochen war. Nichts war sowie vorher - die Luft war von herabfallenden Gestalten erfüllt, die sie zwarnicht unmittelbar bedrohten, wie sie nach und nach erkannte, die aber dieAußenwelt noch gefährlicher machten. Irgendwo dort draußen lauerten ihre Feindeund strichen herum, ihren Blicken verborgen, bis es vielleicht zu spät war.
Der Schnee hatte sich so schnell angehäuft, daß er zu beiden Seiten deskleinen, freien Flecks, auf dem sie saß, beinahe die Höhe ihrer Augenerreichte. Jetzt war es nicht mehr möglich, darunter Futter zu finden, und dernagende Hunger wurde schlimmer. Sie pickte auf dem kleinen freien Fleck ringsum sie probeweise einige Dinge mit dem Schnabel auf und ließ sie wieder fallen.
Ein Eichhörnchen rannte über einen der unteren Äste der Birke und sprang aufden nächsten Baum. Die Braunelle nahm die Bewegung aus den Augenwinkeln wahr,drückte sich auf den Boden und erstarrte. Sobald das Eichhörnchen abgesprungenwar, schnellte der Ast wieder in die Höhe und überschüttete die Braunelle miteinem Schneeschauer. Von Panik erfüllt flog sie auf, in das wirbelnde Chaoshinaus, ohne auf die Richtung zu achten.
Am östlichen Ende des Waldes war das Farndickicht auf der Hügelkuppe bereitsvollkommen von Schnee bedeckt und sah aus wie eine Miniaturlandschaft ausweißen Tälern und Hügeln. Unter der Schneedecke waren jedoch noch brauneFarnwedel zu erkennen, und die Braunelle steuerte auf dieses letzte vertrauteMerkmal ihrer Welt zu. Sie landete in dem Hohlraum unterhalb der Schneeschichtund hüpfte von dort auf den gebogenen Stengel eines Farns. Der Schnee hatteFarne und Brombeerranken niedergedrückt, so daß es im Gewirr des Unterholzesnoch dunkler war als sonst. Aber hier war der Boden wenigstens noch schneefrei.
Übersetzung: Aus dem Englischen von Hilde Linnert
© Brigitte Buch-Edition / Paul Zsolnay Verlag
- Autor: Nigel Hinton
- 2005, 280 Seiten, Maße: 12,5 x 19,8 cm, Deutsch
- Übersetzung: Linnert, Hilde
- Verlag: Gruner + Jahr
- ISBN-10: 3570195147
- ISBN-13: 9783570195147
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