Im Schatten des Teebaums
Roman
Australien, 1880: Die Schwestern Matilda und Henrietta sind sehr verschieden, lieben aber den gleichen Mann. Richard entscheidet sich schließlich für Henrietta, nachdem Matilda unter mysteriösen Umständen weggezogen ist. Viele Jahre...
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Produktinformationen zu „Im Schatten des Teebaums “
Australien, 1880: Die Schwestern Matilda und Henrietta sind sehr verschieden, lieben aber den gleichen Mann. Richard entscheidet sich schließlich für Henrietta, nachdem Matilda unter mysteriösen Umständen weggezogen ist. Viele Jahre später macht sich Eliza, die Tochter der beiden, auf den Weg in den abgelegenen Ort Tantanoola in Südaustralien. Inmitten der reizvollen australischen Landschaft, wo sie einen Artikel über einen legendären Tiger schreiben will, begegnet Eliza in einem einsamen Hotel ihrer lange verschollenen Tante Matilda. Doch die ist so ganz anders als Eliza sie sich vorgestellt hat. Und bald deckt sie ein Geheimnis der Vergangenheit auf, das ihr Leben und das ihrer Familie völlig auf den Kopf stellt.
Lese-Probe zu „Im Schatten des Teebaums “
Im Schatten des Teebaums von Elizabeth Haran LESEPROBE PrologSouth Australia1900
Mannie Boyd trat aus seiner Hütte hinaus in den grauen Morgennebel. Er schlurfte zu einem niedrigen Busch und erleichterte sich, wobei er ausgiebig gähnte und dann träge beobachtete, wie der Dunst seines Atems vom Nebel geschluckt wurde. Der Morgen brach an über Tantanoola, einem kleinen, verschlafenen Städtchen im Südosten von South Australia, doch die Sonne schaffte es nicht, die Nebeldecke zu durchbrechen, die über den Schaf- und Getreidefarmen lag, von denen Tantanoola umschlossen wurde.
Mannies
... mehr
Körper war verspannt, er fühlte sich älter als die vierundfünfzig Jahre, die er auf dem Buckel hatte. Er war Junggeselle und trank gerne einen über den Durst, und wenn er genug hatte, fi ng er meistens Streit an. Diese Lebensweise rächte sich nun: Sein Körper protestierte mit jedem Tag heftiger, und Mannie wurde immer griesgrämiger. Er lebte seit fast sechs Jahren in der Gegend und verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Kaninchenfellen – nicht gerade die angesehenste Arbeit der Welt. Mannie, der von der Hand in den Mund lebte, war überzeugt, dass das Leben ihn schlecht behandelte und ihm etwas schuldig sei. Wie jeden Morgen schickte er sich auch an diesem Tag an, seine Fallen auf den umliegenden Farmen zu überprüfen. Er hatte die Farmer nie um Erlaubnis gefragt, ob er seine Kaninchenfallen auf ihrem Land aufstellen durfte, denn er war der Ansicht, dass er ihnen einen Gefallen tat, wenn er ihnen die Schädlinge vom Hals schaffte, die ihren Schafen das Gras wegfraßen. Tatsächlich hatte noch kein Farmer Einwände gegen Mannies Fallen erhoben.
»Komm schon, Rastus, beweg dich, du nichtsnutziger Sack voll Flöhe«, rief Mannie seinen Hund.
Der Vierbeiner kam aus einer Kiste gekrochen, die auf der rückseitigen Veranda stand und ihm als Unterschlupf diente, und trottete widerstrebend zu seinem Herrchen. Auch der Colliemischling war nicht mehr der Jüngste – wie Mannie schien der Hund unter steifen Gelenken zu leiden, vor allem an einem feuchten Morgen wie diesem. Rastus folgte Mannie in einigem Abstand. Er war vorsichtig geworden, weil er wusste, dass sein übellauniger Besitzer gern einmal nach ihm trat.
Mannie machte sich auf den Weg zu Jock Milligans Farm. Fröstelnd und missmutig vor sich hin schimpfend, stülpte er sich seinen Wollhut auf und zog ihn bis über die Ohren. In der tiefen Stille waren nur Mannies mürrisches Gebrummel und das Knirschen seiner Schritte auf dem gefrorenen Boden zu hören.
Es war August, Winter auf der Südhalbkugel. Zwei Wochen zuvor waren die ersten Lämmer geboren worden. Eigentlich hätte bereits ein Hauch von Frühling in der Luft liegen sollen, doch morgens war es immer noch winterlich kalt und ungemütlich. Mannie hoffte, dass ein paar Kaninchen in seine Fallen gegangen waren, damit er die Felle verkaufen konnte. In letzter Zeit hatte er im Hinterzimmer der Bar öfter Karten gespielt und ziemlich viel Geld verloren.
Griesgrämig, den Blick auf den Weg gerichtet, stapfte Mannie über den harten Boden. Nach einer Weile lief Rastus in weitem Bogen an ihm vorbei und verschwand im Nebel. Mannie achtete nicht weiter auf den Hund. Er schlug bibbernd den Kragen seiner Jacke hoch. Ein kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken, und plötzlich überkam ihn ein merkwürdiges, beängstigendes Gefühl, ähnlich einer schrecklichen Vorahnung. Abrupt blieb er stehen, starrte mit zusammengekniffenen Augen in die wogenden Nebelschwaden und lauschte. Es war still – viel zu still, wie ihm jetzt erst auffiel. Nicht einmal das Blöken von Milligans Schafen war zu hören. Beklemmendes Schweigen lag über dem Land. Hatte Jock Milligan seine Herde auf eine andere, weiter entfernte Weide getrieben?
In diesem Moment hörte er Rastus erschrocken aufjaulen. Sekunden später hetzte der Hund mit angelegten Ohren an ihm vorbei nach Hause zurück, so schnell seine Beine ihn trugen. Mannie blickte ihm verdutzt nach. Er pfiff, doch Rastus kam nicht zurück. Sein sonderbares Verhalten beunruhigte Mannie noch mehr. Irgendetwas stimmte nicht.
Langsam ging er weiter. Furcht stieg in ihm auf. Hätte er doch seine Winchester-Büchse mitgenommen! Angestrengt starrte Mannie in den Nebel, ob er irgendwo Schafe ausmachen konnte. Aber da war nichts. Er lauschte, doch kein Laut war zu hören. Die unheimliche Stille lastete so schwer auf dem Land, dass sie beinahe mit Händen zu greifen war.
Plötzlich blieb Mannie wie angewurzelt stehen und riss die Augen auf. Eine klebrige, verklumpte Masse hob sich rot glänzend von dem mit Raureif überzogenen Erdboden ab. Gleich daneben lag ein zerfetztes, blutiges Schaffell.
Mannie stand da wie versteinert, den Blick unverwandt auf die Überreste des Tieres geheftet. Im ersten Moment dachte er, ein streunender Hund hätte ein Lamm gerissen. Da Jock Milligan jeden Penny mindestens zweimal umdrehte, ehe er ihn ausgab, würde er schrecklich wütend sein über den Verlust des Tieres. Schaudernd betrachtete Mannie den Kadaver. Erst jetzt bemerkte er, dass Kopf und Schwanz fehlten. Das war seltsam. Abermals schaute er sich suchend nach der Schafherde um und lauschte, ob irgendwo ein Blöken zu hören war. Doch da war nichts. Die Stille war noch immer so undurchdringlich wie der Nebel. Eine unbestimmte Furcht erfasste Mannie und wühlte wie mit eisigen Fingern in seinen Eingeweiden.
Unschlüssig stand er da und überlegte, was er tun sollte. Da vernahm er unvermittelt ein tiefes, drohendes Knurren. Nie zu- vor hatte er ein ähnliches Geräusch gehört. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Das war kein Hund! Wieder verwünschte sich Mannie, dass er seine Winchester zu Hause gelassen hatte, und fragte sich, ob dieser Fehler ihn möglicherweise das Leben kosten würde.
Irgendwo ganz in der Nähe lauerte eine unbekannte Gefahr. Mannie konnte es spüren. Seine Nackenhaare stellten sich auf, so fühlbar knisterte die Luft vor Anspannung. Er drehte sich im Kreis, suchte die Umgebung nach dem wilden Tier ab, das Jocks Schaf gerissen hatte. Er fand einen Stock und hob ihn auf, damit er wenigstens eine behelfsmäßige Waffe hatte, mit der er sich im Notfall verteidigen konnte. Vorsichtig, den Stock in der erhobenen Hand, ging Mannie weiter. Plötzlich sah er vor sich im Nebel die Umrisse eines ausgewachsenen Schafes. Irgendetwas daran kam ihm merkwürdig vor …
Im nächsten Augenblick wusste Mannie, was es war. Nacktes Entsetzen erfasste ihn. Das Schaf schwebte ein Stück über dem Boden scheinbar in der Luft. Eine Blutlache hatte sich unter dem Tier gebildet. Das Blut dampfte, folglich war es noch warm.
Mannie starrte angestrengt in die Nebelschwaden, und mit einem Mal wurde ihm klar, dass das Schaf im Maul eines Raubtiers hing, das ihm seine Zähne in den Rücken gegraben hatte. Auch wenn Mannie nur die mächtigen, blutverschmierten Kiefer und die starren Augen der Bestie erkennen konnte, wusste er, dass er nie zuvor ein solches Tier gesehen hatte.
Abermals stieß es ein drohendes, Furcht einflößendes Knurren aus. Mannie war sicher, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Vor seinem geistigen Auge lief in rasender Geschwindigkeit sein ganzes Leben ab – ein Leben, auf das er alles andere als stolz sein konnte. Zwar wurde Mannie respektiert, weil er ein harter Bursche war, aber er hatte keine Familie, die ihn liebte und achtete, und das war allein seine Schuld. Keine Frau war bereit, mit einem Trinker und Raufbold eine Familie zu gründen. Und da Mannie sich nie hatte ändern wollen, war ihm klar, dass er einsam und allein sterben würde.
Vielleicht jetzt und hier …
All seine Instinkte schrien Mannie zu, die Flucht zu ergreifen, wenn ihm sein Leben lieb war, doch die namenlose Angst, die ihn gepackt hatte, lähmte ihn. Er wollte den Stock in seiner Hand schwingen, wollte brüllen, um die Bestie zu verjagen, aber er stand nur da, unfähig, sich zu rühren oder einen Laut von sich zu geben. Er starrte in die kalten Raubtieraugen. Ein Geruch, wie er ihn nie zuvor wahrgenommen hatte, umfing ihn. Es war der Geruch des Todes.
Plötzlich hörte er eiliges Hufgetrappel. Ehe er wusste, wie ihm geschah, wurde er von ein paar Schafen, die in blinder Panik flohen, umgerissen und zu Boden geworfen. Hart stürzte er auf die gefrorene Erde und blieb sekundenlang benommen liegen. Als er sich mühsam aufrappelte, war das Raubtier verschwunden.
Mannie schaute sich ängstlich nach allen Seiten um; dann rannte er los, so schnell seine Beine ihn trugen. Er lief zu seiner Hütte zurück, schnappte sich sein Gewehr, lud es durch und machte sich gleich wieder auf die Suche. Am ganzen Körper zitternd, den Finger nervös am Abzug, kehrte er zu der Stelle zurück, wo er das fremdartige Raubtier gesehen hatte. Doch alles, was er fand, waren weitere gerissene Schafe. Die Bestie blieb spurlos verschwunden. Schließlich gab Mannie auf. Er brauchte jetzt dringend einen Drink und beschloss, in die Bar zu gehen. Die hatte um diese Zeit zwar noch nicht geöffnet, doch Ryan Corcoran, der Wirt, würde ihm bestimmt schon etwas ausschenken.
Ryan wischte gerade die Theke ab, als Mannie die Tür aufstieß. Der Wirt sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Mannie war totenbleich, und seine Hände zitterten.
»Was ist los, Mannie? Hast du ein Gespenst gesehen?« Ryan warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen wirbelten noch immer graue Nebelschwaden über das Land.
»Viel schlimmer!«, stieß Mannie atemlos hervor. »Mir ist der Teufel persönlich begegnet!« Er ließ sich schwer auf einen Barhocker fallen. (…) © Ehrenwirth Verlags
Übersetzung: Sylvia Strasser und Veronika Dünninger
»Komm schon, Rastus, beweg dich, du nichtsnutziger Sack voll Flöhe«, rief Mannie seinen Hund.
Der Vierbeiner kam aus einer Kiste gekrochen, die auf der rückseitigen Veranda stand und ihm als Unterschlupf diente, und trottete widerstrebend zu seinem Herrchen. Auch der Colliemischling war nicht mehr der Jüngste – wie Mannie schien der Hund unter steifen Gelenken zu leiden, vor allem an einem feuchten Morgen wie diesem. Rastus folgte Mannie in einigem Abstand. Er war vorsichtig geworden, weil er wusste, dass sein übellauniger Besitzer gern einmal nach ihm trat.
Mannie machte sich auf den Weg zu Jock Milligans Farm. Fröstelnd und missmutig vor sich hin schimpfend, stülpte er sich seinen Wollhut auf und zog ihn bis über die Ohren. In der tiefen Stille waren nur Mannies mürrisches Gebrummel und das Knirschen seiner Schritte auf dem gefrorenen Boden zu hören.
Es war August, Winter auf der Südhalbkugel. Zwei Wochen zuvor waren die ersten Lämmer geboren worden. Eigentlich hätte bereits ein Hauch von Frühling in der Luft liegen sollen, doch morgens war es immer noch winterlich kalt und ungemütlich. Mannie hoffte, dass ein paar Kaninchen in seine Fallen gegangen waren, damit er die Felle verkaufen konnte. In letzter Zeit hatte er im Hinterzimmer der Bar öfter Karten gespielt und ziemlich viel Geld verloren.
Griesgrämig, den Blick auf den Weg gerichtet, stapfte Mannie über den harten Boden. Nach einer Weile lief Rastus in weitem Bogen an ihm vorbei und verschwand im Nebel. Mannie achtete nicht weiter auf den Hund. Er schlug bibbernd den Kragen seiner Jacke hoch. Ein kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken, und plötzlich überkam ihn ein merkwürdiges, beängstigendes Gefühl, ähnlich einer schrecklichen Vorahnung. Abrupt blieb er stehen, starrte mit zusammengekniffenen Augen in die wogenden Nebelschwaden und lauschte. Es war still – viel zu still, wie ihm jetzt erst auffiel. Nicht einmal das Blöken von Milligans Schafen war zu hören. Beklemmendes Schweigen lag über dem Land. Hatte Jock Milligan seine Herde auf eine andere, weiter entfernte Weide getrieben?
In diesem Moment hörte er Rastus erschrocken aufjaulen. Sekunden später hetzte der Hund mit angelegten Ohren an ihm vorbei nach Hause zurück, so schnell seine Beine ihn trugen. Mannie blickte ihm verdutzt nach. Er pfiff, doch Rastus kam nicht zurück. Sein sonderbares Verhalten beunruhigte Mannie noch mehr. Irgendetwas stimmte nicht.
Langsam ging er weiter. Furcht stieg in ihm auf. Hätte er doch seine Winchester-Büchse mitgenommen! Angestrengt starrte Mannie in den Nebel, ob er irgendwo Schafe ausmachen konnte. Aber da war nichts. Er lauschte, doch kein Laut war zu hören. Die unheimliche Stille lastete so schwer auf dem Land, dass sie beinahe mit Händen zu greifen war.
Plötzlich blieb Mannie wie angewurzelt stehen und riss die Augen auf. Eine klebrige, verklumpte Masse hob sich rot glänzend von dem mit Raureif überzogenen Erdboden ab. Gleich daneben lag ein zerfetztes, blutiges Schaffell.
Mannie stand da wie versteinert, den Blick unverwandt auf die Überreste des Tieres geheftet. Im ersten Moment dachte er, ein streunender Hund hätte ein Lamm gerissen. Da Jock Milligan jeden Penny mindestens zweimal umdrehte, ehe er ihn ausgab, würde er schrecklich wütend sein über den Verlust des Tieres. Schaudernd betrachtete Mannie den Kadaver. Erst jetzt bemerkte er, dass Kopf und Schwanz fehlten. Das war seltsam. Abermals schaute er sich suchend nach der Schafherde um und lauschte, ob irgendwo ein Blöken zu hören war. Doch da war nichts. Die Stille war noch immer so undurchdringlich wie der Nebel. Eine unbestimmte Furcht erfasste Mannie und wühlte wie mit eisigen Fingern in seinen Eingeweiden.
Unschlüssig stand er da und überlegte, was er tun sollte. Da vernahm er unvermittelt ein tiefes, drohendes Knurren. Nie zu- vor hatte er ein ähnliches Geräusch gehört. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Das war kein Hund! Wieder verwünschte sich Mannie, dass er seine Winchester zu Hause gelassen hatte, und fragte sich, ob dieser Fehler ihn möglicherweise das Leben kosten würde.
Irgendwo ganz in der Nähe lauerte eine unbekannte Gefahr. Mannie konnte es spüren. Seine Nackenhaare stellten sich auf, so fühlbar knisterte die Luft vor Anspannung. Er drehte sich im Kreis, suchte die Umgebung nach dem wilden Tier ab, das Jocks Schaf gerissen hatte. Er fand einen Stock und hob ihn auf, damit er wenigstens eine behelfsmäßige Waffe hatte, mit der er sich im Notfall verteidigen konnte. Vorsichtig, den Stock in der erhobenen Hand, ging Mannie weiter. Plötzlich sah er vor sich im Nebel die Umrisse eines ausgewachsenen Schafes. Irgendetwas daran kam ihm merkwürdig vor …
Im nächsten Augenblick wusste Mannie, was es war. Nacktes Entsetzen erfasste ihn. Das Schaf schwebte ein Stück über dem Boden scheinbar in der Luft. Eine Blutlache hatte sich unter dem Tier gebildet. Das Blut dampfte, folglich war es noch warm.
Mannie starrte angestrengt in die Nebelschwaden, und mit einem Mal wurde ihm klar, dass das Schaf im Maul eines Raubtiers hing, das ihm seine Zähne in den Rücken gegraben hatte. Auch wenn Mannie nur die mächtigen, blutverschmierten Kiefer und die starren Augen der Bestie erkennen konnte, wusste er, dass er nie zuvor ein solches Tier gesehen hatte.
Abermals stieß es ein drohendes, Furcht einflößendes Knurren aus. Mannie war sicher, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Vor seinem geistigen Auge lief in rasender Geschwindigkeit sein ganzes Leben ab – ein Leben, auf das er alles andere als stolz sein konnte. Zwar wurde Mannie respektiert, weil er ein harter Bursche war, aber er hatte keine Familie, die ihn liebte und achtete, und das war allein seine Schuld. Keine Frau war bereit, mit einem Trinker und Raufbold eine Familie zu gründen. Und da Mannie sich nie hatte ändern wollen, war ihm klar, dass er einsam und allein sterben würde.
Vielleicht jetzt und hier …
All seine Instinkte schrien Mannie zu, die Flucht zu ergreifen, wenn ihm sein Leben lieb war, doch die namenlose Angst, die ihn gepackt hatte, lähmte ihn. Er wollte den Stock in seiner Hand schwingen, wollte brüllen, um die Bestie zu verjagen, aber er stand nur da, unfähig, sich zu rühren oder einen Laut von sich zu geben. Er starrte in die kalten Raubtieraugen. Ein Geruch, wie er ihn nie zuvor wahrgenommen hatte, umfing ihn. Es war der Geruch des Todes.
Plötzlich hörte er eiliges Hufgetrappel. Ehe er wusste, wie ihm geschah, wurde er von ein paar Schafen, die in blinder Panik flohen, umgerissen und zu Boden geworfen. Hart stürzte er auf die gefrorene Erde und blieb sekundenlang benommen liegen. Als er sich mühsam aufrappelte, war das Raubtier verschwunden.
Mannie schaute sich ängstlich nach allen Seiten um; dann rannte er los, so schnell seine Beine ihn trugen. Er lief zu seiner Hütte zurück, schnappte sich sein Gewehr, lud es durch und machte sich gleich wieder auf die Suche. Am ganzen Körper zitternd, den Finger nervös am Abzug, kehrte er zu der Stelle zurück, wo er das fremdartige Raubtier gesehen hatte. Doch alles, was er fand, waren weitere gerissene Schafe. Die Bestie blieb spurlos verschwunden. Schließlich gab Mannie auf. Er brauchte jetzt dringend einen Drink und beschloss, in die Bar zu gehen. Die hatte um diese Zeit zwar noch nicht geöffnet, doch Ryan Corcoran, der Wirt, würde ihm bestimmt schon etwas ausschenken.
Ryan wischte gerade die Theke ab, als Mannie die Tür aufstieß. Der Wirt sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Mannie war totenbleich, und seine Hände zitterten.
»Was ist los, Mannie? Hast du ein Gespenst gesehen?« Ryan warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen wirbelten noch immer graue Nebelschwaden über das Land.
»Viel schlimmer!«, stieß Mannie atemlos hervor. »Mir ist der Teufel persönlich begegnet!« Er ließ sich schwer auf einen Barhocker fallen. (…) © Ehrenwirth Verlags
Übersetzung: Sylvia Strasser und Veronika Dünninger
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Bibliographische Angaben
- Autor: Elizabeth Haran
- 2008, 557 Seiten, 1 farbige Abbildungen, Maße: 14,1 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Ins Dtsch. übertr. v. Sylvia Strasser u. Veronika Dünninger
- Herausgegeben: Wolfgang Neuhaus
- Übersetzer: Sylvia Strasser, Veronica Dünninger
- Verlag: Ehrenwirth
- ISBN-10: 343103747X
- ISBN-13: 9783431037470
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