Nachtruf / Jagd auf das Böse Bd.1
Roman, Deutsche Erstveröffentlichung
Psychologin Rain Summers erhält in ihrer Late-Night-Radio-Show eine Morddrohung. Sie weiß sofort, dieser Anrufer meint es todernst. Davon ist auch der attraktive FBI-Ermittler Trevor Rivette überzeugt. Er glaubt, dass der Anrufer ein von ihm...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Nachtruf / Jagd auf das Böse Bd.1 “
Psychologin Rain Summers erhält in ihrer Late-Night-Radio-Show eine Morddrohung. Sie weiß sofort, dieser Anrufer meint es todernst. Davon ist auch der attraktive FBI-Ermittler Trevor Rivette überzeugt. Er glaubt, dass der Anrufer ein von ihm gesuchter Serienmörder ist. Kann er den Killer aufhalten?
Klappentext zu „Nachtruf / Jagd auf das Böse Bd.1 “
Es ist eine dieser schwülen Nächte von New Orleans. Eigentlich scheint alles wie immer in der Late-Night-Radio-Show von Rain Summers. Bis es die ganze Stadt live und on air hört: Ich bringe dich nicht um es sei denn, du zwingst mich dazu. Die Psychologin weiß sofort, dieser Anrufer meint es ernst todernst.Davon ist auch der attraktive FBI-Ermittler Trevor Rivette überzeugt. Er glaubt, dass der nächtliche Anrufer ein von ihm gesuchter Serienmörder ist. Bloß warum hat er es auf Rain abgesehen? Trevor ermittelt fieberhaft. Kann er den Killer aufhalten? Als Rain in die Sümpfe der Bayous entführt wird, beginnt ein erbarmungsloser Wettlauf gegen die Zeit
Deutsche Erstveröffentlichung
Lese-Probe zu „Nachtruf / Jagd auf das Böse Bd.1 “
Nachtruf von Leslie TentlerÜbersetzung: Katrin Hahn
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1. KAPITEL
Trevor Rivette wartete in Obduktionssaal drei im Keller des All Saints Hospital. In dem Gespräch, das gerade im Flur geführt wurde, ging es um ihn. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Er lauschte aufmerksam, während er den Blick durch den fensterlosen Raum schweifen ließ, in dem der scharfe Geruch eines Antiseptikums hing.
„Der FBI-Mann ist bei der Leiche. Er meint, er wäre gerade angekommen."
Der schwere Akzent gehörte zu Douglas Semer, Gerichtsmediziner im Orleans Parish, den Trevor kurz zuvor kennengelernt hatte. Semer war ein blasser, älterer Mann mit dicken Brillengläsern, durch die er etwas eulenhaft wirkte. Er hatte Trevor bei dessen Ankunft mit leichtem Misstrauen begrüßt.
„Wie lange wartet er schon?", fragte der andere Mann.
„Eine halbe Stunde vielleicht."
Ein Dritter meldete sich zu Wort. Seine Stimme klang heiser, als hätte er sein ganzes Leben lang Zigaretten geraucht. „Hat er gesagt, warum sich die Leute vom FBI für unsere Leiche interessieren?"
„Nein. Ich habe ihm erklärt, ich müsse warten, bis das NOPD da wäre. Erst dann könne ich ihm meinen abschließenden Untersuchungsbericht geben." Semers Antwort hatte einen Unterton, als wollte er sagen: Wir Jungs hier im Ort halten zusammen.
Trevor blickte wieder auf den Obduktionstisch aus Edelstahl, auf dem der nackte Körper des Opfers lag. Die Lippen des Mädchens waren blau angelaufen und leicht geöffnet, das rötlich blonde Haar umrahmte das Gesicht. Eine Stütze aus Gummi war unter den Kopf geschoben worden, um den Leichnam für die Autopsie in die richtige Position zu bringen. Der Y-Schnitt, der an den Schultern des Mädchens ansetzte und dann ab dem Brustbein in einer Linie bis hinunter zum Schambein verlief, zeigte, dass Semer seine Arbeit beendet hatte.
Das Mädchen war höchstens sechzehn gewesen und damit wesentlich jünger als die anderen Opfer. Noch ein halbes Kind, weshalb dieser Tod erst recht sinnlos und brutal wirkte. Trevor stieß einen Seufzer aus und starrte auf den Schriftzug an der Wand des Obduktionssaals. Es war Latein, doch er übersetzte die Worte spielend.
Dies ist der Ort, an dem der Tod mit Freude lehrt.
Na ja. Wenn es um tote Frauen auf einem Stahltisch ging, hatte er das Gefühl, schon so viel gelernt zu haben, dass es für mehr als ein Leben reichte.
Die Tür zum Obduktionssaal schwang auf, und Semer trat ein. Ihm folgten die beiden Männer, mit denen er sich gerade im Flur unterhalten hatte.
„Detectives McGrath und Thibodeaux, das ist Agent Rivette vom FBI." Nachdem Semer sie einander vorgestellt hatte, machte Trevor einen Schritt nach vorn, um den Detectives die Hand zu reichen. Der erste, McGrath, war mittleren Alters und stämmig, mit beginnender Glatze und Schnurrbart. Sein Partner Thibodeaux war ein schlaksiger Afroamerikaner, dessen Haar an den Schläfen allmählich grau wurde. Wie Trevor trugen die beiden ihre Waffen in einem Holster am Gürtel.
McGrath warf einen vielsagenden Blick auf den Besucherausweis, der an Trevors Revers befestigt war. „Also, Special Agent Rivette, Semer sagt, Sie sind aus dem Norden. Heißt das, Sie kommen von der Außendienststelle in Mobile?"
Bei McGraths Scherz deutete Trevor ein Lächeln an. „Etwas nördlicher als Mobile, Alabama. Aus D.C., um genau zu sein. Ich bin von der Violent Crimes Unit, der Abteilung für Gewaltverbrechen."
„VCU, hm? Nicht schlecht." McGraths Miene nach zu urteilen, beeindruckte ihn das allerdings nicht sonderlich.
Trevor fuhr fort: „Ich war auf dem Weg zu Ihrer Dienststelle, um einen Blick auf die Fotos vom Tatort zu werfen, aber ich wollte zuerst hier vorbeikommen und sehen, ob der Obduktionsbericht schon fertig ist."
„Nur ein vorläufiger", erklärte Semer. „Ich habe noch nichts schriftlich festgehalten, und die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung werden nicht vor morgen da sein ..."
„Rivette. Der Name klingt, als wären Sie aus der Gegend", mischte sich Detective Thibodeaux ein. Er lehnte an der Front der in die Wand eingebauten Leichenkühlfächer und sah Trevor voller Interesse an. „Genealogie ist ein Hobby von mir. Wenn ich mich nicht irre, ist Ihr Nachname französisch, stimmt's?"
Trevor nickte leicht. „Ich habe Familie hier."
Als er nicht weiter darauf einging, wandte Thibodeaux seine Aufmerksamkeit dem Leichnam zu. „Ist dieses Mädchen was Besonderes, Agent? Sie haben dafür einen weiten Weg zurückgelegt."
„Es geht nicht so sehr um das Opfer, als vielmehr um die Art und Weise, wie die Kleine ermordet worden ist." Über dem Obduktionstisch hing ein Mikrofon, in das der Gerichtsmediziner seine Untersuchungsergebnisse diktierte. Trevor schob es beiseite, damit er sich über die Leiche beugen konnte, und zeigte auf die Wunde unter dem Unterkiefer des Mädchens. „Die Drosselvene und die Halsschlagader wurden mit einem einzigen Schnitt durchtrennt. Dieses Muster passt zu einer Mordserie, die in den letzten achtzehn Monaten in mehreren Städten des Landes verübt worden ist. Allen Opfern wurden die Hände mit einem Rosenkranz gefesselt. Laut ViCAP-Datenbank, in der wir alle Mordfälle erfassen, passt Ihr Opfer in dieses Raster."
McGrath tippte mit einem Kugelschreiber auf den Notizblock in seiner Hand. „Sie meinen also, wir haben einen Serienkiller in New Orleans?"
„Ich bezweifle, dass die Übereinstimmungen zufällig sind. Die Vorgehensweise ist viel zu ähnlich. Darum bin ich hierhergeflogen."
„Um unseren Fall zu übernehmen."
Trevor starrte auf einen offenen Schrank, in dem die Obduktionsinstrumente lagen - darunter ein Rippenspreizer und eine Knochensäge. Er war auf Widerstand vorbereitet. „Hören Sie, ich weiß, dass die hiesige Polizei und das FBI dafür bekannt sind, nicht gut miteinander auszukommen ..."
„Wie Atheisten im Vatikan", murmelte Thibodeaux.
„Doch das muss nicht für diesen Fall hier gelten", betonte Trevor. „Mir ist es egal, wer für was die Lorbeeren einheimst - ich will diesen Kerl schnappen. Wir können diesen Mord gemeinsam bearbeiten und Informationen austauschen, oder wir arbeiten getrennt. Aber das hier ist New Orleans, und wenn ich einen Blick in die Kriminalitätsstatistik werfe, haben Sie einige Fälle, die noch aufgeklärt werden müssen."
Thibodeaux kniff argwöhnisch die Augen zusammen. „Also schwebt Ihnen ein Deal vor - nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere?"
„So in der Art."
McGrath rieb sich das Kinn und fragte: „Wie viele Opfer gibt es schon?" „Fünf, dieses Mädchen mit eingerechnet."
„Wo?"
„In D.C., Atlanta, Memphis und Raleigh. Und jetzt hier. Die gute Nachricht für Sie ist: Der Täter verfolgt offenbar eine Strategie, nach der es pro Stadt nur ein Opfer gibt. Vielleicht ist er schon längst weitergezogen, was bedeutet, dass auch ich bald wieder verschwinden werde."
„Und wenn nicht?", fragte Thibodeaux.
„Dann haben wir ein größeres Problem als nur eine Leiche."
McGrath kratzte sich mit dem Kugelschreiber hinter dem Ohr. „Haben die Medien dem Scheißkerl schon einen Namen verpasst?"
Trevor verschränkte die Arme vor der Brust. „Die Presse hat die Morde bislang noch nicht miteinander in Zusammenhang gebracht. Wahrscheinlich wegen der weit auseinanderliegenden Tatorte. Bestimmte Details haben wir bewusst geheim gehalten. Wir nennen ihn den Vampir - wegen seiner Tötungsmethode und weil einige der Opfer auch Verbindungen zur Gothic-Szene ihres Wohnortes hatten."
„Unser Opfer hier wurde in einem verlassenen Haus auf der Tchoupitoulas gefunden, weit entfernt von jeglichem Nachtleben", sagte Thibodeaux. „Die bläulichen Hautverfärbungen deuten allerdings darauf hin, dass das Mädchen einige Stunden nach seinem Tod bewegt wurde. Außerdem passt die Blutmenge am Tatort nicht zu den schweren Verletzungen, die der Typ der Kleinen zugefügt hat."
McGrath wandte sich dem Gerichtsmediziner zu. „Da wir gerade davon sprechen: Ist die Identität der Toten schon bekannt?"
„Nein, bislang noch nicht", entgegnete Semer, der den Wink sofort verstand. Er ging zum Obduktionstisch, schaltete die Lampe ein und nahm sich ein Paar Latexhandschuhe. „Bereit für das volle Programm?"
Im harten Licht wirkte die aschfahle Haut des toten Mädchens beinahe durchsichtig. Um die Y-förmige Narbe herum war der Körper eingesunken, nachdem die inneren Organe entfernt worden waren.
McGrath wurde blass. „Gott, Semer. Was Sie mit dem Zeug machen, das Sie aus den Leichen rausholen, will ich gar nicht wissen."
„Dann werde ich es Ihnen auch nicht sagen." Semer richtete seinen Blick auf Trevor. „Aber Agent Rivette hat recht - der Schnitt am Hals war die Todesursache. Sie ist im Grunde verblutet. Ungefähr vierzig Prozent Blutverlust." Mit seiner behandschuhten Rechten zeigte er auf die anderen Wunden am Körper der Toten. „All diese Schnitte, von denen die meisten oberflächlich sind, wurden der Kleinen vor dem Tod zugefügt." Er schob seine Brille ein Stück die Nase hinauf. „Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Der Scheißkerl hatte seinen Spaß mit der Kleinen, bevor sie starb."
Der Faubourg Marigny District war früher eine Arbeitergegend gewesen. Im Laufe der Jahre hatte sich einiges zum Besseren gewendet, doch die Häuser in dieser Ecke von New Orleans wirkten auf Trevor Rivette noch immer vertraut. Natürlich hatten die neuen Bewohner Veränderungen vorgenommen. Die Häuser passten nun besser zu den BMWs und Volvos, die entlang der von Bäumen gesäumten Straße parkten. Die Wagen gehörten den Familien der aufstrebenden Mittelschicht, die inzwischen diese Gegend bewohnten und den Wert der Anwesen nach oben trieben. Wie die Nachbarhäuser war auch das alte Cottage im Kolonialstil nicht länger in biederem Weiß gehalten. Es leuchtete in einem kräftigen Himbeerrot, die geschnitzten Zierleisten waren gepflegt und setzten einen Farbakzent in Pink. Ein schmiedeeiserner Zaun umgrenzte den Garten, und auf der überdachten vorderen Veranda standen Schaukelstühle aus Rattan neben Tontöpfen mit grünen Farnen. Von seinem Aussichtspunkt auf dem Bürgersteig aus hörte Trevor Kinderlachen, das von irgendwo die Straße herunter zu ihm drang. Ein Windspiel auf der Veranda klimperte in der milden Luft des frühen Abends.
Man hätte meinen können, dies wäre ein wunderbarer Ort, um aufzuwachsen. Aber er wusste es besser.
Trevor öffnete das Gartentor und spazierte den kurzen Weg zur Veranda hoch. Als er auf den weiß getünchten Holzdielen stand, zog er seine Hand aus der Tasche seiner Jeans und rieb sich kurz die Stirn. Dies war jetzt Annabelles Haus. Die Geister, die hier lebten, würden ihn nur dann verfolgen, wenn er es ihnen erlaubte.
Sie hatte anscheinend auf ihn gewartet, denn die Tür wurde geöffnet, bevor er klopfte. Annabelle Rivette lächelte und zog ihren Bruder in die Arme. Als sie ihn schließlich wieder freigab, blickte Trevor in ihr Gesicht. Annabelle hatte sich kaum verändert. Ihr welliges braunes Haar und die himmelblauen Augen waren ganz genau so, wie er sie in Erinnerung hatte.
„Es ist lange her, Trevor", sagte sie.
„Viel zu lange", gab er zu. Wie viel Zeit hatte er verstreichen lassen. Vor drei Jahren war er zum letzten Mal in New Orleans gewesen. Damals war ihre Mutter beerdigt worden. Er war kurz vor dem Gottesdienst eingetroffen und bald danach wieder abgereist. Er war nach Richmond beordert worden, wo es einen Doppelmord gegeben hatte. Doch sowohl er als auch Annabelle wussten, dass es ihm auch ohne seine beruflichen Verpflichtungen beim FBI schwergefallen wäre, zu bleiben.
Eine Kinderstimme drang leise aus dem Inneren des Hauses, und Annabelle ließ Trevor von der Veranda ins Wohnzimmer. Hier hatte sich so gut wie alles verändert. Der Raum mit den hohen Wänden war in Blau und Beige gestrichen, und ein großer Teppich bedeckte den Holzboden. Jalousien hatten die schweren Vorhänge vor den Fenstern ersetzt. Das steif wirkende alte Mobiliar war ebenso verschwunden, verbannt zugunsten einer dick gepolsterten Couch und eines dazu passenden Sessels mit Hocker. Selbst der Kaminsims, der noch aus der Entstehungszeit des Hauses stammte und aus Zypressenholz geschnitzt war, hatte seine dunkle Farbe verloren. Er war in Weiß übermalt und der uralte Spiegel, der früher über dem Sims hing, war durch ein heiteres Bild vom French Quarter ersetzt worden.
„Da bist du ja", sagte Annabelle, als ein kleines Mädchen ins Zimmer kam. „Haley, das ist dein Onkel Trevor."
Haley starrte ihn kindlich offen an. Ein Plüschtier - eine lilafarbene Angorakatze, die aussah, als hätte sie schon bessere Tage erlebt - baumelte in ihrer Hand. Ein paar Strähnen ihres lockigen Haars waren aus dem Pferdeschwanz gerutscht. Sie streifte sie leicht ungeduldig aus ihrem Gesicht.
„Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit du ein Baby warst", sagte Trevor.
„Ich bin aber kein Baby mehr. Ich bin fünf Jahre alt." Sie spreizte ihre kleine Hand und hielt sie hoch.
Er lächelte, als er sich hinkniete, um auf Augenhöhe mit seiner Nichte zu sein. „Ich meinte nur, dass deine Mom mir zwar Fotos von dir geschickt hat, aber dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie groß du inzwischen geworden bist."
Haley schwang die abgeliebte Katze hin und her und ließ Trevor dabei nicht aus den Augen. „Du siehst aus wie Onkel Brian."
Ihm zog sich das Herz zusammen, als der Name seines Bruders fiel. Er dachte an Brians dunkles Haar und die blaugrauen Augen, die den seinen so sehr ähnelten. „Ja, ich glaube, das stimmt."
„Mommy sagt, du hast eine Pistole, genau wie ein Polizist. Hast du sie mitgebracht?"
„Ich habe sie im Hotel gelassen." Seine private Zweitpistole, eine .380 Beretta Halbautomatik, erwähnte er nicht. Sie steckte gut verborgen im Holster an seinem Knöchel. „Es ist gefährlich so eine Waffe bei sich zu haben, weißt du?"
„Und warum hast du dann eine?"
Trevor blickte zu Annabelle. Das Grinsen auf ihrem Gesicht schien zu sagen: „Tja, so ist sie ..."
„Das Abendessen ist bald fertig, mein Schatz", sagte sie zu Haley. „Warum gehst du nicht eine Weile spielen? Onkel Trevor und ich wollen noch über Erwachsenenzeug reden."
„Kann ich Zeichentrick schauen?"
„Tu, was du nicht lassen kannst", antwortete Annabelle seufzend, und Haley verschwand im Flur. „Ich danke Gott für die Erfindung des Fernsehens." Sie sah zu Trevor, der schweigend neben ihr gestanden hatte und jetzt den Blick durchs Zimmer schweifen ließ. „Möchtest du etwas trinken?"
„Nur ein Mineralwasser, wenn du hast."
Er folgte ihr in die kleine Küche. Trendige mexikanische Fliesen hatten das abgenutzte Linoleum ersetzt, und die neuen Küchenfronten erstrahlten in gedecktem Weiß. Ein Topf stand auf dem Herd, und der Duft von Tomaten und pikanten Peperoni erfüllte den Raum. Auf der Küchentheke stand anstelle der altertümlichen Kaffeemaschine, die Trevor noch aus Kindertagen kannte, eine neue moderne Maschine. Wie im Wohnzimmer war auch hier alles frisch und neu. So als hätte Annabelle geglaubt, das Karma des Hauses verändern zu können, wenn sie die Einbauten und Bodenbeläge herausriss und die Wände mit einer Schicht Farbe bedeckte. Das Bild eines grobschlächtigen Mannes, der mit erhobener Faust auf ihn zustürmte, ergriff ihn und raubte ihm den Atem, bevor es so rasch wieder verschwand, wie es gekommen war. Trevor berührte die Narbe an seinem Kinn. Sein Beweis, dass die Vergangenheit wirklich existierte.
„Geht es dir gut?"
„Ja." Er nickte. Trotz der langen Trennung hatte seine Schwester immer noch die Fähigkeit, in seinem Gesicht zu lesen.
Annabelle hatte sich ebenfalls ein Mineralwasser aus dem Kühlschrank geholt und setzte sich nun zusammen mit Trevor an den Tisch. Er nahm einen Schluck aus der Dose, von der das Kondenswasser tropfte, und starrte aus dem Fenster in den kleinen, von einer alten Ziegelmauer umgebenen Hinterhof. Die Blätter einer massiven, mit Moos behangenen Virginia-Eiche überdachten fast den gesamten Hof. Auch eine Kinderschaukel, die etwas weiter entfernt stand, lag im Schatten des mächtigen Baumes. Durch die Äste hindurch konnte er den Himmel erkennen und bemerkte, wie das Licht des Tages allmählich der Dämmerung wich.
„Sawyer Compton lässt dich grüßen", sagte Annabelle. Sawyer war ein alter Freund, der ein paar Straßen weiter aufgewachsen war. Er hatte an der Louisiana State University Football gespielt und danach Jura studiert. Trevor wusste, dass er mittlerweile als stellvertretender Bezirksstaatsanwalt für die Stadt New Orleans arbeitete.
„Wie geht es ihm?"
Sie lächelte, während sie die Dose Mineralwasser an ihre Lippen hob. „Vielleicht solltest du dableiben und es selbst herausfinden. In ein paar Wochen veranstaltet er sein jährliches Flusskrebskochen - die Party des Jahres."
„Du weißt, warum ich hier bin, Anna."
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1. KAPITEL
Trevor Rivette wartete in Obduktionssaal drei im Keller des All Saints Hospital. In dem Gespräch, das gerade im Flur geführt wurde, ging es um ihn. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Er lauschte aufmerksam, während er den Blick durch den fensterlosen Raum schweifen ließ, in dem der scharfe Geruch eines Antiseptikums hing.
„Der FBI-Mann ist bei der Leiche. Er meint, er wäre gerade angekommen."
Der schwere Akzent gehörte zu Douglas Semer, Gerichtsmediziner im Orleans Parish, den Trevor kurz zuvor kennengelernt hatte. Semer war ein blasser, älterer Mann mit dicken Brillengläsern, durch die er etwas eulenhaft wirkte. Er hatte Trevor bei dessen Ankunft mit leichtem Misstrauen begrüßt.
„Wie lange wartet er schon?", fragte der andere Mann.
„Eine halbe Stunde vielleicht."
Ein Dritter meldete sich zu Wort. Seine Stimme klang heiser, als hätte er sein ganzes Leben lang Zigaretten geraucht. „Hat er gesagt, warum sich die Leute vom FBI für unsere Leiche interessieren?"
„Nein. Ich habe ihm erklärt, ich müsse warten, bis das NOPD da wäre. Erst dann könne ich ihm meinen abschließenden Untersuchungsbericht geben." Semers Antwort hatte einen Unterton, als wollte er sagen: Wir Jungs hier im Ort halten zusammen.
Trevor blickte wieder auf den Obduktionstisch aus Edelstahl, auf dem der nackte Körper des Opfers lag. Die Lippen des Mädchens waren blau angelaufen und leicht geöffnet, das rötlich blonde Haar umrahmte das Gesicht. Eine Stütze aus Gummi war unter den Kopf geschoben worden, um den Leichnam für die Autopsie in die richtige Position zu bringen. Der Y-Schnitt, der an den Schultern des Mädchens ansetzte und dann ab dem Brustbein in einer Linie bis hinunter zum Schambein verlief, zeigte, dass Semer seine Arbeit beendet hatte.
Das Mädchen war höchstens sechzehn gewesen und damit wesentlich jünger als die anderen Opfer. Noch ein halbes Kind, weshalb dieser Tod erst recht sinnlos und brutal wirkte. Trevor stieß einen Seufzer aus und starrte auf den Schriftzug an der Wand des Obduktionssaals. Es war Latein, doch er übersetzte die Worte spielend.
Dies ist der Ort, an dem der Tod mit Freude lehrt.
Na ja. Wenn es um tote Frauen auf einem Stahltisch ging, hatte er das Gefühl, schon so viel gelernt zu haben, dass es für mehr als ein Leben reichte.
Die Tür zum Obduktionssaal schwang auf, und Semer trat ein. Ihm folgten die beiden Männer, mit denen er sich gerade im Flur unterhalten hatte.
„Detectives McGrath und Thibodeaux, das ist Agent Rivette vom FBI." Nachdem Semer sie einander vorgestellt hatte, machte Trevor einen Schritt nach vorn, um den Detectives die Hand zu reichen. Der erste, McGrath, war mittleren Alters und stämmig, mit beginnender Glatze und Schnurrbart. Sein Partner Thibodeaux war ein schlaksiger Afroamerikaner, dessen Haar an den Schläfen allmählich grau wurde. Wie Trevor trugen die beiden ihre Waffen in einem Holster am Gürtel.
McGrath warf einen vielsagenden Blick auf den Besucherausweis, der an Trevors Revers befestigt war. „Also, Special Agent Rivette, Semer sagt, Sie sind aus dem Norden. Heißt das, Sie kommen von der Außendienststelle in Mobile?"
Bei McGraths Scherz deutete Trevor ein Lächeln an. „Etwas nördlicher als Mobile, Alabama. Aus D.C., um genau zu sein. Ich bin von der Violent Crimes Unit, der Abteilung für Gewaltverbrechen."
„VCU, hm? Nicht schlecht." McGraths Miene nach zu urteilen, beeindruckte ihn das allerdings nicht sonderlich.
Trevor fuhr fort: „Ich war auf dem Weg zu Ihrer Dienststelle, um einen Blick auf die Fotos vom Tatort zu werfen, aber ich wollte zuerst hier vorbeikommen und sehen, ob der Obduktionsbericht schon fertig ist."
„Nur ein vorläufiger", erklärte Semer. „Ich habe noch nichts schriftlich festgehalten, und die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung werden nicht vor morgen da sein ..."
„Rivette. Der Name klingt, als wären Sie aus der Gegend", mischte sich Detective Thibodeaux ein. Er lehnte an der Front der in die Wand eingebauten Leichenkühlfächer und sah Trevor voller Interesse an. „Genealogie ist ein Hobby von mir. Wenn ich mich nicht irre, ist Ihr Nachname französisch, stimmt's?"
Trevor nickte leicht. „Ich habe Familie hier."
Als er nicht weiter darauf einging, wandte Thibodeaux seine Aufmerksamkeit dem Leichnam zu. „Ist dieses Mädchen was Besonderes, Agent? Sie haben dafür einen weiten Weg zurückgelegt."
„Es geht nicht so sehr um das Opfer, als vielmehr um die Art und Weise, wie die Kleine ermordet worden ist." Über dem Obduktionstisch hing ein Mikrofon, in das der Gerichtsmediziner seine Untersuchungsergebnisse diktierte. Trevor schob es beiseite, damit er sich über die Leiche beugen konnte, und zeigte auf die Wunde unter dem Unterkiefer des Mädchens. „Die Drosselvene und die Halsschlagader wurden mit einem einzigen Schnitt durchtrennt. Dieses Muster passt zu einer Mordserie, die in den letzten achtzehn Monaten in mehreren Städten des Landes verübt worden ist. Allen Opfern wurden die Hände mit einem Rosenkranz gefesselt. Laut ViCAP-Datenbank, in der wir alle Mordfälle erfassen, passt Ihr Opfer in dieses Raster."
McGrath tippte mit einem Kugelschreiber auf den Notizblock in seiner Hand. „Sie meinen also, wir haben einen Serienkiller in New Orleans?"
„Ich bezweifle, dass die Übereinstimmungen zufällig sind. Die Vorgehensweise ist viel zu ähnlich. Darum bin ich hierhergeflogen."
„Um unseren Fall zu übernehmen."
Trevor starrte auf einen offenen Schrank, in dem die Obduktionsinstrumente lagen - darunter ein Rippenspreizer und eine Knochensäge. Er war auf Widerstand vorbereitet. „Hören Sie, ich weiß, dass die hiesige Polizei und das FBI dafür bekannt sind, nicht gut miteinander auszukommen ..."
„Wie Atheisten im Vatikan", murmelte Thibodeaux.
„Doch das muss nicht für diesen Fall hier gelten", betonte Trevor. „Mir ist es egal, wer für was die Lorbeeren einheimst - ich will diesen Kerl schnappen. Wir können diesen Mord gemeinsam bearbeiten und Informationen austauschen, oder wir arbeiten getrennt. Aber das hier ist New Orleans, und wenn ich einen Blick in die Kriminalitätsstatistik werfe, haben Sie einige Fälle, die noch aufgeklärt werden müssen."
Thibodeaux kniff argwöhnisch die Augen zusammen. „Also schwebt Ihnen ein Deal vor - nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere?"
„So in der Art."
McGrath rieb sich das Kinn und fragte: „Wie viele Opfer gibt es schon?" „Fünf, dieses Mädchen mit eingerechnet."
„Wo?"
„In D.C., Atlanta, Memphis und Raleigh. Und jetzt hier. Die gute Nachricht für Sie ist: Der Täter verfolgt offenbar eine Strategie, nach der es pro Stadt nur ein Opfer gibt. Vielleicht ist er schon längst weitergezogen, was bedeutet, dass auch ich bald wieder verschwinden werde."
„Und wenn nicht?", fragte Thibodeaux.
„Dann haben wir ein größeres Problem als nur eine Leiche."
McGrath kratzte sich mit dem Kugelschreiber hinter dem Ohr. „Haben die Medien dem Scheißkerl schon einen Namen verpasst?"
Trevor verschränkte die Arme vor der Brust. „Die Presse hat die Morde bislang noch nicht miteinander in Zusammenhang gebracht. Wahrscheinlich wegen der weit auseinanderliegenden Tatorte. Bestimmte Details haben wir bewusst geheim gehalten. Wir nennen ihn den Vampir - wegen seiner Tötungsmethode und weil einige der Opfer auch Verbindungen zur Gothic-Szene ihres Wohnortes hatten."
„Unser Opfer hier wurde in einem verlassenen Haus auf der Tchoupitoulas gefunden, weit entfernt von jeglichem Nachtleben", sagte Thibodeaux. „Die bläulichen Hautverfärbungen deuten allerdings darauf hin, dass das Mädchen einige Stunden nach seinem Tod bewegt wurde. Außerdem passt die Blutmenge am Tatort nicht zu den schweren Verletzungen, die der Typ der Kleinen zugefügt hat."
McGrath wandte sich dem Gerichtsmediziner zu. „Da wir gerade davon sprechen: Ist die Identität der Toten schon bekannt?"
„Nein, bislang noch nicht", entgegnete Semer, der den Wink sofort verstand. Er ging zum Obduktionstisch, schaltete die Lampe ein und nahm sich ein Paar Latexhandschuhe. „Bereit für das volle Programm?"
Im harten Licht wirkte die aschfahle Haut des toten Mädchens beinahe durchsichtig. Um die Y-förmige Narbe herum war der Körper eingesunken, nachdem die inneren Organe entfernt worden waren.
McGrath wurde blass. „Gott, Semer. Was Sie mit dem Zeug machen, das Sie aus den Leichen rausholen, will ich gar nicht wissen."
„Dann werde ich es Ihnen auch nicht sagen." Semer richtete seinen Blick auf Trevor. „Aber Agent Rivette hat recht - der Schnitt am Hals war die Todesursache. Sie ist im Grunde verblutet. Ungefähr vierzig Prozent Blutverlust." Mit seiner behandschuhten Rechten zeigte er auf die anderen Wunden am Körper der Toten. „All diese Schnitte, von denen die meisten oberflächlich sind, wurden der Kleinen vor dem Tod zugefügt." Er schob seine Brille ein Stück die Nase hinauf. „Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Der Scheißkerl hatte seinen Spaß mit der Kleinen, bevor sie starb."
Der Faubourg Marigny District war früher eine Arbeitergegend gewesen. Im Laufe der Jahre hatte sich einiges zum Besseren gewendet, doch die Häuser in dieser Ecke von New Orleans wirkten auf Trevor Rivette noch immer vertraut. Natürlich hatten die neuen Bewohner Veränderungen vorgenommen. Die Häuser passten nun besser zu den BMWs und Volvos, die entlang der von Bäumen gesäumten Straße parkten. Die Wagen gehörten den Familien der aufstrebenden Mittelschicht, die inzwischen diese Gegend bewohnten und den Wert der Anwesen nach oben trieben. Wie die Nachbarhäuser war auch das alte Cottage im Kolonialstil nicht länger in biederem Weiß gehalten. Es leuchtete in einem kräftigen Himbeerrot, die geschnitzten Zierleisten waren gepflegt und setzten einen Farbakzent in Pink. Ein schmiedeeiserner Zaun umgrenzte den Garten, und auf der überdachten vorderen Veranda standen Schaukelstühle aus Rattan neben Tontöpfen mit grünen Farnen. Von seinem Aussichtspunkt auf dem Bürgersteig aus hörte Trevor Kinderlachen, das von irgendwo die Straße herunter zu ihm drang. Ein Windspiel auf der Veranda klimperte in der milden Luft des frühen Abends.
Man hätte meinen können, dies wäre ein wunderbarer Ort, um aufzuwachsen. Aber er wusste es besser.
Trevor öffnete das Gartentor und spazierte den kurzen Weg zur Veranda hoch. Als er auf den weiß getünchten Holzdielen stand, zog er seine Hand aus der Tasche seiner Jeans und rieb sich kurz die Stirn. Dies war jetzt Annabelles Haus. Die Geister, die hier lebten, würden ihn nur dann verfolgen, wenn er es ihnen erlaubte.
Sie hatte anscheinend auf ihn gewartet, denn die Tür wurde geöffnet, bevor er klopfte. Annabelle Rivette lächelte und zog ihren Bruder in die Arme. Als sie ihn schließlich wieder freigab, blickte Trevor in ihr Gesicht. Annabelle hatte sich kaum verändert. Ihr welliges braunes Haar und die himmelblauen Augen waren ganz genau so, wie er sie in Erinnerung hatte.
„Es ist lange her, Trevor", sagte sie.
„Viel zu lange", gab er zu. Wie viel Zeit hatte er verstreichen lassen. Vor drei Jahren war er zum letzten Mal in New Orleans gewesen. Damals war ihre Mutter beerdigt worden. Er war kurz vor dem Gottesdienst eingetroffen und bald danach wieder abgereist. Er war nach Richmond beordert worden, wo es einen Doppelmord gegeben hatte. Doch sowohl er als auch Annabelle wussten, dass es ihm auch ohne seine beruflichen Verpflichtungen beim FBI schwergefallen wäre, zu bleiben.
Eine Kinderstimme drang leise aus dem Inneren des Hauses, und Annabelle ließ Trevor von der Veranda ins Wohnzimmer. Hier hatte sich so gut wie alles verändert. Der Raum mit den hohen Wänden war in Blau und Beige gestrichen, und ein großer Teppich bedeckte den Holzboden. Jalousien hatten die schweren Vorhänge vor den Fenstern ersetzt. Das steif wirkende alte Mobiliar war ebenso verschwunden, verbannt zugunsten einer dick gepolsterten Couch und eines dazu passenden Sessels mit Hocker. Selbst der Kaminsims, der noch aus der Entstehungszeit des Hauses stammte und aus Zypressenholz geschnitzt war, hatte seine dunkle Farbe verloren. Er war in Weiß übermalt und der uralte Spiegel, der früher über dem Sims hing, war durch ein heiteres Bild vom French Quarter ersetzt worden.
„Da bist du ja", sagte Annabelle, als ein kleines Mädchen ins Zimmer kam. „Haley, das ist dein Onkel Trevor."
Haley starrte ihn kindlich offen an. Ein Plüschtier - eine lilafarbene Angorakatze, die aussah, als hätte sie schon bessere Tage erlebt - baumelte in ihrer Hand. Ein paar Strähnen ihres lockigen Haars waren aus dem Pferdeschwanz gerutscht. Sie streifte sie leicht ungeduldig aus ihrem Gesicht.
„Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit du ein Baby warst", sagte Trevor.
„Ich bin aber kein Baby mehr. Ich bin fünf Jahre alt." Sie spreizte ihre kleine Hand und hielt sie hoch.
Er lächelte, als er sich hinkniete, um auf Augenhöhe mit seiner Nichte zu sein. „Ich meinte nur, dass deine Mom mir zwar Fotos von dir geschickt hat, aber dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie groß du inzwischen geworden bist."
Haley schwang die abgeliebte Katze hin und her und ließ Trevor dabei nicht aus den Augen. „Du siehst aus wie Onkel Brian."
Ihm zog sich das Herz zusammen, als der Name seines Bruders fiel. Er dachte an Brians dunkles Haar und die blaugrauen Augen, die den seinen so sehr ähnelten. „Ja, ich glaube, das stimmt."
„Mommy sagt, du hast eine Pistole, genau wie ein Polizist. Hast du sie mitgebracht?"
„Ich habe sie im Hotel gelassen." Seine private Zweitpistole, eine .380 Beretta Halbautomatik, erwähnte er nicht. Sie steckte gut verborgen im Holster an seinem Knöchel. „Es ist gefährlich so eine Waffe bei sich zu haben, weißt du?"
„Und warum hast du dann eine?"
Trevor blickte zu Annabelle. Das Grinsen auf ihrem Gesicht schien zu sagen: „Tja, so ist sie ..."
„Das Abendessen ist bald fertig, mein Schatz", sagte sie zu Haley. „Warum gehst du nicht eine Weile spielen? Onkel Trevor und ich wollen noch über Erwachsenenzeug reden."
„Kann ich Zeichentrick schauen?"
„Tu, was du nicht lassen kannst", antwortete Annabelle seufzend, und Haley verschwand im Flur. „Ich danke Gott für die Erfindung des Fernsehens." Sie sah zu Trevor, der schweigend neben ihr gestanden hatte und jetzt den Blick durchs Zimmer schweifen ließ. „Möchtest du etwas trinken?"
„Nur ein Mineralwasser, wenn du hast."
Er folgte ihr in die kleine Küche. Trendige mexikanische Fliesen hatten das abgenutzte Linoleum ersetzt, und die neuen Küchenfronten erstrahlten in gedecktem Weiß. Ein Topf stand auf dem Herd, und der Duft von Tomaten und pikanten Peperoni erfüllte den Raum. Auf der Küchentheke stand anstelle der altertümlichen Kaffeemaschine, die Trevor noch aus Kindertagen kannte, eine neue moderne Maschine. Wie im Wohnzimmer war auch hier alles frisch und neu. So als hätte Annabelle geglaubt, das Karma des Hauses verändern zu können, wenn sie die Einbauten und Bodenbeläge herausriss und die Wände mit einer Schicht Farbe bedeckte. Das Bild eines grobschlächtigen Mannes, der mit erhobener Faust auf ihn zustürmte, ergriff ihn und raubte ihm den Atem, bevor es so rasch wieder verschwand, wie es gekommen war. Trevor berührte die Narbe an seinem Kinn. Sein Beweis, dass die Vergangenheit wirklich existierte.
„Geht es dir gut?"
„Ja." Er nickte. Trotz der langen Trennung hatte seine Schwester immer noch die Fähigkeit, in seinem Gesicht zu lesen.
Annabelle hatte sich ebenfalls ein Mineralwasser aus dem Kühlschrank geholt und setzte sich nun zusammen mit Trevor an den Tisch. Er nahm einen Schluck aus der Dose, von der das Kondenswasser tropfte, und starrte aus dem Fenster in den kleinen, von einer alten Ziegelmauer umgebenen Hinterhof. Die Blätter einer massiven, mit Moos behangenen Virginia-Eiche überdachten fast den gesamten Hof. Auch eine Kinderschaukel, die etwas weiter entfernt stand, lag im Schatten des mächtigen Baumes. Durch die Äste hindurch konnte er den Himmel erkennen und bemerkte, wie das Licht des Tages allmählich der Dämmerung wich.
„Sawyer Compton lässt dich grüßen", sagte Annabelle. Sawyer war ein alter Freund, der ein paar Straßen weiter aufgewachsen war. Er hatte an der Louisiana State University Football gespielt und danach Jura studiert. Trevor wusste, dass er mittlerweile als stellvertretender Bezirksstaatsanwalt für die Stadt New Orleans arbeitete.
„Wie geht es ihm?"
Sie lächelte, während sie die Dose Mineralwasser an ihre Lippen hob. „Vielleicht solltest du dableiben und es selbst herausfinden. In ein paar Wochen veranstaltet er sein jährliches Flusskrebskochen - die Party des Jahres."
„Du weißt, warum ich hier bin, Anna."
MIRA Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Leslie Tentler
Leslie Tentler arbeitete fast zwanzig Jahre in der PR-Branche, bevor sie ihre Liebe zum Schreiben zu ihrem Beruf gemacht hat. Bereits ihr erstes Manuskript wurde mehrfach preisgekrönt. Leslie lebt in Atlanta mit ihrem Ehemann Robert und ihrem Pudel Tori.
Bibliographische Angaben
- Autor: Leslie Tentler
- 2012, 1. Aufl., 432 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862784819
- ISBN-13: 9783862784813
- Erscheinungsdatum: 13.11.2012
Rezension zu „Nachtruf / Jagd auf das Böse Bd.1 “
Gefährlich sexy - ein Muss für Romantic-Thriller-Fans!"RT Bookclub"Ein flüssiger Stil und eine authentische New-Orleans-Atmosphäre machen Tentlers Debüt so besonders."- Publishers Weekly"Leslie Tentler zeigt, was sie kann, indem sie einen erstklassigen Romantik-Thriller vorlegt."- Manic Readers
Kommentar zu "Nachtruf / Jagd auf das Böse Bd.1"
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