Jesus
Klaus Berger ist der "große alte Mann" der Jesusforschung. Hier legt er die Summe seiner lebenslangen Forschung vor, die so überraschend ist, dass dieses Buch eine heftige Kontroverse in den Feuilletons hervorrufen wird. Christen wie Skeptiker wird es...
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Klaus Berger ist der "große alte Mann" der Jesusforschung. Hier legt er die Summe seiner lebenslangen Forschung vor, die so überraschend ist, dass dieses Buch eine heftige Kontroverse in den Feuilletons hervorrufen wird. Christen wie Skeptiker wird es dazu herausfordern, sich mit der Urgestalt des Christentums ganz neu zu beschäftigen.
Der Sprengstoff: Bis heute ist unklar, welche Jesusworte wirklich von Jesus sind und welche nachträgliche Erfindungen der Jünger sind. Mit messerscharfen Argumenten wendet sich Berger nicht nur gegen seine eigene Zunft, sondern stellt hier einen bislang ''fremden'' Jesus dar.
Populär und spannend geschrieben zeichnet er ein aufregendes neues Bild des Jesus von Nazareth.
Berger brandmarkt die Scheuklappentheologie der Rationalisten, für die es "Wunder" nicht geben darf. Und er schreibt "das erste postmoderne Jesusbuch", indem er "Mystik" als gleichwertigen Erkenntniszugang zu Jesus einfordert.
Jesus von Klaus Berger
LESEPROBE
17.3 EXKURS:
Persönlicher Brief anPetrus, betr.: Hahnenschrei-Affäre
Vorbemerkung: 1. Ich habeaus guten Gründen eine besondere Beziehung zu einem gewissen Simon Petrus. 2.Ich kann mich nicht heraushalten, kann kein Buch über Jesus schreiben in feinerDistanz (alle sind gemeint, bloß nicht ich). 3. Deshalb bringe ich mich durcheinen persönlichen Brief in die Sache ein. 4. Das soll die Ausnahme bleiben,daher der Titel "Exkurs".
Prof. Dr. Klaus Berger, 69115Heidelberg, den 28.6.2003
Herrn
Simon Petrus
Fischereimeister /Apostelfürst
postlagernd Caesarea Philippi/ Jerusalem / Rom
Betr.: Hahnenschrei-Affäre
Sehr geehrter Herr Simon,
gestatten Sie, dass ichSie mit Ihrem bürgerlichen Namen anrede. Ich werde Sie daher nicht als HerrStein ansprechen. Denn das passt nicht zu jemandem, der zum Steinerweichengeheult hat oder haben soll. Außerdem verzichte ich auf das Leuten wie Ihnengegenüber gebräuchliche Du. Denn so verlieren wir doch nur zu leicht aus demAuge, dass es sich auch bei Ihnen um einen Mitchristen handelt, der ein Rechtauf Datenschutz und Privatsphäre hat. So wie jeder Mitchrist neben uns in derBankreihe.
Ich bin gebeten worden,eine persönliche Stellungnahme zu einer Affäre zu liefern, die Sie nach allenvier Evangelien belastet. Ohne je einen Untersuchungsausschuss (in der Folgesage ich: U-Ausschuss) einzusetzen, hat man diese so genannte Hahnenschrei-Affäreüber fast 2000 Jahre tradiert. Zu Ihrem Nachteil und zu dem der Kirche. Es istmein Ziel, Sie zu entlasten. Wozu bin ich denn schließlich Exeget? Für IhrenKollegen Isch-Karioth hat man dieses schon länger getan. Nur für Sie nochnicht. Begreiflich, weil man der Kirche gerne etwas anhaben möchte?
Zunächst einmal glaubeich die ganze Geschichte nicht. Denn woher wissen die Evangelisten das alles?Woher wissen sie, was nächtens zwischen Ihnen und jungen Frauen für Wortegewechselt wurden, damals in der finstersten aller Nächte? Es war niemandweiter dabei. Die Evangelisten tun gerade so, als hätten sie daneben gestanden.Und wenn ja: Wie hätten die sich wohl verhalten?
Außerdem haben die VerfasserInnender Passionsgeschichte etwas gegen Männer: Alle männlichen Wesen, zum Teilsogar Jesus inbegriffen, werden als Schlappschwänze gezeichnet: Die Jüngerfliehen, Judas verrät, Sie streiten die Bekanntschaft ab, Jesus wird in Gethsemaneschwach. Kerzengerade stehen immer nur die Frauen da. Sie verharren zum Teilsogar unter dem Kreuz, eine Frau salbt
Jesus schon vorher, dieanderen wollen es am Ostermorgen nachholen. Die männlichen Jünger verlachenderen Ostervisionen. Diese profeministische Haltung macht die Evangelistenunglaubwürdig.
In der Sicht dertraditionellen Exegese verdient die Erzählung keinen Glauben, siehe W. G. Kümmel,Einleitung in das Neue Testament, S. 256, Anmerkung 322.
Aber nehmen wir einmalan, die Sache wäre historisch. Reden wir über den ungünstigsten aller denkbarenFälle. Sie haben demnach die Bekanntschaft mit Jesus abgestritten. Habengesagt, dass Sie Jesus nie gesehen haben. Peanuts, die in jedem U-Ausschussvorkommen! Es entlastet Sie aus der Sicht der Exegese, dass Sie dies nicht voreinem U-Ausschuss gesagt haben, also nicht offiziell, sondern privat, nur vorsozial äußerst niedrig gestellten Frauen: Jerusalemer Mägden, Sklavinnen also.Vor denen darf man wohl so reagieren. Frauen sind geschwätzig, klatschsüchtigund lassen leicht aus Mücken Elefanten werden. Sie haben sich völlig richtigverhalten. Was geht es eine Magd an, ob Sie Jesus gekannt haben?
Entscheidend aber ist dieSituation. Neulich wurde es beiläufig in den Nachrichten erwähnt: Die Mafia hatin einem vornehmen Stadtteil Roms eine Autobombe explodieren lassen. Denn dortwohnte ein Anti-Mafia-Journalist, zugleich ein hoher Richter, der die Mafiaverfolgt. Und so macht es die Mafia: Jeden ihrer Gegner legt sie um, auch wenner den Verfolgern nur nahe steht. Diese Handschrift der Mafia ist bestechendklar und sehr gut lesbar. Daher kann in solchen Fällen nur gelten: Wer klugist, hält sich da heraus. Nehmen wir aber einmal an, so ein mutiger Journalistgeriete in die Hände der Mafia und hätte den sicheren Tod vor Augen. Wäre es danicht klug, die Urheberschaft an einschlägig kritischen Artikeln zu bestreiten?Das erlösende "Ich war's nicht" zu sprechen? Zu sagen, dass einKollege in Abwesenheit oder die ganze Redaktion den Beitrag verfasst hätte? Erselbst, der Journalist, sei schon immer nicht gegen die Mafia gewesen. Wem würdedurch solche Leugnung geschadet? Im Gegenteil, das Leben des Journalisten wäregerettet. Und das wäre weitaus sinnvoller als ein Martyrium. Sie haben, sehrgeehrter Herr Simon, durch Ihre Leugnung wahrscheinlich Ihr Leben gerettet. Siehaben ferner, und das ist in allen U-Ausschüssen wichtig, durch Ihre Haltungniemandem geschadet. "Aus meinem Verhalten ist niemandem Schadenerwachsen." Gerade das hören wir sehr oft, auch von Leuten, die noch ganzweit oben sind und nicht die Spur eines schlechten Gewissens zeigen.
Daher brauchen Sie, sehrgeehrter Herr Simon, kein schlechtes Gewissen zu haben. Gerade Ihre Leugnunghat Sie als Leitungsfigur qualifiziert. Sie sind der geborene Kirchenführer.Nicht nur für die Päpste sind Sie damit zum Vorbild geworden. Tun wir nicht so,als sei die Machterhaltung immer nur das Problem der anderen. Sie ist, subtilernoch, das Problem derer, die immer behaupten, darauf zu verzichten.Heuchlerischer Machterhalt ist das Lieblingsspiel meiner Generation, in der dieIntelligenz grundsätzlich links stand, zu stehen schien.
Fassen wir zusammen: Siehaben niemandem geschadet. Und Sie brauchen nicht jeder hergelaufenen Magd IhreBeziehung zu Jesus offenbaren. Sie haben Ihr Leben gerettet und damit derKirche genützt, da Sie noch ein paar Jahre lang als Apostel wirken konnten. "DerKirche genützt", ja, auch das hören wir öfter. Sie hatten einen äußerstrealistischen Blick dafür, wo das Himmelfahrtskommando anfängt. Himmelfahrt magja schön sein, aber bitte etwas später! Bitte nicht jetzt, bitte nach Ihnen!
Darf ich persönlichwerden, ja? Ich hatte einen weisen Doktorvater. Frühzeitig hatte sich in ihmder Gedanke festgesetzt, dass meine Exegese der Kirche schade und von ihrbitter verfolgt würde. Daher ließ er im Kreis der Doktoranden ein Gedichtvorlesen, das so endete: "Dieses sagen - jenes meinen. Weiterleben."Das heißt: Man darf wohl für sich denken, was man denken muss. Aber wenn esNachteile bringt, darf man es nicht öffentlich sagen. Das allein ermöglicht dasWeiterleben. "Weiterleben", das war auch Ihr Stichwort. Ich habe michdamals, voll Hochmut, wiederum schuldig werdend, nicht daran gehalten. Der Doktorvaterhat mich bei der Kirche angezeigt. Aber ich kann nur sagen: Ich habe schwer gebüßtfür meinen Hochmut. Wenn es bizarre Verkrachtheiten gibt, dann kommen sie alledaher: von der Überschätzung des Persönlichen; das hat vielen geschadet, auchder Kirche. Sie haben dagegen, wenn ich es recht sehe, für das Weiterlebenoptiert. Fabelhaft! Das war einfach normal. Sie haben es riskiert, dafürschuldig zu werden. Aber das war wenigstens klar und erkennbar. Und ohnegelehrte Eitelkeit. Sie sind davon ausgegangen, dass für die Jünger Jesu derGrundsatz galt: Mitgefangen, mitgehangen. Sie haben rechtzeitig
erkannt, dass Ihr Lebenin äußerster Gefahr war. Warum sollte zu dem ersten Justizmord ein zweiternamens Petrus hinzukommen? Warum sollten Sie den Menschen übermütig Gelegenheitgeben, noch ein weiteres Mal schreiendes Unrecht zu verüben, dieses Mal anIhnen?
Kurzum: Niemand, wirklichniemand soll mit dem Finger auf Sie zeigen. Was Sie getan haben, war vernünftig,menschenfreundlich und für die Kirche nützlich. Und mit einerSelbstverfluchung, denn das bedeutet das griechische Wort, wie Sie sie geübthaben ("Er begann, zu schwören und sich selbst zu verfluchen: Ich kennediesen Menschen nicht ..."), könnte man leben. Sie ist folgenlos. DennFluch und Segen gehören, wie ich Ihnen als Exeget beruhigend sagen kann, zummythischen Bereich. So nennen wir alles, was es nicht wirklich gibt. Umsounverständlicher, sehr geehrter Herr Simon, umso unverständlicher ist das, wasdie Evangelisten dann über Sie zu berichten wagen: Dass Sie zusammengebrochenseien, weil der Hahn gekräht habe. Dass Sie geheult hätten wie ein Kettenhund.Allein und mitten in der Nacht. Wieder war niemand dabei. Ich kann es nichtglauben.
Außerdem heult einSeemann nicht. Auf dem See Gennesaret gibt es häufig Fallwinde und dannbedenkliche Stürme. Sie sind also mit Sicherheit sturmerprobt. Die Evangelistenin ihrer profeministischen Tendenz wollten Sie nur lächerlich machen. NurFrauenbeauftragte können sich so über anerkannte Kirchenführer lustig machen,Ihre Männlichkeit an der empfindlichsten Stelle treffen. Sie sollen geheulthaben. Dass ich nicht lache. So bin ich übrigens auch erzogen worden, ichzitiere: "Ein deutscher Junge weint nicht. Heulen ist Mädchensache. Beidenen kommt auf zweimal Pipimachen dreimal Heulen" - Zitat Ende. Aus ähnlichenGründen habe ich mir immer eine Lederhose gewünscht. Meine anthroposophischeTante hat es indes zu verhindern gewusst.
Außerdem hat es wohljemanden geärgert, dass Sie offiziell "Herr Stein" heißen. EinNeider, der Ihnen eins reinwürgen wollte. Ein Herr Stein, der neurotisch aufeinen Hahn reagiert. Irgendeinen Beziehungswahn sollen Sie gehabt haben. Oderversuchen wir es tiefenpsychologisch. Denken Sie an Sigmund Freud einerseitsund den Hahn andererseits. Merken Sie was? Ahnen Sie, womit man Sie fertigmachenwollte?
Die Geschichte hat sichwohl nur deshalb in den Evangelien ohne textkritische Lakunen (= Auslassungen)gehalten, und das kann ich nun wiederum verstehen, weil man auf diese sehrsubtile Weise alle Fehler von Kirchenführern entschuldigen konnte. Wenn selbstPetrus nicht ohne Fehl war, müssen "wir" erst recht nicht vollkommensein. Petrus könnte ja mit Sündern mitfühlen. Man spielte Ihre Schwächen gegenden eifernden, harten Propheten Elija aus. Man war froh, keinen strengen Elijaals Leitbild zu haben, sondern einen schwachen, opportunistischen Petrus mitdem Mut zur Sünde. Man kann dann ja immer wieder bereuen, beichten, umkehren... Das heißt: Man hat Ihre Geschichte gerne erzählt, um sich vor Augen zuhalten: Selbst ein Abfall vom Christentum ist leicht vergebbar. Selbst wenn manwie Sie in direkter Reichweite zur Hauptfigur der Weltgeschichte steht. Stehtund lügt. Aber man orientierte sich am Positiven.
So begegnet uns ja aucheine wahre Inflation von Vergebungssprüchen in jedem Gottesdienst. Wie schön fürunsere Entschuldung. Dieses kirchliche Interesse ist also wiederum verständlichund wiederum auf seine Weise menschenfreundlich. Man kann daher sehen, dassselbst in der Wirkungsgeschichte Ihres angeblichen neurotischen Zusammenbruchssich Ihre Option für Lebenserhaltung und Menschenfreundlichkeit durchgesetzthat.
So kann man also damitschließen: Wir sind alle keine Un- und keine Übermenschen. Ihre Verleugnung warlebenserhaltend. Ihre Tränen sind historisch unglaubhaft, und wenn nicht, dannstark übertrieben. Im Übrigen zeigen Sie, dass uns immer wieder vergeben wird,was wir auch tun. Wie schön für uns.
Möge mein Brief auch anderenden Weg zu einem lebensbejahenden Christentum weisen. Ihr Fehltritt war keiner.Jeder U-Ausschuss müsste platzen. Sie standen Jesus nahe. Eine seiner erstenTaten war die Heilung Ihrer Frau Schwiegermutter. Halten wir uns an dasPositive. Christentum ist familienfreundlich und gegen Einzelmartyrien empfehlenwir eventuell Herrn Brüsewitz.
Wo auch immer Sie dieserBrief erreicht, und sei es in Rom, bin ich mit freundlichen Grüßen
Ihr sehr ergebener
Klaus Berger, sacrae theologiaeprofessor.
PS, id est: post scriptum.Nach einer unruhigen und schlaflosen Nacht habe ich mir die Sache noch einmal überlegt.Es ist jetzt gegen vier Uhr morgens. In der Stille kann ich schon die ersten Vögelzwitschern hören.
Ich habe Angst, ob ichRecht habe. Obwohl Professor, habe ich, viel öfter als ich sagen darf, Angst, obich Recht habe, in der Wissenschaft und auch sonst. Wem meine Exegeseeigentlich dient. Und mein Herz ... Ein Satz lässt mich nicht los: "Und erging hinaus und weinte bitterlich." Hinausgehen, die Szene wechseln, nichtmehr so weiter machen wollen. Martin Luther übersetzt hier ganz wörtlich: "bitterlich".Dabei denke ich wie von selbst an die Stationen in meinem Leben, an denen ichbitterlich geweint habe. Ich kann keine vergessen. Und ich blicke auf das EndeIhres Apostelkollegen Judas. Suizid, Selbsttötung. Zerbrochen. Alles sinnlos.Konsequent war auch er. Großartige Gestalten hat Jesus sich ausgesucht. Zwei Männer,der Verräter und der Verleugner, brechen zusammen, streichen sich durch, Judasund Sie. Den feinen Unterschied zwischen Durchstreichen des Vergehens undDurchstreichen des Täters konnten Sie nicht machen. Doch irgendetwas hat Siegehalten. Zuerst aber dies: Ihr Opportunismus, der doch Leben erhalten sollte,war am Ende nicht zum Aushalten. Als Jesus das mit dem dreimal Verleugnen zuIhnen sagte, wollten Sie ihn bestimmt nicht verleugnen, Sie hatten sich dieSituation vorgestellt als Szene vor Gericht, vor einem römischen Richter, inder Pose des Märtyrers. Darauf hatten Sie sich eingestellt. Aber es kam ganzanders, unscheinbarer, subtiler, raffinierter vom Standpunkt des Versuchers ausgesehen. Der Märtyrer hat es - so gesehen - einfach. Ähnlich ist es mit derSituation der Christen im Ostblock einst im Verhältnis zur differenziertenSituation jetzt. Auch wir verleugnen den Herrn stets dort und dann, wenn wirnicht darauf gefasst waren, wo wir keine Falle vermuteten, wenn unser Eiferblind wird, zum Beispiel.
Also: Falls Sie dochgeweint haben sollten, echt und bitterlich, das wäre schon was! Ja, vielleichtwäre es das: ganz tief drinnen erschüttert werden ... Einmal noch ganz nacktund bloß und schutzlos sein, zitternd, wie gerade auf die Welt gekommen. Sichschutzlos machen. Von keinem Genossen mehr gedeckt. Ganz erbärmlich allein seinvor dem großen Himmel. Einmal ehrlich sein! Und danach: Wie nach einem Gewitter... Ein Zusammenbruch, aber Gott sei Dank kein Zerbrechen. Es war Ihre einzigeChance. Es wäre unsere einzige Chance. Wie es im Kirchenlied heißt: "...fürunser Volk und Land."
Gott schenke uns die Gabeder Tränen. Und so beginnt ein schönes, heute verschollenes Gebet desMittelalters: "Herr, du hast deine Kirche gegründet auf die Briefe desPaulus und auf die Tränen des Petrus ..." So ist das bei uns: Auf Tränenkann man Kirche gründen.
© Pattloch Verlag
Autoren-Porträt von Klaus Berger
Dr. Klaus Berger wurde 1940 in Hildesheim geboren, istverheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Philosophie, Theologie undOrientalistik in München, Berlin und Hamburg. Seit 1974 ist er Professor für NeutestamentlicheTheologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg.Die Tatsache, dass er als Katholik Professor für Exegese an einemevangelischen Lehrstuhl ist, zeigt seine außerordentliche Anerkennung in denFachkreisen. Durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Vorträgemachte er sich deutschlandweit einen Namen. Schwerpunkte seiner Forschungbilden vor allem folgende Bereiche: Religionsgeschichte und außerbiblischeLiteratur, Hermeneutik, neuere exegetische Methoden und Formgeschichte.
Klaus Berger spricht sich gegen die modischen Jesusbilderaus, die Jesus beispielsweise als Humanisten oder Sozialrevolutionär zu beschreibenversuchen, dabei Gott aber völlig außer Acht lassen. Hierin und in der Art undWeise der theologischen Forschung sieht er auch die wesentlichen Ursachen fürden gravierenden Rückgang der Zahl der Theologiestudenten in Deutschland. Inseinen Büchern wie "Wer war Jesus wirklich?" oder in seinem neu erschienen Buch"Jesus" versucht er, Wege aufzuzeigen, das christliche Gottes- und Jesusbild zuverstehen und die Wunder, die Jesus vollbracht hat, als Zeichen der heilendenGegenwart Gottes zu deuten.
"Ich denke, dass in der Theologie der Zukunft dieDimensionen von Mythos, Mystik und Ritus eine zentrale Rolle spielen werden.[...] Die Wirklichkeit Gottes ist keine real sichtbare, sondern eineunsichtbare Welt, in der allein die Augen des Herzens taugen und sehen."
Interview mit Klaus Berger
Ihr Buch ist eineGrenzüberschreitung. Sie verlassen Ihr Arbeitsfeld der Bibelexegese und wendensich an ein breites Publikum. Was hat Sie motiviert, die Frage zu stellen:"Wer war Jesus wirklich?"
Regelmäßigwird Jesus vereinnahmt, so dass immer genau das herauskommt, was man immerschon sehen und ihm unterjubeln wollte. Es gilt die Regel: "Wie man in denWald hineinruft, so schallt es heraus." Ist Jesus nicht zu schade fürsolche Spielchen? Dass er dieses oder alles rechtfertigen soll? - Positiv: Inallem Gott zu suchen.
Sie wollen die Gestalt Jesuseinerseits aus den engen Grenzen theologischer Debatten befreien, ihn aber andererseitsauch vor den "Schwätzern" schützen, die ihn für alles Möglichevereinnahmen. Ist Ihr Buch eine Provokation, und wenn ja, worin besteht sieIhrer Meinung nach?
Jesus passtnicht in unsere Ideologien und Bekenntnisse. Er ist größer und in keinerHinsicht zu erfassen. Letztlich bleibt nur ein Mosaik, das viele offene Stellenhat. Provozieren möchte ich besonders dadurch, dass ich die von der Forschungwenig geliebten Aspekte Jesu in den Vordergrund stelle, die unmodernen,unglaublichen Dinge, die am stärksten auf die Seiten Gottes hinweisen, denenwir uns am nötigsten aussetzen müssen. Dass er wunderbar ist, wie Feuer, undgroße Dinge tut.
Sie stellen mitunter sehr einfacheFragen, zum Beispiel: "Wie wird man mit Jesus glücklich?" Wiebeantworten Sie diese Frage?
Mit Jesuswird man glücklich, indem man sich mit ihm vom Vater im Himmel beschenken lässt.Die Freude daraus ist der Sinn des Daseins.
Sie nahebringen, aber sich nicht auf Kosten der Texte anbiedern. Beispiel: Jesus istSohn Gottes. Das ist nicht zu ermäßigen. Aber was "Sohn Gottes"bedeutet, muss verständlich gemacht werden. Der Titel meint den (Menschen), derGott am allernächsten steht, ihm am ähnlichsten ist.
"Jesus versteht man nicht nurmit dem Kopf", lautet einer der Kernsätze Ihres Buches. Sie beziehen sichdabei ausdrücklich auch auf die "kongeniale Erkenntnisweise derMystik". Wie findet man die Balance zwischen Rationalität und Mystik,zwischen Vernunft und Herz?
Rationalitätund Mystik sind keine Gegensätze. Mit "mystischen Fakten" meine ichbesondere Geschehnisse, die man nicht nach Ursache/Wirkung, also kausal,erklären kann. Die man aber dennoch liebevoll mit besonderer Sorgfaltbeschreiben kann. Und eben diese liebevolle Sorgfalt könnte den Wissenschaftlerauszeichnen. Die Richtung der Vernunft wird in der Tat durch Liebe bestimmt.
Ihr Verlag bezeichnet Sie als den"großen alten Mann der Jesusforschung" und das Buch, das Sie jetztvorlegen, als die Summe Ihrer lebenslangen Forschung. Welchen Stellenwert hatdieses Buch für Sie persönlich?
Mit 63 kannman nur eine Zwischenbilanz ziehen. Dennoch nenne ich das Buch in unsererFamilie scherzhaft mein "ultimatives" Jesusbuch. Alle weitereAnnäherung an Jesus wird ebenso in der Wissenschaft wie im Lebensstil, und damitnoch stärker am zisterziensischen Ordensidealorientiert, geschehen.
Ist "Jesus" der"Schlussstein" Ihrer theologischen Arbeit? Oder gibt es große Fragen,denen Sie sich unbedingt noch widmen möchten?
Ich habeviele große Projekte, etwa über die Offenbarung des Johannes und über Joachimvon Fiore, also Geschichtstheologie, aber auch einenKommentar zum Neuen Testament aus den Gebeten und Segenssprüchen desMittelalters.
Die Fragen stellte Roland GroßeHoltforth, literaturtest.de.
- Autor: Klaus Berger
- 2004, 703 Seiten, Maße: 16,3 x 23,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Pattloch
- ISBN-10: 3629008127
- ISBN-13: 9783629008121
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