Johannes Paul II.
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- der Papst auf Reisen, beim Bergwandern oder im Gebet versunken
- Johannes Paul II.: nachdenklich, heiter, besorgt, verschmitzt, engagiert, entspannt.
LESEPROBE Vorwort
Das US-Magazin "Time"kürt Johannes Paul Il. 1994 zum Mann des Jahres. Er hätte es verdient, zum Mannder Jahrzehnte, die er bestimmte, gewählt zu werden, hat er sich doch unauslöschlichin die Geschichte der Kirche und der Welt eingeschrieben. An seinem Werk werdenwir nicht vorbei gehen können. Noch in Generationen werden Menschen damitbeschäftigt sein, die Wege zu erforschen und auszubauen, die er gebahnt hat.Johannes Paul II. hatte zwar so viel Zeit wie kaum ein Papst vor ihm, aber fürdas, was er sich vorgenommen hatte, reichte sie nicht.
Um einen Menschen und sein Verhalten zu verstehen, hilft esmanchmal, auf seinen Lebensweg zu blicken und die Wurzeln seines Wachstums zu betrachten.Karol Wojtyla verbrachte den Großteil seines Lebens in Polen. Geboren wurde eram 18. Mai 1920 in Wadowice, ab 1938 studierte er in Krakau Philosophie undLiteratur, versuchte sich als Schriftsteller und engagierte sich in einemTheater. 1939 fiel Hitler in Polen ein und Karol Wojtyla erlebte eine innere Wandlung,die in ein Theologiestudium mündete, das er mit der Priesterweihe abschloss.Mit Ausnahme eines zweijährigen Studiums an der päpstlichen UniversitätAngelicum in Rom und der Seelsorge unter polnischen Gastarbeitern in Belgienund Nordfrankreich während der Semesterferien, lebte er bis zu seiner Papstwahl1978 hauptsächlich in Polen. Die Stationen: 1951 Promotion in Krakau,Seelsorge als Kaplan, Assistent an der Universität Krakau, 1953 Habilitationan der Katholischen Universität Lublin, wo er als Professor Moraltheologielehrte, 1958 Weihbischof und 1964 Erzbischof von Krakau, 1967 Ernennung zumKardinal. Keine Frage: Polens Katholizismus prägte Karol Wojtyla. 93 der Polensind Katholiken und noch heute besuchen 55 % regelmäßig den Gottesdienst.Nationalismus und Glaube gingen in den vergangenen Jahrhunderten eine engeBeziehung ein, die den Polen beispielsweise
58 Jahre zählt Karol Wojtyla, als er am 16. Oktober 1978 zumneuen Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wird. Ungewöhnlich jung. Dererste Nicht-Italiener seit 455 Jahren auf dem Stuhl Petri. Die Welt jubelt ihmzu. Dass ein Papst Ski fährt, rudert, Berge besteigt, das hat die Welt vorhernoch nicht gesehen. Schon einige Päpste vor Johannes Paul II. brachen mit derselbst gewählten Isolation innerhalb der vatikanischen Mauern. Aber wie derneue Papst auf die Menschen zugeht, raubt allen den Atem: Es scheint, als wolleer auf seinen "Apostolischen Reisen" die ganze Welt umarmen. Per Flugzeug,Bus, Bahn und "Papamobil" legt er mehr Kilometer zurück als alle 263 Vorgängerim Amt. Selbst als die Welt während seiner letzten Auftritte befürchten muss,dass er aufgrund seiner Gebrechlichkeit die übernommenen Pflichten nicht mehrerfüllen kann, lässt er es sich nicht nehmen, sogar in Krisengebiete zu reisen.Kaum ein Fleckchen Erde, dessen Boden er nicht geküsst hat: Ägypten, Israel, Georgien,St. Lucia, Bangladesch, Singapur, Fidschi, Neuseeland, Australien, Seychellen ...Für Briefmarkensammler sind Motive mit Papstreisen zu einem eigenenSammelgebiet geworden und für viele geht er als "Reisepapst" in die Geschichteein.
Es ist die Liebe zu den Menschen, die Johannes Paul II. dazudrängt, wie kein Papst vor ihm, die Nähe zu den Menschen zu suchen. Er stößt inanderer Weise wie das Zweite Vatikanische Konzil die Fenster der Kirche zurWelt auf, überwindet mit seiner Offenheit nach allen weltanschaulichen Seitengeistige Enge. In seiner frühen Enzyklika "Redemptor hominis" (1979) zeigtJohannes Paul II. etwa, dass der Weg der Kirche auf den Menschen ausgerichtetsein muss. Während frühere Päpste von Gott sprachen, spricht Johannes Paul II.vom Menschen und von einer "Kultur für das Leben". Kaum eine Anspracheoder Predigt, in der er sich nicht für einen kompromisslosen Schutz des Lebenseinsetzt. Nicht verschwiegen werden soll, dass sich genau hier aber auchWiderstand gegen ihn formiert, vor allem in Europa und Amerika. Sein"Weltkatechismus" und die Moralenzyklika "Veritatis splendor" ("Glanzder Wahrheit", 1993) erscheinen in ihren inhaltlichen Aussagen vielen zuhart. Selbst innerhalb der Kirche wird oft nicht verstanden, was aus Rom zurSexualmoral, zur Geburtenkontrolle, zur Stellung der Frau, zur Bedrohung durchAIDS gesagt wird. Gegner bezeichnen Johannes Paul II. als"fundamental-dogmatisch" und "konservativ". Und auch mit seinerAblehnung des Frauenpriestertums oder der Verteidigung des Zölibats findet derPapst nicht nur Anhänger. Dabei erscheint Johannes Paul II. oft wie ein Fels inder Brandung oder wie ein Kapitän, der dem Kirchenschiff in schwierigen Zeiteneinen klaren, in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Kurs vorgibt.
Sogar sein Leben wird bedroht. Am 13. Mai 1981 verübt dertürkische Rechtsextremist Mehmet Ali Agca einen Mordanschlag auf Johannes PaulII., von dem er sich nie ganz erholt. Die Hintergründe und Hintermänner bleibenbis heute im Dunkeln. Waren Geheimdienste daran beteiligt? In wessen Auftraghandelte der Attentäter? Unvergessen die Bilder, die Johannes Paul II. imGefängnis mit Agca zeigen, als er mit ihm spricht und ihm verzeiht. Der Papst,der wie alle Polen ein großer Marienverehrer ist und auf seinem Wappen ein"M" für Maria und die Worte "Totus tuus" ("Ganz der Deine")trägt, weiß, dass er sein Überleben allein dem Schutz Marias zu verdanken hat.Das Attentat und seine späteren Leiden und Krankheiten nimmt er geduldig an:Im Kreuz will er nicht nur das Belastende und Negative sehen, sondern vor allemdas, was Gott den Menschen näher bringen kann.
So konservativ, wie ihn viele seiner Gegner zeichnen, istJohannes Paul II. nicht. Wie kein anderer Papst vor ihm öffnet er diekatholische Kirche gegenüber anderen christlichen Kirchen, ja Religionen. Alserster Papst seit der Abspaltung der Anglikaner vor 450 Jahren besucht erGroßbritannien. Als erster Papst besucht er ein jüdisches Gotteshaus. Alserster Papst weilt er in Damaskus in einer Moschee. Als erster Papst lädt erReligionsvertreter aus aller Welt zu einem Friedensgebet nach Assisi ein.Ökumene und Toleranz der Religionen sind für ihn nicht nur Worte; er handelt:Ob er an der Klagemauer in Jerusalem betet oder in seinen Schreiben zugegenseitigem Verständnis aufruft. Erstaunlich sind auch dieSchuldeingeständnisse, die Johannes Paul II. macht. Die Kirche habe sichgegenüber den Naturwissenschaften falsch verhalten; Galilei und Kopernikuswerden rehabilitiert. Im März 2000 spricht er das große "Mea Culpa" derKirche für die Verfehlungen der Christen bzw. der Kirche in Glaubenskriegen,bei Judenverfolgungen und der Inquisition.
Gleichzeitig versucht Johannes Paul II. der katholischenKirche Zukunft zu verschaffen und drängt auf eine umfassende Neuevangelisationvor allem in Südamerika, Afrika und Asien, die er durch seine Reisenunterstützt. Die Menschen strömen ihm zu, wenn er gerade in diesen Ländernsoziale Gerechtigkeit einfordert und die Reichen zur Umkehr mahnt. In Manilafeiert er 1995 den größten katholischen Gottesdienst, der jemals statt fand:vier Millionen Teilnehmer. Immer wieder versteht er es, die Grund- undMenschenrechte als Urforderungen der Bibel und der Kirche ins Rampenlicht zustellen. Selbst in Kuba mit Fidel Castro im Rücken scheut er sich nicht, mehrpolitische Freiheiten für die Menschen einzufordern. Und mit seinenzahlreichen Sozialenzykliken und Ansprachen in Ländern der so genannten"Dritten Welt", in denen er den Reichen den Spiegel vorhält, stärkt er dieBewegungen, die mehr Rechte für die Armen dieser Welt fordern. Die Reaktionvieler Herrschender: Sie verfolgen Katholiken, die sich auf Johannes Paul II.berufen, als "Kommunisten".
Seine politische Begabung kann Johannes Paul II. währendseines gesamten Pontifikats beweisen. Kritiker wie Befürworter seiner Personsind sich einig, dass das Ende der Konfrontation zwischen Ost und West nichtunerheblich auf seine Vermittlung und sein diplomatisches Geschickzurückzuführen ist. Er stärkt den Freiheitsbemühungen in Polen, ja im gesamtenOstblock den Rücken, über vatikanische Kanäle werden Schritte politischenWandels eingeleitet, Johannes Paul II. trifft sich mit kommunistischen Führernbis hin zu Gorbatschow. Dass sich die Auflösung des Ostblocks weitgehendfriedlich vollzieht, darf auch dem Papst aus Polen gedankt werden.
Kaum ein Konflikt, in dem er nicht seine eindeutige Stimmeerhebt. Könnte man seine Haltung in den ersten Regierungsjahren als betontpazifistisch-neutral beschreiben, mischt er sich nach 1989 deutlich ein: Sodistanziert er sich 1991 von Israel und verurteilt den von der UNOsanktionierten Militärschlag gegen den Irak. Oder: Im Bosnienkonfliktbefürwortet er 1993 ein militärisches Vorgehen, um die Menschenrechtsverletzungenzu beenden. Nach dem 11. September 2001 verurteilt er auf der einen Seitereligiösen Terrorismus, warnt aber davor, ihn einfach mit dem Islamgleichzusetzen. Ungewöhnlich scharf kritisiert er im Frühjahr 2002 dasmilitärische Vorgehen der Israelis auf palästinensischen Territorien. Druck vonAußen beugt sich Johannes Paul II. dabei nie. Auch seine Krankheiten und daszunehmende Alter können den "Marathonmann Gottes", wie ihn die Mediennennen, nicht daran hindern, die Botschaft von der Liebe Gottes, ob gelegenoder ungelegen, im letzten Winkel der Welt zu verkünden. Manches begonnene Werkbleibt dabei unvollendet: die vollkommene Aussöhnung mit der orthodoxen Kircheetwa, die Neuregelung der Stellung der katholischen Kirche in China, wo sichdie kommunistischen Machthaber Johannes Paul II. entgegen stemmen, der Kampfgegen den skrupellosen kapitalistischen Way of life in der westlichenHemisphäre.
Ein Vierteljahrhundert Pontifikat ist eine lange Zeit. Nochkein Mensch vor Johannes Paul II. wurde von so vielen anderen Menschengesehen, kein Papst war populärer. Er hat das Amt des Petrusnachfolgers neugeprägt und das Angesicht der Kirche nachhaltig verändert. Er war eineAusnahmegestalt der Geschichte.
Der Verlag
© Pattloch Verlag
Übersetzung: Janosz Surzykiewicz
- Autor: Grzegorz Galazka
- 2002, 1, 140 Seiten, durchgehend farbige Abbildungen, Maße: 21,3 x 27,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Pattloch
- ISBN-10: 3629016553
- ISBN-13: 9783629016553
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