Jung, weiblich, in der Army
Ich war Soldatin im Krieg
Kayla Williams hat ein wildes Leben als Punkerin hinter sich, als sie beschließt, sich zu fünf Jahren Armeedienst zu verpflichten. Sie durchläuft die Grundausbildung, studiert Arabisch und wird dem militärischen Nachrichtendienst zugeteilt. 2003 geht sie...
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Produktinformationen zu „Jung, weiblich, in der Army “
Kayla Williams hat ein wildes Leben als Punkerin hinter sich, als sie beschließt, sich zu fünf Jahren Armeedienst zu verpflichten. Sie durchläuft die Grundausbildung, studiert Arabisch und wird dem militärischen Nachrichtendienst zugeteilt. 2003 geht sie mit der 101. Airborne Division in den Irak. Eindringlich und in oft drastischer Sprache schildert sie ihre Erlebnisse in der US-Armee, die Gefühle der Macht und der Ohnmacht, die man als Frau unter vielen Männern hat, wo sich fast alles um Sex dreht. Sie erzählt von den täglichen Herausforderungen im Kriegsgebiet, den Spannungen in ihrer Einheit, von den Zweifeln und Ängsten, aber auch den kleinen Freuden. Sie beschreibt die gnadenlose Langeweile, die die Soldaten zu idiotischen Spielen treibt, und berichtet von den anrührenden oder gefährlichen Konfrontationenmit Irakern. Noch nie hat eine Soldatin so offen über ihre Erfahrungen geschrieben.
Lese-Probe zu „Jung, weiblich, in der Army “
PrologImmer noch wache ich manchmal frühmorgens auf und habe vergessen, dass ich keine Schlampe bin. Draußen ist es nicht mehr ganz dunkel, aber auch noch nicht ganz hell, und ich liege still da und versuche mir klar zu machen, dass ich das nicht bin. Manchmal, an den besseren Tagen, gelingt mir das auf Anhieb. Aber leider nicht an all den andern Tagen.
Schlampe.
Oder Zicke. Als Soldatin hast du bloß die Wahl zwischen diesen beiden.
Ich bin achtundzwanzig Jahre alt. Fünf Jahre bei der militärischen Aufklärung, hier und im Irak. Ich gehöre zu den fünfzehn Prozent der US-Armee, die weiblich sind. Und ebendiese fünfzehn Prozent kämpfen gegen die Einschätzung, die sich in dem dämlichen Witz ausdrückt: 'Was ist der Unterschied zwischen einer Zicke und einer Schlampe? Die Schlampe hat Sex mit jedem und die Zicke hat Sex mit jedem außer mit dir.' Das heißt: Wenn sie nett, freundlich oder gesellig ist oder gern plaudert, dann ist sie eine Schlampe. Wenn sie distanziert, reserviert oder routiniert ist, ist sie eine Zicke.
Eine Soldatin muss sich abhärten. Nicht nur gegen den Feind, den Kampf oder den Tod. Sie muss sich innerlich darauf einstellen, dass sie sich monatelang in einer Horde rappeliger, übererregter Männer bewegt, die, wenn sie nicht gerade Angst haben umzukommen, immer nur an das eine denken. Sie starren dich die ganze Zeit an, glotzen auf deine Brüste, deinen Hintern, als ob es sonst nichts zu sehen gäbe, keine Sonne, keinen Fluss, keine Wüste oder keine nächtlichen Mörsergranaten.
Aber die Sache ist noch vertrackter. Weil nämlich dein innerer Widerstand nachlässt. Ihre Blicke, ihre sexuelle Gier, sicher, die sind demütigend, aber du wirst durch sie auch zu etwas Besonderem. Ich möchte es eigentlich gar nicht aussprechen, weil es in der Seele wehtut, aber ihre Aufmerksamkeit, ihre Bewunderung, ihre Not: die verleihen dir Macht. Als Frau in der Armee spielt dein Aussehen keine Rolle. Alles was zählt, ist, dass du weiblich bist.
Die andere
... mehr
Seite ist, dass Männer, die dir eigentlich völlig egal sind, auf einmal zu deinen Typen werden. Es braucht bloß ein andere Frau das Zelt zu betreten, die sie genauso angucken, wie sie dich angeguckt haben, und schon wird das, was dich eben noch auf die Palme gebracht hat, Grund für Eifersucht. Sie gehören doch dir. Scheiße! Immerhin hast du deinen Ehemann verlassen, um dich ihnen anzuschließen, hast ihn ihretwegen Knall auf Fall im Stich gelassen. Diese Typen sind jetzt dein Ehemann, sie sind dein Vater, dein Bruder, dein Geliebter, dein Leben.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich für diese Kerle, diesen Krieg oder gar für mein Land solche Gefühle entwickeln könnte. Ich war einst ein aufmüpfiger Punk und jetzt bin ich Teil der autoritärsten Institution, die man sich nur denken kann. Ich hatte Zweifel an der Begründung für diesen Krieg, wollte da nicht mitmachen. Die Lügen, die uns den Krieg eingebrockt haben, die einige von uns mit dem Leben bezahlten und etliche mehr mit Verwundung und Verstümmelung, die konnte doch bloß ein durchgeknallter patriotischer Schwachkopf, der blindgläubig dem Motto 'my country, right or wrong' folgt, glauben.
Aber wenn ich jetzt ein Kitsch-Commercial von Anheuser-Busch sehe, in dem Zivilisten den Truppen, die aus dem Irak heimkehren, Beifall klatschen, kommen mir die Tränen. Ich schaue mir im Internet Videos mit Kampfszenen an - 'Let the Bodies Hit the Floor' und 'Red, White, and Blue (The Angry American)' - und ich muss schlucken. Es erschreckt mich, wenn ich darüber nachdenke, wie sehr mich die Zeit in der Armee verändert hat. Die stärkste Persönlichkeit käme angesichts der Erfahrungen, die man dort macht, nicht unbeschädigt davon. Alles, was ich über den Armeedienst zu wissen glaubte, erwies sich als falsch. Entsprach einfach nicht der Realität.
Deshalb wollte ich ein Buch schreiben, das den Leuten zeigt, wie man sich als Soldatin im Frieden und im Krieg fühlt. Ich wollte den Terror, die geisttötende Langeweile schildern und ebenso die Freude und das Gefühl der Ehre. Nicht zu vergessen die wiederkehrenden Selbstmordgedanken, die Magersuchtsanfälle, die Promiskuität, aber auch die Kameradschaft und Tapferkeit. Die Zeiten, in denen wir uns zu Tode fürchteten. Die Zeiten, in denen wir uns zu Tode langweilten. Bislang hat niemand ein Buch über das Leben der fünfzehn Prozent geschrieben. Vergesst Jessica Lynch. Ihre Geschichte hat mit uns nichts zu tun. Dasselbe gilt für Lynndie England. Zu denen gehöre ich nicht und zu denen gehören auch all die Frauen nicht, die ich im Armeedienst kennengelernt habe.
Stimmt, ich mag meine M-4, ihren Geruch, den Geruch des Waffenreinigers, des Pulvers, ich mag auch das Gefühl der Stärke. Und die Ruhe und Konzentration auf dem Schießgelände, das ist etwas, worauf ich mich immer schon freue.
Aber es kann so leicht auch anders ausgehen. Frauen sind genauso korrumpierbar wie Männer. Sie sind genauso kompetent und genauso inkompetent wie sie.
Während ich dies - Anfang 2005 - schreibe, stehen Frauen 91 Prozent aller Berufsfelder in der Armee offen und 67 Prozent aller Stellen können von Frauen besetzt werden. Derzeit sind Frauen berechtigt, sich für 87 Prozent aller vorgesehenen militärischen Spezialaufgaben zu bewerben. Aber sorgt der US-Kongress nicht dafür, dass Frauen aus dem Kampfgebiet rausgehalten werden? Weder in der Artillerie noch in der Infanterie gibt es Frauen. Wir dürfen keine Panzer fahren. Wir können weder in Guerillataktik ausgebildete Rangers werden
noch einem Spezialkommando angehören. Mit manchen Trupps gehen wir kaum je raus, weil man meint, dass deren Ausrüstung zu schwer für den Rücken einer durchschnittlichen Frau ist.
Daher denken die Leute, dass es keine Frauen in der Kampfzone gibt. Dass wir außerhalb des eigentlichen Geschehens bleiben. Unsinn! Wir sind Marines, wir sind Militärpolizei. Wir unterstützen die Infanterie auf jede nur erdenkliche Weise. Wir unterstützen sogar die Spezialkommandos. Wir tragen Waffen - und wir benutzen sie. Es ist durchaus möglich, dass wir Türen eintreten, wenn ein irakisches Dorf durchsucht wird. Wir kontrollieren Menschenansammlungen. Wir sind oft dabei, wenn Soldaten mit den Einheimischen verhandeln. Fast ein Drittel der Leute, die (wie ich) für die militärische Aufklärung arbeiten, sind Frauen.
Die Mörserangriffe der Aufständischen treffen auch uns. Weil die Aufständischen so oft die Nachschublinien angreifen, werden gerade die nicht zur Infanterie gehörenden Soldaten, also wir, die wir weniger gepanzerte Fahrzeuge haben, getroffen und in Kämpfe verwickelt.
Im Irak wischte ich das Blut von der Ausrüstung der Soldaten, nachdem eine am Straßenrand platzierte Bombe einen Konvoi getroffen hatte. Ich sah die blutüberströmten Körper von Einheimischen - Zivilisten, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Ich habe den Tod gesehen. Ich spreche Arabisch, darum nahm ich an Verhören teil. Ich musste die Spannung zwischen dem Wunsch, der einheimischen Bevölkerung zu helfen, und der Notwendigkeit, gegen sie zu kämpfen, aushalten. Ich habe meine Waffe auf ein Kind gerichtet. Ich habe Dinge begriffen und Dinge gesehen, die ich vergessen muss: Erniedrigung. Folter. Das passierte nicht nur in Abu Ghraib - es passierte auch anderswo.
Ich vergesse aber nicht.
Königin für ein Jahr
1
'Königin für ein Jahr' ist:
a) jede Amerikanerin, die in einer vorwiegend männlichen militärischen Umgebung im Ausland stationiert ist;
b) eine Soldatin, die während ihres Kriegsdiensts wegen der übermäßigen Aufmerksamkeit von Seiten der Männer hochnäsig wird (abwertend gemeint).
Sagen wir es offen: Sex gehört zu den grundlegenden Erfahrungen aller Soldatinnen in der amerikanischen Armee. Niemand möchte es zugeben, aber die Verbindung von Frausein und Soldatsein schafft eine ungewöhnliche sexuelle Verlockung.
Ich spreche hier vom Sex im Irak, im Krieg, während des Einsatzes. Diese eine Frau zum Beispiel. Ich hörte im Irak aus verlässlichen Quellen, dass sie mit jedem Kerl in ihrer Einheit Oralsex hatte. Ich hörte es von den Leuten selbst, den Beteiligten. Kein Gerücht, die nackte Wahrheit. Von Männern, die ich traf und die zu mir sagten: Hey, Kayla, ich hab gehört, dass alle Frauen bei der militärischen Aufklärung nur das eine wollen.
Versteht mich nicht falsch. Ich hab nichts gegen Sex. Ich hab mich bloß gefragt: Was hatte sie davon? War sie verrückt? Im Übrigen machte ihr Verhalten mein Leben um vieles komplizierter. Erschwerte uns anderen Frauen, die Arbeit zu erledigen, ohne dass irgendjemand ankam und uns zu verstehen gab, dass einen zu blasen zu unserem Ausbildungsprogramm gehört. Und es machte es den Jungs dort leicht, uns Frauen so zu behandeln, als ob wir weniger zuverlässig wären. Was empörend ist, da wir ja schließlich wegen unserer Kompetenz als Soldaten in diesem Krieg gelandet waren. Jedenfalls wurde ebendiese Frau in flagranti erwischt, nicht nur einmal. Und wurde wegen Vernachlässigung ihres Dienstes gerügt. Schon irgendwie komisch, wenn man es sich genau überlegt.
Oder die zwanzig Frauen, die aus dem Irak nach Hause geschickt wurden, weil sie schwanger geworden waren. Sozusagen aufs Kreuz gelegt. Wie ich erfuhr, waren etliche verheiratete Männer daran beteiligt, und das verstößt gegen die Bestimmungen des allgemeinen Militärgesetzbuchs. Die ledigen Frauen und Männer können machen, was sie wollen. Zumindest formal gesehen.
Als Frau im Krieg bist du von vornherein eine willkommene Annehmlichkeit, noch dazu eine rare. Wir nennen das 'Königin für ein Jahr'. Selbst die unattraktiven Frauen werden hochnäsig, das ist eine Tatsache.
'Königin für ein Jahr.' Diesen Ausdruck findet man weder im Wörterbuch noch in irgendeiner Sammlung von militärischen Begriffen. Aber wenn man ihn unter Soldaten gebraucht, dann verstehen die sofort, was gemeint ist. So bezeichnen wir nämlich amerikanische Frauen im Kriegsdienst, seit in den sechziger Jahren Krankenschwestern nach Vietnam fuhren.
Außerdem gibt es noch diese militärische Attraktivitätsskala. Die geht so: Sagen wir, auf einer Skala von insgesamt zehn Punkten erreicht eine Frau die Fünf. Sie ist also weder hübsch noch hässlich, vielleicht etwas unscheinbar, nichts Außergewöhnliches. Aber okay. Nicht gerade die Frau, nach der man sich im zivilen Leben umdrehen würde. Aber in der Armee, im Kriegseinsatz? Dort ist sie ohne weiteres eine Acht. Im Durchschnitt kriegt vermutlich jede Frau auf der Zehnpunkteskala etwa drei Punkte zusätzlich. Ein paar Monate im Kriegseinsatz und schon sehen alle Frauen in den Augen der Männer gut aus - oder jedenfalls besser als vorher. Das verändert - wie soll ich sagen - die Dynamik des Kriegseinsatzes.
Für eine Frau gab es eine Menge kleiner Tricks, sich die Mühen, die der Einsatz mit sich brachte, erheblich zu erleichtern. Man konnte seine Weiblichkeit in hohem Maße zu seinem Vorteil einsetzen. Man brauchte nicht so viel zu arbeiten,
bekam mehr Hilfe, und es wurden einem mehr Gefälligkeiten erwiesen. Nachschubprobleme? Reparaturen am Lastwagen? Eine Kleinigkeit - wenn man es denn drauf anlegte. Einige strapazierten das wirklich. Wer behauptet, dass das Leben einer Soldatin notwendigerweise furchtbar hart sein muss?
Viele Frauen erlagen der Versuchung, und am anfälligsten waren die jüngeren. Die männliche Zuwendung, die sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhren, ließ viele von ihnen aufblühen.
Ich bemühte mich, so gut ich konnte, der Versuchung zu widerstehen. Das gleiche gilt für meine Freundinnen und die Frauen, die ich respektierte. (Die ich eben deswegen respektierte.) Aber viele wurden hundertprozentige 'Königinnen für ein Jahr'. Wir kriegten es mit. Und die Jungs tratschten.
Die Jungs tratschten gar zu gern. Dabei war es eher unwesentlich, was eine Frau machte oder nicht machte. Aber wenn so ein Tratsch einmal die Runde gemacht hatte und wieder bei uns angekommen war (und im Irak machte alles doppelt so schnell die Runde wie anderswo), schien es sich bereits um Fakten zu handeln.
'Heute hab ich sie beim Sport beobachtet. Wie sie ihre Dehnübungen machte. Die wartet nur drauf!'
'Ich hab sie gesehen, als sie an der Essenausgabe anstand. Sie hatte ein enges braunes T-Shirt an. Die will es wissen!'
Gruselig!
Und die irakischen Männer? Sie waren schlimmer als unsere. Zumindest einige der amerikanischen Jungs haben gelernt, nicht ganz so ungeniert auf unsere Brüste zu starren. Sie guckten für gewöhnlich so von der Seite drauf. Oder wenn wir grade woandershin schauten. Entweder war es den irakischen Männern egal oder es fehlte ihnen schlicht die Übung. Sie starrten gänzlich ungeniert und offen auf unsere Brüste. Ohne Unterlass.
Anscheinend haben irakische Männer unsere gefragt, ob wir Prostituierte seien. Von der US-Armee angestellt, um die Truppen so zu versorgen, wie es die russische Armee getan hat: Die hatte für ihre Soldaten im Kosovo Puffs eingerichtet. Sich vorzustellen, dass auch nur irgendjemand denken könnte, dass wir das amerikanische Gegenstück dazu wären!
Das soll aber keinesfalls heißen, dass die Armeeangehörigen auf dem Schlachtfeld im Zölibat leben müssen. Eine althergebrachte militärische Tradition lautet: 'Was zum Einsatz gehört, bleibt dort.' Das soll heißen: Wir dürfen tun, was wir möchten, wenn wir nicht am Heimatstandort sind. Und nach der Rückkehr ist das kein Thema, niemand spricht darüber.
Für Soldaten im Einsatz ist Sex nicht ausdrücklich verboten. Es wird bloß indirekt vermittelt, dass er nicht erlaubt ist. Andererseits verkauft das PX im Irak Kondome. Die allgemeine Haltung ist: 'Lass dich nicht erwischen.' Es gibt eine Regel und die lautet: 'Sei diskret.' Vermutlich haben die meisten der ledigen Frauen Sex und die meisten der ledigen Männer ebenfalls, sofern sich ihnen jemals die Gelegenheit dazu bietet. Es ist nämlich schlichtweg eine Sache von Angebot und Nachfrage.
Und obgleich es nicht in Ordnung ist, ist es leider so: Wenn eine Frau geredet hat oder beim Sex erwischt wurde oder die Leute davon wussten, dann wurde sie von keinem mehr respektiert. So als ob sie eine Nutte wäre. Für die Männer galten natürlich andere Maßstäbe. Alle wussten irgendwie, dass Sex für Männer in Ordnung ging.
Seien wir also ehrlich, die Armee ist kein Kloster. Eher eine Studentenverbindung. Oder eine riesige Verbindungsparty. Mit Waffen. Mit Frauen, die zu haben sind - jedenfalls manchmal.
Die Männer sind auch zu haben. Und wir nahmen sie uns. Aber zumeist zog ich es vor, eine Zicke zu sein. Ich war viel älter als die meisten Mädchen dort und bei weitem nicht so unschuldig. Ich hatte fast mein ganzes Leben mit Jungen herumgehangen; die Punkrockszene in meiner Highschool war überwiegend männlich gewesen. Ich habe früh mit Sex angefangen. Und ich hatte schon eine Ehe hinter mir.
Im Irak hatte ich das Gefühl, dass ich mit der Rolle als 'Königin für ein Jahr' zurechtkommen könnte. Aber sie machte mir dann doch zu schaffen. Machte mich doch auch wütend. Ich weiß noch, dass der Gang durch die Kantine am Flugplatz (nachdem sie endlich errichtet worden war) einem Spießrutenlauf glich. Die Jungs hörten nicht auf, einen anzuglotzen. Manchmal fühlte ich mich wie im Zoo. Sie brauchten einen nur zu sehen und schon machten sie unpassende Bemerkungen. Und zwar ständig.
Manchmal allerdings überkam es mich, und ich provozierte die Männer mit meinem Auftreten. Wie findet ihr mich? Schaut mich an. Nicht anfassen! Gelegentlich stieg mir die Sache also doch zu Kopf.
Auch die Frauen rissen Witze. Manche der Männer, auf die wir im Irak trafen, waren selbst keine Adonisse. Komische Nase, schlechte Haltung, schlechte Zähne. Stets erschienen aber auch sie hübscher. So funktionierte die Sache in beide Richtungen. Es lag einfach am Ort. Das Leben dort hat uns allen den Kopf verdreht.
Das Ganze war wie ein eigener, unblutiger Kampf im Rahmen des größeren, tödlichen Kriegs. Dazu eine Geschichte.
'Hey, Kayla! Zeig uns deine Titten!'
Wir saßen auf einem Berg nahe der syrischen Grenze. Damals war ich möglicherweise weiter draußen eingesetzt als alle anderen Soldatinnen im Irak. Man konnte sich in der Aussicht, die man von dort oben hatte, regelrecht verlieren, besonders in der Morgen- oder Abenddämmerung, wenn einen der überwältigende Eindruck dieses Panoramas schwindlig machte.
Ich war allein. Ich meine, allein mit den Jungs. Wochenlang.
Sie waren frustriert. In geiler Stimmung. Sprachen ungeniert vom Abspritzen.
Wir saßen in der gleißenden Sonne, es war glühend heiß, und wir hatten ziemlich wenig zu tun.
'Zeig uns deine Titten, du Zicke!' Machogeschwätz.
'Nein.'
'Ach komm, Kayla. Heb doch mal dein T-Shirt hoch. Bloß für einen Moment. Bitte! Zeig uns, was du hast!'
'Nein.'
Grundsätzlich hatte ich nichts dagegen. Im College hatte ich für Aktkurse Modell gesessen. Ich hatte keine Hemmungen, meinen Körper zu zeigen.
Dann machten die Typen in meinen Augen einen echten Fehler. Sie fingen an zusammenzuschmeißen. Zehn Dollar. Zwanzig. Vierzig. Fünfundsechzig. Achtzig Dollar. Sie kamen bis siebenundachtzig Dollar, und dann warf ein Klugscheißer ein paar M&Ms dazu, die er heimlich beiseite geschafft hatte.
Sie machten mir ihr Angebot.
'Los, Kayla. Hier ist sauer verdientes amerikanisches Geld. Onkel Sams allmächtiger Dollar. Plus die M&Ms. Wir wissen doch, wie gern du M&Ms magst. Jetzt zeig uns deine verdammten Titten!'
'Verpisst euch, ihr Arschlöcher!'
Die Sache war gelaufen. Ich hätte es ja vielleicht freiwillig gemacht. Für Geld nie. Für wen hielten mich diese Kerle? Für eine Hure?
Woher ich komme
2
Heiß. Als kleines Kind streckte ich die Hand aus, um den Herd zu berühren. Das Spiel mit dem Feuer. Dann zog ich sie blitzschnell zurück. Und sagte mein erstes Wort: 'Heiß.'Dieses Detail meiner Kindheit gefällt mir. Dass ich weder vor Schmerz schrie noch nach Mama oder Papa rief. Es war mir stets, als ob diese Geschichte charakteristisch für mich sei, obwohl ich immer wieder darüber grübelte, wieso eigentlich. Weil ich bereit war, loszuziehen und Risiken einzugehen und später klar und deutlich zu sagen, was ich dabei erfahren hatte? Diese Deutung ist mir die angenehmste, und ich halte sie gern für die richtige. Aber an schwärzeren Tagen (von denen es viele gegeben hat) glaube ich, dass diese frühe Begegnung mit dem Feuer mich zutiefst verunsicherte und mich aus Furcht vor Schmerzen Risiken scheuen ließ. Was zur Folge hatte, dass ich immer meinte, etwas beweisen zu müssen.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich für diese Kerle, diesen Krieg oder gar für mein Land solche Gefühle entwickeln könnte. Ich war einst ein aufmüpfiger Punk und jetzt bin ich Teil der autoritärsten Institution, die man sich nur denken kann. Ich hatte Zweifel an der Begründung für diesen Krieg, wollte da nicht mitmachen. Die Lügen, die uns den Krieg eingebrockt haben, die einige von uns mit dem Leben bezahlten und etliche mehr mit Verwundung und Verstümmelung, die konnte doch bloß ein durchgeknallter patriotischer Schwachkopf, der blindgläubig dem Motto 'my country, right or wrong' folgt, glauben.
Aber wenn ich jetzt ein Kitsch-Commercial von Anheuser-Busch sehe, in dem Zivilisten den Truppen, die aus dem Irak heimkehren, Beifall klatschen, kommen mir die Tränen. Ich schaue mir im Internet Videos mit Kampfszenen an - 'Let the Bodies Hit the Floor' und 'Red, White, and Blue (The Angry American)' - und ich muss schlucken. Es erschreckt mich, wenn ich darüber nachdenke, wie sehr mich die Zeit in der Armee verändert hat. Die stärkste Persönlichkeit käme angesichts der Erfahrungen, die man dort macht, nicht unbeschädigt davon. Alles, was ich über den Armeedienst zu wissen glaubte, erwies sich als falsch. Entsprach einfach nicht der Realität.
Deshalb wollte ich ein Buch schreiben, das den Leuten zeigt, wie man sich als Soldatin im Frieden und im Krieg fühlt. Ich wollte den Terror, die geisttötende Langeweile schildern und ebenso die Freude und das Gefühl der Ehre. Nicht zu vergessen die wiederkehrenden Selbstmordgedanken, die Magersuchtsanfälle, die Promiskuität, aber auch die Kameradschaft und Tapferkeit. Die Zeiten, in denen wir uns zu Tode fürchteten. Die Zeiten, in denen wir uns zu Tode langweilten. Bislang hat niemand ein Buch über das Leben der fünfzehn Prozent geschrieben. Vergesst Jessica Lynch. Ihre Geschichte hat mit uns nichts zu tun. Dasselbe gilt für Lynndie England. Zu denen gehöre ich nicht und zu denen gehören auch all die Frauen nicht, die ich im Armeedienst kennengelernt habe.
Stimmt, ich mag meine M-4, ihren Geruch, den Geruch des Waffenreinigers, des Pulvers, ich mag auch das Gefühl der Stärke. Und die Ruhe und Konzentration auf dem Schießgelände, das ist etwas, worauf ich mich immer schon freue.
Aber es kann so leicht auch anders ausgehen. Frauen sind genauso korrumpierbar wie Männer. Sie sind genauso kompetent und genauso inkompetent wie sie.
Während ich dies - Anfang 2005 - schreibe, stehen Frauen 91 Prozent aller Berufsfelder in der Armee offen und 67 Prozent aller Stellen können von Frauen besetzt werden. Derzeit sind Frauen berechtigt, sich für 87 Prozent aller vorgesehenen militärischen Spezialaufgaben zu bewerben. Aber sorgt der US-Kongress nicht dafür, dass Frauen aus dem Kampfgebiet rausgehalten werden? Weder in der Artillerie noch in der Infanterie gibt es Frauen. Wir dürfen keine Panzer fahren. Wir können weder in Guerillataktik ausgebildete Rangers werden
noch einem Spezialkommando angehören. Mit manchen Trupps gehen wir kaum je raus, weil man meint, dass deren Ausrüstung zu schwer für den Rücken einer durchschnittlichen Frau ist.
Daher denken die Leute, dass es keine Frauen in der Kampfzone gibt. Dass wir außerhalb des eigentlichen Geschehens bleiben. Unsinn! Wir sind Marines, wir sind Militärpolizei. Wir unterstützen die Infanterie auf jede nur erdenkliche Weise. Wir unterstützen sogar die Spezialkommandos. Wir tragen Waffen - und wir benutzen sie. Es ist durchaus möglich, dass wir Türen eintreten, wenn ein irakisches Dorf durchsucht wird. Wir kontrollieren Menschenansammlungen. Wir sind oft dabei, wenn Soldaten mit den Einheimischen verhandeln. Fast ein Drittel der Leute, die (wie ich) für die militärische Aufklärung arbeiten, sind Frauen.
Die Mörserangriffe der Aufständischen treffen auch uns. Weil die Aufständischen so oft die Nachschublinien angreifen, werden gerade die nicht zur Infanterie gehörenden Soldaten, also wir, die wir weniger gepanzerte Fahrzeuge haben, getroffen und in Kämpfe verwickelt.
Im Irak wischte ich das Blut von der Ausrüstung der Soldaten, nachdem eine am Straßenrand platzierte Bombe einen Konvoi getroffen hatte. Ich sah die blutüberströmten Körper von Einheimischen - Zivilisten, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Ich habe den Tod gesehen. Ich spreche Arabisch, darum nahm ich an Verhören teil. Ich musste die Spannung zwischen dem Wunsch, der einheimischen Bevölkerung zu helfen, und der Notwendigkeit, gegen sie zu kämpfen, aushalten. Ich habe meine Waffe auf ein Kind gerichtet. Ich habe Dinge begriffen und Dinge gesehen, die ich vergessen muss: Erniedrigung. Folter. Das passierte nicht nur in Abu Ghraib - es passierte auch anderswo.
Ich vergesse aber nicht.
Königin für ein Jahr
1
'Königin für ein Jahr' ist:
a) jede Amerikanerin, die in einer vorwiegend männlichen militärischen Umgebung im Ausland stationiert ist;
b) eine Soldatin, die während ihres Kriegsdiensts wegen der übermäßigen Aufmerksamkeit von Seiten der Männer hochnäsig wird (abwertend gemeint).
Sagen wir es offen: Sex gehört zu den grundlegenden Erfahrungen aller Soldatinnen in der amerikanischen Armee. Niemand möchte es zugeben, aber die Verbindung von Frausein und Soldatsein schafft eine ungewöhnliche sexuelle Verlockung.
Ich spreche hier vom Sex im Irak, im Krieg, während des Einsatzes. Diese eine Frau zum Beispiel. Ich hörte im Irak aus verlässlichen Quellen, dass sie mit jedem Kerl in ihrer Einheit Oralsex hatte. Ich hörte es von den Leuten selbst, den Beteiligten. Kein Gerücht, die nackte Wahrheit. Von Männern, die ich traf und die zu mir sagten: Hey, Kayla, ich hab gehört, dass alle Frauen bei der militärischen Aufklärung nur das eine wollen.
Versteht mich nicht falsch. Ich hab nichts gegen Sex. Ich hab mich bloß gefragt: Was hatte sie davon? War sie verrückt? Im Übrigen machte ihr Verhalten mein Leben um vieles komplizierter. Erschwerte uns anderen Frauen, die Arbeit zu erledigen, ohne dass irgendjemand ankam und uns zu verstehen gab, dass einen zu blasen zu unserem Ausbildungsprogramm gehört. Und es machte es den Jungs dort leicht, uns Frauen so zu behandeln, als ob wir weniger zuverlässig wären. Was empörend ist, da wir ja schließlich wegen unserer Kompetenz als Soldaten in diesem Krieg gelandet waren. Jedenfalls wurde ebendiese Frau in flagranti erwischt, nicht nur einmal. Und wurde wegen Vernachlässigung ihres Dienstes gerügt. Schon irgendwie komisch, wenn man es sich genau überlegt.
Oder die zwanzig Frauen, die aus dem Irak nach Hause geschickt wurden, weil sie schwanger geworden waren. Sozusagen aufs Kreuz gelegt. Wie ich erfuhr, waren etliche verheiratete Männer daran beteiligt, und das verstößt gegen die Bestimmungen des allgemeinen Militärgesetzbuchs. Die ledigen Frauen und Männer können machen, was sie wollen. Zumindest formal gesehen.
Als Frau im Krieg bist du von vornherein eine willkommene Annehmlichkeit, noch dazu eine rare. Wir nennen das 'Königin für ein Jahr'. Selbst die unattraktiven Frauen werden hochnäsig, das ist eine Tatsache.
'Königin für ein Jahr.' Diesen Ausdruck findet man weder im Wörterbuch noch in irgendeiner Sammlung von militärischen Begriffen. Aber wenn man ihn unter Soldaten gebraucht, dann verstehen die sofort, was gemeint ist. So bezeichnen wir nämlich amerikanische Frauen im Kriegsdienst, seit in den sechziger Jahren Krankenschwestern nach Vietnam fuhren.
Außerdem gibt es noch diese militärische Attraktivitätsskala. Die geht so: Sagen wir, auf einer Skala von insgesamt zehn Punkten erreicht eine Frau die Fünf. Sie ist also weder hübsch noch hässlich, vielleicht etwas unscheinbar, nichts Außergewöhnliches. Aber okay. Nicht gerade die Frau, nach der man sich im zivilen Leben umdrehen würde. Aber in der Armee, im Kriegseinsatz? Dort ist sie ohne weiteres eine Acht. Im Durchschnitt kriegt vermutlich jede Frau auf der Zehnpunkteskala etwa drei Punkte zusätzlich. Ein paar Monate im Kriegseinsatz und schon sehen alle Frauen in den Augen der Männer gut aus - oder jedenfalls besser als vorher. Das verändert - wie soll ich sagen - die Dynamik des Kriegseinsatzes.
Für eine Frau gab es eine Menge kleiner Tricks, sich die Mühen, die der Einsatz mit sich brachte, erheblich zu erleichtern. Man konnte seine Weiblichkeit in hohem Maße zu seinem Vorteil einsetzen. Man brauchte nicht so viel zu arbeiten,
bekam mehr Hilfe, und es wurden einem mehr Gefälligkeiten erwiesen. Nachschubprobleme? Reparaturen am Lastwagen? Eine Kleinigkeit - wenn man es denn drauf anlegte. Einige strapazierten das wirklich. Wer behauptet, dass das Leben einer Soldatin notwendigerweise furchtbar hart sein muss?
Viele Frauen erlagen der Versuchung, und am anfälligsten waren die jüngeren. Die männliche Zuwendung, die sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhren, ließ viele von ihnen aufblühen.
Ich bemühte mich, so gut ich konnte, der Versuchung zu widerstehen. Das gleiche gilt für meine Freundinnen und die Frauen, die ich respektierte. (Die ich eben deswegen respektierte.) Aber viele wurden hundertprozentige 'Königinnen für ein Jahr'. Wir kriegten es mit. Und die Jungs tratschten.
Die Jungs tratschten gar zu gern. Dabei war es eher unwesentlich, was eine Frau machte oder nicht machte. Aber wenn so ein Tratsch einmal die Runde gemacht hatte und wieder bei uns angekommen war (und im Irak machte alles doppelt so schnell die Runde wie anderswo), schien es sich bereits um Fakten zu handeln.
'Heute hab ich sie beim Sport beobachtet. Wie sie ihre Dehnübungen machte. Die wartet nur drauf!'
'Ich hab sie gesehen, als sie an der Essenausgabe anstand. Sie hatte ein enges braunes T-Shirt an. Die will es wissen!'
Gruselig!
Und die irakischen Männer? Sie waren schlimmer als unsere. Zumindest einige der amerikanischen Jungs haben gelernt, nicht ganz so ungeniert auf unsere Brüste zu starren. Sie guckten für gewöhnlich so von der Seite drauf. Oder wenn wir grade woandershin schauten. Entweder war es den irakischen Männern egal oder es fehlte ihnen schlicht die Übung. Sie starrten gänzlich ungeniert und offen auf unsere Brüste. Ohne Unterlass.
Anscheinend haben irakische Männer unsere gefragt, ob wir Prostituierte seien. Von der US-Armee angestellt, um die Truppen so zu versorgen, wie es die russische Armee getan hat: Die hatte für ihre Soldaten im Kosovo Puffs eingerichtet. Sich vorzustellen, dass auch nur irgendjemand denken könnte, dass wir das amerikanische Gegenstück dazu wären!
Das soll aber keinesfalls heißen, dass die Armeeangehörigen auf dem Schlachtfeld im Zölibat leben müssen. Eine althergebrachte militärische Tradition lautet: 'Was zum Einsatz gehört, bleibt dort.' Das soll heißen: Wir dürfen tun, was wir möchten, wenn wir nicht am Heimatstandort sind. Und nach der Rückkehr ist das kein Thema, niemand spricht darüber.
Für Soldaten im Einsatz ist Sex nicht ausdrücklich verboten. Es wird bloß indirekt vermittelt, dass er nicht erlaubt ist. Andererseits verkauft das PX im Irak Kondome. Die allgemeine Haltung ist: 'Lass dich nicht erwischen.' Es gibt eine Regel und die lautet: 'Sei diskret.' Vermutlich haben die meisten der ledigen Frauen Sex und die meisten der ledigen Männer ebenfalls, sofern sich ihnen jemals die Gelegenheit dazu bietet. Es ist nämlich schlichtweg eine Sache von Angebot und Nachfrage.
Und obgleich es nicht in Ordnung ist, ist es leider so: Wenn eine Frau geredet hat oder beim Sex erwischt wurde oder die Leute davon wussten, dann wurde sie von keinem mehr respektiert. So als ob sie eine Nutte wäre. Für die Männer galten natürlich andere Maßstäbe. Alle wussten irgendwie, dass Sex für Männer in Ordnung ging.
Seien wir also ehrlich, die Armee ist kein Kloster. Eher eine Studentenverbindung. Oder eine riesige Verbindungsparty. Mit Waffen. Mit Frauen, die zu haben sind - jedenfalls manchmal.
Die Männer sind auch zu haben. Und wir nahmen sie uns. Aber zumeist zog ich es vor, eine Zicke zu sein. Ich war viel älter als die meisten Mädchen dort und bei weitem nicht so unschuldig. Ich hatte fast mein ganzes Leben mit Jungen herumgehangen; die Punkrockszene in meiner Highschool war überwiegend männlich gewesen. Ich habe früh mit Sex angefangen. Und ich hatte schon eine Ehe hinter mir.
Im Irak hatte ich das Gefühl, dass ich mit der Rolle als 'Königin für ein Jahr' zurechtkommen könnte. Aber sie machte mir dann doch zu schaffen. Machte mich doch auch wütend. Ich weiß noch, dass der Gang durch die Kantine am Flugplatz (nachdem sie endlich errichtet worden war) einem Spießrutenlauf glich. Die Jungs hörten nicht auf, einen anzuglotzen. Manchmal fühlte ich mich wie im Zoo. Sie brauchten einen nur zu sehen und schon machten sie unpassende Bemerkungen. Und zwar ständig.
Manchmal allerdings überkam es mich, und ich provozierte die Männer mit meinem Auftreten. Wie findet ihr mich? Schaut mich an. Nicht anfassen! Gelegentlich stieg mir die Sache also doch zu Kopf.
Auch die Frauen rissen Witze. Manche der Männer, auf die wir im Irak trafen, waren selbst keine Adonisse. Komische Nase, schlechte Haltung, schlechte Zähne. Stets erschienen aber auch sie hübscher. So funktionierte die Sache in beide Richtungen. Es lag einfach am Ort. Das Leben dort hat uns allen den Kopf verdreht.
Das Ganze war wie ein eigener, unblutiger Kampf im Rahmen des größeren, tödlichen Kriegs. Dazu eine Geschichte.
'Hey, Kayla! Zeig uns deine Titten!'
Wir saßen auf einem Berg nahe der syrischen Grenze. Damals war ich möglicherweise weiter draußen eingesetzt als alle anderen Soldatinnen im Irak. Man konnte sich in der Aussicht, die man von dort oben hatte, regelrecht verlieren, besonders in der Morgen- oder Abenddämmerung, wenn einen der überwältigende Eindruck dieses Panoramas schwindlig machte.
Ich war allein. Ich meine, allein mit den Jungs. Wochenlang.
Sie waren frustriert. In geiler Stimmung. Sprachen ungeniert vom Abspritzen.
Wir saßen in der gleißenden Sonne, es war glühend heiß, und wir hatten ziemlich wenig zu tun.
'Zeig uns deine Titten, du Zicke!' Machogeschwätz.
'Nein.'
'Ach komm, Kayla. Heb doch mal dein T-Shirt hoch. Bloß für einen Moment. Bitte! Zeig uns, was du hast!'
'Nein.'
Grundsätzlich hatte ich nichts dagegen. Im College hatte ich für Aktkurse Modell gesessen. Ich hatte keine Hemmungen, meinen Körper zu zeigen.
Dann machten die Typen in meinen Augen einen echten Fehler. Sie fingen an zusammenzuschmeißen. Zehn Dollar. Zwanzig. Vierzig. Fünfundsechzig. Achtzig Dollar. Sie kamen bis siebenundachtzig Dollar, und dann warf ein Klugscheißer ein paar M&Ms dazu, die er heimlich beiseite geschafft hatte.
Sie machten mir ihr Angebot.
'Los, Kayla. Hier ist sauer verdientes amerikanisches Geld. Onkel Sams allmächtiger Dollar. Plus die M&Ms. Wir wissen doch, wie gern du M&Ms magst. Jetzt zeig uns deine verdammten Titten!'
'Verpisst euch, ihr Arschlöcher!'
Die Sache war gelaufen. Ich hätte es ja vielleicht freiwillig gemacht. Für Geld nie. Für wen hielten mich diese Kerle? Für eine Hure?
Woher ich komme
2
Heiß. Als kleines Kind streckte ich die Hand aus, um den Herd zu berühren. Das Spiel mit dem Feuer. Dann zog ich sie blitzschnell zurück. Und sagte mein erstes Wort: 'Heiß.'Dieses Detail meiner Kindheit gefällt mir. Dass ich weder vor Schmerz schrie noch nach Mama oder Papa rief. Es war mir stets, als ob diese Geschichte charakteristisch für mich sei, obwohl ich immer wieder darüber grübelte, wieso eigentlich. Weil ich bereit war, loszuziehen und Risiken einzugehen und später klar und deutlich zu sagen, was ich dabei erfahren hatte? Diese Deutung ist mir die angenehmste, und ich halte sie gern für die richtige. Aber an schwärzeren Tagen (von denen es viele gegeben hat) glaube ich, dass diese frühe Begegnung mit dem Feuer mich zutiefst verunsicherte und mich aus Furcht vor Schmerzen Risiken scheuen ließ. Was zur Folge hatte, dass ich immer meinte, etwas beweisen zu müssen.
... weniger
Autoren-Porträt von Kayla Williams
Kayla Williams, geboren 1976, hat die Armee inzwischen verlassen und führt ihr Studium fort. Sie legt mit diesem Erfahrungsbericht ihr erstes Buch vor.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kayla Williams
- 2006, 1, 315 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Mit Michael E. Staub
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421059144
- ISBN-13: 9783421059147
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