Kap der Träume
Roman. Deutsche Erstausgabe
Im Jahr 1950 reist die junge Olivia Dorval in die strahlende marokkanische Hafenstadt Tanger: Ihr Vater, den sie nicht kannte, hat ihr eine prachtvolle maurische Villa vermacht. Dort taucht Olivia ein in eine faszinierende Welt voller schillernder...
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Produktinformationen zu „Kap der Träume “
Im Jahr 1950 reist die junge Olivia Dorval in die strahlende marokkanische Hafenstadt Tanger: Ihr Vater, den sie nicht kannte, hat ihr eine prachtvolle maurische Villa vermacht. Dort taucht Olivia ein in eine faszinierende Welt voller schillernder Persönlichkeiten und atemberaubender Landschaften. Und schließlich begegnet ihr in dem Arzt Paul Laforgue die Liebe ihres Lebens ...
Im Jahr 1950 reist die junge Olivia Dorval in die strahlende marokkanische Hafenstadt Tanger: Ihr Vater, den sie nicht kannte, hat ihr eine prachtvolle maurische Villa vermacht. Dort taucht Olivia ein in eine faszinierende Welt voller schillernder Pers nlichkeiten und atemberaubender Landschaften. Und schlie lich begegnet ihr in dem Arzt Paul Laforgue die Liebe ihres Lebens ...
Gro e Frauenunterhaltung voller Dramatik vor der faszinierenden Kulisse Marokkos!
"Dieser faszinierende Roman entf hrt seine Leser in ein wunderbares Land, das sich von der zauberhaften Mittelmeerk ste bis zu den gro en W sten im S den erstreckt, mit seinen herrschaftlichen St dte und urspr nglichen D rfer, umweht vom Duft der Orangen und der Magie des W stenvolkes der Touareg!" - Fl ch s Ultra Faciles
"Ein Roman, in dem man sich in faszinierenden Landschaft verliert, interessanten Menschen begegnet und von einer besseren Welt tr umt, in der die Liebe das Ungl ck besiegt. Erstklassige Unterhaltung!" - La Depeche Meusienne
"Ein wundersch ner Roman ber Liebe und Freundschaft, die an einem der gro artigsten Flecken der Erde spielt - Marokko mit seinen wei en Str nden, den verwinkelten Gassen der Kasba und der faszinierenden W ste!" - T l Loisirs.
Gro e Frauenunterhaltung voller Dramatik vor der faszinierenden Kulisse Marokkos!
"Dieser faszinierende Roman entf hrt seine Leser in ein wunderbares Land, das sich von der zauberhaften Mittelmeerk ste bis zu den gro en W sten im S den erstreckt, mit seinen herrschaftlichen St dte und urspr nglichen D rfer, umweht vom Duft der Orangen und der Magie des W stenvolkes der Touareg!" - Fl ch s Ultra Faciles
"Ein Roman, in dem man sich in faszinierenden Landschaft verliert, interessanten Menschen begegnet und von einer besseren Welt tr umt, in der die Liebe das Ungl ck besiegt. Erstklassige Unterhaltung!" - La Depeche Meusienne
"Ein wundersch ner Roman ber Liebe und Freundschaft, die an einem der gro artigsten Flecken der Erde spielt - Marokko mit seinen wei en Str nden, den verwinkelten Gassen der Kasba und der faszinierenden W ste!" - T l Loisirs.
Lese-Probe zu „Kap der Träume “
"Heute ist nicht gerade der beste Tag, um einen ersten Eindruck von Tanger zu gewinnen", stellte Etienne Langevin fest.Langsam und konzentriert fuhr er die kurvenreiche Stra e entlang. Olivia schloss die Augen.
"Es ist nicht mehr weit", h rte sie ihn sagen.
Die Wohnblocks und H user entlang der Stra en lichteten sich. Als der Wagen die Stadt hinter sich lie , verwandelte sich die Stra e in einen Sturzbach. Die von der Sintflut durchweichten Palmen boten ein kl gliches Bild.
"Normalerweise hat man von hier aus einen herrlichen Ausblick", war Etiennes letzter Kommentar, ehe er abbremste und hupte.
Ein Tor schwang auf, und sie fuhren eine Allee entlang, bis der Wagen vor einer Freitreppe anhielt, wo sie bereits von einem jungen Marokkaner erwartet wurden. Mit einem Regenschirm in der Hand rannte er auf die Beifahrert r zu.
"Willkommen in der Villa Mauresque."
Olivia betrat eine Eingangshalle, deren W nde mit den typischen marokkanischen Mosaikfliesen geschm ckt waren. Eine Glast r im Hintergrund gab den Blick auf einen Innenhof frei, in dem das Becken eines Springbrunnens berlief.
"So, jetzt sind Sie zu Hause", sagte Etienne Langevin und f hrte sie in einen Salon, in dem ein Feuer brannte.
Olivia ging darauf zu. Um sich aufzuw rmen? Daraus Kraft zu sch pfen? Als sie sich umdrehte, bemerkte sie ein Paar in mittlerem Alter. Die Frau trug eine gestreifte Kittelsch rze. Ein Kopftuch verdeckte ihr Haar und betonte ihr rundliches Gesicht. Der Mann war schmaler als sie und hatte gerade ein Tablett auf einem Tisch abgestellt.
"Mohammed und Fatima haben acht Jahre lang in Diensten Ihres Vaters gestanden", erkl rte Etienne.
Und in diesen acht Jahren haben sie mich nicht ein einziges Mal gesehen, dachte Olivia bei sich. W hrend Mohammed den Pfefferminztee einschenkte, sp rte sie, wie Fatima sie aufmerksam musterte. Sicher suchte sie nach einer hnlichkeit zwischen ihr und ihrem Vater. Sie war erleichtert, als die beiden Dienstboten wieder an ihre
... mehr
Arbeit zur ckkehrten. Olivia lie sich in einen Sessel am Kamin sinken und sah sich um. Zwei gro e, mit gelbem Damast bezogene Sofas standen in der Mitte des Raums, dazwischen lag ein Teppich, in dem Dunkelrot und Blau vorherrschten. Ringsum verteilte Beistelltischchen, gem tliche Sessel und Terrakottalampen verliehen dem Raum eine behagliche Atmosph re.
"F hlen Sie sich auch nicht allzu verloren?", erkundigte sich Etienne Langevin besorgt und z ndete sich eine Zigarette an.
"Ein bisschen ..."
W hrend der fr here Gesch ftspartner ihres Vaters sie aufzumuntern versuchte, betrachtete Olivia ihn genauer. Er musste etwa f nfzig Jahre alt sein, und seine gedrungene Gestalt und seine breiten Schultern hatten etwas Beruhigendes.
"Unser Angebot gilt noch. Wenn Sie sich hier alleine nicht wohlf hlen, k nnen Sie auch gerne bei uns wohnen", sagte er.
"Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich werde versuchen, mich an das Haus zu gew hnen."
"Wenn das so ist, komme ich nachher vorbei und hole Sie zum Abendessen ab. Meine Frau und meine Tochter k nnen es kaum erwarten, Sie kennen zu lernen."
Mohammed f hrte Olivia in ihr Zimmer im ersten Stock. Seine vanillefarbenen W nde, die M bel aus Zitronenbaumholz und die Perkalvorh nge lie en sie an Sommerferien denken. Wer hatte darin gewohnt? Freunde ihres Vaters? Fl chtige Bekannte? Um herauszufinden, ob das Bett auch bequem war, legte sie sich auf die gesteppte Tagesdecke und pr fte die Kopfkissen. H tte sie sich vor einem Monat vorstellen k nnen, dass sie heute, am f nften November, in Tanger sein w rde? Laut wiederholte sie die beiden Silben: "Tanger!"
"Darf ich die Koffer auspacken?", wollte Fatima wissen, die auf leisen Sohlen hereingekommen war.
"Die Koffer? Ja, nat rlich."
Olivia berlie die Haush lterin ihrer Aufgabe und ging ins Badezimmer, wo sie vor einen Spiegel trat. Kritisch musterte sie ihre Augenbrauen - f r ihren Geschmack zu buschig -, ihre Augen, deren Farbe zwischen Grau und Gr n schwankte, die tief eingekerbte Nase, den ernsten Mund. Auch wenn andere behaupteten, sie sei attraktiv, war sie selbst nicht dieser Meinung. Sie wusch sich die H nde und versuchte, mithilfe eines Kamms ihr kupferrotes Haar zu gl tten, das sich in der feuchten Luft lockte.
Als sie fertig war, kehrte sie nicht in das Zimmer zur ck, in dem sich Fatima immer noch zu schaffen machte, sondern betrat stattdessen den danebenliegenden Raum. Hier sp rte sie zum ersten Mal seit ihrer Ankunft die Pr gung ihres Vaters. Eingesch chtert n herte sie sich einem Tisch, strich mit den Fingern behutsam ber eine Lederschatulle und hob ihren Deckel an. Sie enthielt mehrere Manschettenkn pfe aus Lapislazuli, Jade und Bergkristall sowie eine Uhr einer renommierten Marke, deren Zeiger elf Uhr zw lf anzeigten - den Zeitpunkt, an dem das Uhrwerk stehen geblieben war. Olivias Blick richtete sich auf das schmiedeeiserne Bett und den Nachttisch, auf dem noch eine Thermoskanne und ein Glas standen. Sie ging zu einem Wandschrank hin ber. Auf den Kleiderb geln hingen Blazer, Jacketts und Anz ge aus Leinen oder Wollstoff, die darauf warteten, angezogen zu werden. Sie nahm einen Smoking heraus, hielt ihn vor sich und versuchte, sich ein Bild von der Gr e und Statur des Mannes zu machen, der ihn getragen hatte. Dann dr ckte sie ihre Nase in den Alpakastoff, dem der Duft von V tiver entstr mte. Als sie eine Flasche entkorkte, auf deren Etikett der Name eines ber hmten englischen Parf meurs prangte, stieg er erneut auf. Es war doch verr ckt, erst nach zweiundzwanzig Jahren die Lebensweise und den Geschmack jenes Mannes kennen zu lernen, dem sie ihren Namen verdankte! Olivia Dorval, Tochter von Jean Dorval, der drei Monate vor ihrer Geburt pl tzlich beschlossen hatte, nicht mehr aus Marokko zur ckzukehren, wohin ihn seine damaligen Arbeitgeber auf Gesch ftsreise geschickt hatten.
Seit sie die Wahrheit kannte, hatte Olivia ihrer Mutter unabl ssig Fragen gestellt, doch diese hatte ihr nur wenige Antworten gegeben. Genevi ve war erst achtzehn gewesen, als sie dem damals vierundzwanzigj hrigen Jean Dorval begegnet war. Ein Jahr sp ter heirateten sie und zogen in eine kleine Wohnung im Pariser Viertel Batignolles. Jean arbeitete f r eine Firma, die Gew rze und Trockenfr chte aus Nordafrika importierte. Anfang des Jahres 1927 war er in Casablanca von Bord gegangen, um dort einen neuen Gesch ftsabschluss auszuhandeln. Zwei Wochen nach seiner Abreise k ndigte er bei seinem Arbeitgeber und schickte seiner Frau einen Brief, in dem er ihr mitteilte, dass er sich von ihr trennte. Genevi ve Dorval h tte sich wahrscheinlich umgebracht, w re sie nicht schwanger gewesen. Sie brachte das Kind bei ihren Eltern zur Welt, doch das Baby lag verkehrt herum, und so h tte es um ein Haar ihrem ungewollten Leben doch noch ein Ende gemacht.
Olivia ffnete die Schublade einer Kommode. Darin fand sie mehrere Fl schchen mit Medizin und ein Rezept, das vom 3. September 1949 datierte und von einem gewissen Doktor Paul Laforgue ausgestellt worden war. Wie lange war ihr Vater schon krank gewesen? Etienne Langevin hatte Olivia erst nach der Beerdigung angerufen. "Das hat er vor seinem Tod ausdr cklich so gew nscht", hatte er sich verteidigt, als sie sich beklagte, dass man sie nicht fr her benachrichtigt habe. Olivia hatte den gesamten Besitz des Verstorbenen geerbt.
"Wie heldenhaft, jetzt nach seinem Tod pl tzlich in Erscheinung zu treten", hatte Genevi ve geschimpft.
"Sei nicht ungerecht, Mama. Du hast ihm immer verweigert, mich zu sehen, wenn er in Frankreich war. Und alle drei Monate hat er uns Geld geschickt."
"Welches ich nie anger hrt habe!"
Lieber h tte Genevi ve auf der Stra e gebettelt, als die gro z gigen Gaben ihres Exmannes anzunehmen, f r den sie nur noch wilden Hass empfand. Sie hatte die berweisungen auf ein Konto eingezahlt, das ihre Tochter nutzte, seit sie vollj hrig geworden war.
Olivia verlie das Zimmer und ging ins Erdgeschoss hinab, auf das sie bisher nur einen fl chtigen Blick geworfen hatte. Dem Salon gegen ber lag ein Esszimmer mit gew lbter Decke, in dem mit Korduanleder bezogene St hle um einen ovalen Tisch herum standen. Zwei Fenster gingen auf den Garten hinaus, der sanft zum benachbarten Anwesen hin abfiel. Olivia konnte ein Dach erkennen. In der Bibliothek verschwanden die W nde hinter B chern in franz sischer, englischer und spanischer Sprache. Nachdem sie die Titel einiger Gedichtsammlungen berflogen hatte, setzte sie sich an den Schreibtisch und z ndete die Lampe an, um nachzusehen, was die Schreibunterlage enthielt. Welche Entt uschung! Sie fand nur einige Bogen Velinpapier, auf denen links der Name "Villa Mauresque" aufgedruckt war, sowie ein mit Tintenflecken bers tes gr nes L schpapier. Auf der Suche nach interessanteren Hinweisen lie sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Auf dem Kaminsims standen kleine Aquarelle in orientalischem Stil auf h lzernen Staffeleien. In den Regalen fand sie noch weitere davon, dazu sch ne Kalligrafien. Doch kein einziges Foto erinnerte an einen Ort oder ein Ereignis, die das Leben des Verstorbenen gepr gt h tten.
Das Ger usch eines Wagens riss sie aus ihren Gedanken. Als in der Eingangshalle eine weibliche Stimme ert nte, stand sie von ihrem Stuhl auf.
"Guten Abend, Mohammed", h rte sie.
Der Rest der leisen Unterhaltung folgte auf Arabisch. Olivia z gerte, sich zu zeigen, doch dann siegte ihre Neugier.
"Olivia!", rief die Besucherin, als sie ihren Schlupfwinkel verlie . Unter dem breitkrempigen Regenhut war ihr Gesicht kaum zu erkennen. Mechanisch ergriff Olivia die Hand, die ihr entgegengestreckt wurde.
"Ich bin Elisabeth Langevin. Mein Vater wurde in letzter Minute auf eine Baustelle gerufen. Er f rchtete, der Termin k nne l nger dauern, und hat mich deshalb gebeten, Sie abzuholen."
Elisabeth nahm ihren Hut ab. Dichtes blondes Haar fiel auf ihre Schultern hinab und rahmte ebenm ige Z ge ein, in denen tiefblaue Augen leuchteten, deren scharfer Blick einsch chternd wirken konnte. Doch ihr L cheln, das kleine, regelm ige Z hne enth llte, hatte sich eine kindliche Frische bewahrt.
"Haben Sie sich ein wenig ausruhen k nnen?", fragte sie.
"Ich habe mich eigentlich nur im Haus umgesehen - und dabei gar nicht auf die Zeit geachtet. Ich h tte mich umziehen sollen", gestand Olivia betreten.
"Wir haben keine Eile. Ich warte im Salon auf Sie."
Eine Viertelstunde sp ter verlie en sie La Montagne, diesen zauberhaften Ort, an dem sich im Laufe der Jahre Europ er und Amerikaner auf gro z gigen Anwesen niedergelassen hatten. Trotz des Regens fuhr Elisabeth schnell, und mit einer gewissen Erleichterung stieg Olivia aus dem Wagen, als sie vor dem Haus der Langevins angekommen waren, die im Marschan-Viertel lebten.
Von der ersten Minute an mochte Olivia C cile Langevin, die sie an ihre Brust zog, als w rden sie sie seit Ewigkeiten kennen.
"Es tut mir leid, dass ich Sie nicht am Kai in Empfang nehmen konnte", entschuldigte sie sich. "Ich musste zu einer Versammlung, um unseren n chsten Basar vorzubereiten. Haben Mohammed und Fatima daf r gesorgt, dass Sie gut untergebracht wurden?"
"Ja. Ich muss mich nur noch ein wenig eingew hnen."
"Sie werden schon sehen: Sobald die Sonne wieder scheint, werden Sie Tanger lieben."
"Leben Sie schon lange hier?"
"Ich bin hier geboren", antwortete C cile. "Damals war die Stadt noch nicht viel mehr als ein kleiner Marktflecken. Mein Vater war bei der Armee, aber meine Mutter und meine ltere Schwester vertrugen weder das hei e Klima noch das Garnisonsleben. Er hat dieses Haus hier bauen lassen und uns zwischen seinen Feldz gen besucht."
Die Ankunft eines jungen Mannes unterbrach sie.
"Das ist Victor, mein Neffe. Er lebt in Casablanca und schaut immer mal wieder f r l ngere Zeit bei uns vorbei."
Victor war etwas lter als Elisabeth, doch er war genauso blond wie sie und hatte den gleichen durchdringenden Blick.
Man h tte sie leicht f r Bruder und Schwester halten k nnen.
"Sie werden keinen besseren F hrer finden, um Ihnen die Stadt zu zeigen", f gte C cile Langevin hinzu. "Er kennt die kasbah wie seine Westentasche."
Sie plauderten miteinander, bis Etienne Langevin nach Hause kam und ein paar Schluck Whisky nahm, um seine M digkeit und die rgernisse eines arbeitsreichen Tages zu vergessen.
"Dass sich diese Architekten aber auch immer so unsinnige Flausen in den Kopf setzen m ssen", klagte er. "Davon konnte Ihr Vater auch ein Lied singen", f gte er dann, an Olivia gewandt, hinzu.
Auf ihre Frage hin erz hlte er, wie er Jean Dorval kennen gelernt hatte.
"Vor f nfzehn Jahren hat er mich damit beauftragt, die Villa zu vergr ern, die er gerade gekauft hatte. Im Laufe der Arbeiten wurden wir Freunde. Wir taten uns zusammen und erwarben Grundst cke am Boulevard Pasteur, um dort Wohnblocks zu bauen. Der Erfolg hat rasch all unsere Erwartungen bertroffen. Die Leute rissen sich um die Apartments, die wir ihnen anboten. Und es geht immer noch so weiter, trotz der explosionsartig angestiegenen Preise!"
"Wer w rde auch nicht gerne in einer Stadt wohnen, die internationalen Status genie t?", fuhr C cile bekr ftigend fort. "In Tanger ist alles so einfach. Jeder darf eine Bank er ffnen, und die Stadt ist ein K nigreich f r Spekulanten."
"Und f r Schmuggler und Gangster", f gte Victor hinzu.
Spekulanten, Schmuggler, Gangster! Olivia, die nach strengen Prinzipien erzogen worden war, fragte sich, an welchen Ort sie da geraten war. Sie dachte an die Warnungen ihrer Mutter, die bis zum Schluss versucht hatte, ihr die Reise nach Marokko auszureden.
So viel Geld, da muss doch etwas faul sein.
Ein Grund mehr, mich dort einmal genauer umzusehen.
Mochte Genevi ve auch noch so sehr toben und versuchen, sie zu erpressen, Olivia hatte nicht nachgegeben. Sie war seit einem Jahr vollj hrig und hatte nun endlich die M glichkeit, der erdr ckenden Bevormundung ihrer Mutter zu entkommen.
"Ich werde vern nftig sein", hatte sie versprochen, ehe sie in den Zug nach Marseille gestiegen war.
Genevi ve war bis zur Abfahrt des Zuges auf dem Bahnsteig geblieben und hatte sich immer wieder die Tr nen aus den Augen getupft.
"Ich flehe dich an, Mama, sei nicht traurig. Ich werde auf keinen Fall l nger bleiben als n tig."
In Marseille angekommen, hatte sich Olivia besser gef hlt. Unter dem Schutz von Notre-Dame-de-la-Garde war sie an Bord eines Passagierschiffs der Compagnie Paquet gegangen. Umringt von Spaniern, Italienern, Engl ndern und Marokkanern, beobachtete sie, wie sich die franz sische K ste immer weiter entfernte.
Am anderen Ufer herrschte eine bersch umende Atmosph re. In einem fr hlichen, lauten Stimmengewirr tauschten Familien unter gro en Regenschirmen Komplimente aus, w hrend von einem pl tzlichen Wolkenbruch durchweichte kleine Jungen anboten, Gep ckst cke zu tragen, die doppelt oder dreimal so breit waren wie sie selbst. M helos erkannte Olivia Etienne Langevin, der ihr zuvor ein Foto von sich geschickt hatte. Er war so taktvoll gewesen, ihr nicht sein Beileid auszusprechen, was in diesem Fall vollkommen unsinnig gewesen w re. Nat rlich hatte sie ihren Vater verloren, aber die Bezeichnungen "Fremder" oder "Unbekannter" w ren zutreffender gewesen.
Als das Essen angek ndigt wurde, stand C cile auf und f hrte ihre junge Besucherin ins Esszimmer, das von einem Kristalll ster erleuchtet wurde. Im Hause Langevin sch tzte man den franz sischen Klassizismus. Kopien von M beln aus dem achtzehnten Jahrhundert sowie von Fragonard und Watteau inspirierte Gem lde und Stiche erinnerten an die gro b rgerliche Herkunft des Paares. C ciles Vater hatte den franz sischen Generalresidenten Lyautey auf seinen Befriedungsfeldz gen begleitet und war nach seiner Pensionierung in Tanger geblieben. In diesem Haus im Marschan-Viertel hatte sich C cile mit Etienne verlobt, der damals noch bei der Seebeh rde angestellt gewesen war.
Olivia, die rechts neben dem Hausherrn sa , probierte eine Fischsuppe, von der ein herrlicher Kr uterduft aufstieg.
"Ist sie auch nicht zu kr ftig gew rzt?", fragte C cile besorgt.
"Nein, ganz im Gegenteil, sie schmeckt wunderbar."
Zu den k stlichen Gerichten gesellten sich der Schwung und die Begeisterung von Elisabeth und Victor. Beide waren fasziniert von Ethnologie, und der junge Mann plante einen Dokumentarfilm ber die blauen M nner, die die W ste durchquerten.
"Wissen Sie, warum sie so genannt werden?", fragte er Olivia.
"Weil sie blaue Kleidung tragen."
"Das ist nicht ganz vollst ndig."
"Dann gebe ich auf."
"Ihre mit Indigo gef rbte Kleidung klebt auf ihrer schwei nassen Haut."
"Und dadurch wird sie blau", fuhr Elisabeth fort.
"Wann willst du denn aufbrechen?", fragte C cile ihren Neffen.
"Mitte Januar."
"Und genau dar ber wollten wir mit euch reden", erkl rte Elisabeth ihren Eltern ohne Umschweife. "Ich w rde Victor gerne begleiten."
"Victor begleiten!" C cile zuckte zusammen.
"Wir werden Marokko nicht verlassen", pr zisierte dieser.
"Das ist kein Argument."
"Mama, bitte."
"Ich bin absolut dagegen", erwiderte C cile.
"Und du, Papa?"
"Ich teile die Auffassung deiner Mutter. Au erdem geben wir dieses Abendessen zu Ehren von Olivia. Es ist also nicht der richtige Moment, um ber dieses Thema zu reden."
Olivia beobachtete Elisabeth und erkannte, dass diese sich keineswegs geschlagen gab. Die Tochter der Langevins war von einer ungew hnlichen Energie und Beharrlichkeit erf llt.
W hrend der restlichen Mahlzeit ging die Unterhaltung wieder ihren normalen Gang. Ehe C cile die Tafel aufhob, machte sie sich noch Gedanken ber Olivias Zeitvertreib.
"Morgen k nnten die Kinder Ihnen Tanger zeigen."
"Falls es nicht mehr regnet", verbesserte Elisabeth. "Ansonsten gehen wir einfach ins Kino."Noch halb verschlafen, tastete Olivia nach dem Schalter ihrer Nachttischlampe. Sie brauchte eine Weile, ehe ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr in Paris war. Mit einer raschen Geste schlug sie Bettlaken und Decke zur ck, trat ans Fenster und zog die Vorh nge zur Seite. Dann ffnete sie das Fenster und stie die L den auf. Der Duft der Blumen stieg ihr in die Nase. W hrend der Nacht hatte der Wind die Wolken vertrieben, und die Sonne leuchtete hell ber dem gro en Garten. Geblendet von so viel Licht, schloss sie die Augen. Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, ging sie hinunter ins Erdgeschoss, wo Mohammed damit besch ftigt war, einen Spiegel zu putzen.
"F hlen Sie sich auch nicht allzu verloren?", erkundigte sich Etienne Langevin besorgt und z ndete sich eine Zigarette an.
"Ein bisschen ..."
W hrend der fr here Gesch ftspartner ihres Vaters sie aufzumuntern versuchte, betrachtete Olivia ihn genauer. Er musste etwa f nfzig Jahre alt sein, und seine gedrungene Gestalt und seine breiten Schultern hatten etwas Beruhigendes.
"Unser Angebot gilt noch. Wenn Sie sich hier alleine nicht wohlf hlen, k nnen Sie auch gerne bei uns wohnen", sagte er.
"Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich werde versuchen, mich an das Haus zu gew hnen."
"Wenn das so ist, komme ich nachher vorbei und hole Sie zum Abendessen ab. Meine Frau und meine Tochter k nnen es kaum erwarten, Sie kennen zu lernen."
Mohammed f hrte Olivia in ihr Zimmer im ersten Stock. Seine vanillefarbenen W nde, die M bel aus Zitronenbaumholz und die Perkalvorh nge lie en sie an Sommerferien denken. Wer hatte darin gewohnt? Freunde ihres Vaters? Fl chtige Bekannte? Um herauszufinden, ob das Bett auch bequem war, legte sie sich auf die gesteppte Tagesdecke und pr fte die Kopfkissen. H tte sie sich vor einem Monat vorstellen k nnen, dass sie heute, am f nften November, in Tanger sein w rde? Laut wiederholte sie die beiden Silben: "Tanger!"
"Darf ich die Koffer auspacken?", wollte Fatima wissen, die auf leisen Sohlen hereingekommen war.
"Die Koffer? Ja, nat rlich."
Olivia berlie die Haush lterin ihrer Aufgabe und ging ins Badezimmer, wo sie vor einen Spiegel trat. Kritisch musterte sie ihre Augenbrauen - f r ihren Geschmack zu buschig -, ihre Augen, deren Farbe zwischen Grau und Gr n schwankte, die tief eingekerbte Nase, den ernsten Mund. Auch wenn andere behaupteten, sie sei attraktiv, war sie selbst nicht dieser Meinung. Sie wusch sich die H nde und versuchte, mithilfe eines Kamms ihr kupferrotes Haar zu gl tten, das sich in der feuchten Luft lockte.
Als sie fertig war, kehrte sie nicht in das Zimmer zur ck, in dem sich Fatima immer noch zu schaffen machte, sondern betrat stattdessen den danebenliegenden Raum. Hier sp rte sie zum ersten Mal seit ihrer Ankunft die Pr gung ihres Vaters. Eingesch chtert n herte sie sich einem Tisch, strich mit den Fingern behutsam ber eine Lederschatulle und hob ihren Deckel an. Sie enthielt mehrere Manschettenkn pfe aus Lapislazuli, Jade und Bergkristall sowie eine Uhr einer renommierten Marke, deren Zeiger elf Uhr zw lf anzeigten - den Zeitpunkt, an dem das Uhrwerk stehen geblieben war. Olivias Blick richtete sich auf das schmiedeeiserne Bett und den Nachttisch, auf dem noch eine Thermoskanne und ein Glas standen. Sie ging zu einem Wandschrank hin ber. Auf den Kleiderb geln hingen Blazer, Jacketts und Anz ge aus Leinen oder Wollstoff, die darauf warteten, angezogen zu werden. Sie nahm einen Smoking heraus, hielt ihn vor sich und versuchte, sich ein Bild von der Gr e und Statur des Mannes zu machen, der ihn getragen hatte. Dann dr ckte sie ihre Nase in den Alpakastoff, dem der Duft von V tiver entstr mte. Als sie eine Flasche entkorkte, auf deren Etikett der Name eines ber hmten englischen Parf meurs prangte, stieg er erneut auf. Es war doch verr ckt, erst nach zweiundzwanzig Jahren die Lebensweise und den Geschmack jenes Mannes kennen zu lernen, dem sie ihren Namen verdankte! Olivia Dorval, Tochter von Jean Dorval, der drei Monate vor ihrer Geburt pl tzlich beschlossen hatte, nicht mehr aus Marokko zur ckzukehren, wohin ihn seine damaligen Arbeitgeber auf Gesch ftsreise geschickt hatten.
Seit sie die Wahrheit kannte, hatte Olivia ihrer Mutter unabl ssig Fragen gestellt, doch diese hatte ihr nur wenige Antworten gegeben. Genevi ve war erst achtzehn gewesen, als sie dem damals vierundzwanzigj hrigen Jean Dorval begegnet war. Ein Jahr sp ter heirateten sie und zogen in eine kleine Wohnung im Pariser Viertel Batignolles. Jean arbeitete f r eine Firma, die Gew rze und Trockenfr chte aus Nordafrika importierte. Anfang des Jahres 1927 war er in Casablanca von Bord gegangen, um dort einen neuen Gesch ftsabschluss auszuhandeln. Zwei Wochen nach seiner Abreise k ndigte er bei seinem Arbeitgeber und schickte seiner Frau einen Brief, in dem er ihr mitteilte, dass er sich von ihr trennte. Genevi ve Dorval h tte sich wahrscheinlich umgebracht, w re sie nicht schwanger gewesen. Sie brachte das Kind bei ihren Eltern zur Welt, doch das Baby lag verkehrt herum, und so h tte es um ein Haar ihrem ungewollten Leben doch noch ein Ende gemacht.
Olivia ffnete die Schublade einer Kommode. Darin fand sie mehrere Fl schchen mit Medizin und ein Rezept, das vom 3. September 1949 datierte und von einem gewissen Doktor Paul Laforgue ausgestellt worden war. Wie lange war ihr Vater schon krank gewesen? Etienne Langevin hatte Olivia erst nach der Beerdigung angerufen. "Das hat er vor seinem Tod ausdr cklich so gew nscht", hatte er sich verteidigt, als sie sich beklagte, dass man sie nicht fr her benachrichtigt habe. Olivia hatte den gesamten Besitz des Verstorbenen geerbt.
"Wie heldenhaft, jetzt nach seinem Tod pl tzlich in Erscheinung zu treten", hatte Genevi ve geschimpft.
"Sei nicht ungerecht, Mama. Du hast ihm immer verweigert, mich zu sehen, wenn er in Frankreich war. Und alle drei Monate hat er uns Geld geschickt."
"Welches ich nie anger hrt habe!"
Lieber h tte Genevi ve auf der Stra e gebettelt, als die gro z gigen Gaben ihres Exmannes anzunehmen, f r den sie nur noch wilden Hass empfand. Sie hatte die berweisungen auf ein Konto eingezahlt, das ihre Tochter nutzte, seit sie vollj hrig geworden war.
Olivia verlie das Zimmer und ging ins Erdgeschoss hinab, auf das sie bisher nur einen fl chtigen Blick geworfen hatte. Dem Salon gegen ber lag ein Esszimmer mit gew lbter Decke, in dem mit Korduanleder bezogene St hle um einen ovalen Tisch herum standen. Zwei Fenster gingen auf den Garten hinaus, der sanft zum benachbarten Anwesen hin abfiel. Olivia konnte ein Dach erkennen. In der Bibliothek verschwanden die W nde hinter B chern in franz sischer, englischer und spanischer Sprache. Nachdem sie die Titel einiger Gedichtsammlungen berflogen hatte, setzte sie sich an den Schreibtisch und z ndete die Lampe an, um nachzusehen, was die Schreibunterlage enthielt. Welche Entt uschung! Sie fand nur einige Bogen Velinpapier, auf denen links der Name "Villa Mauresque" aufgedruckt war, sowie ein mit Tintenflecken bers tes gr nes L schpapier. Auf der Suche nach interessanteren Hinweisen lie sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Auf dem Kaminsims standen kleine Aquarelle in orientalischem Stil auf h lzernen Staffeleien. In den Regalen fand sie noch weitere davon, dazu sch ne Kalligrafien. Doch kein einziges Foto erinnerte an einen Ort oder ein Ereignis, die das Leben des Verstorbenen gepr gt h tten.
Das Ger usch eines Wagens riss sie aus ihren Gedanken. Als in der Eingangshalle eine weibliche Stimme ert nte, stand sie von ihrem Stuhl auf.
"Guten Abend, Mohammed", h rte sie.
Der Rest der leisen Unterhaltung folgte auf Arabisch. Olivia z gerte, sich zu zeigen, doch dann siegte ihre Neugier.
"Olivia!", rief die Besucherin, als sie ihren Schlupfwinkel verlie . Unter dem breitkrempigen Regenhut war ihr Gesicht kaum zu erkennen. Mechanisch ergriff Olivia die Hand, die ihr entgegengestreckt wurde.
"Ich bin Elisabeth Langevin. Mein Vater wurde in letzter Minute auf eine Baustelle gerufen. Er f rchtete, der Termin k nne l nger dauern, und hat mich deshalb gebeten, Sie abzuholen."
Elisabeth nahm ihren Hut ab. Dichtes blondes Haar fiel auf ihre Schultern hinab und rahmte ebenm ige Z ge ein, in denen tiefblaue Augen leuchteten, deren scharfer Blick einsch chternd wirken konnte. Doch ihr L cheln, das kleine, regelm ige Z hne enth llte, hatte sich eine kindliche Frische bewahrt.
"Haben Sie sich ein wenig ausruhen k nnen?", fragte sie.
"Ich habe mich eigentlich nur im Haus umgesehen - und dabei gar nicht auf die Zeit geachtet. Ich h tte mich umziehen sollen", gestand Olivia betreten.
"Wir haben keine Eile. Ich warte im Salon auf Sie."
Eine Viertelstunde sp ter verlie en sie La Montagne, diesen zauberhaften Ort, an dem sich im Laufe der Jahre Europ er und Amerikaner auf gro z gigen Anwesen niedergelassen hatten. Trotz des Regens fuhr Elisabeth schnell, und mit einer gewissen Erleichterung stieg Olivia aus dem Wagen, als sie vor dem Haus der Langevins angekommen waren, die im Marschan-Viertel lebten.
Von der ersten Minute an mochte Olivia C cile Langevin, die sie an ihre Brust zog, als w rden sie sie seit Ewigkeiten kennen.
"Es tut mir leid, dass ich Sie nicht am Kai in Empfang nehmen konnte", entschuldigte sie sich. "Ich musste zu einer Versammlung, um unseren n chsten Basar vorzubereiten. Haben Mohammed und Fatima daf r gesorgt, dass Sie gut untergebracht wurden?"
"Ja. Ich muss mich nur noch ein wenig eingew hnen."
"Sie werden schon sehen: Sobald die Sonne wieder scheint, werden Sie Tanger lieben."
"Leben Sie schon lange hier?"
"Ich bin hier geboren", antwortete C cile. "Damals war die Stadt noch nicht viel mehr als ein kleiner Marktflecken. Mein Vater war bei der Armee, aber meine Mutter und meine ltere Schwester vertrugen weder das hei e Klima noch das Garnisonsleben. Er hat dieses Haus hier bauen lassen und uns zwischen seinen Feldz gen besucht."
Die Ankunft eines jungen Mannes unterbrach sie.
"Das ist Victor, mein Neffe. Er lebt in Casablanca und schaut immer mal wieder f r l ngere Zeit bei uns vorbei."
Victor war etwas lter als Elisabeth, doch er war genauso blond wie sie und hatte den gleichen durchdringenden Blick.
Man h tte sie leicht f r Bruder und Schwester halten k nnen.
"Sie werden keinen besseren F hrer finden, um Ihnen die Stadt zu zeigen", f gte C cile Langevin hinzu. "Er kennt die kasbah wie seine Westentasche."
Sie plauderten miteinander, bis Etienne Langevin nach Hause kam und ein paar Schluck Whisky nahm, um seine M digkeit und die rgernisse eines arbeitsreichen Tages zu vergessen.
"Dass sich diese Architekten aber auch immer so unsinnige Flausen in den Kopf setzen m ssen", klagte er. "Davon konnte Ihr Vater auch ein Lied singen", f gte er dann, an Olivia gewandt, hinzu.
Auf ihre Frage hin erz hlte er, wie er Jean Dorval kennen gelernt hatte.
"Vor f nfzehn Jahren hat er mich damit beauftragt, die Villa zu vergr ern, die er gerade gekauft hatte. Im Laufe der Arbeiten wurden wir Freunde. Wir taten uns zusammen und erwarben Grundst cke am Boulevard Pasteur, um dort Wohnblocks zu bauen. Der Erfolg hat rasch all unsere Erwartungen bertroffen. Die Leute rissen sich um die Apartments, die wir ihnen anboten. Und es geht immer noch so weiter, trotz der explosionsartig angestiegenen Preise!"
"Wer w rde auch nicht gerne in einer Stadt wohnen, die internationalen Status genie t?", fuhr C cile bekr ftigend fort. "In Tanger ist alles so einfach. Jeder darf eine Bank er ffnen, und die Stadt ist ein K nigreich f r Spekulanten."
"Und f r Schmuggler und Gangster", f gte Victor hinzu.
Spekulanten, Schmuggler, Gangster! Olivia, die nach strengen Prinzipien erzogen worden war, fragte sich, an welchen Ort sie da geraten war. Sie dachte an die Warnungen ihrer Mutter, die bis zum Schluss versucht hatte, ihr die Reise nach Marokko auszureden.
So viel Geld, da muss doch etwas faul sein.
Ein Grund mehr, mich dort einmal genauer umzusehen.
Mochte Genevi ve auch noch so sehr toben und versuchen, sie zu erpressen, Olivia hatte nicht nachgegeben. Sie war seit einem Jahr vollj hrig und hatte nun endlich die M glichkeit, der erdr ckenden Bevormundung ihrer Mutter zu entkommen.
"Ich werde vern nftig sein", hatte sie versprochen, ehe sie in den Zug nach Marseille gestiegen war.
Genevi ve war bis zur Abfahrt des Zuges auf dem Bahnsteig geblieben und hatte sich immer wieder die Tr nen aus den Augen getupft.
"Ich flehe dich an, Mama, sei nicht traurig. Ich werde auf keinen Fall l nger bleiben als n tig."
In Marseille angekommen, hatte sich Olivia besser gef hlt. Unter dem Schutz von Notre-Dame-de-la-Garde war sie an Bord eines Passagierschiffs der Compagnie Paquet gegangen. Umringt von Spaniern, Italienern, Engl ndern und Marokkanern, beobachtete sie, wie sich die franz sische K ste immer weiter entfernte.
Am anderen Ufer herrschte eine bersch umende Atmosph re. In einem fr hlichen, lauten Stimmengewirr tauschten Familien unter gro en Regenschirmen Komplimente aus, w hrend von einem pl tzlichen Wolkenbruch durchweichte kleine Jungen anboten, Gep ckst cke zu tragen, die doppelt oder dreimal so breit waren wie sie selbst. M helos erkannte Olivia Etienne Langevin, der ihr zuvor ein Foto von sich geschickt hatte. Er war so taktvoll gewesen, ihr nicht sein Beileid auszusprechen, was in diesem Fall vollkommen unsinnig gewesen w re. Nat rlich hatte sie ihren Vater verloren, aber die Bezeichnungen "Fremder" oder "Unbekannter" w ren zutreffender gewesen.
Als das Essen angek ndigt wurde, stand C cile auf und f hrte ihre junge Besucherin ins Esszimmer, das von einem Kristalll ster erleuchtet wurde. Im Hause Langevin sch tzte man den franz sischen Klassizismus. Kopien von M beln aus dem achtzehnten Jahrhundert sowie von Fragonard und Watteau inspirierte Gem lde und Stiche erinnerten an die gro b rgerliche Herkunft des Paares. C ciles Vater hatte den franz sischen Generalresidenten Lyautey auf seinen Befriedungsfeldz gen begleitet und war nach seiner Pensionierung in Tanger geblieben. In diesem Haus im Marschan-Viertel hatte sich C cile mit Etienne verlobt, der damals noch bei der Seebeh rde angestellt gewesen war.
Olivia, die rechts neben dem Hausherrn sa , probierte eine Fischsuppe, von der ein herrlicher Kr uterduft aufstieg.
"Ist sie auch nicht zu kr ftig gew rzt?", fragte C cile besorgt.
"Nein, ganz im Gegenteil, sie schmeckt wunderbar."
Zu den k stlichen Gerichten gesellten sich der Schwung und die Begeisterung von Elisabeth und Victor. Beide waren fasziniert von Ethnologie, und der junge Mann plante einen Dokumentarfilm ber die blauen M nner, die die W ste durchquerten.
"Wissen Sie, warum sie so genannt werden?", fragte er Olivia.
"Weil sie blaue Kleidung tragen."
"Das ist nicht ganz vollst ndig."
"Dann gebe ich auf."
"Ihre mit Indigo gef rbte Kleidung klebt auf ihrer schwei nassen Haut."
"Und dadurch wird sie blau", fuhr Elisabeth fort.
"Wann willst du denn aufbrechen?", fragte C cile ihren Neffen.
"Mitte Januar."
"Und genau dar ber wollten wir mit euch reden", erkl rte Elisabeth ihren Eltern ohne Umschweife. "Ich w rde Victor gerne begleiten."
"Victor begleiten!" C cile zuckte zusammen.
"Wir werden Marokko nicht verlassen", pr zisierte dieser.
"Das ist kein Argument."
"Mama, bitte."
"Ich bin absolut dagegen", erwiderte C cile.
"Und du, Papa?"
"Ich teile die Auffassung deiner Mutter. Au erdem geben wir dieses Abendessen zu Ehren von Olivia. Es ist also nicht der richtige Moment, um ber dieses Thema zu reden."
Olivia beobachtete Elisabeth und erkannte, dass diese sich keineswegs geschlagen gab. Die Tochter der Langevins war von einer ungew hnlichen Energie und Beharrlichkeit erf llt.
W hrend der restlichen Mahlzeit ging die Unterhaltung wieder ihren normalen Gang. Ehe C cile die Tafel aufhob, machte sie sich noch Gedanken ber Olivias Zeitvertreib.
"Morgen k nnten die Kinder Ihnen Tanger zeigen."
"Falls es nicht mehr regnet", verbesserte Elisabeth. "Ansonsten gehen wir einfach ins Kino."Noch halb verschlafen, tastete Olivia nach dem Schalter ihrer Nachttischlampe. Sie brauchte eine Weile, ehe ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr in Paris war. Mit einer raschen Geste schlug sie Bettlaken und Decke zur ck, trat ans Fenster und zog die Vorh nge zur Seite. Dann ffnete sie das Fenster und stie die L den auf. Der Duft der Blumen stieg ihr in die Nase. W hrend der Nacht hatte der Wind die Wolken vertrieben, und die Sonne leuchtete hell ber dem gro en Garten. Geblendet von so viel Licht, schloss sie die Augen. Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, ging sie hinunter ins Erdgeschoss, wo Mohammed damit besch ftigt war, einen Spiegel zu putzen.
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Autoren-Porträt von Dominique Marny
Dominique Marny, die Nichte des Schriftstellers und Filmregisseurs Jean Cocteau, schreibt Drehbücher, Theaterstücke, Zeitschriftenartikel und Romane, die häufig in der Landschaft ihres Herzens, der Provence, spielen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Dominique Marny
- 2007, 349 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übers. v. Nathalie Lemmens
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442365066
- ISBN-13: 9783442365067
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