Kleines Lexikon biblischer Irrtümer

Das weiß doch nun wirklich jedes Kind: Eva lockte ihren Adam im Paradies mit einem Apfel, und mit dem Biss in diese verbotene Frucht begann dann jener Schlamassel, unter dem die Menschheit bis heute zu leiden hat. Die paradiesischen Zeiten waren jedenfalls ein für allemal vorbei. Oder nehmen wir die Evangelien: Durch sie wissen wir genau, was Jesus dachte, sagte und tat. Schließlich war er von morgens bis abends von vier Männern umgeben, die wie frühgeschichtliche Online-Reporter sein ganzes Leben akribisch aufschrieben.
Schade eigentlich, dass weder die Geschichte vom verbotenen Apfel noch die von den stets präsenten Jesus-Biographen stimmt.
In der Bibel ist nirgendwo davon die Rede, dass ausgerechnet der Biss in die bei uns so beliebte Kernfrucht es war, der sich so verhängnisvoll auswirkte. Das 1. Buch Mose spricht nur von nicht näher bezeichneten Früchten, die an einem ebenfalls nicht näher bezeichneten Baum in der Mitte des Paradiesgartens wachsen. Äpfel werden an keiner Stelle erwähnt.
Was das Leben Jesu angeht, kann man auch nicht davon ausgehen, dass es lückenlos protokolliert wurde. Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes führten damals nicht nur kein Tagebuch, sie brachten ihre Aufzeichnungen auch keinesfalls gleichzeitig mit dem Leben Jesu zu Papier. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen entstanden die vier Evangelien erst lange nach dem Kreuzestod von Golgatha.
Kleine Irrtümer über ein großes Buch, und vielleicht sind sie sogar verständlich. Denn unsere größte Geschichte, die je erzählt wurde christlichen Abendlands Genesis

Uwe Bork arbeitete zunächst als freier Journalist für Hörfunk, Fensehen, Zeitungen und Zeitschriften und ist heute Redaktionsleiter beim SWR-Fernsehen in Stuttgart. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Esslingen.