Küsse in der Moschee
Mein Wiedersehen mit Isfahan
Nach 14 Jahren reist Bruni Prasske erneut in den Iran - alleine und als Europäerin. Farbig und mitreißend beschreibt die Autorin ihre Reise durch ein Land zwischen Tradition und Moderne. Sie trifft aufgeschlossene, junge Frauen, erfährt von persönlichen Schicksalen, Hoffnungen und Träumen.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Küsse in der Moschee “
Nach 14 Jahren reist Bruni Prasske erneut in den Iran - alleine und als Europäerin. Farbig und mitreißend beschreibt die Autorin ihre Reise durch ein Land zwischen Tradition und Moderne. Sie trifft aufgeschlossene, junge Frauen, erfährt von persönlichen Schicksalen, Hoffnungen und Träumen.
Klappentext zu „Küsse in der Moschee “
Sechs Jahre nach Veröffentlichung ihrer Reiseerzählung »Mögen deine Hände niemals schmerzen«, die in Deutschland mehr als 200.000 begeisterte Leserinnen fand, ist Bruni Prasske der Sehnsucht ihres Herzens gefolgt und erneut in den Iran gereist. Dabei begegnet sie vor allem Frauen, die trotz der schwierigen politischen Verhältnisse ein erstaunlich modernes und freies Leben führen.
Eine mitreißende Liebeserklärung an ein faszinierendes Land und seine Menschen.
Sechs Jahre nach Veröffentlichung ihrer Reiseerzählung "Mögen deine Hände niemals schmerzen", die in Deutschland mehr als 200.000 begeisterte Leserinnen fand, ist Bruni Prasske der Sehnsucht ihres Herzens gefolgt und erneut in den Iran gereist. Dabei begegnet sie vor allem Frauen, die trotz der schwierigen politischen Verhältnisse ein erstaunlich modernes und freies Leben führen.
Bruni Prasske landet mit gemischten Gefühlen auf dem Flugplatz von Teheran. Sechs Jahre sind vergangen, seit ihr Bericht über ihre Reise und ihre verbotene Liebe zu einem iranischen Mann in Deutschland erschienen ist.
Wie hat sich das Land unter der ultrakonservativen Regierung von Präsident Ahmadinedshad verändert? Was bedeuten die Veränderungen für den Alltag der Menschen, insbesondere für die Frauen?
Bruni Prasske reist mit wachen Sinnen durch einen Iran, der nur wenig gemein hat mit den Bildern, die wir aus den Medien kennen. Eingebunden in das alltägliche Leben, ist sie mutig genug, sich von einem widersprüchlichen Land berühren und verändern zu lassen. In ihrem neuen spannenden Reisebericht zeigt sie die Zerrissenheit des Landes, in dem rigide Sittenwächter und politische Willkür herrschen, das aber gleichzeitig geprägt ist vom unaufhaltsamen Wandel der letzten Jahre, und dessen Alltag überraschende Freiräume bietet: eine orientalisch überbordende Fülle an Düften, Geräuschen, Gefühlen, die Bruni Prasske mit poetischer Sprache anschaulich beschreibt.
"Eine mutige Reise ins Unbekannte und ein Abenteuer voller überraschender Einblicke und Einsichten!" Hamburger Abendblatt
"Eines wird bei der Lektüre auf den ersten Blick klar: Es ist nicht nur die präzise und zugleich poetische Sprache, die diesen Bericht zu einem Leseerlebnis macht; dahinter steht eine Persönlichkeit, die es überhaupt erst ermöglicht, das zu erleben, was sie so mitreißend schildert. Sie ist keine naive Touristin, sondern eine wachsame Forschungsreisende, unbestechlich in ihrem Blick für die Zerrissenheit der iranischen Kultur und zugleich offen und mutig genug, sich von ihr berühren und verändern zu lassen." Nahost.de
"Die junge Deutsche, gebildet, sportlich, unabhängig und manchmal etwas vorwitzig, reist mit wachem Blick und großem Interesse für das Fremde in dieses Land. Experimentierfreudig, wenn auch nicht ohne Fingerspitzengefühl, tastet sie sich oft an die Grenzen des Möglichen vor!" Berner Zeitung
Sechs Jahre nach Veröffentlichung ihrer Reiseerzählung "Mögen deine Hände niemals schmerzen", die in Deutschland mehr als 200.000 begeisterte Leserinnen fand, ist Bruni Prasske der Sehnsucht ihres Herzens gefolgt und erneut in den Iran gereist. Dabei begegnet sie vor allem Frauen, die trotz der schwierigen politischen Verhältnisse ein erstaunlich modernes und freies Leben führen.
Bruni Prasske landet mit gemischten Gefühlen auf dem Flugplatz von Teheran. Sechs Jahre sind vergangen, seit ihr Bericht über ihre Reise und ihre verbotene Liebe zu einem iranischen Mann in Deutschland erschienen ist.
Wie hat sich das Land unter der ultrakonservativen Regierung von Präsident Ahmadinedshad verändert? Was bedeuten die Veränderungen für den Alltag der Menschen, insbesondere für die Frauen?
Bruni Prasske reist mit wachen Sinnen durch einen Iran, der nur wenig gemein hat mit den Bildern, die wir aus den Medien kennen. Eingebunden in das alltägliche Leben, ist sie mutig genug, sich von einem widersprüchlichen Land berühren und verändern zu lassen. In ihrem neuen spannenden Reisebericht zeigt sie die Zerrissenheit des Landes, in dem rigide Sittenwächter und politische Willkür herrschen, das aber gleichzeitig geprägt ist vom unaufhaltsamen Wandel der letzten Jahre, und dessen Alltag überraschende Freiräume bietet: eine orientalisch überbordende Fülle an Düften, Geräuschen, Gefühlen, die Bruni Prasske mit poetischer Sprache anschaulich beschreibt.
"Eine mutige Reise ins Unbekannte und ein Abenteuer voller überraschender Einblicke und Einsichten!" Hamburger Abendblatt
"Eines wird bei der Lektüre auf den ersten Blick klar: Es ist nicht nur die präzise und zugleich poetische Sprache, die diesen Bericht zu einem Leseerlebnis macht; dahinter steht eine Persönlichkeit, die es überhaupt erst ermöglicht, das zu erleben, was sie so mitreißend schildert. Sie ist keine naive Touristin, sondern eine wachsame Forschungsreisende, unbestechlich in ihrem Blick für die Zerrissenheit der iranischen Kultur und zugleich offen und mutig genug, sich von ihr berühren und verändern zu lassen." Nahost.de
"Die junge Deutsche, gebildet, sportlich, unabhängig und manchmal etwas vorwitzig, reist mit wachem Blick und großem Interesse für das Fremde in dieses Land. Experimentierfreudig, wenn auch nicht ohne Fingerspitzengefühl, tastet sie sich oft an die Grenzen des Möglichen vor!" Berner Zeitung
Lese-Probe zu „Küsse in der Moschee “
Bitte anschnallen!Die Passagiere werden z gig abgefertigt, und viel zu schnell muss auch ich meinen Ausweis vorzeigen. Der Pass ist vor sechs Jahren ausgestellt worden und tr gt noch keinen iranischen Stempel. Der Beamte k nnte annehmen, es sei meine erste Einreise. Ich versuche mir einzureden, eine normale Touristin zu sein, die sich auf die Sehensw rdigkeiten des Landes freut. Zwar ist der Zeitpunkt f r ein derartiges Vorhaben nicht der g nstigste, aber immerhin weist mein Visum mich eindeutig als Reisende aus. Ein Blick ber die Warteschlangen zeigt, dass keine weiteren Touristen aus Deutschland angekommen sind. Es wird schon nichts schiefgehen! Warum sollte sich die Islamische Republik f r mein Buch interessieren? Es ist vor sechs Jahren erschienen, und dass es sich unter Exiliranern gro er Beliebtheit erfreut, ist hier sicher nicht bekannt. Die Ver ffentlichung und die Presseberichte sind Schnee von gestern, versuche ich mir einzureden.
In den letzten Wochen hatte ich mich mit einigen Irankennern beraten. Einhellig zerstreuten sie meine Bedenken und best tigten, was ich tief im Innern f hlte: Mir wird nichts passieren! Alle anderen, ob deutsche oder iranische Freunde, Familienangeh rige und Bekannte, rieten mir dringend von einer Reise ab. Selbst Farid und Farhad war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, als ich sagte, ich wolle sie und ihr Land nach so vielen Jahren endlich wieder einmal besuchen. Aber derartige Bedenken kenne ich zur Gen ge. Immer wenn ich in den Iran reisen m chte, scheint es triftige Gr nde zu geben, es lieber nicht zu tun. Beim letzten Mal war es das so genannte Mykonosurteil, mit dem ein deutscher Richter den iranischen Geheimdienst als Drahtzieher eines Attentats in Berlin enttarnt hatte. Damals gab es antideutsche Demonstrationen und diplomatische Verwicklungen, die sogar mstreit, der mein Vorhaben zus tzlich erschwert und mir schlaflose N chte bereitet. Wir haben den 27. April 2006, und morgen l uft ein Ultimatum des
... mehr
UNO-Sicherheitsrates ab, das den Iran zur Einstellung seiner Urananreicherung auffordert. Das Land und sein neuer Pr sident stehen einmal mehr im Blickpunkt des Medieninteresses. Im Flugzeug hatte ich die aktuelle Ausgabe des "stern" gelesen. Das Magazin widmete seine Titelgeschichte dem Land hinter dem Schleier und bot mir eine bildreiche Einstimmung auf mein Reiseziel. Pl tzlich muss ich an den deutschen Angler denken, der vor wenigen Monaten in Dubai urlaubte und mit seinem Boot in persische Hoheitsgew sser geraten war. Nach seiner illegalen Grenz berschreitung war er verhaftet und k rzlich zu achtzehn Monaten Haft verurteilt worden. Seitdem sitzt er in iranischer Gefangenschaft. Die mysteri se Geschichte regt meine negative Fantasie an: Vielleicht hat das Regime auch an einer deutschen Autorin Interesse! Wom glich nehmen sie deutsche Staatsb rger unter fadenscheinigen Gr nden in Haft, um sie im Atomstreit als Faustpfand einzusetzen. Das erscheint mir pl tzlich derart naheliegend, dass ich bereits eine Reihe diplomatischer Verwicklungen vor Augen habe. Schlie lich bin ich Staatsb rgerin eines Landes, das im Atomstreit die gleiche ablehnende Haltung gegen die iranische Urananreicherung einnimmt wie der UNO-Sicherheitsrat und viele westliche Weltm chte. Nicht zuletzt hat Ahmadineschad mit der Verleugnung des Holocaust eine Position bezogen, die von deutscher Seite unter keinen Umst nden akzeptiert werden kann.
Wortlos reiche ich dem Beamten meinen Pass. Er bl ttert einige Male durch das Dokument, tippt meine Daten in einen Computer und schaut mich an. Ob er meine Anspannung sp rt? Ich h tte mein eigenes Buch noch einmal lesen sollen, schie t es mir durch den Kopf. Einige Passagen hatte ich seit der Ver ffentlichung nicht mehr zur Hand genommen. F r meine Lesungen w hle ich nur Teilabschnitte des Textes. Wie direkt hatte ich mich gegen die Mullahs ge u ert? Ganz sicher sind manche Forplaudieren, dann doch nur, weil ich das herrschende Regime kritisiere! Und meine Liebesgeschichte? Hatte ich nicht in aller Deutlichkeit bestehende moralische Grenzen berschritten?
Welch absurde Fragen ich mir pl tzlich stelle!? Zum falschen Zeitpunkt! Viel zu sp t! Ich h tte zu Hause bleiben sollen. Meine Freunde hatten Recht.
"Name of your hotel?"
Verdammt! Das h tte ich mir denken k nnen! Wie hei en die teuren Teheraner Hotels, in denen blicherweise die Ausl nder logieren? Warum bin ich nicht vorbereitet!
"I don't know", h re ich mich in beil ufigem Tonfall sagen.
Abwarten!? Oder lieber etwas sagen? Die ahnungslose Touristin spielen? Meine Persischkenntnisse behalte ich vorerst f r mich. Er schaut mich immer noch fragend an.
"Entschuldigen Sie bitte, aber ich kenne den Namen des Hotels nicht. Ein Mitarbeiter einer Touristenagentur erwartet mich hier am Flughafen", sage ich auf Englisch.
"Name of the hotel, please."
Ich erinnere mich an den Namen einer Agentur, die mir vorsorglich ein Bekannter genannt hatte. Der Beamte scheint ungeduldig zu werden. Er bl ttert erneut in meinem Pass, greift dann zu einem Stift und malt ein Zeichen auf mein Visum. Dann reicht er mir den Pass zur ck.
Ich atme tief durch. Es geht eine Treppe hoch. Alles sieht so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Hier hatte Farhad damals gestanden, um mir beizustehen. Auch der angrenzende Bereich mit den Rollb ndern ist unver ndert. Schon tauchen die ersten Koffer auf. Jemand bietet mir auf Deutsch einen Gep ckwagen an und l chelt. Die meisten Passagiere sind mit ihren Mobiltelefonen besch ftigt. Manche wechseln ihre Chipkarten und rufen kurz darauf Begr ungen in den H rer. berrascht beobachte ich die reibungslose Verbindung. Man hatte mir gesagt, es sei kompliziert und kostspielig, ein deutsches Ger t im Iran empfangsbereit zu rschen die gleichen rasanten Entwicklungen wie in Europa, wo gestrige Fakten heute schon ihre G ltigkeit verloren haben. Ich hatte mich eigentlich auf eine Reise ohne st ndige Erreichbarkeit eingestellt. Nur heute Abend muss ich den Lieben daheim ganz dringend mitteilen, dass ich unbehelligt einreisen konnte. Eine der wartenden Frauen zieht einen Tschador ber ihren Mantel. Der erste Tschador dieser Reise! Ich muss schmunzeln: Iran und der Tschador! Das ist ein Bild, das in den K pfen der meisten Nichtiraner unabwendbar miteinander verwoben ist. Mir signalisiert das schwarze Tuch den endg ltigen Startschuss zu einer besonderen Reise, und ich gebe mich der Vorfreude hin. Ich bin wieder da! berraschend, fast ungeplant, aus einer Laune heraus, aus Reiselust und Fernweh, aus Neugier und Abenteuerlust. Ich will mich treiben lassen, dem Zufall Raum geben und nicht alle Telefonnummern w hlen, die in meinem Notizbuch stehen. In diesem Land konnte ich mich bisher immer auf angenehme berraschungen verlassen. Hier kann jede Begegnung eine neue Offenbarung bereithalten und jede noch so fl chtige Bekanntschaft der Beginn einer tiefen N he sein.
Bis auf meine erste Station bei Farid und Farhad gibt es keinen Reiseplan und keine Verabredungen. Nur zwei junge Frauen wissen von meiner Ankunft. Sahel in Teheran und Mahtab in Maschad. Wir sind uns nie begegnet, aber das Internet hat uns zusammengef hrt.
Schon entdecke ich meine Taschen und schiebe meinen Wagen an das Rollband. Als ich mich nach unten beuge, rutscht mein Kopftuch herunter. Ich hatte den schmalen Schal nur leger umgelegt, die "Freiheit" bis an ihre Grenzen ausnutzend. Nun merke ich, dass ich das l ssige Tragen erst noch ben muss. Auch mein Mantel ist nach R cksprache mit Iranreisenden mindestens einen halben Meter k rzer als bei meinem letzten Aufenthalt und wirkt trotzdem bertrieben lang. Im Flugzeug habe ich die anderen Passagiere neugierig be ugt und musste feststellen, dass sich die Kleiderordnung noch mehr liberalisiert hat, als ich f r m gnkelansatz verbergende "M ntel" sind offenbar erlaubt. Die vergangene Chatami- ra l sst gr en. Unbehelligt gehe ich an zwei Damen von der Zollkontrolle vorbei. Ein Iranexperte hatte mir versichert, dass Ausl nder nicht kontrolliert werden. Die beiden tragen strenge Staatskleidung und lassen kaum eine Haarstr hne hervorblitzen. Ich gr e sie und nehme ihr L cheln als Willkommensgru . Nur noch wenige Schritte und das Abenteuer kann beginnen.
In der Menge der Wartenden sehe ich Farhad und Farid hinter der Absperrung stehen. Meine treuen Freunde recken ihre H lse und entdecken mich erst, als ich den Sicherheitsbereich verlassen habe. Bei meinen vorangegangenen Einreisen war es immer Farhad, der mich in Empfang nahm. Beim ersten Mal, vor vierzehn Jahren, war er noch der fremde Bruder meines Freundes Farid. Nun stehen sie gemeinsam in der erwartungsvollen Menschenmenge und winken mir zu. Farhads Haar ist lichter geworden, und Farids Locken leuchten ergraut ber seinem dunklen Gesicht. Seit wann tr gt er einen Bart?
"Willkommen", sagen sie wie aus einem Munde.
"Dass du es wirklich geschafft hast! Toll!", sagt Farid mit Erleichterung in der Stimme.
Wir umarmen uns, und ich f hle die alte Vertrautheit. Auch wenn unser Kontakt sich in den letzten Jahren auf wenige Telefonate und Mails beschr nkt hat und niemand an ein Wiedersehen im Iran gedacht hat, so wei ich mich vom ersten Moment an gut aufgehoben.
"Seit wann tr gst du einen Bart? Sieht brigens gut aus. Gef llt mir."
"Findest du? Die ganze Familie beschwert sich schon. Morgen fr h muss er ab, sonst bekomme ich rger mit Nasrin. Meiner Frau wird es langsam peinlich, mit mir auf die Stra e zu gehen. Ich habe ihn deinetwegen wachsen lassen."
rlich gesagt, ich h tte nie gedacht, dass sie dich reinlassen."
"Du willst mich auf den Arm nehmen."
"Bei dem, was du geschrieben hast! Noch deutlicher h ttest du dich ber die Typen da oben kaum beschweren k nnen. Dass sie dir berhaupt ein Visum gegeben haben, hat mich gewundert. Na ja, und dann dachte ich, das haben sie nur gemacht, um dich herzulocken. Ich hatte ein paar schlaflose N chte."
"Das tut mir wirklich leid, aber die haben hier doch ganz andere Probleme als das Buch einer deutschen Reisenden."
"Dein Unternehmen war mir jedenfalls nicht ganz geheuer. Bin ich froh, dass alles geklappt hat."
"Mit dem Bart und seiner Verkleidung sieht er aus wie einer von denen", sagt Farhad auf Persisch und deutet auf das locker sitzende Jackett und die weite Hose seines Bruders.
"Und so wolltet ihr mich herausholen?"
"Wir h tten es zumindest versucht. Getarnt als Regierungsanh nger."
"Du hattest schon immer die tollsten Ideen."
Es ist bereits dunkel, als meine Koffer im Wagen landen. Der orangefarbene Alfa Romeo ist 1976 ins Land gekommen und in seiner neuen Heimat leider nicht als Rarit t und Liebhaberst ck umsorgt worden. Nur mit M he kann ich die Beifahrert r schlie en.
"Bitte anschnallen", sagt Farhad.
"Was ist denn mit dir los?"
"Auch im Iran wird versucht, gewisse Verkehrsregeln einzuf hren."
Der Mechanismus stammt aus der Anfangszeit der Gurtpflicht, als das automatische Auf- und Abrollen noch unbekannt war. Kaum haben wir den Parkplatz verlassen, werden wir auch schon vom einzigartigen Teheraner Verkehr geschluckt. Am Meydan-e Asadi, dem Monument der Freiheit, erschrecke ich asen wir auf sie zu? Im L rm der Autohupen f hle ich mich g nzlich angekommen in dieser verwirrenden Metropole.
"Hat es hier schon immer so stark nach Abgasen gerochen?"
"Das kommt von unserem Wagen. Irgendetwas funktioniert mit dem Auspuff nicht. Mach das Fenster weiter auf und lass frische Luft herein."
Doch was nun in meine Nase str mt, verschl gt mir erst recht das Atmen. Die Stadt erstickt in den Abgasen aus Hunderttausenden von schrottreifen Kraftfahrzeugen ohne Katalysator, gegen die auch der milde Fr hlingswind mit seiner Frische wenig ausrichten kann. Irgendwie chauffiert Farhad uns in den Kreisverkehr und wechselt, unter lautstarker Mithilfe seiner Hupe, von einer der vielen inneren Spuren abrupt in einen Abzweig.
Seit einigen Jahren wohnen meine Freunde nicht mehr im wohlhabenden Norden Teherans, wo die Luft reiner, die Autos moderner, die Damen schicker und das Leben lebenswerter ist. Die angespannte Wirtschaftslage mit steigenden Preisen und der allgegenw rtigen Inflation hat den Lebensstandard meiner Freunde erheblich gesenkt. Sie k nnen sich die teuren Mieten in den bevorzugten Wohnvierteln nicht mehr leisten und sind mit ihrem gro en Familienanhang in eine der zahlreichen Vorst dte gezogen. Auf ihre neue Heimat bereiten sie mich mit wenig schmeichelhaften Worten vor. Die Stadt sei quasi aus dem Nichts entstanden. Sie waren damals die ersten Mieter in einem Wohnblock, so erkl ren sie mir, der in der Ein de stand. Inzwischen gibt es Hunderttausende von Bewohnern aus dem gesamten Iran, die in dem gesichtslosen Ort eine neue Heimat suchen. Aber ich bin nicht in den Iran gekommen, um einen Urlaub in angenehmer Atmosph re zu verbringen, ich bin froh, bei meinen Freunden zu sein, ganz gleich wo sie wohnen.
Auf der Autobahn geht es hnlich chaotisch zu wie im Stadtverkehr. Auf der Standspur rast ein Peykan an uns vorbei, pen. Aber mit einem "Alfa Romeo Giulia Nuova" kann man sich eine derartige Beleidigung nat rlich nicht gefallen lassen, und so tritt Farhad das Gaspedal durch. Aber der gequ lte Motor spielt nicht mit, und wir m ssen uns geschlagen geben.
"Oh nein, nicht schon wieder!", ruft er nach einer Weile. Der Wagen wird langsamer, und wir scheren auf die Standspur aus. "Wir haben einen platten Reifen."
In m igem Tempo rollen wir weiter und m ssen den rei enden Verkehrsfluss nur wenige Zentimeter neben uns vorbeirauschen lassen. Farhad macht keinerlei Anstalten zu halten. Ich bin noch immer mit meiner gegl ckten Einreise besch ftigt und verschwende keine Gedanken an das bedrohliche Chaos auf der Autobahn. Viele Autos rasen ohne Licht an uns vorbei, und nicht wenige Fahrer leben hier ganz offensichtlich ihre privaten Formel-Eins-Tr ume aus. Wenn uns Autobusse berholen, werden wir regelrecht durchgesch ttelt. Derweil str men die Rauchschwaden eines Lkw durchs Fenster herein. Ein Blick in Farids Gesicht verr t mir, dass ihm unsere Lage berhaupt nicht gef llt.
"Einen Ersatzreifen haben wir nicht. Der ist auf der Hinfahrt draufgegangen. Wir haben wirklich Pech. Sonst l uft der Wagen wie geschmiert."
"Wie weit ist es denn?"
"Drei ig Kilometer."
"So weit? Und was machen wir nun?"
"Erst mal weiterfahren. Wir haben keine Wahl."
Auf einem Parkplatz steht ein Polizeiwagen, doch der Beamte wei auch keinen Rat. Mit unserem platten Reifen schaffen wir es noch einige Kilometer bis zu einer Abfahrt.
"W re ziemlich rgerlich, wenn mir kurz nach der gegl ckten Einreise bei einem Verkehrsunfall was passiert."
"Habe ich auch schon berlegt", sagt Farid mit einem schiefen Grinsen.
lverschmierter Grube besteht. Einen passenden Reifen gibt es dort nicht, aber der Mechaniker wird das Problem schon irgendwie l sen.
Stunden sp ter kann ich endlich in Deutschland anrufen und meine Gastgeschenke aus der Tasche holen.
"Ich hoffe, du magst sie immer noch gern", sage ich zu Farid und reiche ihm eine Dose Leberwurst.
"Wow! Nasrin, schau mal! Leberwurst. Sosis Dschigar!", sagt er in einer deutsch-persischen Mischung, und pl tzlich zeigt er das gleiche jugendliche Funkeln und das gleiche verschmitzte L cheln wie der Student, den ich vor zwanzig Jahren an der Universit t kennen gelernt habe.
"Danke! Das ist so toll! Wahnsinn! Dass du daran gedacht hast! Wei t du, wie lange ich keine deutsche Leberwurst mehr gegessen habe? Siehst du, mir l uft schon das Wasser im Mund zusammen! Ich kann nicht mehr warten. Nasrin, wo ist der Dosen ffner?"
Kaum ist die Wurst offen, da schnuppert Farid auch schon an dem aufsteigenden Aroma wie andere an einem edlen Parf m.
"Hier ist noch ein anderer Leckerbissen. Es muss aber unter uns bleiben, dass sie bei dir gelandet ist. Die habe ich selber von einem Reisenden geschenkt bekommen."
"Ich fasse es nicht!"
Aufmerksam liest er jedes einzelne Wort auf der Banderole und l sst es auf der Zunge zergehen.
"Chorizo de Andalucia. Die ist ja echt original."
"Aus Sevilla."
Als er an der spanischen Salami schnuppert, entdecke ich Tr nen der Freude in seinen Augen. Spanien war immer sein gro er Traum. Das Land, in dem er sich auch als fl chtiger Reisender heimisch gef hlt hat, oftmals heimischer als in Deutschland.
"Chob, gut", sagt Farhad, "dann k mmere ich mich wohl besser um die passenden Getr nke."
anschauen.unterm Arm steht er wenig sp ter wieder vor der T r. Er schneidet einen merkw rdigen Aluminiumbeutel auf, in dem sich Wodka befinden soll. Die 320-ml-Verpackung tr gt die appetitliche Aufschrift "Black Death - for Export" und stammt angeblich aus Russland. Farhad schneidet Limonenst cke, und die M nner trinken den Wodka pur und schieben ein St ckchen Chorizo hinterher. Der Nachbar tr gt zur Vervollkommnung dieser lustigen Empfangsrunde ein Shirt mit der Aufschrift "Macho". Die Frauen st bern derweil in der Kosmetik- und Sonnenbrillenauswahl, die ich aus Deutschland f r sie mitgebracht habe.
Als Nasrin den Tisch f r das Abendessen deckt, haben sich bereits ein Dutzend G ste eingefunden.
"Extra f r dich. Heute morgen ganz frisch geerntet", sagt sie und zeigt auf die Platte mit den frischen Kr utern. Sabsi chordan, darauf hatte ich mich schon lange gefreut. Die wohlschmeckende Kr utermischung darf auf keinem gut gedeckten Tisch fehlen.
"Wir sind alle dicker geworden, und du bist d nner geworden. Das ist gemein. Wie machst du das?", sagt Mithra.
"Ich wiege fast genauso viel wie vorher. Wirklich."
"Aber du siehst schlanker aus."
"Das muss am Sport liegen. Ich bin inzwischen Marathonl uferin."
Dar ber wollen die versammelten Damen mehr h ren. Sie plagen sich allesamt mit Gewichtsproblemen und fehlender Bewegung. In ihrer Siedlung hat k rzlich ein Sportstudio f r Frauen er ffnet, und sie gehen seit zwei Wochen regelm ig zum Training. Erste Erfolge seien bereits zu erkennen, sagen sie und berichten stolz von gemeinsamen Bauch- und H ftumfangmessungen vor jeder Aerobic-Stunde. Ihre Trainerin f hrt ein strenges Protokoll ber jeden Zentimeter. Das muss ich mir unbedingt
chen m chte.ebessehnsucht
Mit ihrer letzten Mail vor meiner Ankunft im Iran hatte Sahel ihre Telefonnummer geschickt. Vor mehr als zwei Jahren hatte sie ber meine Website Kontakt zu mir aufgenommen. Damals war ich berrascht, eine deutschsprachige Nachricht aus dem Iran zu bekommen. Sie schrieb mir, dass sie in Isfahan "Deutsch als Fremdsprache" studiert habe und in Teheran f r eine deutsche Firma als bersetzerin arbeite. Ihre Heimat hat sie noch nie verlassen und ihre Fremdsprachenkenntnisse an der Universit t erlernt. Von einem befreundeten Deutschen hatte sie mein Buch geschenkt bekommen und mir nach der Lekt re spontan geschrieben. Sie war erfreut ber meinen Blick auf ihre Heimat und hatte sich sogar daf r bedankt. Sahel ist eine eifrige Mailschreiberin und schickt mir zu allen deutschen Feiertagen spezielle Gru karten. Erst durch sie habe ich gelernt, dass es sogar Pfingstgru karten gibt. Zu ihrem Bedauern konnten wir uns nicht ber ihre deutsche Lieblings-Soap "Bianca - Wege zum Gl ck" austauschen, von der sie keine Folge verpasst hat. Ich bin neugierig auf die junge Frau, die auf Fotos so zerbrechlich wirkt. Als ich ihre Mobilnummer w hle, habe ich sofort Anschluss.
"Sahel?"
"Bruni? Saalaam! Ich habe auf deinen Anruf gewartet. Wo bist du?"
Als ich mich noch dar ber wundere, dass sie mich schon beim ersten Wort erkennt, best rmt sie mich mit weiteren Fragen.
"Wann k nnen wir uns sehen? Wo bist du? Wie geht es dir? Wann bist du angekommen? Wo wohnst du?"
Ich schlage ein Treffen am Park-e Lale in Teheran vor. Dort befindet sich auch das Teppichmuseum, das ich unbedingt besu
izierte und weite Anreise aus der Vorstadt bis ins Teheraner Zentrum, aber ich m chte trotzdem die ffentlichen Verkehrsmittel ausprobieren, ber die sich hier alle nur mit Missfallen u ern. Nasrin wartet mit mir am Stra enrand, bis der richtige Bus zur Metrostation auftaucht. F r umgerechnet sieben Cent bekomme ich eine Fahrkarte und glaube zun chst, mich verh rt zu haben. Die persischen Zahlen waren schon immer meine Schw che, aber tats chlich gibt der Fahrer mir auf meinen Hundert-Tuman-Schein einige M nzen heraus. Ich setze mich auf einen der hinteren Frauenpl tze, die durch eine Stange vom vorderen M nnerbereich abgetrennt sind. Die Fahrt soll ungef hr eine halbe Stunde dauern, hat Nasrin gesagt. Die Metrostation in Karadsch m sste ich eigentlich wiedererkennen, da wir gestern mit dem Wagen daran vorbeigefahren sind. Zur Sicherheit ruft sie dem Fahrer noch hinterher, dass er mich rechtzeitig rausschicken soll. Zum Abschied winkt sie mir aufmunternd zu. Bei Farid und Nasrin treffe ich mit meinen Unternehmungen auf gro es Verst ndnis. Andere iranische Familien w rden ihren Gast garantiert nicht unbegleitet in das un bersichtliche Verkehrschaos entlassen. Aber Farids Familie versteht, dass ich mich allein ins Get mmel st rzen m chte, und sie vertrauen darauf, dass ich auftretende Probleme schon irgendwie meistern werde. Mit den ffentlichen Bussen fahren vorwiegend Leute, die sich eines der ebenfalls g nstigen Sammeltaxis nicht leisten k nnen. Die Frauen auf den Nebensitzen schauen mich neugierig an, zwei junge M dchen tuscheln, aber trauen sich nicht, mich anzusprechen. Auch von der Stra e treffen mich berraschte Blicke. Einen derart ungew hnlichen Fahrgast sieht man hier nicht alle Tage. Es wird h chste Zeit, mich wieder daran zu gew hnen, als Ausl nderin das Interesse der Einheimischen zu wecken. Es ist quasi unm glich, nicht aufzufallen. Der Bus f hrt durch die junge Stadt, die auf der Landkarte in meinem Reisef hrer fehlt, obwohl sie mehrere hunderttausend Einwohner z hlt. Bisher habe ich mich geografisch an Karadsch orientiert, nzig Kilometer. Karadsch hat sich in den letzten Jahrzehnten von allen iranischen St dten am schnellsten vergr ert. Mit den neu entstandenen St dten Fardis, deren Name im bertragenen Sinne "Paradies" bedeutet, und Marlik wird es sicher eines Tages verschmelzen und sich schlie lich mit der vierzehn Millionen Einwohner z hlenden Metropole Teheran zu einer der gr ten Megacitys der Welt vereinen. Vor wenigen Jahren wurden hier noch Obstg rten und Felder bestellt, deren Fr chte auf den M rkten der Hauptstadt angeboten wurden. Viele H user sind nur halb fertig und warten noch auf einen Au enverputz. Blanke Steine und Stahltr ger, die aus nacktem Beton ragen, sowie unvollendete Obergeschosse bieten ein provisorisches und liebloses Bild. Das Fehlen jeglicher Begr nung wirkt auf meinen norddeutschen Blick wie ein Abbild an Trostlosigkeit. Weit und breit gibt es keinen Baum, keinen Strauch und keine Gr nfl che. Der Wind wirbelt ber den Baul cken lehmfarbenen Staub und Plastikfetzen auf. Es erscheint mir, als w rde hier keine Stadtplanung existieren, zumindest keine, die auf die Bed rfnisse der Bewohner nach Freizeitfl chen R cksicht nimmt. Was geschieht mit dem Wissen der vielen Architekten und Stadtplaner des Iran, die sicher nicht weniger engagiert und ideenreich an ein Projekt herangehen w rden als andernorts? Offenbar werden ihnen in dieser gro en Trabantenstadt keine M glichkeiten zur Entfaltung ihrer modernen Ideen geboten. In neueren iranischen Kinoproduktionen werden gern junge Architektinnen gezeigt, die mit einem Schutzhelm ber ihrem Kopftuch auf Baustellen die Arbeiter anweisen. Von ihnen ist weit und breit nichts zu sehen. Nicht von ungef hr verbirgt sich hinter der imposantesten Baustelle dieses Stadtteils eine Moschee. An einem Kreisverkehr entsteht ein m chtiges Kuppelgeb ude, vor dem Handwerker auf Ger sten stehen und Bauteile einf gen. Der beeindruckende Rohbau ist gerahmt von zwei halb fertigen Minaretten.
Die Hauptstra e ist belebt, und unser Bus k mpft sich lautstark durch den morgendlichen Verkehr. Staunend beobachte ich hg ltigkeit verf gt, um sich hier zu behaupten. Er hat einen Stapel frisches Fladenbrot auf den Gep cktr ger geklemmt und h lt mit einer Hand eine Blechkanne. Gesch fte reihen sich aneinander, Reklameschilder werben f r internationale Produkte, und junge M dchen in modischer Kleidung setzen bunte Akzente zwischen den vielen Frauen im schwarzen Tschador, die ber den Gehweg huschen.
Die Metro von Karadsch nach Teheran, mit Anschluss an das innerst dtische Netz der Metropole, hat Ende der neunziger Jahre ihren Betrieb aufgenommen. In der gro z gigen Bahnhofshalle folge ich den anderen Fahrg sten und bekomme mein Ticket f r hundert Tuman, was umgerechnet zehn Cent ausmacht. Der Bahnsteig ist bereits mit Wartenden gef llt. F r alleinreisende Frauen ist der vordere Wagen reserviert. Ich schlendere an den Pendlern vorbei und genie e die W rme. F r mich sind es die ersten Sonnenstrahlen des Jahres. Der Fr hling hatte sich in Deutschland Zeit gelassen, und so liegen fast sieben Monate ohne w rmende Sonne hinter mir. Wie gern w rde ich meinen Mantel l ften und meine Beine den wohltuenden Strahlen aussetzen. Am Ende der gemischten Zone finde ich einen Sitzplatz und beobachte die Wartenden. Bei den meisten Fahrg sten handelt es sich um Jugendliche, und damit k nnte die Menschenansammlung an dieser Station ein Abbild der iranischen Gesellschaft sein: Der Altersdurchschnitt liegt bei unter vierundzwanzig Jahren und geh rt damit zu den niedrigsten der Welt. Siebzig Prozent der Iranerinnen und Iraner sind unter f nfundzwanzig Jahre alt. Es war Ayatollah Chomeini, der w hrend des achtj hrigen Krieges gegen den Irak, ab 1980, die Bev lkerung anregte, einen steten Nachwuchs von Gotteskriegern zu gew hrleisten. Es kam zu einer wahren Bev lkerungsexplosion, mit der sich innerhalb eines Vierteljahrhunderts die Einwohnerzahl auf knapp siebzig Millionen Menschen verdoppelt hat.Ein junges Paar weckt meine Neugier.
Wortlos reiche ich dem Beamten meinen Pass. Er bl ttert einige Male durch das Dokument, tippt meine Daten in einen Computer und schaut mich an. Ob er meine Anspannung sp rt? Ich h tte mein eigenes Buch noch einmal lesen sollen, schie t es mir durch den Kopf. Einige Passagen hatte ich seit der Ver ffentlichung nicht mehr zur Hand genommen. F r meine Lesungen w hle ich nur Teilabschnitte des Textes. Wie direkt hatte ich mich gegen die Mullahs ge u ert? Ganz sicher sind manche Forplaudieren, dann doch nur, weil ich das herrschende Regime kritisiere! Und meine Liebesgeschichte? Hatte ich nicht in aller Deutlichkeit bestehende moralische Grenzen berschritten?
Welch absurde Fragen ich mir pl tzlich stelle!? Zum falschen Zeitpunkt! Viel zu sp t! Ich h tte zu Hause bleiben sollen. Meine Freunde hatten Recht.
"Name of your hotel?"
Verdammt! Das h tte ich mir denken k nnen! Wie hei en die teuren Teheraner Hotels, in denen blicherweise die Ausl nder logieren? Warum bin ich nicht vorbereitet!
"I don't know", h re ich mich in beil ufigem Tonfall sagen.
Abwarten!? Oder lieber etwas sagen? Die ahnungslose Touristin spielen? Meine Persischkenntnisse behalte ich vorerst f r mich. Er schaut mich immer noch fragend an.
"Entschuldigen Sie bitte, aber ich kenne den Namen des Hotels nicht. Ein Mitarbeiter einer Touristenagentur erwartet mich hier am Flughafen", sage ich auf Englisch.
"Name of the hotel, please."
Ich erinnere mich an den Namen einer Agentur, die mir vorsorglich ein Bekannter genannt hatte. Der Beamte scheint ungeduldig zu werden. Er bl ttert erneut in meinem Pass, greift dann zu einem Stift und malt ein Zeichen auf mein Visum. Dann reicht er mir den Pass zur ck.
Ich atme tief durch. Es geht eine Treppe hoch. Alles sieht so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Hier hatte Farhad damals gestanden, um mir beizustehen. Auch der angrenzende Bereich mit den Rollb ndern ist unver ndert. Schon tauchen die ersten Koffer auf. Jemand bietet mir auf Deutsch einen Gep ckwagen an und l chelt. Die meisten Passagiere sind mit ihren Mobiltelefonen besch ftigt. Manche wechseln ihre Chipkarten und rufen kurz darauf Begr ungen in den H rer. berrascht beobachte ich die reibungslose Verbindung. Man hatte mir gesagt, es sei kompliziert und kostspielig, ein deutsches Ger t im Iran empfangsbereit zu rschen die gleichen rasanten Entwicklungen wie in Europa, wo gestrige Fakten heute schon ihre G ltigkeit verloren haben. Ich hatte mich eigentlich auf eine Reise ohne st ndige Erreichbarkeit eingestellt. Nur heute Abend muss ich den Lieben daheim ganz dringend mitteilen, dass ich unbehelligt einreisen konnte. Eine der wartenden Frauen zieht einen Tschador ber ihren Mantel. Der erste Tschador dieser Reise! Ich muss schmunzeln: Iran und der Tschador! Das ist ein Bild, das in den K pfen der meisten Nichtiraner unabwendbar miteinander verwoben ist. Mir signalisiert das schwarze Tuch den endg ltigen Startschuss zu einer besonderen Reise, und ich gebe mich der Vorfreude hin. Ich bin wieder da! berraschend, fast ungeplant, aus einer Laune heraus, aus Reiselust und Fernweh, aus Neugier und Abenteuerlust. Ich will mich treiben lassen, dem Zufall Raum geben und nicht alle Telefonnummern w hlen, die in meinem Notizbuch stehen. In diesem Land konnte ich mich bisher immer auf angenehme berraschungen verlassen. Hier kann jede Begegnung eine neue Offenbarung bereithalten und jede noch so fl chtige Bekanntschaft der Beginn einer tiefen N he sein.
Bis auf meine erste Station bei Farid und Farhad gibt es keinen Reiseplan und keine Verabredungen. Nur zwei junge Frauen wissen von meiner Ankunft. Sahel in Teheran und Mahtab in Maschad. Wir sind uns nie begegnet, aber das Internet hat uns zusammengef hrt.
Schon entdecke ich meine Taschen und schiebe meinen Wagen an das Rollband. Als ich mich nach unten beuge, rutscht mein Kopftuch herunter. Ich hatte den schmalen Schal nur leger umgelegt, die "Freiheit" bis an ihre Grenzen ausnutzend. Nun merke ich, dass ich das l ssige Tragen erst noch ben muss. Auch mein Mantel ist nach R cksprache mit Iranreisenden mindestens einen halben Meter k rzer als bei meinem letzten Aufenthalt und wirkt trotzdem bertrieben lang. Im Flugzeug habe ich die anderen Passagiere neugierig be ugt und musste feststellen, dass sich die Kleiderordnung noch mehr liberalisiert hat, als ich f r m gnkelansatz verbergende "M ntel" sind offenbar erlaubt. Die vergangene Chatami- ra l sst gr en. Unbehelligt gehe ich an zwei Damen von der Zollkontrolle vorbei. Ein Iranexperte hatte mir versichert, dass Ausl nder nicht kontrolliert werden. Die beiden tragen strenge Staatskleidung und lassen kaum eine Haarstr hne hervorblitzen. Ich gr e sie und nehme ihr L cheln als Willkommensgru . Nur noch wenige Schritte und das Abenteuer kann beginnen.
In der Menge der Wartenden sehe ich Farhad und Farid hinter der Absperrung stehen. Meine treuen Freunde recken ihre H lse und entdecken mich erst, als ich den Sicherheitsbereich verlassen habe. Bei meinen vorangegangenen Einreisen war es immer Farhad, der mich in Empfang nahm. Beim ersten Mal, vor vierzehn Jahren, war er noch der fremde Bruder meines Freundes Farid. Nun stehen sie gemeinsam in der erwartungsvollen Menschenmenge und winken mir zu. Farhads Haar ist lichter geworden, und Farids Locken leuchten ergraut ber seinem dunklen Gesicht. Seit wann tr gt er einen Bart?
"Willkommen", sagen sie wie aus einem Munde.
"Dass du es wirklich geschafft hast! Toll!", sagt Farid mit Erleichterung in der Stimme.
Wir umarmen uns, und ich f hle die alte Vertrautheit. Auch wenn unser Kontakt sich in den letzten Jahren auf wenige Telefonate und Mails beschr nkt hat und niemand an ein Wiedersehen im Iran gedacht hat, so wei ich mich vom ersten Moment an gut aufgehoben.
"Seit wann tr gst du einen Bart? Sieht brigens gut aus. Gef llt mir."
"Findest du? Die ganze Familie beschwert sich schon. Morgen fr h muss er ab, sonst bekomme ich rger mit Nasrin. Meiner Frau wird es langsam peinlich, mit mir auf die Stra e zu gehen. Ich habe ihn deinetwegen wachsen lassen."
rlich gesagt, ich h tte nie gedacht, dass sie dich reinlassen."
"Du willst mich auf den Arm nehmen."
"Bei dem, was du geschrieben hast! Noch deutlicher h ttest du dich ber die Typen da oben kaum beschweren k nnen. Dass sie dir berhaupt ein Visum gegeben haben, hat mich gewundert. Na ja, und dann dachte ich, das haben sie nur gemacht, um dich herzulocken. Ich hatte ein paar schlaflose N chte."
"Das tut mir wirklich leid, aber die haben hier doch ganz andere Probleme als das Buch einer deutschen Reisenden."
"Dein Unternehmen war mir jedenfalls nicht ganz geheuer. Bin ich froh, dass alles geklappt hat."
"Mit dem Bart und seiner Verkleidung sieht er aus wie einer von denen", sagt Farhad auf Persisch und deutet auf das locker sitzende Jackett und die weite Hose seines Bruders.
"Und so wolltet ihr mich herausholen?"
"Wir h tten es zumindest versucht. Getarnt als Regierungsanh nger."
"Du hattest schon immer die tollsten Ideen."
Es ist bereits dunkel, als meine Koffer im Wagen landen. Der orangefarbene Alfa Romeo ist 1976 ins Land gekommen und in seiner neuen Heimat leider nicht als Rarit t und Liebhaberst ck umsorgt worden. Nur mit M he kann ich die Beifahrert r schlie en.
"Bitte anschnallen", sagt Farhad.
"Was ist denn mit dir los?"
"Auch im Iran wird versucht, gewisse Verkehrsregeln einzuf hren."
Der Mechanismus stammt aus der Anfangszeit der Gurtpflicht, als das automatische Auf- und Abrollen noch unbekannt war. Kaum haben wir den Parkplatz verlassen, werden wir auch schon vom einzigartigen Teheraner Verkehr geschluckt. Am Meydan-e Asadi, dem Monument der Freiheit, erschrecke ich asen wir auf sie zu? Im L rm der Autohupen f hle ich mich g nzlich angekommen in dieser verwirrenden Metropole.
"Hat es hier schon immer so stark nach Abgasen gerochen?"
"Das kommt von unserem Wagen. Irgendetwas funktioniert mit dem Auspuff nicht. Mach das Fenster weiter auf und lass frische Luft herein."
Doch was nun in meine Nase str mt, verschl gt mir erst recht das Atmen. Die Stadt erstickt in den Abgasen aus Hunderttausenden von schrottreifen Kraftfahrzeugen ohne Katalysator, gegen die auch der milde Fr hlingswind mit seiner Frische wenig ausrichten kann. Irgendwie chauffiert Farhad uns in den Kreisverkehr und wechselt, unter lautstarker Mithilfe seiner Hupe, von einer der vielen inneren Spuren abrupt in einen Abzweig.
Seit einigen Jahren wohnen meine Freunde nicht mehr im wohlhabenden Norden Teherans, wo die Luft reiner, die Autos moderner, die Damen schicker und das Leben lebenswerter ist. Die angespannte Wirtschaftslage mit steigenden Preisen und der allgegenw rtigen Inflation hat den Lebensstandard meiner Freunde erheblich gesenkt. Sie k nnen sich die teuren Mieten in den bevorzugten Wohnvierteln nicht mehr leisten und sind mit ihrem gro en Familienanhang in eine der zahlreichen Vorst dte gezogen. Auf ihre neue Heimat bereiten sie mich mit wenig schmeichelhaften Worten vor. Die Stadt sei quasi aus dem Nichts entstanden. Sie waren damals die ersten Mieter in einem Wohnblock, so erkl ren sie mir, der in der Ein de stand. Inzwischen gibt es Hunderttausende von Bewohnern aus dem gesamten Iran, die in dem gesichtslosen Ort eine neue Heimat suchen. Aber ich bin nicht in den Iran gekommen, um einen Urlaub in angenehmer Atmosph re zu verbringen, ich bin froh, bei meinen Freunden zu sein, ganz gleich wo sie wohnen.
Auf der Autobahn geht es hnlich chaotisch zu wie im Stadtverkehr. Auf der Standspur rast ein Peykan an uns vorbei, pen. Aber mit einem "Alfa Romeo Giulia Nuova" kann man sich eine derartige Beleidigung nat rlich nicht gefallen lassen, und so tritt Farhad das Gaspedal durch. Aber der gequ lte Motor spielt nicht mit, und wir m ssen uns geschlagen geben.
"Oh nein, nicht schon wieder!", ruft er nach einer Weile. Der Wagen wird langsamer, und wir scheren auf die Standspur aus. "Wir haben einen platten Reifen."
In m igem Tempo rollen wir weiter und m ssen den rei enden Verkehrsfluss nur wenige Zentimeter neben uns vorbeirauschen lassen. Farhad macht keinerlei Anstalten zu halten. Ich bin noch immer mit meiner gegl ckten Einreise besch ftigt und verschwende keine Gedanken an das bedrohliche Chaos auf der Autobahn. Viele Autos rasen ohne Licht an uns vorbei, und nicht wenige Fahrer leben hier ganz offensichtlich ihre privaten Formel-Eins-Tr ume aus. Wenn uns Autobusse berholen, werden wir regelrecht durchgesch ttelt. Derweil str men die Rauchschwaden eines Lkw durchs Fenster herein. Ein Blick in Farids Gesicht verr t mir, dass ihm unsere Lage berhaupt nicht gef llt.
"Einen Ersatzreifen haben wir nicht. Der ist auf der Hinfahrt draufgegangen. Wir haben wirklich Pech. Sonst l uft der Wagen wie geschmiert."
"Wie weit ist es denn?"
"Drei ig Kilometer."
"So weit? Und was machen wir nun?"
"Erst mal weiterfahren. Wir haben keine Wahl."
Auf einem Parkplatz steht ein Polizeiwagen, doch der Beamte wei auch keinen Rat. Mit unserem platten Reifen schaffen wir es noch einige Kilometer bis zu einer Abfahrt.
"W re ziemlich rgerlich, wenn mir kurz nach der gegl ckten Einreise bei einem Verkehrsunfall was passiert."
"Habe ich auch schon berlegt", sagt Farid mit einem schiefen Grinsen.
lverschmierter Grube besteht. Einen passenden Reifen gibt es dort nicht, aber der Mechaniker wird das Problem schon irgendwie l sen.
Stunden sp ter kann ich endlich in Deutschland anrufen und meine Gastgeschenke aus der Tasche holen.
"Ich hoffe, du magst sie immer noch gern", sage ich zu Farid und reiche ihm eine Dose Leberwurst.
"Wow! Nasrin, schau mal! Leberwurst. Sosis Dschigar!", sagt er in einer deutsch-persischen Mischung, und pl tzlich zeigt er das gleiche jugendliche Funkeln und das gleiche verschmitzte L cheln wie der Student, den ich vor zwanzig Jahren an der Universit t kennen gelernt habe.
"Danke! Das ist so toll! Wahnsinn! Dass du daran gedacht hast! Wei t du, wie lange ich keine deutsche Leberwurst mehr gegessen habe? Siehst du, mir l uft schon das Wasser im Mund zusammen! Ich kann nicht mehr warten. Nasrin, wo ist der Dosen ffner?"
Kaum ist die Wurst offen, da schnuppert Farid auch schon an dem aufsteigenden Aroma wie andere an einem edlen Parf m.
"Hier ist noch ein anderer Leckerbissen. Es muss aber unter uns bleiben, dass sie bei dir gelandet ist. Die habe ich selber von einem Reisenden geschenkt bekommen."
"Ich fasse es nicht!"
Aufmerksam liest er jedes einzelne Wort auf der Banderole und l sst es auf der Zunge zergehen.
"Chorizo de Andalucia. Die ist ja echt original."
"Aus Sevilla."
Als er an der spanischen Salami schnuppert, entdecke ich Tr nen der Freude in seinen Augen. Spanien war immer sein gro er Traum. Das Land, in dem er sich auch als fl chtiger Reisender heimisch gef hlt hat, oftmals heimischer als in Deutschland.
"Chob, gut", sagt Farhad, "dann k mmere ich mich wohl besser um die passenden Getr nke."
anschauen.unterm Arm steht er wenig sp ter wieder vor der T r. Er schneidet einen merkw rdigen Aluminiumbeutel auf, in dem sich Wodka befinden soll. Die 320-ml-Verpackung tr gt die appetitliche Aufschrift "Black Death - for Export" und stammt angeblich aus Russland. Farhad schneidet Limonenst cke, und die M nner trinken den Wodka pur und schieben ein St ckchen Chorizo hinterher. Der Nachbar tr gt zur Vervollkommnung dieser lustigen Empfangsrunde ein Shirt mit der Aufschrift "Macho". Die Frauen st bern derweil in der Kosmetik- und Sonnenbrillenauswahl, die ich aus Deutschland f r sie mitgebracht habe.
Als Nasrin den Tisch f r das Abendessen deckt, haben sich bereits ein Dutzend G ste eingefunden.
"Extra f r dich. Heute morgen ganz frisch geerntet", sagt sie und zeigt auf die Platte mit den frischen Kr utern. Sabsi chordan, darauf hatte ich mich schon lange gefreut. Die wohlschmeckende Kr utermischung darf auf keinem gut gedeckten Tisch fehlen.
"Wir sind alle dicker geworden, und du bist d nner geworden. Das ist gemein. Wie machst du das?", sagt Mithra.
"Ich wiege fast genauso viel wie vorher. Wirklich."
"Aber du siehst schlanker aus."
"Das muss am Sport liegen. Ich bin inzwischen Marathonl uferin."
Dar ber wollen die versammelten Damen mehr h ren. Sie plagen sich allesamt mit Gewichtsproblemen und fehlender Bewegung. In ihrer Siedlung hat k rzlich ein Sportstudio f r Frauen er ffnet, und sie gehen seit zwei Wochen regelm ig zum Training. Erste Erfolge seien bereits zu erkennen, sagen sie und berichten stolz von gemeinsamen Bauch- und H ftumfangmessungen vor jeder Aerobic-Stunde. Ihre Trainerin f hrt ein strenges Protokoll ber jeden Zentimeter. Das muss ich mir unbedingt
chen m chte.ebessehnsucht
Mit ihrer letzten Mail vor meiner Ankunft im Iran hatte Sahel ihre Telefonnummer geschickt. Vor mehr als zwei Jahren hatte sie ber meine Website Kontakt zu mir aufgenommen. Damals war ich berrascht, eine deutschsprachige Nachricht aus dem Iran zu bekommen. Sie schrieb mir, dass sie in Isfahan "Deutsch als Fremdsprache" studiert habe und in Teheran f r eine deutsche Firma als bersetzerin arbeite. Ihre Heimat hat sie noch nie verlassen und ihre Fremdsprachenkenntnisse an der Universit t erlernt. Von einem befreundeten Deutschen hatte sie mein Buch geschenkt bekommen und mir nach der Lekt re spontan geschrieben. Sie war erfreut ber meinen Blick auf ihre Heimat und hatte sich sogar daf r bedankt. Sahel ist eine eifrige Mailschreiberin und schickt mir zu allen deutschen Feiertagen spezielle Gru karten. Erst durch sie habe ich gelernt, dass es sogar Pfingstgru karten gibt. Zu ihrem Bedauern konnten wir uns nicht ber ihre deutsche Lieblings-Soap "Bianca - Wege zum Gl ck" austauschen, von der sie keine Folge verpasst hat. Ich bin neugierig auf die junge Frau, die auf Fotos so zerbrechlich wirkt. Als ich ihre Mobilnummer w hle, habe ich sofort Anschluss.
"Sahel?"
"Bruni? Saalaam! Ich habe auf deinen Anruf gewartet. Wo bist du?"
Als ich mich noch dar ber wundere, dass sie mich schon beim ersten Wort erkennt, best rmt sie mich mit weiteren Fragen.
"Wann k nnen wir uns sehen? Wo bist du? Wie geht es dir? Wann bist du angekommen? Wo wohnst du?"
Ich schlage ein Treffen am Park-e Lale in Teheran vor. Dort befindet sich auch das Teppichmuseum, das ich unbedingt besu
izierte und weite Anreise aus der Vorstadt bis ins Teheraner Zentrum, aber ich m chte trotzdem die ffentlichen Verkehrsmittel ausprobieren, ber die sich hier alle nur mit Missfallen u ern. Nasrin wartet mit mir am Stra enrand, bis der richtige Bus zur Metrostation auftaucht. F r umgerechnet sieben Cent bekomme ich eine Fahrkarte und glaube zun chst, mich verh rt zu haben. Die persischen Zahlen waren schon immer meine Schw che, aber tats chlich gibt der Fahrer mir auf meinen Hundert-Tuman-Schein einige M nzen heraus. Ich setze mich auf einen der hinteren Frauenpl tze, die durch eine Stange vom vorderen M nnerbereich abgetrennt sind. Die Fahrt soll ungef hr eine halbe Stunde dauern, hat Nasrin gesagt. Die Metrostation in Karadsch m sste ich eigentlich wiedererkennen, da wir gestern mit dem Wagen daran vorbeigefahren sind. Zur Sicherheit ruft sie dem Fahrer noch hinterher, dass er mich rechtzeitig rausschicken soll. Zum Abschied winkt sie mir aufmunternd zu. Bei Farid und Nasrin treffe ich mit meinen Unternehmungen auf gro es Verst ndnis. Andere iranische Familien w rden ihren Gast garantiert nicht unbegleitet in das un bersichtliche Verkehrschaos entlassen. Aber Farids Familie versteht, dass ich mich allein ins Get mmel st rzen m chte, und sie vertrauen darauf, dass ich auftretende Probleme schon irgendwie meistern werde. Mit den ffentlichen Bussen fahren vorwiegend Leute, die sich eines der ebenfalls g nstigen Sammeltaxis nicht leisten k nnen. Die Frauen auf den Nebensitzen schauen mich neugierig an, zwei junge M dchen tuscheln, aber trauen sich nicht, mich anzusprechen. Auch von der Stra e treffen mich berraschte Blicke. Einen derart ungew hnlichen Fahrgast sieht man hier nicht alle Tage. Es wird h chste Zeit, mich wieder daran zu gew hnen, als Ausl nderin das Interesse der Einheimischen zu wecken. Es ist quasi unm glich, nicht aufzufallen. Der Bus f hrt durch die junge Stadt, die auf der Landkarte in meinem Reisef hrer fehlt, obwohl sie mehrere hunderttausend Einwohner z hlt. Bisher habe ich mich geografisch an Karadsch orientiert, nzig Kilometer. Karadsch hat sich in den letzten Jahrzehnten von allen iranischen St dten am schnellsten vergr ert. Mit den neu entstandenen St dten Fardis, deren Name im bertragenen Sinne "Paradies" bedeutet, und Marlik wird es sicher eines Tages verschmelzen und sich schlie lich mit der vierzehn Millionen Einwohner z hlenden Metropole Teheran zu einer der gr ten Megacitys der Welt vereinen. Vor wenigen Jahren wurden hier noch Obstg rten und Felder bestellt, deren Fr chte auf den M rkten der Hauptstadt angeboten wurden. Viele H user sind nur halb fertig und warten noch auf einen Au enverputz. Blanke Steine und Stahltr ger, die aus nacktem Beton ragen, sowie unvollendete Obergeschosse bieten ein provisorisches und liebloses Bild. Das Fehlen jeglicher Begr nung wirkt auf meinen norddeutschen Blick wie ein Abbild an Trostlosigkeit. Weit und breit gibt es keinen Baum, keinen Strauch und keine Gr nfl che. Der Wind wirbelt ber den Baul cken lehmfarbenen Staub und Plastikfetzen auf. Es erscheint mir, als w rde hier keine Stadtplanung existieren, zumindest keine, die auf die Bed rfnisse der Bewohner nach Freizeitfl chen R cksicht nimmt. Was geschieht mit dem Wissen der vielen Architekten und Stadtplaner des Iran, die sicher nicht weniger engagiert und ideenreich an ein Projekt herangehen w rden als andernorts? Offenbar werden ihnen in dieser gro en Trabantenstadt keine M glichkeiten zur Entfaltung ihrer modernen Ideen geboten. In neueren iranischen Kinoproduktionen werden gern junge Architektinnen gezeigt, die mit einem Schutzhelm ber ihrem Kopftuch auf Baustellen die Arbeiter anweisen. Von ihnen ist weit und breit nichts zu sehen. Nicht von ungef hr verbirgt sich hinter der imposantesten Baustelle dieses Stadtteils eine Moschee. An einem Kreisverkehr entsteht ein m chtiges Kuppelgeb ude, vor dem Handwerker auf Ger sten stehen und Bauteile einf gen. Der beeindruckende Rohbau ist gerahmt von zwei halb fertigen Minaretten.
Die Hauptstra e ist belebt, und unser Bus k mpft sich lautstark durch den morgendlichen Verkehr. Staunend beobachte ich hg ltigkeit verf gt, um sich hier zu behaupten. Er hat einen Stapel frisches Fladenbrot auf den Gep cktr ger geklemmt und h lt mit einer Hand eine Blechkanne. Gesch fte reihen sich aneinander, Reklameschilder werben f r internationale Produkte, und junge M dchen in modischer Kleidung setzen bunte Akzente zwischen den vielen Frauen im schwarzen Tschador, die ber den Gehweg huschen.
Die Metro von Karadsch nach Teheran, mit Anschluss an das innerst dtische Netz der Metropole, hat Ende der neunziger Jahre ihren Betrieb aufgenommen. In der gro z gigen Bahnhofshalle folge ich den anderen Fahrg sten und bekomme mein Ticket f r hundert Tuman, was umgerechnet zehn Cent ausmacht. Der Bahnsteig ist bereits mit Wartenden gef llt. F r alleinreisende Frauen ist der vordere Wagen reserviert. Ich schlendere an den Pendlern vorbei und genie e die W rme. F r mich sind es die ersten Sonnenstrahlen des Jahres. Der Fr hling hatte sich in Deutschland Zeit gelassen, und so liegen fast sieben Monate ohne w rmende Sonne hinter mir. Wie gern w rde ich meinen Mantel l ften und meine Beine den wohltuenden Strahlen aussetzen. Am Ende der gemischten Zone finde ich einen Sitzplatz und beobachte die Wartenden. Bei den meisten Fahrg sten handelt es sich um Jugendliche, und damit k nnte die Menschenansammlung an dieser Station ein Abbild der iranischen Gesellschaft sein: Der Altersdurchschnitt liegt bei unter vierundzwanzig Jahren und geh rt damit zu den niedrigsten der Welt. Siebzig Prozent der Iranerinnen und Iraner sind unter f nfundzwanzig Jahre alt. Es war Ayatollah Chomeini, der w hrend des achtj hrigen Krieges gegen den Irak, ab 1980, die Bev lkerung anregte, einen steten Nachwuchs von Gotteskriegern zu gew hrleisten. Es kam zu einer wahren Bev lkerungsexplosion, mit der sich innerhalb eines Vierteljahrhunderts die Einwohnerzahl auf knapp siebzig Millionen Menschen verdoppelt hat.Ein junges Paar weckt meine Neugier.
... weniger
Autoren-Porträt von Bruni Prasske
Bruni Prasske studierte Interkulturelle Pädagogik, arbeitete als Sozialarbeiterin mit Asylbewerbern (das macht sie auch heute halbtags noch), lernte exotische Sprachen und reiste. Unter anderem in den Iran. Derzeit lebt die Autorin sommers am Elbstrand.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bruni Prasske
- 2007, 1, 414 Seiten, mit farbigen Abbildungen, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3764502649
- ISBN-13: 9783764502645
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