Kuhschweizer und Sauschwaben
Schweizer, Deutsche und ihre Hassliebe
"Ein Glück, dass wir nicht sind wie sie" - die Autoren beleuchten hier die Beziehungen der beiden Länder in den Bereichen Literatur, Sprache, Theater, Kunst, Sport, Politik und Geschichte und verbinden die provokanten Ergebnisse mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Kuhschweizer und Sauschwaben “
"Ein Glück, dass wir nicht sind wie sie" - die Autoren beleuchten hier die Beziehungen der beiden Länder in den Bereichen Literatur, Sprache, Theater, Kunst, Sport, Politik und Geschichte und verbinden die provokanten Ergebnisse mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen.
Klappentext zu „Kuhschweizer und Sauschwaben “
Früher war alles anders und natürlich besser: Noch 1848 nahm die Schweiz viele deutsche Emigranten auf, einem Großdeutschland sieht sie sich erst seit 1871 ausgesetzt. Der Erste Weltkrieg brachte für die Eidgenossenschaft nationale Spannungen, der Zweite schweißte sie zusammen - doch ganz so heldenhaft war ihre antifaschistische Vergangenheit nicht. Der Réduit-Mythos bröckelt, die Germanophobie bleibt. Minderwertigkeitskomplexe der Schweizer und Arroganz der Deutschen werden immer wieder benannt - aber eine kluge Analyse des Phänomens blieb bislang aus. Eine solche versucht dieses Buch zu leisten: Woran liegt es wirklich, dass das Verhältnis der beiden Nationen, die sich geographisch, wirtschaftlich, kulturell und politisch näher nicht sein könnten, von derart komplizierten Gefühlen der Antipathie und Zuneigung gezeichnet ist? Die Hassliebe' hat jedenfalls komplexere Ursachen als bloßes Unverständnis zwischen Nachbarn, die nur verschiedene Dialekte sprechen. Erika AchermannJürg Altwegg
Peter Bichsel
Heinz Brestel
Roger de Weck
Michael Gamper
Klaus Harpprecht
Hanna Johansen
Gunhild Kübler
Markus Kutter
Hugo Loetscher
Adolf Muschg
Ludwig Rohner
Hansmartin Schmid
Dietrich Schwanitz
Christoph Vitali
Jean Ziegler
Illustrationen von NICO
"Ein Glück, dass wir nicht sind wie sie"
Die Deutschen lieben das Bankgeheimnis und das Tessin, die Schweizer aber nehmen sie nicht so ganz ernst. Umgekehrt werden die Deutschschweizer in ihrem Hass auf den großen Kanton' gerne deutlich. In Kuhschweizer und Sauschwaben beleuchten die Autoren die Beziehungen der beiden Länder in den Bereichen Literatur, Sprache, Theater, Kunst, Sport, Politik und Geschichte und verbinden die provokanten Ergebnisse mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen.
Lese-Probe zu „Kuhschweizer und Sauschwaben “
Kuhschweizer und Sauschwaben von Jürg Altwegg, Roger de Weck ... mehr
Wer mit bereits ausgewachsenem deutschem Mundwerk in die Schweiz einwandert, wird nur im Ausnahmefall den hiesigen Dialekt akzentfrei lernen. Denn man kann ihn nur mündlich, also im Umgang mit Leuten lernen, die selber Mundart sprechen, und zwar möglichst ein- und dieselbe. Nichts verunsichert einen Neuling mehr als das Nebeneinander von Zürcher, Basler, Aargauer, Berner Dialektvarianten in derselben Runde. Zudem zerfällt noch jede Gruppe von Schweizer Erwachsenen, in der ein Deutscher versuchsweise Dialekt sprechend den Mund aufmacht, sofort in mehrere Parteien, die seinen Ausflug in die Mundart unablässig kommentieren. Einige werden ihn dezidiert begrüßen, einige ihn ebenso rundweg ablehnen, weil sie ihn unschön oder überflüssig finden, einige werden sich auf die Schippe genommen fühlen, einige pikiert sein über die Menge der unterlaufenden Fehler und der Rest wird aus demselben Grund in eine nicht enden wollende Heiterkeit ausbrechen.
Mit den Worten »Liebi Früünde vom Schuuspielhuus« soll der ehemalige Intendant des Zürcher Schauspielhauses Harry Buckwitz - ein Immigrant auch er, Gott hab ihn selig - einmal eine Veranstaltung der Gesellschaft »Freunde des Schauspielhauses« eröffnet haben. (Für deutsche Leser: nicht immer zieht der Dialekt die Vokale zusammen. Es heißt »Staubsuuger« und nicht »Stuubsuuger« und eben auch »Schauspielhuus«). Die Anekdote muss Jahrzehnte alt sein und ist doch eine unvergängliche Quelle für eidgenössisches Gelächter. Sie können es eben nicht können, diese Deutschen.
Warum kann man Schweizer Dialekt nicht mit einem fremden Akzent sprechen, wie jede andere europäische Sprache?- Das wäre ein Unding. Dialektgebrauch signalisiert den Gesprächspartnern: »Ich gehöre zu euch«. Ein Akzent beim Dialektgebrauch signalisiert aber zugleich das Gegenteil: »Ich gehöre nicht zu euch, tu aber so.« Ein Fall von Anbiederung. Oder eine Absurdität.
Gibt es Lebenssituationen, in denen du trotz allem Schweizer Mundart redest?
Ja. Mit kleinen Kindern am Sandkasten.
12
Bei einem Fest zum 25. Jahrestag unserer Einwanderung in die Schweiz traten unsere beiden der Schule schon fast entwachsenen Kinder überraschend als Schweizermacher auf. Zum Gaudium der Gäste zitierten sie ihre Eltern vor eine improvisierte Einbürgerungskommission, die unser Wissen in Schweizer Heimatund
Staatsbürgerkunde überprüfte. Ansteigender Schwierigkeitsgrad der Fragen. Von »Wie heißt Tell mit Vornamen?« und »Wann war der Rütlischwur?« bis »Wie viele Kantone hat die Schweiz?« bis »Wie viele Gemeinden hat der Kanton Zürich?«
Auf die letzte Frage kannten einzig die beiden aus dem Iran stammenden, für eine Gebühr von nahezu fünfzigtausend Franken in einer Zürcher Seegemeinde unlängst eingebürgerten Gäste die richtige Antwort, nämlich 171. Wir schlugen uns mittelmäßig als Kandidaten für einen Schweizerpass. Für jede richtige Antwort erhielten wir eine auf ein Blatt Papier gemalte Scheibe Schwarzbrot, viel belächelter Sehnsuchtsartikel aller ausgewanderten Deutschen. Am Ende stand ein Quiz zum erwartbaren Benehmen von deutschen Immigranten in diversen Lebenslagen. Scherzfragen. Die Kinder schoben gleich selber die richtigen Antworten nach. Zum Beispiel: Was sagt ein ehemaliger Deutscher, wenn er auf einem Berggipfel eintrifft, wo schon ein paar Schweizer sitzen?
- Nichts. Er hat Angst, dass man ihn am Akzent erkennt.
Was würde er gern sagen, wenn er auf diesem Gipfel ankommt?
- Schönen guten Tach auch! Tolles Panorama hier, ne? Vorgetragen wurden auch Auszüge aus einem frisch konzipierten
»sprechenden« Deutsch-Zürideutschen Wörterbuch:
Hausaufgaben Uufzgi
Zwiebel Bölle
schön soo geil, hee ...
Butter Anke
Wäscheleine Wöschhänki
wunderbar soo geil, hee...
riechen schmöcke
schmecken schmöcke
sehr angenehm soo geil, hee ...
Bürgersteig, Gehweg Trottwar
»Darüber mache ich mir »Schiist mi aa, hee ...«
Sorgen«
»Das finde ich äußerst nett« »Sch ja u huere geil, hee ...«
»Ich hätte gerne ein Pfund »Was, das Züüg frissisch du?«
Schwarzbrot«
13
Zwischen sprachlicher Kompetenz und schulischem Erfolg besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Diese Binsenweisheit hat gerade die PISA-Studie bestätigt. In Basel wurde daraufhin das Projekt »Standardsprache im Kindergarten« gestartet. In den Versuch einbezogen sind vier Kindergartenklassen mit hohen Anteilen fremdsprachiger Kinder. Die Kindergärtnerinnen sprechen mit den Kindern ausschließlich Hochdeutsch, das in der Übungsanlage als »Standardsprache« bezeichnet wird. Als Vergleichsgruppen dienen zwei andere Kindergartenklassen, in denen, wie in allen Schweizer Kindergärten üblich, ausschließlich Mundart gesprochen wird.
Ergebnisse im ersten Versuchsjahr zeigen, dass die meisten in Hochdeutsch unterrichteten Kindergartenkinder »unterwegs sind zu einer reinen, unvermischten Standardsprache«. Im Bericht darüber werden neben solchen Trends aber auch die in der Schweiz über das Hochdeutsche umlaufenden Vorurteile wie unterm Brennglas sichtbar: »Die Befürchtungen, dass die Beziehungsarbeit mit den Kindern durch das Hochdeutsch erschwert würde, hätten sich nicht bewahrheitet. Die Lehrpersonen fänden sich mit der neuen Unterrichtssprache gut zurecht«, heißt es. Die Kinder seien in diesem Alter »sehr begeisterungsfähig und hätten keine negativen Gefühle der Standardsprache gegenüber«. Und die Fremdsprachigen verstünden die Standardsprache viel schneller und lernten sie daher auch schneller. Die Deutschschweizer Eltern hätten eingesehen, »dass durch den frühen Gebrauch des Hochdeutschen die eigene, baslerischeIdentität ihrer Kinder nicht verloren gehe«. Wie viele Ängste. Bei schönem Wetter spielt die sechsjährige Andrea im Nachbargarten. Dabei tätschelt sie die Rinde eines Baums und striegelt sie mit einer Wurzelbürste. Ab und zu gibt sie dem Stamm einen freundschaftlichen Knuff, und ich höre, wie sie mit ihm spricht. Der Baum ist ein Pferd und Andrea redet mit ihm in akzentfreiem Hochdeutsch, ihrer Spielsprache, die sie vor dem Fernsehgerät lernt. Gleich wird sie sich auf einen der tief hängenden, dicken Äste schwingen und davonreiten.
14
»Das cha me nid mache«, sagt nach Auskunft der Neuen Zürcher Zeitung der Direktor von Alcosuisse, dem Profitcenter der Schweizerischen Alkoholverwaltung. Und er meint: etwas deutsch zu bezeichnen, das in der ganzen Schweiz Anklang finden soll. Die französische Schweiz schätze es nicht besonders, wenn etwas Nationales germanophon daherkomme, man rümpfe dort schnell die Nase über deutsche Begriffe in offiziellen Bezeichnungen. »Dann lieber noch Englisch, das ist neutral.« Auch die Bank heißt daher seit 1997 nicht mehr »Schweizerische Kreditanstalt«, sondern »Credit Suisse« (ohne Accent aigu), wobei man je ein englisches und ein französisches Element zusammenfügte.
Das ungeliebte Deutsch. Laut Statistik wird es von 64 Prozent der Schweizer Bevölkerung gesprochen, doch keiner mag es wirklich, alle weichen in ihre Mundarten aus, die als lebenswärmer, herzlicher, authentischer gelten. Aber nicht nur das Naserümpfen der Romands oder die vermutete Kälte des Deutschen drängen diese Sprache zurück. Sie hat auch innerhalb der EU größte Mühe, sich als internationale Sprache durchzusetzen. Ein erstes Handicap ist, dass der lateinische und damit weit herum verständliche Anteil im deutschen Wortschatz gering ist. Ein zweites, »dass diese Sprache - geschichtlich gesehen - nicht nur diejenige Luthers und Lessings war«, schreibt die Neue Zürcher Zeitung mit dem üblichen Understatement.
»Wir sagen es denen einfach nicht, dass du Deutsche bist. Du kommst aus Zürich, damit basta, und es stimmt ja auch«, sagte vor zwei Jahren eine amerikanische Freundin zu mir und zog mich mit sich fort. Wir hatten uns in einem Hotel in Krakau getroffen, und sie wollte mich zum festlichen Abendessen mit Veteranen der jüdisch-polnischen Befreiungsarmee mitnehmen. Die Männer hatten 1945 beim italienischen Kloster Monte Cassino mit hohen Verlusten gegen die zurückweichende deutsche Wehrmacht gekämpft. Ich ließ mich bereden.
Der deutsche Wunsch, nicht als Deutscher zu gelten, ja, sich selbst nicht als Deutschen, sondern als Europäer zu sehen, sei Symptom des Wunsches, der deutschen Verantwortungs- und Schuldgemeinschaft zu entkommen, schreibt Bernhard Schlink, Erfolgsschriftsteller und Professor für Staatsrecht an der Berliner Humboldt-Universität in seinem jüngsten Buch Vergangenheitsschuld und gegenwärtiges Recht. Und: Solange man die Solidarität mit einem schuldig gewordenen anderen nicht aufkündige, müsse man dessen Schuld sich selbst zurechnen lassen. Nur, wie kommt man heraus aus einer solchen Verstrickung? Wo doch sogar schon der Wunsch danach, weil das eine zu billige Lösung des Problems wäre, im Grund nicht akzeptabel ist.
15
»Solange du nicht die hiesige Mundart sprichst, wirst du immer das Gefühl haben, hier ein Fremdkörper zu sein. Auch eine Einbürgerung könnte daran nichts ändern. Am besten, du lernst, mit deinem Fremdheitsgefühl zu leben.«
Der das sagt, muss es wissen. Er hat - in Berlin geboren und aufgewachsen im deutschen Süden - in seinem dritten Lebensjahrzehnt den Zürcher Dialekt so gut gelernt, dass selbst empfindliche Schweizer Ohren ihn als Einheimischen empfinden. Unter den Deutschen in der Schweiz ist er damit eine der wenigen Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Fühlt nun wenigstens er sich hier zu Hause? Die Antwort kommt nach einigem Nachdenken: »Gerade so gut, wie man sich überhaupt irgendwo auf dieser Welt zu Hause fühlen kann.«
Copyright © Nagel & Kimche
Wer mit bereits ausgewachsenem deutschem Mundwerk in die Schweiz einwandert, wird nur im Ausnahmefall den hiesigen Dialekt akzentfrei lernen. Denn man kann ihn nur mündlich, also im Umgang mit Leuten lernen, die selber Mundart sprechen, und zwar möglichst ein- und dieselbe. Nichts verunsichert einen Neuling mehr als das Nebeneinander von Zürcher, Basler, Aargauer, Berner Dialektvarianten in derselben Runde. Zudem zerfällt noch jede Gruppe von Schweizer Erwachsenen, in der ein Deutscher versuchsweise Dialekt sprechend den Mund aufmacht, sofort in mehrere Parteien, die seinen Ausflug in die Mundart unablässig kommentieren. Einige werden ihn dezidiert begrüßen, einige ihn ebenso rundweg ablehnen, weil sie ihn unschön oder überflüssig finden, einige werden sich auf die Schippe genommen fühlen, einige pikiert sein über die Menge der unterlaufenden Fehler und der Rest wird aus demselben Grund in eine nicht enden wollende Heiterkeit ausbrechen.
Mit den Worten »Liebi Früünde vom Schuuspielhuus« soll der ehemalige Intendant des Zürcher Schauspielhauses Harry Buckwitz - ein Immigrant auch er, Gott hab ihn selig - einmal eine Veranstaltung der Gesellschaft »Freunde des Schauspielhauses« eröffnet haben. (Für deutsche Leser: nicht immer zieht der Dialekt die Vokale zusammen. Es heißt »Staubsuuger« und nicht »Stuubsuuger« und eben auch »Schauspielhuus«). Die Anekdote muss Jahrzehnte alt sein und ist doch eine unvergängliche Quelle für eidgenössisches Gelächter. Sie können es eben nicht können, diese Deutschen.
Warum kann man Schweizer Dialekt nicht mit einem fremden Akzent sprechen, wie jede andere europäische Sprache?- Das wäre ein Unding. Dialektgebrauch signalisiert den Gesprächspartnern: »Ich gehöre zu euch«. Ein Akzent beim Dialektgebrauch signalisiert aber zugleich das Gegenteil: »Ich gehöre nicht zu euch, tu aber so.« Ein Fall von Anbiederung. Oder eine Absurdität.
Gibt es Lebenssituationen, in denen du trotz allem Schweizer Mundart redest?
Ja. Mit kleinen Kindern am Sandkasten.
12
Bei einem Fest zum 25. Jahrestag unserer Einwanderung in die Schweiz traten unsere beiden der Schule schon fast entwachsenen Kinder überraschend als Schweizermacher auf. Zum Gaudium der Gäste zitierten sie ihre Eltern vor eine improvisierte Einbürgerungskommission, die unser Wissen in Schweizer Heimatund
Staatsbürgerkunde überprüfte. Ansteigender Schwierigkeitsgrad der Fragen. Von »Wie heißt Tell mit Vornamen?« und »Wann war der Rütlischwur?« bis »Wie viele Kantone hat die Schweiz?« bis »Wie viele Gemeinden hat der Kanton Zürich?«
Auf die letzte Frage kannten einzig die beiden aus dem Iran stammenden, für eine Gebühr von nahezu fünfzigtausend Franken in einer Zürcher Seegemeinde unlängst eingebürgerten Gäste die richtige Antwort, nämlich 171. Wir schlugen uns mittelmäßig als Kandidaten für einen Schweizerpass. Für jede richtige Antwort erhielten wir eine auf ein Blatt Papier gemalte Scheibe Schwarzbrot, viel belächelter Sehnsuchtsartikel aller ausgewanderten Deutschen. Am Ende stand ein Quiz zum erwartbaren Benehmen von deutschen Immigranten in diversen Lebenslagen. Scherzfragen. Die Kinder schoben gleich selber die richtigen Antworten nach. Zum Beispiel: Was sagt ein ehemaliger Deutscher, wenn er auf einem Berggipfel eintrifft, wo schon ein paar Schweizer sitzen?
- Nichts. Er hat Angst, dass man ihn am Akzent erkennt.
Was würde er gern sagen, wenn er auf diesem Gipfel ankommt?
- Schönen guten Tach auch! Tolles Panorama hier, ne? Vorgetragen wurden auch Auszüge aus einem frisch konzipierten
»sprechenden« Deutsch-Zürideutschen Wörterbuch:
Hausaufgaben Uufzgi
Zwiebel Bölle
schön soo geil, hee ...
Butter Anke
Wäscheleine Wöschhänki
wunderbar soo geil, hee...
riechen schmöcke
schmecken schmöcke
sehr angenehm soo geil, hee ...
Bürgersteig, Gehweg Trottwar
»Darüber mache ich mir »Schiist mi aa, hee ...«
Sorgen«
»Das finde ich äußerst nett« »Sch ja u huere geil, hee ...«
»Ich hätte gerne ein Pfund »Was, das Züüg frissisch du?«
Schwarzbrot«
13
Zwischen sprachlicher Kompetenz und schulischem Erfolg besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Diese Binsenweisheit hat gerade die PISA-Studie bestätigt. In Basel wurde daraufhin das Projekt »Standardsprache im Kindergarten« gestartet. In den Versuch einbezogen sind vier Kindergartenklassen mit hohen Anteilen fremdsprachiger Kinder. Die Kindergärtnerinnen sprechen mit den Kindern ausschließlich Hochdeutsch, das in der Übungsanlage als »Standardsprache« bezeichnet wird. Als Vergleichsgruppen dienen zwei andere Kindergartenklassen, in denen, wie in allen Schweizer Kindergärten üblich, ausschließlich Mundart gesprochen wird.
Ergebnisse im ersten Versuchsjahr zeigen, dass die meisten in Hochdeutsch unterrichteten Kindergartenkinder »unterwegs sind zu einer reinen, unvermischten Standardsprache«. Im Bericht darüber werden neben solchen Trends aber auch die in der Schweiz über das Hochdeutsche umlaufenden Vorurteile wie unterm Brennglas sichtbar: »Die Befürchtungen, dass die Beziehungsarbeit mit den Kindern durch das Hochdeutsch erschwert würde, hätten sich nicht bewahrheitet. Die Lehrpersonen fänden sich mit der neuen Unterrichtssprache gut zurecht«, heißt es. Die Kinder seien in diesem Alter »sehr begeisterungsfähig und hätten keine negativen Gefühle der Standardsprache gegenüber«. Und die Fremdsprachigen verstünden die Standardsprache viel schneller und lernten sie daher auch schneller. Die Deutschschweizer Eltern hätten eingesehen, »dass durch den frühen Gebrauch des Hochdeutschen die eigene, baslerischeIdentität ihrer Kinder nicht verloren gehe«. Wie viele Ängste. Bei schönem Wetter spielt die sechsjährige Andrea im Nachbargarten. Dabei tätschelt sie die Rinde eines Baums und striegelt sie mit einer Wurzelbürste. Ab und zu gibt sie dem Stamm einen freundschaftlichen Knuff, und ich höre, wie sie mit ihm spricht. Der Baum ist ein Pferd und Andrea redet mit ihm in akzentfreiem Hochdeutsch, ihrer Spielsprache, die sie vor dem Fernsehgerät lernt. Gleich wird sie sich auf einen der tief hängenden, dicken Äste schwingen und davonreiten.
14
»Das cha me nid mache«, sagt nach Auskunft der Neuen Zürcher Zeitung der Direktor von Alcosuisse, dem Profitcenter der Schweizerischen Alkoholverwaltung. Und er meint: etwas deutsch zu bezeichnen, das in der ganzen Schweiz Anklang finden soll. Die französische Schweiz schätze es nicht besonders, wenn etwas Nationales germanophon daherkomme, man rümpfe dort schnell die Nase über deutsche Begriffe in offiziellen Bezeichnungen. »Dann lieber noch Englisch, das ist neutral.« Auch die Bank heißt daher seit 1997 nicht mehr »Schweizerische Kreditanstalt«, sondern »Credit Suisse« (ohne Accent aigu), wobei man je ein englisches und ein französisches Element zusammenfügte.
Das ungeliebte Deutsch. Laut Statistik wird es von 64 Prozent der Schweizer Bevölkerung gesprochen, doch keiner mag es wirklich, alle weichen in ihre Mundarten aus, die als lebenswärmer, herzlicher, authentischer gelten. Aber nicht nur das Naserümpfen der Romands oder die vermutete Kälte des Deutschen drängen diese Sprache zurück. Sie hat auch innerhalb der EU größte Mühe, sich als internationale Sprache durchzusetzen. Ein erstes Handicap ist, dass der lateinische und damit weit herum verständliche Anteil im deutschen Wortschatz gering ist. Ein zweites, »dass diese Sprache - geschichtlich gesehen - nicht nur diejenige Luthers und Lessings war«, schreibt die Neue Zürcher Zeitung mit dem üblichen Understatement.
»Wir sagen es denen einfach nicht, dass du Deutsche bist. Du kommst aus Zürich, damit basta, und es stimmt ja auch«, sagte vor zwei Jahren eine amerikanische Freundin zu mir und zog mich mit sich fort. Wir hatten uns in einem Hotel in Krakau getroffen, und sie wollte mich zum festlichen Abendessen mit Veteranen der jüdisch-polnischen Befreiungsarmee mitnehmen. Die Männer hatten 1945 beim italienischen Kloster Monte Cassino mit hohen Verlusten gegen die zurückweichende deutsche Wehrmacht gekämpft. Ich ließ mich bereden.
Der deutsche Wunsch, nicht als Deutscher zu gelten, ja, sich selbst nicht als Deutschen, sondern als Europäer zu sehen, sei Symptom des Wunsches, der deutschen Verantwortungs- und Schuldgemeinschaft zu entkommen, schreibt Bernhard Schlink, Erfolgsschriftsteller und Professor für Staatsrecht an der Berliner Humboldt-Universität in seinem jüngsten Buch Vergangenheitsschuld und gegenwärtiges Recht. Und: Solange man die Solidarität mit einem schuldig gewordenen anderen nicht aufkündige, müsse man dessen Schuld sich selbst zurechnen lassen. Nur, wie kommt man heraus aus einer solchen Verstrickung? Wo doch sogar schon der Wunsch danach, weil das eine zu billige Lösung des Problems wäre, im Grund nicht akzeptabel ist.
15
»Solange du nicht die hiesige Mundart sprichst, wirst du immer das Gefühl haben, hier ein Fremdkörper zu sein. Auch eine Einbürgerung könnte daran nichts ändern. Am besten, du lernst, mit deinem Fremdheitsgefühl zu leben.«
Der das sagt, muss es wissen. Er hat - in Berlin geboren und aufgewachsen im deutschen Süden - in seinem dritten Lebensjahrzehnt den Zürcher Dialekt so gut gelernt, dass selbst empfindliche Schweizer Ohren ihn als Einheimischen empfinden. Unter den Deutschen in der Schweiz ist er damit eine der wenigen Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Fühlt nun wenigstens er sich hier zu Hause? Die Antwort kommt nach einigem Nachdenken: »Gerade so gut, wie man sich überhaupt irgendwo auf dieser Welt zu Hause fühlen kann.«
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Autoren-Porträt
Jürg Altwegg, geboren 1951 in Zürich, lebt heute bei Genf. Er studierte Romanistik, Germanistik und Geschichte; danach schrieb er über viele Jahre für Schweizer Zeitungen und für das Hamburger Wochenblatt Die Zeit. Seit 1986 ist er Kulturkorrespondent für die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Schwerpunkt Frankreich und Schweiz.Roger de Weck, geboren 1953 in Freiburg, ist Publizist in Berlin und Zürich. Er war Chefredakteur des Hamburger Wochenmagazins Die Zeit und des Zürcher Tages-Anzeigers. Heute schreibt er für deutsche, französische und Schweizer Blätter Analysen, Kommentare und Kolumnen (u.a. für NZZ am Sonntag, Sonntagszeitung, Tages-Anzeiger Magazin).
Bibliographische Angaben
- 2003, 315 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,8 x 20,9 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Hrsg. v. Jürg Altwegg u. Roger de Weck; Illustration: Nico
- Herausgegeben: Jürg Altwegg, Roger de Weck
- Verlag: Nagel & Kimche
- ISBN-10: 3312003156
- ISBN-13: 9783312003150
Rezension zu „Kuhschweizer und Sauschwaben “
"Ein äusserst kurzweiliges und anregendes Lesebuch: Hier haben gescheite Köpfe alles über die Hassliebe zwischen Kuhschweizern und Sauschwaben zusammengetragen." (Sonntagszeitung)
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