Lasst Knochen sprechen
»Reichs Bücher sind Stammgäste auf den internationalen Bestsellerlisten« Focus
»Reichs Bücher sind Stammgäste auf den internationalen Bestsellerlisten« Focus
Im Bandenkrieg zwischen den Vipers und den Heathens, Unterorganisationen der Hells Angels und ihren Rivalen, den Bikern von der Rock Machine, dreht sich die Schraube der Gewalt weiter, und Tempe bekommt im wahrsten Sinne des Wortes alle Hde voll zu tun. Zwei aus dem Clan der Heathens, die schwergewichtigen eineiigen Zwillinge Clic und Clac Vaillancourt, haben sich mit einer selbst gebastelten Bombe auf das Clubgelde ihrer Erzfeinde geschlichen, wurden aber erwischt, erschossen und von ihrer eigenen Bombe in Kleinstteile zerfetzt. Nur die Reste von Towierungen und ein Einblick in die lange Liste von Schelverletzungen, die aus Schlereien resultieren, knen Tempe bei der Identifizierung der beiden Brer helfen. Doch am Tatort wartet noch eine weitere erraschung auf sie. Der Viper-Todesschze Rinaldi, genannt der Frosch, ist bereit auszupacken und frt die Polizei in den Garten des Clubgeldes, wo neben zwei skelettierten Leichen - offenbar Opfern einer Hinrichtung innerhalb der Gang - noch etwas liegt, das nicht hierher zu gehen scheint: der Schel und die Oberschenkelknochen einer jungen Frau. Als Tempe Brennan die Gebeine ner untersucht, steht sie vor einem Rsel, denn ein kleines Bohrloch in der Scheldecke kann nur eines bedeuten: dass es sich um ein leicht behindertes Mchen mit einem Hydrozephalus, einem Wasserkopf, gehandelt haben muss - alles andere folglich als die liche Rockerbraut. Wie kam dieses Mchen in Kontakt zu den Bikern? Und wo ist der Rest des Skeletts?
Es kommt Tempe durchaus entgegen, dass einige der Spuren wieder einmal in ihre Heimat South Carolina, nach Myrtle Beach, einem traditionellen Biker-Treff, fren, denn sie hat auch privat gron Kummer und braucht Ablenkung. Nicht nur, dass ihr Freund und Geliebter, der Polizist Andrew Ryan, unter dem Verdacht steht, mit Drogen gedealt zu haben, und, vom Dienst suspendiert, an einen unbekannten Ort gebracht wurde. Auch Tempes Neffe Kit, ein leidenschaftlicher Harley-Fan, ger in den Dunstkreis der Biker - und wozu diese finsteren Typen fig sind, weiTempe nur allzu gut. F sie beginnt eine lebensgefrliche Recherche, in der nicht zuletzt auch ein neuer Verehrer von ihr, der Fernsehmoderator Lyle Crease, eine mysterie Rolle spielt. Wie sich herausstellt, hat nlich auch Lyle eine Rockervergangenheit...
Hochspannung von der ersten bis zur letzten Seite, zahlreiche gruselige Details aus dem Alltag der Gerichtsmedizin - diesmal zum Beispiel die Analyse des Tathergangs anhand des Auftreffwinkels von Blutspritzern - und ein bis ins kleinste Detail recherchiertes Milieu, dessen Aktiviten immer wieder in die Schlagzeilen geraten: Mit ihrem neuen Thriller zeigt sich Kathy Reichs, die lgst einen hervorragenden Platz in dieser Gattung f sich erobert hat, in Bestform.
Lasst Knochen sprechen von KathyReichs
LESEPROBE
1
Ihr Name war Emily Anne.Sie war neun Jahre alt, hatte schwarze Locken,
lange Wimpern und einekaramellfarbene Haut. Ihre Ohren waren von
winzigen goldenen Ringendurchlöchert. Ihre Stirn war durchlöchert
von zwei Kugeln aus einerCobray 9-mm-Halbautomatik.
Es war Samstag, und icharbeitete, weil mein Chef, Pierre LaManche,
mich extra darum gebetenhatte. Seit vier Stunden stand ich im Labor
und sortierte Gewebefetzen,als die Tür des großen Autopsiesaals aufging
und Sergeant-DetectiveLuc Claudel hereinmarschiert kam.
Claudel und ich hattenschon öfter zusammengearbeitet, und obwohl er
mich inzwischentolerierte, ja vielleicht sogar schätzte, war das
an seiner barschen Artnicht zu erkennen.
»Wo ist LaManche?«, fragte er, warf einen kurzen Blick auf denUntersuchungstisch
vor mir und wandte sichdann schnell wieder ab.
Ich sagte nichts. WennClaudel schlechte Laune hatte, ignorierte ich
ihn einfach.
»Ist Dr. LaManche schon angekommen?« Der Detectivevermied es, meine
schmierigen Handschuheanzusehen.
»Heute ist Samstag,Monsieur Claudel. Er arbeitet ni-«
In diesem Augenblickstreckte Michel Charbonneau den Kopf zur Tür herein.
Durch den Spalt konnteich das Surren und Scheppern der elektrischen
Tür im hinteren Teil desGebäudes hören.
»Le cadavreest arrivé«, sagte Charbonneau zu seinem Partner.
Cadavre? Was für eine Leiche? Was hatten zwei Detectives der Mordkommission
an einem Samstagnachmittagim Leichenschauhaus zu suchen?
Charbonneau begrüßte mich auf Englisch. Er war ein großer Mannmit
stacheligen Haaren, dieein bisschen an einen Igel erinnerten.
»Hey, Doc.«
»Was ist denn los?«,fragte ich, pulte die Handschuhe herunter und
zog mir die Maske vomGesicht.
Claudel antwortete mitangespanntem Gesicht und Augen, die im grellen
Neonlicht freudloswirkten.
»Dr. LaManchewird gleich hier sein. Er kann es Ihnen erklären.«
Schon jetzt glitzerteSchweiß auf seiner Stirn, und sein Mund war zu
einer schmalen Liniezusammengekniffen. Claudel hasste Autopsien,
und er mied dasLeichenschauhaus, wann immer es ging. Ohne ein weiteres
Wort zog er die Tür ganzauf und schob sich an seinem Partner vorbei.
Charbonneau sah ihm nach und wandte sich dann wieder mir zu.
»Das ist schwer für ihn.Er hat Kinder.«
»Kinder?« Ich spürteetwas Kaltes in meiner Brust.
»Die Heathenshaben heute Morgen zugeschlagen. Schon mal was von Richard
Marcotte gehört?«
Der Name kam mir irgendwiebekannt vor.
»Vielleicht kennen Sieihn als Araignée. Spinne.« Er bewegte die Finger
wie Spinnenbeine. »KlasseKerl. Und ein gewählter Offizieller der
Outlaw Biker, derkriminellen Motorradbanden. Die Spinne ist der Spieß
der Vipers, aber heutehatte er einen wirklich schlechten Tag. Als
er am Morgen auf dem Wegzum Fitness-Center war, haben die Heathens
aus einem fahrenden Autoheraus auf ihn geschossen. Seine werte Begleiterin
konnte sich mit einemSprung in einen Fliederbusch gerade noch retten.«
Charbonneau fuhr sich durch die Haare und schluckte.
Ich wartete.
»Dabei wurde allerdingsein Kind getötet.«
»O Gott.« Meine Fingerumklammerten die Handschuhe.
»Ein kleines Mädchen. Manbrachte die Kleine ins Kinderkrankenhaus
von Montreal, aber siekam nicht durch. Sie ist jetzt unterwegs hierher.
Marcotte war bereits tot,als er im Krankenhaus eintraf. Er liegt
da draußen.«
»LaManchekommt?«
Charbonneau nickte.
Die fünf Pathologen imLabor wechseln sich mit der Rufbereitschaft
ab. Es kommt zwar seltenvor, wenn aber einmal eine Autopsie außerhalb
der regulärenDienststunden für notwendig erachtet wird, dann ist
immer jemand verfügbar.An diesem Tag war LaManche an der Reihe.
Ein Kind. Ich spürte einvertrautes Gefühl in mir aufsteigen und musste
hier raus.
Auf meiner Uhr war eszwölf Uhr vierzig. Ich riss mir die Plastikschürze
herunter, knüllte sie mitder Maske und den Handschuhen zusammen und
warf alles in denBehälter für biologischen Abfall. Dann wusch ich
mir die Hände und fuhrmit dem Aufzug in den zwölften Stock.
Ich weiß nicht, wie langeich in meinem Büro saß, auf den St. Lawrence
hinunterstarrte undmeinen Becher mit Joghurt unberührt ließ. Irgendwann
glaubte ich, LaManches Tür zu hören und dann das Zischen der gläsernen
Sicherheitstüren, dieunseren Flügel unterteilen.
Als forensischeAnthropologin habe ich eine gewisse Immunität gegenüber
gewaltsamen Todenentwickelt. Da der ärztliche Leichenbeschauer sich
an mich wendet, wenn erInformationen über die Knochen der Verstümmelten,
Verbrannten und Verwestenbraucht, habe ich das Schlimmstmögliche
gesehen. MeineArbeitsplätze sind das Leichenschauhaus und der Autopsiesaal,
und deshalb weiß ich, wieeine Leiche aussieht und riecht, wie es
sich anfühlt, wenn mansie betastet oder mit einem Skalpell aufschneidet.
Ich bin gewöhnt anblutige Kleidung, die auf Ständern trocknet, an
das Geräusch einer Stryker-Säge, die durch Knochen schneidet, an den
Anblick von Organen, diein nummerierten Glasbehältern schwimmen.
Aber der Anblick toterKinder bringt mich immer noch aus der Fassung.
Der zu Tode geschüttelteSäugling, das erschlagene Kleinkind, das
kaum zehnjährige Opfereines gewalttätigen Pädophilen. Gewaltverbrechen
an jungen, unschuldigenOpfern erzürnen und bestürzen mich noch immer.
Vor noch nicht allzulanger Zeit arbeitete ich an einem Fall, in dem
es um Kleinkinder ging,Zwillingsjungen, die getötet und verstümmelt
worden waren. Es war eineder schwierigsten Erfahrungen in meiner
Karriere gewesen, und aufdieses Karussell der Gefühle wollte ich
nicht noch einmalaufsteigen.
Andererseits war dieserFall aber auch eine Quelle der Befriedigung
gewesen. Nachdem derfanatische Täter eingesperrt war und keine Hinrichtungen
mehr befehlen konnte,hatte ich wirklich das Gefühl, etwas Gutes vollbracht
zu haben.
Ich riss den Deckel vomBecher ab und rührte den Joghurt um.
Bilder dieser Kindergingen mir durch den Kopf. Ich erinnerte mich
an meine Gefühle andiesem Tag im Leichenschauhaus, an die plötzlich
aufblitzendenErinnerungen an meine Tochter als Kleinkind.
Mein Gott, warum einsolcher Wahnsinn? Die verstümmelten Männer, die
ich unten zurückgelassenhatte, waren ebenfalls Opfer des gegenwärtigen
Biker-Kriegs.
Nicht verzweifeln,Brennan. Du musst wütend werden. Wütend auf eine
kalte, entschlossene Art.Und dann benutze dein Wissen und deine Fähigkeiten,
um diese Schweinehundehinter Gitter zu bringen.
»Ja«, stimmte ich mirlaut zu.
Ich aß meinen Joghurt,trank meinen Kaffee aus und fuhr nach unten.
Charbonneau war im Vorzimmer von einem der kleinerenAutopsieräume
und blätterte in seinemSpiralblock. Der Plastikstuhl, auf dem er
saß, wirkte viel zu kleinfür seinen großen Körper. Claudel war nirgendwo
zu sehen.
»Wie heißt sie?«
»Emily Anne Toussaint. Sie war unterwegs zur Ballettstunde.«
»Wo?«
»Auf der Verdun.« Ernickte in Richtung des angrenzenden Raums. »LaManche
hat mit der Autopsieschon angefangen.«
Ich ging an dem Detective vorbei in den Autopsieraum.
Ein Fotograf machte ebenBilder, während der Pathologe sich Notizen
machte und zur SicherheitPolaroids schoss.
Ich sah zu, wie LaManche eine Kamera bei den Seitengriffen fasste und
sie über die Leiche hobund senkte, um sie zu fokussieren. Nachdem
er die Linse über einerder Wunden in der Stirn des Kindes scharf
gestellt hatte, drückteer auf den Auslöser. Ein weißes Rechteck glitt
heraus, LaManche zog es ganz aus dem Apparat und legte es zu denanderen
auf einen Beistelltisch.
Emily Annes Leiche zeigteSpuren der intensiven Bemühungen, ihr Leben
zu retten. Ihr Kopf warzum Teil bandagiert, aber ich konnte einen
transparenten Schlauchsehen, der aus ihrem Schädel herausragte und
den man ihr eingesetzthatte, um den Druck im Schädelinneren zu kontrollieren.
Außerdem hatten ihr dieÄrzte einen Trachealtubus über den Mund tief
in die Luftröhreeingeführt, um die Lunge mit Sauerstoff zu versorgen
und Erbrechen und dieAspiration des Mageninhalts zu verhindern. Kanülen
für intravenöseInfusionen steckten noch in ihren Hals-, Leisten-
und Oberschenkelgefäßen.Auf ihrer Brust klebten die weißen Ringe
für die EKG-Elektroden.
So eine hektischeIntervention, fast wie ein Überfall. Ich schloss
die Augen und spürte Tränenauf der Innenseite meiner Lider brennen.
Dann zwang ich mich, diekleine Leiche wieder anzusehen. Emily Anne
trug nichts als einIdentifikationsarmband aus Plastik. Neben ihr
lagen ein hellgrünerKrankenhauskittel, ein Bündel Kleider, ein pinkfarbener
Rucksack und knöchelhohe rote Turnschuhe.
Das grelle Neonlicht.Polierter Stahl und glänzende Fliesen. Die kalten,
sterilen chirurgischenInstrumente. Ein kleines Mädchen gehörte nicht
hierher.
Als ich hochsah, traf LaManches trauriger Blick den meinen. Obwohl
keiner von uns etwas zudem sagte, was da auf dem rostfreien Stahl
lag, wusste ich, was erdachte. Noch ein Kind. Noch eine Autopsie
in diesem Raum.
Ich kämpfte meine Gefühlenieder und berichtete kurz über die Fortschritte,
die ich bei meineneigenen Fällen machte; zwei Motorradfahrer, die
sich aus eigener Torheitselbst in die Luft gejagt hatten und deren
Leichen ich nun wiederzusammenzusetzen versuchte. Dann fragte ich
LaManche, wann die prämortalenmedizinischen Unterlagen der beiden
verfügbar seien, und erantwortete, die Akten seien bereits angefordert
und sollten am Montageintreffen.
Ich dankte ihm und kehrtezurück zu meiner eigenen grausigen Arbeit.
Während ich Gewebesortierte, dachte ich an das Gespräch mit LaManche
vom Tag zuvor undwünschte mir, ich wäre noch in den Wäldern von Virginia.
Hatte LaManchemich wirklich erst gestern angerufen? Zu dem Zeitpunkt
war Emily Anne noch amLeben.
So viel kann sich invierundzwanzig Stunden ändern.
© BlanvaletVerlag
Übersetzung: Klaus Berr
- Autor: Kathy Reichs
- 2000, 346 Seiten, Maße: 14,5 x 22,3 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 389667157X
- ISBN-13: 9783896671578
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Lasst Knochen sprechen".
Kommentar verfassen