Lob der Lüge
Lob der Lüge von Claudia Mayer
LESEPROBE
Wie wirlügen
Der kleineUnterschied:
Wie Frauen flunkern und Männer mogeln
DasKlischee ist jahrtausendealt: Frauen sind das verlogeneGeschlecht. Platon und Aristoteles halten Frauen von Natur aus fürverschlagen, hinterlistig und unehrlich", Nietzsche rät im Umgang mit demanderen Geschlecht nicht zuletzt deshalb zur Peitsche, weil dem Weibe nichtsfremder, widriger und feindlicher ist als Wahrheit", und der österreichischePhilosoph Otto Weininger glaubt, die Verlogenheitdes Weibes" sei organisch bedingt". Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sichdas natürlich nicht belegen, ganz im Gegenteil. In einer Untersuchung des LügenforschersPaul Ekman kamen Frauen auf 180 Lügen, Männer auf 220 Lügen pro Tag, wasallerdings auch auf die größere Anzahl sozialer Kontakte der Männerzurückzuführen sein könnte. Peter Stiegnitz, der fürsich selbst den Namen Mentiologe ", also sozusagen Lügologe", erfunden hat, nennt Männer gar dasschwache Geschlecht", wenn es um Stressbewältigung geht, und behauptet, dasssie aus diesem Grund auch um 20 Prozent mehr lügen als Frauen. Die meistenWissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass bei der Anzahl der Schwindeleienkein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht.
Anderssieht es bei der Art der Lügen aus. Im Gegensatz zu Männern schwindeln Frauenim Gespräch mit Unbekannten häufiger, um den anderen nicht vor den Kopf zu stoßen,bloßzustellen oder weil sie für gute Laune sorgen und das Wohlbefinden desGegenübers heben wollen. Ein gutes Beispiel für eine typisch weibliche Verhaltensweiseliefert eine Frau, die eigentlich perfekt Englisch spricht, aber dasgebrochene Gestammel ihres wenig fremdsprachenbegabten Gesprächspartners nicht versteht.Statt Ich verstehe kein Wort von dem, was Sie sagen. Soll das Englisch sein?"lügt sie und stellt dabei ihr Licht unter den Scheffel: Mein Englisch ist sehrschlecht, ich verstehe Sie leider nicht. Könnten Sie den Satz bitte noch einmalwiederholen?" Sie möchte so vermeiden, dass sich der andere dumm vorkommt oderdas Gefühl hat, sich lächerlich gemacht zu haben. Männer tendieren in so einemFall eher dazu, das Gegenüber auf seine Fehler hinzuweisen und ihre eigenenSprachkenntnisse damit hervorzuheben - wie sich der Gesprächspartner dabeifühlt, ist ihnen nicht so wichtig.
Aldert Vrij schildert in DetectingLies" eine Untersuchung der Psychologin Bella DePaulo.Die Amerikanerin ließ Probanden unter neunzehn Bildern zwei auswählen: eines,das ihnen besonders gut gefiel, ein zweites, das sie hässlich fanden. IhreAuswahl mussten sie ausführlich schriftlich begründen. Anschließend sollten siesich mit einer angeblichen Kunststudentin über die Bilder unterhalten, die, soerklärten die Versuchsleiter, einige der Kunstwerke selbst gemalt habe undnicht wisse, ob die Probanden ihr Werk gut fänden oder nicht. Die Kunststudentin"war in Wirklichkeit eine Assistentin der Untersuchungsleiterin und kannte dieMeinung der Probanden zu den Bildern sehr genau. In der Diskussion waren alleVersuchspersonen irgendwann gezwungen, mit der sympathischen Studentin überdasjenige Bild zu sprechen, welches sie am wenigsten mochten. Die Frauen äußertendabei viel mehr Positives über das Gemälde als die Männer, obwohl sie es kurzvorher ja noch verrissen hatten. Sie lobten dabei überschwänglich Aspekte des Bildes,die ihnen tatsächlich gefielen, also zum Beispiel die Auswahl der Farben. IhreKritik verschwiegen sie jedoch oder milderten sie ab. Aber auch beim Gespräch überdas Lieblingsbild des jeweiligen Probanden zeigte sich ein deutlicherUnterschied: Frauen lobten das Bild überschwänglicher als Männer. Der Schluss,den die Wissenschaftler aus diesem Experiment zogen, lautet: Frauen lügen eherfür andere, Männer für sich selbst.
Diesergeschlechtsspezifische Unterschied tritt schon bei Kindern auf. In einemVersuch der amerikanischen Psychologin Carolyn Saarnierhielten Mädchen und Jungen zwischen sieben und elf Jahren Geschenke, nachdemsie einem Erwachsenen bei einer Arbeit geholfen hatten. Bei den Belohnungenhandelte es sich um Süßigkeiten und Geld, was bei den Kindern gut ankam. Kurzdarauf wurden die jungen Probanden wieder um Hilfe gebeten. Dieses Mal gab manihnen langweilige Geschenke oder solche, die eigentlich für weitaus jüngereKinder gepasst hätten. Die Mädchen brachten daraufhin ihre Enttäuschung vielweniger deutlich zum Ausdruck als die Jungen. Viele reagierten sogar mitübertriebener Freude und Dankbarkeit auf das völlig unpassende Geschenk. Diesestypisch weibliche, auf andere ausgerichtete Lügenverhalten passt zu anderenErkenntnissen der psychologischen Forschung. Frauen gelten in Unterhaltungenals offener, vertraulicher und zugewandter als Männer, sie geben ihremGegenüber mehr positive und emotionale Rückmeldungen. Sie vermeiden etwas zusagen, das den anderen verletzen könnte, und schmeicheln ihm stattdessen. SowohlMänner als auch Frauen bevorzugen deshalb Gespräche mit Frauen, wenn es umPersönliches geht.
Dieweiblichen Flunkereien haben durchaus einen Sinn. Sie verhindern Aggressionenund Konflikte und stärken letztlich die Stabilität und den Zusammenhalt in einerGruppe. Nach Meinung mancher Evolutionsbiologen könnte das schon seit denAnfängen der Menschheit eine wichtige Aufgabe der Frau gewesen sein. Plakativausgedrückt, war ihrer Meinung nach der Ur-Mann zuständig für dieNahrungsbeschaffung und die Verteidigung seiner Familie, die Ur-Frau sorgte fürden Nachwuchs und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe. Dabei könnte esgeholfen haben, nicht immer bei der Wahrheit zu bleiben und den anderenmanchmal Honig ums Maul zu schmieren, um sie bei Laune zu halten.
TrotzEvolution und Emanzipation lügen Männer und Frauen also offenbar nach wie vorpassend zu den vorgegebenen Geschlechterrollen unserer Gesellschaft. Der Soziologeund Psychologe Stiegnitz stellt in seinem Buch DieLüge" eine Hitliste" für typische Frauen- und Männerlügen auf, die dieseindrucksvoll zu bestätigen scheint. Da sich Männer häufig über ihren Statusdefinieren, steht laut Stiegnitz an Platz eins derMänner-Lügenliste das Auto: So gibt es kaum einen Mann, der offen zugibt, nichtsvon seinem Auto zu verstehen, oder gar, dass er die Geschwindigkeitsbegrenzungen,wenn auch notgedrungen, oft einhält." Auf Platz zwei kommt der Job, der von Männern stets überbewertet" werde, die Bedeutung der eigenen Arbeit und die eigenePosition werden zum Teil drastisch überschätzt. Auf Platz drei der männlichenLieblingslügenliste findet sich die Freizeit": Es ist offensichtlich typischmännlich, sich als besonders aktiv und sportlich darzustellen, selbst wenn dieKondition gerade noch für einen Sprint zur U-Bahn ausreicht; faule Fernsehwochenendenauf der Couch werden dagegen verschwiegen. Frauen lügen laut Stiegnitz am häufigsten, wenn sie nach ihrem Gewichtgefragt werden, sie korrigieren es ebenso wie ihr Alter, das an zweiter Stelleder weiblichen Lügen-Hitliste steht, ein wenig nach unten - eine Reaktion aufden Schlankheits- und Jugendwahn unserer Zeit. Auf Platz drei sind Lügen,welche die eigene Treue betreffen. Männer scheinen bei diesem Thema ehrlicherzu sein, bei ihnen erreicht Treue" nur Platz vier. Auch dies spiegelt dasFrauen- und Männerbild unserer Gesellschaft wider, immer noch verzeiht manMännern Seitensprünge und Untreue eher als Frauen, darum gibt es auch weniger Gründefür sie, in diesem Bereich die Unwahrheit zu sagen. Auf Platz vier derweiblichen Lieblingslügen rangiert Einkaufen". Frauen geben im Freundes- undFamilienkreis oft einen niedrigeren Preis an, als sie in Wirklichkeit bezahlthaben, um sich selbst als geschickte Schnäppchenjägerin darzustellen.Besonders verbreitet ist diese Lüge bei berufstätigen Frauen mit relativ hohemEinkommen. Der Grund dieser typisch weiblichen Lüge", so Stiegnitz, ist das Erstürmen der letzten Männerbastion: die der,Wirtschaftlichkeit ."
© ListVerlag
- Autor: Claudia Mayer
- 2007, 272 Seiten, Maße: 0,1 x 0,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: List Hardcover
- ISBN-10: 3471795529
- ISBN-13: 9783471795521
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